TG und SV-Ortstermin

  • Erstaunlich, wie man immer wieder in Verlegenheit gebracht werden kann:

    In einem C-Verfahren ist nach einem Beweisbeschluss ein Sachverständiger bestellt worden zur Erstellung eines GA. Hierzu hat er zu einem Ortstermin geladen, zu dem der KV erschienen ist. Nach dem Gutachten ist die HS für erledigt erklärt worden, es erging ein Beschluss nach § 91a ZPO. Es hat kein Gerichtstermin stattgefunden, die Kosten trägt der Bekl. und die Nebenintervenientin (Vers.) zu gleichen Teilen. Man kloppt sich um die Terminsgebühr für den SV-Ortstermin.

    Hat jemand hierüber zufällig eine Entscheidung? Ohne glaubt man mir nix. :mad:

  • siehe KG vom 15.2.2007, 2 W 1/07:

    "die durch die Teilnahme des RA am Ortstermin des gerichtlichen SV entstandene Terminsgebühr (3104, Vorbm 3 Abs. 3) ist regelmäßig erstattungsfähig, ohne dass die Notwendigkeit der Terminsteilnahme besonderer Darlegung bedarf."

    in KGR Berlin, 2007, 469

  • Tja, danke hubi, aufgrund des klaren Wortlautes dachte ich auch, es ist eindeutig. Meine Nebenintervenientin sieht das aus mir unerfindlichen Gründen anders, wobei ich nicht weiß, ob sie eine Entscheidung kennt, die evtl. etwas anderes besagt. Man hatte telefonisch ausdrücklich eine Entscheidung erbeten, die ich (wohl wegen des eindeutigen Wortlauts) aber nicht habe.

    Edit:

    @ rakumi:

    Ebenfalls :2danke. Man hat halt doch nicht alles parat. Das sollte jetzt aber endgültig ausreichend sein.


  • Hat jemand hierüber zufällig eine Entscheidung? Ohne glaubt man mir nix. :mad:


    Man hatte telefonisch ausdrücklich eine Entscheidung erbeten, die ich (wohl wegen des eindeutigen Wortlauts) aber nicht habe.



    Was ich ja schon für eine Frechheit und eine bedenkliche Entwicklung halte. Siehe hier
    Schade, dass diese Problematik sich nicht nur an Gerichten, sondern auch bei den Beteilgten zeigt.

    Zur Sache: Ich würde auch festsetzen und fettich (wobei ich nicht damit sagen wollte, dass ich 13 für nicht entscheidungsfreudig halte. Das Gegenteil dürfte der Fall sein).

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Ich hätte auch nicht lange gefackelt, weil es über die Vorbemerkung nichts zu diskutieren gibt. Dass ich jedoch keine Entscheidung darüber hatte, wurmte mich natürlich. Dank rakumi habe ich meine Datei ja nun ergänzen können. Es war also auch etwas Eigennutz dabei... :oops:

    Bei eindeutiger Sach- und Rechtslage höre ich normalerweise nicht einmal groß an und semmele solche Einwände mit einem Satz weg.

    Im Übrigen kam die Bitte im Rahmen eines Telefonats, dass die Sachbearbeiterin noch BRAGO-Tante und der Chef langfristig erkrankt ist und sie sich besonders absichern wollte. Insoweit ist der Eindruck der Frechheit nicht ganz so zu sehen, wie es klingen mag. Die Dame war sehr nett und ebenso verunsichert. Es ist eher nicht so zu werten, dass sie die Vorbemerkung gegen eine Entscheidung ausspielen wollte.

  • Ich habe eine ergänzende Frage, die ich mir bisher nicht beantworten konnte:

    RA war beim Ortstermin des SV anwesend. Terminsgebühr ist unstreitig. Es geht um die Reisekosten.

    Berlin als politische Gemeinde ist ja sehr groß. Kläger kommt aus Berlin, Anwalt ist jedoch aus Brandenburg.

    Ortstermin ist in Berlin. Gegenseite wendet ein, Reisekosten wären nicht erstattungsfähig, da Anwalt am dritten Ort. Gilt das auch bei Ortsterminen eines SV? Mein Bauchgefühl sagt nein, da der Ortstermin ja auch sonst wo gewesen sein könnte.

    Hat jemand vielleicht einen Gedankenanstoß zum nachlesen, ob ich damit richtig oder falsch liege?

    Besten Dank!

  • Ich würde die Reisekosten nicht geben, da Reisekosten eines auswärtigen Anwalts bis zur Höhe derjenigen eines Anwalts mit Sitz am Sitz der Partei. Und das gilt für Gerichtstermine wie auch Ortstermine. Ich sehe da keinen Unterschied.

  • Mein Bauchgefühl sagt nein, da der Ortstermin ja auch sonst wo gewesen sein könnte.

    Zwei Vorschläge:

    KG, Beschluss vom 15.02.2007,2 W 1/07, NJOZ 2007, 4388 - hier geht es zwar nur um die Erstattungsfähigkeit der entsprechenden Terminsgebühr. Einige Aussagen ("Die erstattungsrechtliche Notwendigkeit der Teilnahme des mit der Prozessführung betrauten Anwalts am Ortstermin kann danach nur unter ganz besonderen Umständen, die

    diese Zwecke der Teilnahme als nicht gegeben erscheinen lassen, verneint werden.") dürften sich aber auch auf die Geschäftsreiseauslagen übertragen lassen.

    Nach Jaspersen, in: BeckOK ZPO, 42. Edition (Stand: 01.09.2021), § 91 Rn. 168 sollen die Reisekosten "eines außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalts zumindest für die Entfernung vom Gericht bis zur weitest entfernt liegenden Gerichtsbezirksgrenze stets zu erstatten" sein. Da Berlin ja wirklich sehr groß ist - vielleicht erübrigt sich das Problem auch durch eine entsprechende Vergleichsberechnung


    :)

  • Nachfrage an meinen Vorposter: Reisekosten innerhalb einer Gemeinde? (Bin zu lange raus aus dem Thema.)

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Nachfrage an meinen Vorposter: Reisekosten innerhalb einer Gemeinde? (Bin zu lange raus aus dem Thema.)

    Nee, dann wäre es ja gar keine Geschäftsreise im Sinne der Vorbem 7. Nur keine Beschränkung, wenn die Reisekosten innerhalb der betroffenen Gemeinde höher lägen könnten als die tatsächlichen. Wieder so eine Was-Wäre-Wenn-Geschichte wie bei der Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen...

  • Wie P. :daumenrau Denn auf den Zweck der Geschäftsreise i. S. d. Vorb. 7 Abs. 2 VV (ob Gerichts- oder Ortstermin) kommt es nicht an (N. Schneider in AnwK-RVG, 9. Aufl. 2021, Vorb. 7 VV Rn. 47; AG Zeitz, AGS 2019, 45). Es gilt daher in beiden Fällen die höchstrichterliche Rechtsprechung zur allgemeinen Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines auswärtigen RA.

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  • Wie P. :daumenrau Denn auf den Zweck der Geschäftsreise i. S. d. Vorb. 7 Abs. 2 VV (ob Gerichts- oder Ortstermin) kommt es nicht an (N. Schneider in AnwK-RVG, 9. Aufl. 2021, Vorb. 7 VV Rn. 47; AG Zeitz, AGS 2019, 45). ....

    Man kann sicher auch eine andere Auffassung vertreten, gerade wenn der Ortstermin weit entfernt vom Gericht stattfindet.

    Die Partei kann sich bei der Anwaltswahl am örtlich zuständigen Gericht orientieren, um die Reisekosten für die normalen Gerichtstermine möglichst gering zu halten.

    Hinsichtlich des nicht absehbaren und ggf. ganz woanders stattfindenden Ortstermin funktioniert das jedoch nicht. Da nach der o. g. Rechtsprechung des KG Berlin von der Notwendigkeit der Teilnahme des RA am Ortstermin auszugehen ist, muss man wohl auch die dadurch entstandenen Reisekosten als notwendig ansehen.

  • Die Partei kann sich bei der Anwaltswahl am örtlich zuständigen Gericht orientieren, um die Reisekosten für die normalen Gerichtstermine möglichst gering zu halten.


    Wieso am örtlich zuständigen Gericht orientieren? Der BGH gesteht (von wenigen Ausnahmen mal abgesehen) doch die Erstattung von Reisekosten des RA in der Nähe des Wohn-/Geschäftsortes der Partei zu.

    Hinsichtlich des nicht absehbaren und ggf. ganz woanders stattfindenden Ortstermin funktioniert das jedoch nicht. Da nach der o. g. Rechtsprechung des KG Berlin von der Notwendigkeit der Teilnahme des RA am Ortstermin auszugehen ist, muss man wohl auch die dadurch entstandenen Reisekosten als notwendig ansehen.


    Der Grundsatz, daß nicht notwendige (aber tatsächlich entstandene) Kosten erstattbar sind, weil durch sie andernfalls notwendige (fiktive, weil nicht entstandene) Kosten erspart wurden, wird dadurch ja nicht ausgehebelt. Wenn also absehbar die Ortsbesichtigung weit entfernt stattfinden wird und daher ex ante betrachtet die Beauftragung des RA daher im Ergebnis kostengünstiger ist, kann dieser Grundsatz greifen. Ist nicht absehbar, dass die Ortsbesichtigung weit entfernt stattfindet, gelten die allgemeinen Erstattungsregeln. Denn ein weiterer Grundsatz ist ja, daß für die Frage der Notwendigkeit kostenauslösender Maßnahmen der Sachverhalt ex ante und nicht ex post zu betrachten ist.

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  • Die Partei kann sich bei der Anwaltswahl am örtlich zuständigen Gericht orientieren, um die Reisekosten für die normalen Gerichtstermine möglichst gering zu halten.


    Wieso am örtlich zuständigen Gericht orientieren? Der BGH gesteht (von wenigen Ausnahmen mal abgesehen) doch die Erstattung von Reisekosten des RA in der Nähe des Wohn-/Geschäftsortes der Partei zu.

    ....


    Das ist richtig. Dennoch bleibt es der Partei unbenommen, zur Geringhaltung der anwaltlichen Reisekosten einen RA in der Nähe des Gerichts zu beauftragen.

  • Die Partei kann sich bei der Anwaltswahl am örtlich zuständigen Gericht orientieren, um die Reisekosten für die normalen Gerichtstermine möglichst gering zu halten.


    Wieso am örtlich zuständigen Gericht orientieren? Der BGH gesteht (von wenigen Ausnahmen mal abgesehen) doch die Erstattung von Reisekosten des RA in der Nähe des Wohn-/Geschäftsortes der Partei zu.

    ....


    Das ist richtig. Dennoch bleibt es der Partei unbenommen, zur Geringhaltung der anwaltlichen Reisekosten einen RA in der Nähe des Gerichts zu beauftragen.


    Nur, damit wir uns hier nicht "verrennen", weil die Diskussion sehr abstrakt verläuft: Was ist jetzt der konkrete Bezug zu dem Ausgangsfall (Kläger - vermutlich auch Gericht - und Ortstermin = Berlin, RA = Brandenburg) bzw. willst Du damit sagen? Denn im hiesigen konkreten Fall sind keine RK des auswärtigen RA zu erstatten, weil sie nach der Rspr. des BGH als nicht notwendig anzusehen sind (da innerhalb Berlins keine RK eines ortsansässigen RA entstanden wären).

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  • Wie P. :daumenrau Denn auf den Zweck der Geschäftsreise i. S. d. Vorb. 7 Abs. 2 VV (ob Gerichts- oder Ortstermin) kommt es nicht an (N. Schneider in AnwK-RVG, 9. Aufl. 2021, Vorb. 7 VV Rn. 47; AG Zeitz, AGS 2019, 45). Es gilt daher in beiden Fällen die höchstrichterliche Rechtsprechung zur allgemeinen Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines auswärtigen RA.

    Du hast den Sachverhalt gut erfasst. Es geht natürlich um ein Gericht in Berlin.

    Die von dir zitierte Quelle habe ich mir aus der Bibliothek angefordert, da ich sie online leider nicht einsehen kann.

    Ich habe die Reisekosten durch Beschluss bereits abgelehnt, genau aus der Begründung eines auswärtigen Anwalts und der Berlin-Problematik (Stadt=Land). Dagegen liegt mir jetzt die Erinnerung vor, daher wollte ich nochmal genauer nachlesen bzw. mir Input holen :)

  • Die von dir zitierte Quelle habe ich mir aus der Bibliothek angefordert, da ich sie online leider nicht einsehen kann.


    Die Entscheidung des AG Zeitz findest Du z. B. hier.

    An der zitierten Literaturstelle wird ausgeführt, daß es auf den Zweck der Geschäftsreise nicht ankomme. Zu vergüten seien sämtliche Reisen, sofern sie der RA zur sachgerechten Wahrnehmung des Mandats für erforderlich halten durfte (§ 670 BGB), also insbesondere Fahrten zu Gerichtsterminen, zu Ortsbesichtigungen (mit Verweis aufs AG Zeitz) usw.

    Zwischen der Entstehung und Erstattung ist aber wie üblich zu differenzieren. Und hier tritt die Besonderheit Berlins zu Tage, wonach selbst bei großen Entfernungen mangels Geschäftsreise (Überschreiten der politischen Gemeindegrenze) der RA - anders übrigens als die Partei selbst (LG Berlin, AGS 2008, 515) - keine Reisekosten verlangen kann (N. Schneider, a.a.O., Rn. 43).

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