Realgemeinde

  • Im Bereich Ratzeburg haben wir aufgrund eines preußischen Gesetzes vom 02.04.1887 (Gesetz betr. die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten) leider mit Interessentenschaften und Realgemeinden zu tun.
    In meinem Grundbuch ist als Eigentümer eingetragen:
    "Die jeweiligen Eigentümer der Stammstellen Band 1 bis 10 des Grundbuches von Kl. S.".
    Hierbei handelt es sich laut dem Schriftverkehr mit dem Amt für ländliche Räume in der Akte wohl nicht um eine Interessentenschaft sondern um eine Realgemeinde.
    Jetzt habe ich den Kaufvertrag nebst Antrag des Notars auf Eintragung einer AV. Der Verkäufer verkauft darin seinen 6,93185/100 "Miteigentumsanteil" an der Realgemeinde und beantragt die entsprechende Eintragung der AV.
    Zugleich wird beantragt, das Grundbuch dahin zu berichtigen, das namentlich genannte Personen mit den jeweiligen X/100 Anteilen im Grundbuch als Berechtigte in Realgemeinde eingetragen werden.
    Nach meiner Ansicht sind diese Eintragungen nicht möglich, da ich nicht nachvollziehen kann, wie groß der jeweilige Anteil des Berechtigten ist. Gibt es überhaupt die Eintragung von bestimmten Anteilen bei einer Realgemeinde?
    Wer wäre in meinem Fall neuer Berechtigter, wenn ein Grundstück, auf dem wohl das Hofgebäude steht, vom Vater an den Sohn übertragen wurde, der Vater aber noch Ackerflächen behalten hat? Geht die Berechtigung an der Realgemeinde automatisch mit der "Stammstelle" auf den Sohn über, auch wenn im Überlassungsvertrag keine Angaben gemacht sind oder verbleibt diese noch beim Vater?

    Edit:
    (Vermutete) Klarnamen bei GB-Gemeinde entfernt. Bitte Klarnamenverbot zukünftig beachten.
    Ulf, Admin

  • Eine Realgemeinde gehört (wie die Interessentenschaft auch) zu den gemäß Art. 164 EGBGB (MünchKommBGB/Säcker Art. 164 EGBGB REn. 5; Staudinger/Mayer Art. 164 EGBGB Rn. 9, 10, 31, 35).

    Das Nds. Realverbandsgesetz dürfte bei Dir ja keine Anwendung finden.

    Die Eintragungsmöglichkeiten richten sich wohl nach dem alten preußischen Recht, das ich hier in Südbayern nicht wirklich kenne. Aus Bayern kenne ich allerdings Eintragungsmuster, die folgendermaßen verlaufen:

    Grundstück ist gebucht, als Eigentümer ist die Genossenschaft/der Realverband gebucht.
    Dessen Mitglieder können - das ist nicht immer so - zugleich in ebendieser Abt. I des Grundstücksgrundbuchs mit ihren Anteilen aufgeführt sein. Die Anteile können in Bruchteilen oder auch auf andere Art und Weise aufgeführt sein (in Weideanteilen, Schneidtagen u. v. a. m.).
    Wiederum zugleich können - auch das ist nicht immer so - diese Anteile auch in den Grundbüchern der einzelnen Genossen gebucht sein, was nach der Rechtsprechung keine verbotene Doppelbuchung darstellt. Diese hier gebuchten Anteile können nach meinen bisherigen Erkenntnissen sowohl radiziert (alos als Zubehör eines Grundstücks) als auch real (= grundstücksgleich) gebucht sein.

    Ob das in Schleswig-Holstein auch so möglich ist, entzieht sich derzeit meiner Kenntnis. Dazu müsstest Du das alte Gesetz und Rechtsprechung studieren...

    Der Übergang der Berechtigung an dem Anteil müsste sich - evtl. nur mündlich tradiert - aus der Verfassung/Satzung des Verbandes ergeben. Aufgrund der Buchungsart allerdings ("die jeweiligen Eigentümer...") meine ich, dass hier schon nachgewiesen wäre, dass das die jetzigen Eigentümer der Stammzellen sind. Die Berechtigung ist demnach wohl an die Höfe gebunden (radiziert).

    Um Missverständnisse auszuschließen: Es handelt sich nicht um eine subjektiv-dingliche Buchung von Eigentum!

    Das Ergebnis würde mich persönlich allerdings brennend interessieren.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Eben entdeckt:

    (...)
    2. Die aus einer ehemaligen Markgenossenschaft [ebenfalls unter Art. 164 EGBGB fallend, Anmerkung von mir] abgeleiteten Nutzungsrechte waren in der Regel mit dem Grund und Boden der alten Haus- und Hofstätten verbunden. Bis zum Nachweis eines abweichenden Herkommens ist ihre Radizierung zu vermuten.
    3. Wird ein Grundstück aufgelassen, mit dem ein radiziertes Gemeinderecht verbunden ist, so bedarf es für dieses keines besonderen Übertragungsaktes; es wird vielmehr von der Auflassung erfaßt.
    (...)

    BayObLGZ 1970, 21

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich weiß zwar nicht genau, ob das hier zum Thema passt, aber ich habe ein Problem mit einer Märkerschaft!
    Im Markgrundbuch sind jede Menge Eigentümer mit ihren Markanteilen eingetragen.
    Eine Eigentümerin ist seit 1976 verstorben. Erben konnten bislang nicht festgestellt werden. Nun beantragt der Markvorsteher das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung der Märkerin/Eigentümerin.

    Weiß jemand, wie die Märkerschaft zu betrachten ist? Gesamthandsgemeinschaft, Bruchteilsgemeinschaft, Verein, BGB-Gesellschaft...?

  • Eine altrechtliche Genossenschaft nach Art. 164 EGBGB, die die eigentliche Eigentümerin darstellt. Die Besonderheit ist, dass oft - so offenbar auch hier - zugleich die einzelnen Markgenossen im Grundbuch eingetragen werden.

    Gibt es keine Gegenbuchung, sprich ein Grundbuch, wo diese Anteile - seien sie real oder radiziert - nochmals vorgetragen sind? Das muss zwar nicht so sein, kommt aber doch so häufig vor, dass ich noch mal nachfragen wollte (wenn auch mit wenig Hoffnung, nachdem schon der Vorsteher offenbar nichts dergleichen weiß).

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Houston wir haben ein Problem!!!!

    Mir hat man eine Akte in die Hände gedrückt: "Bitte umschreiben!"

    DICKES FETTES PROBLEM.

    Es handelt sich um eine Realgemeinde.

    Im "Haupt"-Blatt ist die Realgemeinde eingetragen und zugleich in dieser Abt. I die Nutzungsberechtigten mit ihren Anteilen. Für die Nutzanteile gibt es nun noch extra Grundbücher. Dort sind die Anteile real gebucht.

    1. Ich habe nicht alle "Nutzanteils"-Grundbücher gefunden; Eigentümer sind nicht im ALB vorhanden
    2. Zwei dieser "Nutzanteils"-Grundbuchblätter hat man bereits geschlossen (Eintragungstext: Wegen Doppelbuchung, geschlossen am xxxxx).
    3. Die Berechtigten in den Nutzanteils-GBBl. und in Haupt-Blatt stimmen nicht immer überein (Klar - meistens hat man die Übergänge, Erbfolgen etc. nur im Haupt-Blatt eingetragen - die Nutzanteils-Bl. hat man vergessen!) Kann aber nicht alle Eigentumswechsel nachverfolgen (hab' ja nicht alle Akten!!!!)
    4. In einem Nutzanteils-GBBl. ist ein Vorkaufsrecht und ein Nießbrauch eingetragen - im Haupt-Blatt nicht.

    Was haben die Nutzanteils-GBBl. eigentlich für einen Sinn? Kann man die so einfach schließen wie ja schon zweimal erfolgt? Hat schon mal jemand so ein Blatt umgeschrieben oder ist Experte für Realgemeinden? Bitte meldet euch. Ich bin für jeden noch so kleinen Hinweis dankbar.

  • In einer Mail, die ich von einem nicht registrierten Benutzer erhielt, wurden freundlicherweise folgende Aufsätze zum Thema Realgemeinde zur Lektüre empfohlen:

    Tröster, Rechtspfleger 1960, S. 85 und
    Böhringer, Neue Justiz 2000, S. 120
    https://www.rechtspflegerforum.de/dereferrer?red…selection=pid_1

  • Ich habe in einem Kaufvertrag auf Käuferseite einen Realgemeinde, vertreten durch den Vorstand X und Y.

    Dies ist mein erster Fall unter Beteiligung eines Realverbandes.

    Kann mir wer Fundstellen (Gesetze, Paragraphen, Aufsätze) nennen, damit ich nachlesen kann, was zu prüfen ist.

    PS: Bundesland Niedersachsen.

    Das nds. Realverbandsgesetz ist mir bekannt.

  • Die Vertretungsmacht des Realverbands-Vorstandes lassen wir uns durch entsprechende Bescheinigung der Aufsichtsbehörde (Landkreis) nachweisen.

    Ansonsten sind mir jetzt keine Besonderheiten in Erinnerung.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Machen wir wie Ulf.
    Besonderheiten sind nicht zu beachten, weitergehende Genehmigungspflichten o.ä. gibt es nicht.

    Die meisten Probleme lösen sich von selbst - man darf sie nur nicht dabei stören.

  • Hallo,

    bei meinem Realverband ist die Amtszeit des Vorstands abgelaufen. Der Landkreis hat mitgeteilt, dass in einem solchen Fall die Geschäfte der Realgemeinde von der Gemeinde übernommen werden. Der Notar möchte wissen, ob es ausreichend ist, dass der Bürgermeister der Gemeinde als Vertreter der Realgemeinde auftritt und bestätigt zur Vertretung der Realgemeinde befugt zu sein.
    Meines Erachtens sollte er zur Beurkundung eine mit Siegel und Unterschrift versehende Bestätigung der Gemeinde mitbringen, die besagt, dass die Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister, zur Vertretung der Realgemeinde befugt ist.

    Wie seht ihr das?

  • ...
    Meines Erachtens sollte er zur Beurkundung eine mit Siegel und Unterschrift versehende Bestätigung der Gemeinde mitbringen, die besagt, dass die Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister, zur Vertretung der Realgemeinde befugt ist....

    Falls sich der Vorgang in Niedersachsen abspielt, ist zur Übertragung der Aufgaben des Realverbandes auf die Gemeinde eine Vereinbarung erforderlich, die nach § 44 Absatz 2 des niedersächsischen Realverbandsgesetzes der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf; siehe hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…471#post1227471

    Hat in einem Realverband die Gemeinde die Vorstandsgeschäfte geführt und wird für den Realverband innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des RealVbG kein Vorstand gewählt, kann die Aufsichtsbehörde mit Zustimmung der Gemeinde das Vermögen und die Aufgaben des Realverbandes auf diese übertragen (§ 46 RealVbG)
    https://www.voris.niedersachsen.de/jportal/portal…lr-RealvGNDpP46

    Es wird also entweder eine (formgerechte, § 29 III GBO) Genehmigung oder eine Bestätigung der Aufsichtsbehörde erforderlich sein.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für deine Antwort Prinz!
    Mich wundert nur, dass der Herr von der Aufsichtsbehörde mir und dem Notar schriftlich und mündlich mitgeteilt hat, dass bei Ablauf der Amtszeit des Vorstands der Realgemeinde, die Geschäfte automatisch von der Gemeinde geführt werden (nichts mit Vereinbarung und Genehmigung). Wenn mir die Gemeinde nun in der Form des § 29 GBO versichert, dass sie zur Vertretung des Realverbands berechtigt ist, dürfte das doch ausreichen. Die Gemeinde muss sich doch vorab darüber informieren, ob sie vertretungsberechtigt ist und ggf. die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einholen.

  • Eine Bestätigung von derjenigen Stelle, die behauptet die Geschäfte des Realverbandes führen zu dürfen, wäre mir suspekt. Wenn die Gemeinde die Geschäfte des Vorstandes des Realverbandes fortführen kann, dann dürfte es sich um einen Fall des § 46 des niedersächsischen RealVbG handeln. In einem solchen Fall ist nach § 57 RealVbG von der Aufsichtsbehörde um die Berichtigung des Grundbuchs zu ersuchen. Das wäre dann auch ein Fall der Voreintragung nach § 39 GBO.

    § 57 RealVbG lautet (Hervorhebung durch mich):

    § 57
    Die Aufsichtsbehörde ersucht die zuständigen Behörden nach dem Wirksamwerden der Gründung oder Erweiterung eines Realverbandes nach den §§ 48 bis 48 g und in den Fällen der §§ 40, 42 und 46, die öffentlichen Bücher zu berichtigen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für deine weiteren Ausführungen Prinz!
    Ich habe den Eindruck, dass die Aufsichtsbehörde gar keinen Plan hat was in solch einem Fall von ihr zu veranlassen ist; vlt. denken sie auch, dass es ein Fall des 21 Nds. RealVbG sei.
    Wenn ich die Bestätigung der Gemeinde erhalte, werde ich diese der Aufsichtsbehörde m.d. Bitte übersenden, zu bestätigen, dass die Gemeinde berechtigt ist die Realgemeinde zu vertreten.

  • Ich habe gerade mit dem Herrn von der Aufsichtsbehörde telefoniert. Dieser teilte mir mit, dass in meinem Fall § 21 Abs. 1 Nds. RealVerbG greift und er der Gemeinde bereits eine entsprechende Vertretungsbescheinigung ausgestellt hat. Da aktuell kein Vorstand gewählt wurde, könne auch keine Vereinbarung nach § 44 I geschlossen werden. Er war sich allerdings auch nicht sicher, ob das so korrekt ist.
    Was sagst du dazu Prinz?

  • § 21 Absatz 1 Nds. RealVerbG befasst sich nur mit In Interessentenschaften nach § 1 Nr. 1, Realgenossenschaften nach § 1 Nr. 4 und Wegegenossenschaften nach § 1 Nr. 5 RealVerbG, die bei Inkrafttreten des RealVerbG durch die Gemeinde oder ein Gemeindeorgan vertreten wurden, sowie Interessentenschaften, deren Vertretung nicht geregelt war. Ob dies der Fall sein kann, musst Du selbst beurteilen. Ist es der Fall, würde ich mir die Vertretungsbescheinigung der Aufsichtsbehörde, die sie der Gemeinde bereits ausgestellt hat, vorlegen lassen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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