WEG-Reform, Entwurf vom 9.3.2006

  • Auf der Website des Deutschen Notarinstituts (http://www.dnoti.de) kann der Regierungsentwurf zur WEG-Reform gelesen werden (Stand 9.März 2006).
    Der Entwurf enthält, wie auchbereits sein Vorgänger, u.a. die Einschränkung des Zustimmungserfordernisses von Grundpfandrechtsgläubigern und eine Öffnungsklausel für die Erstellung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen (durch öffentlich bestellte Sachverständige !).

  • Nachfolgend die Stellungnahme des BDR Bund vom 06.06.06 Teil I

    Sehr geehrter Herr Schmidt,
    sehr geehrte Damen und Herren des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages,

    der Bund Deutscher Rechtspfleger ist zwar zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze im vorigen Jahr gehört worden und hat auch am 9. Dezember 2004 eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben.

    Da aber insbesondere die Anregung zur Einführung eines Zentralgrundbuches nicht umgesetzt werden sollen und wir die Ablehnung nicht für überzeugend halten, erlauben wir uns, zu dem Gesetzentwurf Ihnen gegenüber nochmals ausführlich Stellung zu nehmen.

    Wir bitten Sie sehr herzlich, die Ausführungen zum Zentralgrundbuch und die Beschlusssammlung des Verwalters positiv zur Kenntnis zu nehmen und umzusetzen.


    Für persönliche Erläuterungen stehen wir gerne zur Verfügung.


    Der Bund Deutscher Rechtspfleger nimmt zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze – Stand 09.03.2006 -, zur Äußerung des Bundesrates vom 8. Juli 2005 und zur Gegenäußerung der Bundesregierung - Drucksache 16/887 - wie folgt Stellung:

    Der Bund Deutscher Rechtspfleger begrüßt das Ziel des Entwurfes, die Willensbildung der Wohnungseigentümer zu erleichtern und die Informationsmöglichkeiten über Beschlüsse der Wohnungseigentümer zu verbessern ohne die Grundbuchgerichte zu belasten, die Gerichtsverfahren durch Erstreckung der Vorschriften der Zivilprozessordnung auf Verfahren in Wohnungseigentumssachen zu harmonisieren und die Stellung der Wohnungseigentümer bei der Geltendmachung von Hausgeldforderungen in der Zwangsversteigerung zu stärken.

    Der Bund Deutscher Rechtspfleger fordert weiterhin die Einführung des sog. Zentralgrundbuches. Eine realistische Möglichkeit zur Kompensation etwaig anfallender Mehrarbeit. Die mannigfaltigen Vorteile eines Zentralgrundbuches sind ausführlich dargestellt worden (vgl. von Oefele WE 2002, 196; Schneider Rpfleger 2003, 70) und sollen hier nicht noch einmal wiederholt werden. Sie sind allseits unbestritten (vgl. in der Literatur Kreuzer ZWE 2003, 145, 153 f.; Armbrüster DNotZ 2003, 493, 514; ders. ZWE 2003, 355, 360; Häublein in Köhler/Bassenge Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht 2004, Teil 12 Rdnr. 76; Wenzel zit. nach Deckert NZM 2004, 91; Mühttp://nchKomm.BGB/Commichau 2004, § 7 Rdnr. 14 ff. WEG; Weitnauer 9. Aufl. Vorwort VI; vgl. für die betroffenen Verbände der Wohnungswirtschaft die Stellungnahme des BfW, WE 2002, 61; die Stellungnahme der Bundesnotarkammer ZWE 2003, 346, 354 f.; den einstimmigen Beschluss des Deutschen Rechtspflegertages im Oktober 2004 n.v.)!

    Es liegen Berechnungen zum Einsparpotential vor (von Oefele/Schneider DNotZ 2004, 740 ff.), die einen Verzicht auf die Einführung des Zentralgrundbuches gerade in Zeiten knapper Haushaltsmittel als nicht vertretbar erscheinen lassen. Die Vorschläge zur konkreten Umsetzung (aaO) widerlegen zudem die Besorgnis, die Einheitlichkeit des geltenden Rechts könnte aufgegeben werden. Der in der Begründung des Entwurfes vorgebrachte Hinweis auf Arbeiten des Bundes und der Länder zur Änderung der Darstellungsform des Grundbuchs und zur Einführung einer verbesserten Datenhaltung für das maschinelle Grundbuch erwähnt nicht, dass ein solches Datenbankgrundbuch frühestens für das Jahr 2011 avisiert ist. Eine sofortige Einführung eines Zentralgrundbuchs stellt auch auf die Dauer von nur fünf Jahren eine erhebliche Entlastung der Grundbuchgerichte dar. Letztlich kann aber auch die Datenhaltung mittels Datenbanken nicht den für das Wohnungseigentumsrecht typischen Dualismus von Angaben zum Grundstück und zur Gemeinschaft einerseits und solchen zum individuellen Eigentumsbereich andererseits beseitigen.


    Sachgerecht wäre daher eine mit der Reform jetzt erfolgende Einführung des Zentralgrundbuches, die noch dazu weitestgehend ohne zusätzlichen Aufwand mit den derzeit vorhandenen Mitteln betrieben werden könnte. Dadurch könnte zudem eine bis zur Umstellung auf das Datenbankgrundbuch anfallende millionenfache Produktion weiterer Datensätze vermieden werden, die ansonsten später überflüssigerweise umgeschrieben werden müssten. Derbis zur Einführung datenbankgestützter Systeme verbleibende Zeitraum könnte stattdessen für die Berücksichtigung der vorgenannten wohnungseigentumsrechtlichen Strukturen in den Entwurfsarbeiten genutzt werden; nach den gegenwärtigen Erkenntnissen ist dies bisher noch nicht geschehen. Erfahrungsgemäß dürften sich die Arbeiten jedoch über den avisierten Zeitpunkt hinaus erstrecken. Vielleicht könnte auch ein Blick über die Grenze zu unseren österreichischen Nachbarn helfen, die beim Gesetzgeber offenbar bestehenden Vorbehalte gegenüber einer Einführung des Zentralgrundbuches zum jetzigen Zeitpunkt zu zerstreuen.




    Die mit der Novellierung des WEG`s angestrebte außergrundbuchliche Erstreckungswirkung für vereinbarungs- und gesetzesändernde Beschlüsse verbunden mit der Einführung einer vom Verwalter geführten Beschluss-Sammlung, an deren Einsichtnahme sich Rechtsfolgen knüpfen, sollte dagegen nach der von uns weiterhin vertretenen Meinung aufgegeben werden. Stattdessen sollte es bei der schon heute vorherrschenden Auffassung zur Eintragungsfähigkeit und -bedürftigkeit solcher Beschlüsse in analoger Anwendung des § 10 Abs. 2 WEG verbleiben, wenn sie durch eine diesbezügliche Öffnungsklausel legitimiert sind.

  • Teil II

    Zu einzelnen Neuregelungen:

    § 5 Abs. 4 WEG (neu):

    Der Entwurf sieht in § 5 Abs. 4 WEG (neu) eine Beschränkung der bisher bestehenden Zustimmungserfordernisse für dinglich Berechtigte vor (vgl. §§ 876, 877 BGB). Die Neuregelung ist im Grundsatz zu begrüßen, trägt sie doch zur Erleichterung der in der Grundbuchpraxis oft sehr schwerfälligen und aufwändigen Verfahren zur Änderung von Vereinbarungen bei.



    Schwierigkeiten sehen wir jedoch bei Satz 3. In dem in der Begründung aufgeführten Beispiel „Verteilung von Stellplätzen am gemeinschaftlichen Parkplatz“ wird ein Zustimmungserfordernis für einen Dritten zu Recht verneint. In weniger eindeutigen Fällen, wenn zur Umgehung des Zustimmungserfordernisses des Dritten das zu seinen Gunsten belastete Wohnungsrecht mit einem geringwertigen Sondernutzungsrecht (im Beispiel der Entwurfsbegründung erhält ein Miteigentümer nur einen Fahrrad- und keinen Kfz-Stellplatz) verbunden wird, könnte er durchaus wesentlich benachteiligt sein. Wir sehen deswegen die Gefahr, dass eine beachtliche Zahl von Streitigkeiten auf die Prozessgerichte zukommen werden und dass bei den Grundbuchgerichten unsichere Rechtslagen weitere Aufklärungsarbeit erfordern und zu deutlicher Mehrarbeit führen werden. Das von Bundesregierung und Bundesrat erstrebte Ziel der Vereinfachung des Verfahrens, der Entbürokratisierung und der Entlastung der Gerichte wird durch Satz 3 nicht erreicht sondern verhindert. Wir schlagen vor, Satz 3 von § 5 Abs. 4 WEG (neu) ersatzlos zu streichen.


    § 7 Abs. 4 WEG ( neu )

    Aufteilungsplan und Abgeschlossenheitsbescheinigung in der bisherigen Form sind, entgegen der Meinung des Bundesrates, auch nach hiesiger Auffassung nicht verzichtbar. Der Vorschlag des Bundesrates führt aus den von der Bundesregierung aufgezeigten Gründen eindeutig zu einer weiteren Belastung des Grundbuchgerichts.


    § 10 WEG (neu):

    Die von der Bundesregierung auf Bitte des Bundesrates und unter Berücksichtigung des Beschlusses der V. Zivilsenates des BGH vom 2. Juni 2005 normierte Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wird ausdrücklich begrüßt. Die Gerichte, insbesondere die Grundbuchgerichte, werden entlastet und das Wohnungseigentumsrecht praktikabler gestaltet. Den mit der Normierung der Teilrechtsfähigkeit verbundenen weiteren Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes wird zugestimmt.


    § 12 Abs. 4 WEG ( neu )

    Gegen die beabsichtigte Erleichterung zur Aufhebung von vereinbarten Veräußerungsbeschränkungen gemäß § 12 WEG bestehen keine Bedenken.



    § 24 Abs. 7 und 8 (neu):

    Nach den vorgesehenen Neuregelungen soll der WEG-Verwalter künftig zur Führung einer Beschluss-Sammlung verpflichtet sein. Mit der ordnungsgemäßen und insbesondere vollständigen Führung der Beschluss-Sammlung sollen nach dem Referentenentwurf Rechtswirkungen verknüpft sein, die über eine bloße schon bisher gekannte Dokumentation von Versammlungsniederschriften der Wohnungseigentümer hinausgehen. Nach den Vorstellungen des Entwurfes sollen vereinbarungs- bzw. gesetzesändernde Beschlüsse der Wohnungseigentümer einem Sondernachfolger gegenüber unwirksam sein, wenn sie bei dessen Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung dort nicht aufgenommen sind und sie ihm auch nicht anderweitig bekannt sind. Zu diesem Zweck kommt der Dokumentation der Einsichtnahme besondere Bedeutung zu.



    Aus der Begründung des Entwurfes ergibt sich weiterhin, dass demgegenüber eine Grundbucheintragung vereinbarungs- bzw. gesetzesändernder Beschlüsse zum Zwecke der Bindung eines Sondernachfolgers an Regelungen der Wohnungseigentümer in analoger Anwendung des § 10 Abs. 2 WEG nicht gewünscht ist. Infolgedessen wird in § 10 Abs. 3 S. 2 WEG (neu) die fehlende Eintragungsbedürftigkeit solcher Beschlüsse ausdrücklich normiert.

    Die mit dem vorliegenden Entwurf angestrebte Regelung erscheint jedoch nicht geeignet, in dem genannten Bereich eine außergrundbuchliche Erstreckungswirkung gegenüber einem Sondernachfolger im Eigentum verlässlich zu gestalten. Sie wirft im Gegenteil eine Reihe von Fragen auf, die die Problematik des jetzt eingeschlagenen Weges deutlich zu Tage treten lassen:




    1. Wohnungseigentumsrechtliche Öffnungsklauseln können unter bestimmten Voraussetzungen mehrheitliche Beschlussfassungen im vereinbarungs- oder gesetzesändernden Bereich gestatten. Die h.M. im Schrifttum (vgl. die Nachweise bei v.Oefele/Schneider DNotZ 2004, 740 f. Fn. 5) kann auf gewichtige Argumente verweisen, wenn sie für solche Beschlüsse zur Erlangung der Bindungswirkung gegenüber einem Sondernachfolger die Eintragung in das Grundbuch fordert. Sie stützt sich dabei zu Recht auf die analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 WEG (vgl. jüngst Wenzel ZWE 2004, 130, 135 ff. mwN).



    Demgegenüber ordnet der Referentenentwurf solchermaßen gefasste Beschlüsse dem Regelungsbereich des § 10 Abs. 3 WEG zu. Danach würden vereinbarungs- oder gesetzesändernde Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegenüber einem Sondernachfolger nicht der Eintragung in das Grundbuch bedürfen.




    Eine solche Zuordnung erscheint jedoch systemfremd. Sie ignoriert die Erkenntnisse der nach der sog. „Jahrhundertentscheidung“ (BGH vom 20.09.2000, ZMR 2000, 771 ff.) in den letzten Jahren geführten Diskussion und stellt für denselben Vorgang (Änderung der Gemeinschaftsordnung) zwei sich unterschiedlich darstellende und wirkende Wege zur Verfügung. Dabei lässt sich die außergrundbuchliche Erstreckungswirkung gerade nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, dass der von § 10 Abs. 2 angestrebte Schutzzweck hinsichtlich des Sondernachfolgers durch dessen Möglichkeit zur Einsichtnahme in die jetzt zwingend vorgeschriebene Beschluss-Sammlung gewährleistet werden kann.Abgesehen von Unzulänglichkeiten bei der Einsichtnahme (dazu unten) wird nämlich übersehen, dass die in § 10 Abs. 2 WEG vorgesehene Grundbucheintragung nicht nur dem Schutz des Erwerbers, sondern auch dem Schutz der Wohnungseigentümergemeinschaft vor einem „Wegerwerb“ nicht eingetragener Regelungen des Gemeinschaftsverhältnisses dient (vgl. Bärmann/Pick/Merle 9. Aufl. § 23 Rdnr. 20 mwN). Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, vermag aber die Anknüpfung an § 10 Abs. 3 WEG dies gerade nicht zu leisten.




    2. Während die o.g. BGH-Entscheidung noch wesentlich auf eine Stärkung der Grundbuchpublizität bedacht war, weist der Referentenentwurf den entgegengesetzten Weg. Es bedarf keiner Prophetie, um angesichts der in der Rechtsprechung ganz überwiegend anerkannten Möglichkeit umfassender Öffnungsklauseln (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2004, 284 mit Anm. Schneider und dort die Nachweise Fn. 6) die weitere Entwicklung in diesem Bereich abzusehen. So werden schon heute in neuen Teilungserklärungen regelmäßig umfassende Öffnungsklauseln zur Erhaltung größtmöglicher Flexibilität der Eigentümergemeinschaft hinsichtlich künftiger Veränderungen aufgenommen. Nach der erstmaligen Grundbucheintragung der Gemeinschaftsordnung mit einer solchen allgemeinen Öffnungsklausel darf erwartet werden, dass spätere Veränderungen nur noch im „privaten“ Bereich der Beschluss-Sammlung abgewickelt werden. Neben der leichter realisierbaren Möglichkeit mehrheitlich beschlossener Regelungen spricht für die Nichtanwendung des § 10 Abs. 2 WEG auch die damit verbundene Zeit- und Kostenersparnis. Das gesetzliche Regel- und Ausnahmeverhältnis im Bereich des § 10 WEG (Grundbucheintragung für Satzungsänderungen; keine Grundbucheintragung von subalternen Verwaltungsregelungen) verkehrt sich damit ins Gegenteil. Die Parallele zur früheren - vom BGH in seiner „Jahrhundertentscheidung“ verworfenen - Zitterbeschlusspraxis ist evident.




    3. Der Grundbucheintragung der Gemeinschaftsordnung kann damit letztlich keine Aussagekraft mehr zukommen; sie könnte außergrundbuchlich geändert worden sein. Die Beseitigung einer evtl. bestehenden Grundbuchunrichtigkeit scheitert jedoch nach dem Entwurf an der fehlenden Eintragungsfähigkeit. Ist aber die Berichtigung des Grundbuchs nicht mehr möglich, kann im korrespondierenden System der §§ 892 f., 894 BGB auch der gute Glaube an Regelungen einer im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung nicht mehr geschützt sein. Damit setzt sich der Entwurf in Widerspruch zu der ganz überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. zum Meinungsstand Schneider ZfIR 2002, 108, 114 mwN) und stellt einen wesentlichen Bereich des WEG`s außerhalb der genannten sachenrechtlichen Normen.




    4. Die Regelung einer außergrundbuchlichen Erstreckungswirkung gegenüber dem Sondernachfolger hinsichtlich vereinbarungs- bzw. gesetzesändernder Beschlüsse der Wohnungseigentümer ist nach dem Entwurf nur möglich, weil für einen Erwerbsinteressenten unbeschränkte Einsichtsmöglichkeiten in die Beschluss-Sammlung der Gemeinschaft angenommen werden. Dies ist jedoch nicht in jedem Fall gewährleistet. Während bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb noch eine entsprechende Ermächtigung durch den eingetragenen Eigentümer angenommen werden kann (vgl. die Neuregelung in § 27 Abs. 1 Nr. 6 WEG), bleibt einem potentiellen Bietinteressenten in einem Zwangsversteigerungsverfahren diese Möglichkeit regelmäßig versagt. Ein in der Zwangsvollstreckung befindlicher Wohnungseigentümer wird erfahrungsgemäß wenig Interesse am Ausgang des Verfahrens zeigen. Mangelt es jedoch an einer entsprechenden Einsichtsmöglichkeit, wird ein Bietinteressent wohl wenig Neigung verspüren, „die Katze im Sack“ zu ersteigern. Schon heute sind Fragen nach der aktuellen Gemeinschaftsordnung/Beschlusslage in Versteigerungsterminen an der Tagesordnung. Während im Falle einer Grundbucheintragung verlässlich Auskunft über eine im Erwerbsfall bestehende Bindungswirkung gegeben werden könnte, sind Angaben zu außergrundbuchlich beschlossenen Regelungen nicht möglich. Es steht deshalb zu befürchten, dass Bietinteressenten angesichts fehlender Einsichtsmöglichkeiten in die Beschluss-Sammlung von Geboten vermehrt Abstand nehmen werden. Damit ist in diesem schon heute sehr sensiblen Bereich mit weiteren Wertverlusten und zunehmender Unversteigerbarkeit zu rechnen.




    5.Die Führung der Beschluss-Sammlung könnte neben dem damit verbundenen Aufwand mit einem erheblichen Haftungsrisiko für den Verwalter verbunden sein, da in diesem Falle die Kenntnis und richtige Anwendung der obergerichtlichen Terminologie (vereinbarungs- bzw. gesetzesändernde Beschlüsse; vereinbarungsersetzende Beschlüsse; vereinbarungswidrige Beschlüsse) vorausgesetzt würde. Dabei hätte ein Verwalter auch zu beurteilen, ob ein Beschluss dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt und die satzungsändernde Beschlussfassung für die Wohnungseigentümer überhaupt erkennbar war (vgl. jüngst OLG Düsseldorf NZM 2004, ). Die Nichtaufnahme eines wirksamen Änderungsbeschlusses dürfte aber ebensoviel Haftungs- und Konfliktpotential bergen wie die Aufnahme eines nichtigen Beschlusses. Gleiches dürfte für die Entfernung nicht mehr aktueller Beschlüsse gelten.

    6. In diesem Zusammenhang zeigt sich ein weiterer Schwachpunkt der geplanten Regelung. Entscheidend für die Rechtswirkung der Erstreckung ist nämlich lediglich die Einsichtnahme in die Beschluss-Sammlung. Der zu fertigende Bestätigungsvermerk über die Einsichtnahme (§ 27 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 WEG (neu)) beweist lediglich die Tatsache der Einsicht, nicht jedoch den Inhalt der Sammlung. Diese unterliegt jedoch keinerlei behördlicher Kontrolle. Neben insoweit fehlenden Formvorschriften vermag auch die Fassung des § 27 Abs. 1 Nr. 6 WEG (neu) den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit nicht zu entkräften. So besteht z. B. keine Regelung für eine zeitliche Begrenzung der Einsichtswirkung. Damit dürfte der Entwurf eine Rechtssicherheit suggerieren, die durch Streitigkeiten in der Praxis schnell widerlegt sein dürfte.




    7. Zur Wirksamkeit eines vereinbarungs- bzw. gesetzesändernden Beschlusses ist außer dem Eintritt der Bestandskraft im Verhältnis der Wohnungseigentümer nach h.M. auch noch die Zustimmung dinglich Berechtigter erforderlich, soweit sie durch die beschlossene Regelung in ihrer Rechtsposition möglicherweise beeinträchtigt werden könnten (entsprechend §§ 877, 876 BGB). Bis zur Genehmigung ist ein solcher Beschluss schwebend unwirksam (vgl. Schneider ZfIR 2002, 108, 121 f. mwN; Wenzel ZWE 2004, 130, 134; Klein Vortrag Fischen 2004, noch unveröffentlicht). Auch nach der Novellierung wird durch die beabsichtigte Neufassung des § 5 Abs. 4 WEG das Zustimmungserfordernis nicht gänzlich entfallen. Es wird also zukünftig nicht dem dafür besonders ausgebildeten Rechtspfleger bei dem Grundbuchgericht, sondern dem Verwalter die Prüfung obliegen, ob und ggf. welche Zustimmungserklärungen dinglich Berechtigter zur Wirksamkeit eines vereinbarungs- bzw. gesetzesändernden Beschlusses erforderlich sind. Dies setzt im Einzelfall vertiefte sachen- und grundbuchrechtliche Kenntnisse sowie Identitäts- und Vollmachtsprüfungen voraus. Die Aufnahme in die Beschluss-Sammlung könnte dann erst nach vollständiger Beibringung aller erforderlichen Zustimmungserklärungen erfolgen. Es dürfte sich von selbst verstehen, dass auch hier ein großes Haftungsrisiko insbesondere für den oftmals rechtlich nicht besonders vorgebildeten Verwalter begründet liegt.



    Die Änderung einer Gemeinschaftsordnung über den Weg einer außergrundbuchlichen Erstreckung gemäß § 10 Abs. 3 WEG käme ohne weitere Formerfordernisse aus. Würde dieselbe Änderung im Vereinbarungswege gemäß § 10 Abs. 2 WEG zur Eintragung in das Grundbuch bewilligt und beantragt, wären sämtliche Erklärungen - aus gutem Grunde - dem Formerfordernis des § 29 GBO unterworfen. Diese Norm gilt jedoch für den Verwalter nicht.




    8. Der Verzicht auf die Grundbucheintragung ist nicht nur verbunden mit einem Wegfall bisher bestehender Sicherungsmittel im rechtlichen Bereich. Auch tatsächlich bestehen nicht von der Hand zu weisende Schwierigkeiten. Dazu gehört ebenso die Sicherstellung einer jederzeitigen Einsichtsmöglichkeit in die die Gemeinschaftsordnung ändernden Unterlagen wie auch die Gewährung einer diebstahl- und fälschungssicheren Aufbewahrung der Beschluss-Sammlung. Der Entwurf lässt zwar offen, wie bisherige Standards in der grundbuchmäßigen Abwicklung nun durch den Verwalter gewährleistet werden sollen, knüpft aber andererseits nicht unerhebliche Rechtsfolgen an eine unterbliebene Einsicht bzw. das Fehlen einer Beschluss-Sammlung. Als besonders problematisch dürften sich hier Gemeinschaften mit häufigen Verwalterwechseln oder solche ohne einen bestellten Verwalter erweisen.



    Die durch den Entwurf angestrebte außergrundbuchliche Erstreckungswirkung für vereinbarungs- bzw. gesetzesändernde Beschlüsse der Wohnungseigentümer erweist sich damit als systemfremd. Sie ist darüber hinaus mit zahlreichen praktischen Schwierigkeiten behaftet, die eine reibungslose Umsetzung nicht erwarten lassen. Im Gegenteil ist mit Rechtsstreitigkeiten über den Bestand wirksamer Änderungsbeschlüsse zu rechnen. Im Ergebnis dürften die Neuregelungen auf dem idealtypischen Bild eines kenntnisreichen Verwalters beruhen, das jedoch weitgehend nicht den praktischen Erfahrungen im Alltagsgeschäft entspricht. Hier bestehen schon heute nach wie vor die von Buck (WE 1996, 94, 96) beschriebenen vielfältigen Schwierigkeiten bei der Aufbewahrung von Eigentümerbeschlüssen. Die durch den Entwurf noch gesteigerten Ansprüche an die Verwalter gehen einher mit einem deutlich erhöhten Haftungsrisiko.




    Mit der beabsichtigten Novelle sollen im Ergebnis Rechtsvorgänge im liegenschaftsrechtlichen Bereich der staatlichen Obhut entnommen und quasi privatisiert werden. Auch wenn „Outsourcing“ modern sein sollte, die Frage nach dem Justizgewährungsanspruch muss an dieser Stelle angesichts der dargestellten Schwachpunkte der Neuregelung erlaubt sein.


    Demgegenüber vermeidet die in Übereinstimmung mit der h. M. zu Recht geforderte Grundbucheintragung die dargestellten Schwierigkeiten. Auch das Procedere der Eintragung ist insoweit weitgehend geklärt (vgl. Schneider ZfIR 2002, 108, 115 ff.; Wenzel ZWE 2004, 130, 138).



    9. Weiterhin überzeugen die im Entwurf angeführten Gründe gegen eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 WEG auf vereinbarungs- bzw. gesetzesändernde Beschlüsse der Wohnungseigentümer, die auf einer Öffnungsklausel beruhen, nicht.

    Die Aussagekraft des Grundbuches wird nämlich durch die Eintragung solcher Beschlüsse sehr wohl erhöht. Da die maßgeblichen Vorschriften (§ 7 Abs. 3 WEG, § 3 Abs. 2 WGV) als Kann-Vorschriften ausgestaltet sind, haben sich in der grundbuchgerichtlichen Praxis weitgehend Eintragungen mit zumindest schlagwortartigen Zusätzen durchgesetzt. Darüber hinaus gewährleistet gerade die Bezugnahme auf die bei den Grundakten befindlichen Unterlagen eine vollumfängliche und sichere Information über die in Rede stehende Änderung.




    10. Auch die befürchtete Gefahr einer Überlastung der Grundbuchgerichte mit einer damit einhergehenden Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit bedarf der Relativierung. Zwar ist es zutreffend, dass in verstärktem Maße Gemeinschaftsordnungen mit Öffnungsklauseln in die Grundbücher eingetragen werden und aus diesem Grunde eine Zunahme von vereinbarungs- bzw. gesetzesändernden Beschlüssen zu erwarten ist. Das genaue Ausmaß ist jedoch nicht mit Bestimmtheit absehbar; statistische Unterlagen existieren in diesem Bereich nicht. Allerdings muß in diesem Zusammenhang noch einmal nachhaltig daran erinnert werden, dass über die genannten Öffnungsklauseln nicht jedwede denkbaren Beschlüsse zur Eintragung in die Grundbücher kommen können. Lediglich vereinbarungs- bzw. gesetzesändernde Beschlüsse sind über die analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 WEG eintragungsfähig und zur Erlangung der Erstreckungswirkung auch eintragungsbedürftig. Eigentümergemeinschaften ändern jedoch erfahrungsgemäß in diesem Bereich gerade nicht regelmäßig ihre Satzungsgrundlagen (bspw. durch Veränderung der Kostentragungsregelung oder der nachträglichen Einräumung von Sondernutzungsrechten).




    Eine trotzdem entstehende Mehrbelastung der Grundbuchgerichte würde durch die sofortige Einführung des Zentralgrundbuches für Wohnungseigentumssachen mehr als ausgeglichen.



    Artikel 2 - Änderung des ZVG

    Nr. 1 - § 10 ZVG (neu):

    Die geplanten Neuregelungen werden begrüßt, da sie einer wirtschaftlich sinnvollen Stärkung der WEG - Gemeinschaften dienen.

    Nr. 3 - § 52 Abs. 2 Satz 2 ZVG (neu):


    Es handelt es sich um eine sinnvolle Neuregelung, die das Erlöschen von Dienstbarkeiten an allen Einheiten einer WE-Anlage verhindern kann.




    Den weiteren auf Bitte des Bundesrates durchgeführten Änderungen wird zugestimmt.


  • [quote='Kai','RE: WEG-Reform, Entwurf vom 9.3.2006']Teil II

    Zu einzelnen Neuregelungen:


    .....
    Aus der Begründung des Entwurfes ergibt sich weiterhin, dass demgegenüber eine Grundbucheintragung vereinbarungs- bzw. gesetzesändernder Beschlüsse zum Zwecke der Bindung eines Sondernachfolgers an Regelungen der Wohnungseigentümer in analoger Anwendung des § 10 Abs. 2 WEG nicht gewünscht ist. Infolgedessen wird in § 10 Abs. 3 S. 2 WEG (neu) die fehlende Eintragungsbedürftigkeit solcher Beschlüsse ausdrücklich normiert.



    Das OLG München hat sich in seinem Beschluss vom 13.11.2009 -34 Wx 100/09- (wohl als erstes OLG) gegen die (GB-) Eintragung von Beschlüssen, die aufgrund einer Öffnungsklausel gefasst wurden, ausgesprochen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Womit das OLG München die Rechtssprechung des BGH (16.9.1994, V ZB 2/93) fortsetzt, der schon zur alten Rechtslage festgestellt hat, das auch Beschlüsse, die Angelegenheiten betreffen, die ohne Öffnungsklauseln durch Vereinbarung geregelt werden müssten, nicht eintragbar sind, da auch diese Beschlüsse nach § 10 Abs. 3 a.F. WEG gegen den Sondernachfolger wirken und daher nicht eintragungsbedürftig und nicht eintragungsfähig sind. Die Entscheidung des OLG München ist unter Beck-Online (Beck RS 2009 86725) aufrufbar.

    Leider können einige Kommentatoren (z.B. Böttcher, Rpfleger 2009, 181, 196; Hügel/Elzer Das neue WEGRecht § 5 Rn. 43 ff ), die ihren K(r)ampf für die von ihnen so genannten "Mehrheitsvereinbarungen" nicht aufgeben mögen, anders als das OLG München, das Gesetz nicht lesen. Wie man angesichts der klaren Regelung in § 10 Abs. 4 Satz 2 WEG n.F. und des somit eindeutigen Votums des Gesetzgeber gegen die Eintragungsfähigkeit, derartiger Besschlüsse immer noch für eintragungspflichtig halten kann, ist m.E. nicht mehr nachvollziehbar.

  • Haltet ihr die Eintragung einer Öffnungsklausel als Inhalt des Sondereigentums (auf Grund derer ggf. auch auch Sondernutzungsrechte begründet werden können) für zustimmungspflichtig?

    Aus § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG ergibt sich ja eigentlich, dass die Verdinglichung von Vereinbarungen als Inhalt des Sondereigentums vom Grundsatz her nicht zustimmungspflichtig sind, es sei denn es werden SNR begründet, aufgehoben, geändert oder übertragen.

    Wenn keine Zustimmung erforderlich wäre, könnte die Zustimmungspflicht bei Begründung von SNR umgangen werden. M.E. ist daher eine Öffnungsklausel zustimmungspflichtig.

  • Haltet ihr die Eintragung einer Öffnungsklausel als Inhalt des Sondereigentums (auf Grund derer ggf. auch auch Sondernutzungsrechte begründet werden können) für zustimmungspflichtig?

    Aus § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG ergibt sich ja eigentlich, dass die Verdinglichung von Vereinbarungen als Inhalt des Sondereigentums vom Grundsatz her nicht zustimmungspflichtig sind, es sei denn es werden SNR begründet, aufgehoben, geändert oder übertragen.

    Wenn keine Zustimmung erforderlich wäre, könnte die Zustimmungspflicht bei Begründung von SNR umgangen werden. M.E. ist daher eine Öffnungsklausel zustimmungspflichtig.



    Ich hätte auch nach alter Rechtslage den Beschluss über die Bestellung des Sondernutzungsrechtes nicht eingetragen und somit auch keine Gläubigerzustimmung verlangt. Ich würde auch keine Gläubigerzustimmung für die Eintragung der Öffnungsklausel verlangen um den Gläubiger vor möglichen "Umgehungen" zu schützen. Die Öffnungsklausel an sich beeinträchtigt den Gläubiger nicht.

    M.E. kann er auch nicht umgangen werden, denn der Beschluss, mit dem aufgrund der Öffnungsklausel ein Sondernutzungsrecht bestellt wird, ist im Zweifel bis zur Zustimmung des betroffenen Gläubigers schwebend unwirksam. Dass sich um dieses Problem in der Praxis keine Eigentümergemeinschaft und auch keine Bank kümmert, ist nicht das Problem des Grundbuchamtes. Dann müssen die Gläubiger, wenn es sie überhaupt interessiert, halt ihre Schuldner verpflichten, regelmäßig die Beschlussprotokolle vorzulegen.

    Vergl. zur Problematik auch Sauren ZMR 2008, 514.

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