Erlöschen der Verwandschaftsverhältnisse infolge Adoption in der DDR im Jahr 1960 ???

  • Hallo liebe Forums-Mitglieder,

    ich habe folgenden verzwickten Fall, bei dem ich auch nach sehr ausführlicher Recherche, u.a. hier im Forum, zu keinem Ergebnis gekommen bin und somit auf Eure Hilfe hoffe!

    Erblasser X verstarb Anfang 2007.
    Verfügung von Todes wegen ist nicht vorhanden --> Gesetzliche Erbfolge:

    Er hat keine Kinder --> keine Erben der 1. Ordnung.

    Sein Vater Y ist vorverstorben.
    Y hat ein nichteheliches Kind Z, geb. am 21.09.1945 in der DDR, das durch Eheschließung nach DDR-Recht als ehelich legitmiert wurde.

    Dieses Kind Z wurde am 04.11.1960, also minderjährig, vom zweiten Ehemann der Mutter in Potsdam (DDR) adoptiert.

    Ich bin trotz sehr umfangreicher Recherche auf kein Ergebnis gekommen, ob also infolge der Adoption nach DDR-Recht die Verwandschaft des Kindes Z zum Vater Y erloschen ist und ihm nun nach seinem (Halb-)Bruder X kein Erbrecht mehr zusteht.

    Für eventuelle Lösungsvorschläge bzw. Denkanstöße wäre ich sehr dankbar.

    P.S.: Die beiden Threads Auswirkungen einer DDR-Adoption 1948 und Adoption 1952 in der ehemaligen DDR bringen mich in diesem Zusammenhang irgendwie auch nicht weiter.

  • Mir sind die Verwandtschaftsverhältnisse noch nicht vollkommen klar.

    Wann ist der Erblasser X geboren und war er ein eheliches oder ein nichteheliches Kind von Mutter M und Vater Y?

    Wann ist Vater Y vorverstorben und mit welchem letzten gewöhnlichen Aufenthalt?
    Hat er noch noch weitere Abkömmlinge hinterlassen?

    Lebt die Mutter des Erblassers noch?
    Falls nein: Hat sie weitere Abkömmlinge hinterlassen?

    Handelt es sich bei der Mutter des Erblassers und der Mutter von Z um die gleiche Person, sodass Z vom Stiefvater des Erblassers X adoptiert wurde?

    Ist die Legitimation von Z gesicherte rechtliche Tatsache?

    Welche gesetzliche Erbfolge würde (a) mit und (b) ohne Berücksichtigung des Z eintreten?



  • Vater Y war in erster Ehe verheiratet. Das Kind Z ist vor dieser Heirat geboren. Es liegt ein Beschluss des AG Potsdam vor, aus dem sich ergibt, dass durch die Eheschließung von Vater Y und Mutter (1. Ehefrau) Kind Z die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes erlangt hat.

    Nach Scheidung der 1. Ehe hat Vater Y M geheiratet, mit der er die oben genannten drei Kinder hat.

    Die 1. Ehefrau des Y und Mutter von Z hat nach der Scheidung ebenfalls neu geheiratet und dieser neue Mann hat Z an Kindes statt angenommen.

    Gesetzliche Erbfolge mit Z: Mutter M 1/2, leibliche Schwester aus zweiter Ehe 1/6, weitere leibliche Schwester 1/6 und Z 1/6.

    Gesetzliche Erbfolge ohne Z: Mutter M 1/2, zwei leibliche Schwestern jeweils 1/4.

    Vielen Dank juris, dass Du Dich meines Problemes annimmst. :daumenrau

  • Die im Jahre 1960 in Potsdam ausgesprochene Adoption kann nur nach den Bestimmungen der am 1.1.1957 in Kraft getretenen DDR-Verordnung vom 29.11.1956 (GBl. I, 1326) über die Annahme an Kindes Statt erfolgt sein. Mit dieser VO wurden die adoptionsrechtlichen Vorschriften des BGB vollständig aufgehoben, sodass diesen BGB-Vorschriften im Hinblick auf die eingetretenen Wirkungen der erfolgten Adoption keine Bedeutung mehr zukommen konnte. Damit hatte die im Jahr 1960 erfolgte Adoption die in der genannten VO normierten "starken" Wirkungen. Die nach der VO vom 29.11.1956 erfolgten Adoptionen wurden durch § 2 DDR-EGFGB in das neue Recht des DDR-FGB übergeleitet. Hieraus folgt, dass das Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinem leiblichen Vater und allen väterlichen Verwandten als Angehörige der aufsteigenden Linie durch die Stiefvateradoption erlosch (§ 73 Abs.1 DDR-FGB), während er mit seiner leiblichen Mutter und deren Verwandten verwandt blieb (§ 73 Abs.2 S.1 DDR-FGB; insoweit übereinstimmend mit § 1755 Abs.2 BGB). Damit war Z im Verhältnis zu seinem leiblichen Vater und im Verhältnis zu allen väterlichen Verwandten (also auch im Vehältnis zu X) jedenfalls bis zum 3.10.1990 nicht erbberechtigt.

    An dieser Rechtslage hat sich durch den Einigungsvertrag nichts geändert, weil Art.234 § 13 Abs.1 S.1 EGBGB die DDR-Adoptionen zwar grundsätzlich in das Recht des BGB überleitete, insoweit aber gerade § 1756 BGB von der Anwendbarkeit ausschloss, weil nach § 73 DDR-FGB erloschene Verwandtschaftsverhältnisse nicht wieder aufleben sollten (Palandt/Diederichsen Art.234 § 13 EGBGB RdNrn.6, 7; Adlerstein/Wagenitz FamRZ 1990, 1169, 1177). Damit konnte es über § 1756 Abs.2 BGB i.d.F. vor dem am 1.7.1998 erfolgten In-Kraft-Treten des KindRG auch nicht dazu kommen, dass Z mit den Verwandten seines leiblichen Vaters wieder verwandt (und insoweit auch erbberechtigt) wurde. Dies gilt umso mehr, als § 1756 Abs.2 BGB a.F. selbst für den Fall seiner (durch Art.234 § 13 Abs.1 S.1 EGBGB ausgeschlossenen) Anwendbarkeit nicht zu einem Wiederaufleben der Verwandtschaftsverhältnisse zu den Verwandten des leiblichen Vaters (und zu einem entsprechenden Erbrecht) geführt hätte, weil die Ehe der Mutter von Z nicht durch das Ableben des Vaters Y, sondern durch Scheidung aufgelöst worden war:

    § 1756 Abs.2 BGB a.F., gültig bis zum 30.6.1998:
    Nimmt ein Ehegatte das eheliche Kind seines Ehegatten an, dessen frühere Ehe durch Tod aufgelöst ist, so tritt das Erlöschen nicht im Verhältnis zu den Verwandten des verstorbenen Elternteils ein.

    Damit bleibt es dabei, dass Z im Verhältnis zum Erblasser X nicht erbberechtigt ist. X ist demzufolge kraft Gesetzes von seiner Mutter zu 1/2 und seinen beiden vollbürtigen Geschwistern zu je 1/4 beerbt worden.

  • Gibt es eigentlich irgendwo eine Stelle im Internet, wo man die DDR-Gesetzblätter aufrufen kann ?

    Ich hatte heute morgen nach der am 1.1.1957 in Kraft getretenen DDR-Verordnung vom 29.11.1956 (GBl. I, 1326) gesucht. Das Einzige, was ich gefunden habe, war ein Angebot, das für 8 EUR herunterzuladen. Das war mir dann doch ein bisschen viel... :teufel:

  • Die Rechtsauffassung von juris2112 findet sich übrigens auch in einem Urteil des OLG Jena vom 26. 11. 2003 - 2 U 568/03 (in beck-online abrufbar unter OLG-NL 2004, 19).
    Es ging darin um eine Adoption durch die Großeltern im Jahr 1958.

    Leitsatz:
    Mit der Annahme an Kindes Statt erlöschen nach dem Recht der DDR spätestens seit der VO vom 29. 11. 1956 die Beziehungen zu den leiblichen Verwandten aufsteigender Linie.

    Aus den Entscheidungsgründen:
    Ausdrücklich ordnete § 73 FGB an, dass die Annahme an Kindes Statt zum Erlöschen aller Rechte und Pflichten aus dem Verhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Verwandten aufsteigender Linie erlöschen führt.

    Nun war im Zeitpunkt der Annahme des Klägers das FGB von 1964 noch nicht in Kraft. Dies ist indes unschädlich, weil die Annahme des Klägers auf der Grundlage der Verordnung über die Annahme an Kindes Statt vom 29. 11. 1956 (Gesetzblatt der DDR, Teil I, 1956, S. 1326ff.) erfolgte. Auch diese Vorschrift, die die weitere Fassung des bis dahin gültigen BGB ersetzte, beschränkte in § 2 Abs. 1 die Annahme auf Minderjährige. Adoptionen auf dieser Grundlage wurden in der Folgezeit gemäß § 2 des Einführungsgesetzes zum Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. 12. 1965 (Gesetzblatt der DDR 1965, Teil I, S. 19ff.) den Rechtsfolgen des FGB, also auch § 73 FGB, unterworfen worden. Damit erstrecken sich die Wirkungen des Art. 234 § 13 Abs. 1 EGBGB auch auf die Adoption des Klägers (vgl. Lüderitz a.a.O.). Damit sind aufgrund der Adoption vom 26. 3. 1958 im vorliegenden Fall die Beziehungen des Klägers zu seinen natürlichen Verwandten erloschen.

    Hieran sollte nach dem Beitritt ersichtlich nichts geändert werden (BR-Drucks. 11/7817, S. 45ff.). Das Überleitungsrecht beschränkte sich darauf, ein auf Grund des Rechtswechsels mögliches Wiederaufleben von Rechten und Pflichten zu vermeiden (Adlerstein/Wagenitz, FamRZ 1990, S. 169ff.). Die nach dem FGB erloschenen Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis sollten im Interesse des Vertrauensschutzes nicht mit der Überleitung wieder aufleben (Art. 234, § 13
    Abs. 1 S. 1 EGBGB).

  • Der vorliegende Fall liegt allerdings etwas anders, weil es sich um einen Sachverhalt der Stiefvateradoption handelt, sodass es im Gegensatz zu der Entscheidung des OLG Jena darauf ankommt, dass Art.234 § 13 Abs.1 S.1 EGBGB die Anwendbarkeit des § 1756 Abs.2 BGB ausschließt, während es im Fall des OLG Jena um die Nichtanwendbarkeit des § 1756 Abs.1 BGB ging.

    Ob das OLG Jena den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend entschieden hat, erscheint mir übrigens durchaus fraglich. Denn dem Erlöschen der Verwandtschaft zu den leiblichen Verwandten nach § 73 Abs.1 DDR-FGB steht ja andererseits die Neubegründung der Verwandtschaftsverhältnisse zu den Verwandten der Annehmenden nach § 72 Abs.1 DDR-FGB gegenüber (zur analogen Rechtsfrage im Anwendungsbereich der §§ 1756 Abs.1, 1925 Abs.4 BGB vgl. den von Club-Fan eröffneten Nachlass-Thread "Adoption" und dort meine Stellungnahme in #19). Es ist also nicht mit der Feststellung getan, welche verwandtschaftsrechtlichen Erlöschenswirkungen durch die Adoption eingetreten sind, sondern es ist darüber hinaus zu prüfen, welche neuen Verwandtschaftsverhältnisse durch die Adoption begründet wurden. Und wenn die Eltern der leiblichen Mutter ihren Enkel adoptieren, dann wird aus der leiblichen Mutter im Rechtssinne die Schwester des Enkels und als solche ist sie in der zweiten Erbordnung natürlich gesetzlich erbberechtigt (und umgekehrt).

  • Danke an Euch beide, vor allem an juris :huldigen:, Du hast mir mit Deiner wie immer sehr umfangreichen Antwort sehr gut weitergeholfen und mich in meiner ursprünglichen Meinung unterstützt. :daumenrau :daumenrau :daumenrau

    Mir ist allerdings beim Studium der Akte noch folgendes Problem (?) :confused: aufgefallen:
    Z wurde mit Beschluss des AG Potsdam vom Juli 1946 für ehelich erklärt.

    Bei der Adotion des Z durch den zweiten Ehemann der Mutter M ergibt sich aus der mir vorliegenden Urkunde des Rates der Stadt Potsdam, Referat Jugendhilfe, keine Zustimmung des leiblichen Vaters.

    Diese Zustimmung ist aber nach § 69 Abs. 1 FGB-DDR erforderlich, um eine wirksame Adoption zu erreichen. Zumindest gehe ich aktuell davon aus, dass der Vater infolge des Beschlusses zur Ehelicherklärung auch das Erziehungsrecht erlangt hat?

    Da ich, wie schon raico in #5 erwähnt hat, auch keine Zugriff auf die DDR-Verordnung vom 29.11.1956 (GBl. I, 1326) habe :mad:, weiß ich nicht ob zum Zeitpunkt der Adoption im Jahr 1960 vielleicht etwas anderes galt.

    Für eine Hilfe wäre ich super dankbar, weil mich dieses Verfahren bald zum Verzweifeln bringt.

    Es wurde nämlich nach aktuellem Stand durch meinen Vorgänger im Jahre 1991 die Erbfolge nach Vater Y falsch festgestellt (Z wurde damals als Erbe festgestellt), wodurch wahrscheinlich noch ne Menge Arbeit auf mich zukommt ... :mad:
    Der Kollege hat sich auf eine Abstammungsurkunde des Z verlassen, in der der leibliche Vater Y noch als Vater ausgewiesen war und die den Zusatz enthält, dass Z durch den Ehemann der Mutter an Kindes statt angenommen wurde. Eine eingehende Prüfung wurde deshalb offensichtlich nicht angestellt.

  • Ob die Einwilligung des leiblichen Vaters nach damaligem Recht nicht erforderlich war oder ob die Adoption ohne die erforderliche Einwilligung des Vaters erfolgte, dürfte wegen Art.234 § 13 Abs.6 EGBGB irrelevant sein, weil ein denkbarer Aufhebungsantrag nur binnen drei Jahren nach dem erfolgten Beitritt hätte gestellt werden können und das betreffende Antragsrecht daher längst verfristet ist.

    Der Erbschein nach Vater Y ist nach § 2361 Abs.1 BGB wegen ursprünglicher Unrichtigkeit einzuziehen, weil Z im Verhältnis zu seinem leiblichen Vater Y nicht mehr gesetzlich erbberechtigt war. Der Kollege hat hier wahrscheinlich den Fehler begangen, nicht in ausreichender Weise zwischen Abstammungsurkunde und Geburtsurkunde zu unterscheiden. In ersterer sind sowohl die leiblichen Eltern als auch die Adoption ver-merkt, während in letzterer nur die Adoptiveltern genannt sind. Wie bereits das Wort "Abstammungs"urkunde belegt, ist mit der in ihr erfolgenden Angabe der leiblichen Eltern keine Entscheidung darüber verbunden, ob die leiblichen Eltern (hier: ein leiblicher Elternteil) noch mit dem Angenommenen im Rechtssinne verwandt sind (ist) und ob demzufolge ein wechselseitiges Erbrecht besteht.

  • Im Übrigen hätte ich auch Zweifel, ob wir als Nachlassgericht nach 50 Jahren prüfen müssen, ob die Voraussetzungen einer Adoption vorlagen. Diese Prüfung oblag der Stelle, welche die Adoption ausgesprochen hat.

    Zum Rechtszustand nach FGB (vgl. MüKo Rdnr. 2 zu Art. 234 EGBGB):
    Die Annahme wurde durch das Organ der Jugendhilfe (Vormundschaftsrat bei den Referaten Jugendhilfe der Räte, der Kreise, Stadtkreise und Stadtbezirke) ausgesprochen (§ 68 Abs. 1 FGB).
    Auf Antrag der leiblichen Eltern konnte die Adoption durch gerichtlichen Beschluss aufgehoben werden, wenn eine erforderliche Einwilligung nicht eingeholt wurde oder aus den in § 70 Abs. 2 Alt. 1, 3 FGB genannten Gründen nicht eingeholt zu werden brauchte und die Aufhebung dem Wohl des Kindes entsprach (§ 74 FGB).

    Umkehrschluss:
    Die Adoption war wirksam, auch wenn eine Einwilligung fehlte.

    Dabei muss ich davon ausgehen, dass die vor Inkrafttreten des FGB geltende Rechtslage ähnlich war, da ich hierüber keine Unterlagen habe. MüKo sagt nur: Die Vorschriften des FGB zur Adoption gehen auf die VO über die Annahme an Kindes Statt vom 29. 11. 1956 (GBl. DDR I S. 1326) zurück.

  • Ich möchte mich bei Euch beiden, insbesondere bei juris2112, recht herzlich für die Mithilfe und die Lösung dieses nachlassrechtlichen Problems bedanken. :beifallkl:2danke
    Ich habe mir inzwischen von einem Kollegen aus den "neuen Ländern" die Verordnung zufaxen lassen und habe sie nun auch endlich vorliegen. :daumenrau

    Danke nochmal.

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