"Insolvenzberatung" - das Geschäft mit der Armut

  • Ich denke, eine Vielzahl von Anwälten und privaten "Schuldnerberatern" profitiert von der Regelung des § 305 InsO, indem auf billige Weise das Verfahren durchgezogen wird, die Beratungshilfe abkassiert und der Schuldner völlig allein stehengelassen wird. Die vom Gesetzgeber gewünschte Beratung und Vorbereitung des Verfahrens wird nicht erreicht. Oftmals sind die Kanzleieen auswärts angesiedelt, der Mandant/Schuldner bekommt seinen "Retter" niemals zu sehen.
    Wie Pilze aus dem Boden schießen Rechtsanwaltskanzleien, meist Neulinge, Existenzgründer, die durch „Insolvenzberatung“ ihre Existenz sicherten.
    Ein Geschäft mit der Armut – höchste Zeit für die Änderungen.

    Ein Beispiel aus der Praxis: Kommt ein Schuldenbereinigungsplan zustande, so ist es vor allem bei Ratenzahlungsvereinbarungen Gang und Gäbe, dass während der Laufzeit des Planes ein neuer, vergessener Gläubiger hinzukommt, womöglich noch eine Pfändung ausbringt und den Plan zunichte macht. Oder das Einkommen des Schuldners verringert sich, der Plan muss angepasst werden, gglfs, neu quotiert und neu berechnet,

    Nach solch einem Ereignis wendet sich der hilflose Schuldner nun ein seinen RA, der ihm den Plan erarbeitet hat und bittet um Mithilfe. Dieser aber lehnt ab mit dem Hinweis, die Sache habe sich erledigt, entweder erneut „Cash“ oder „Ciao“. Der Schuldner rennt zum Rechtspfleger, welcher ihn darauf verweist, dass es für solche „Belange“ nun keine Beratungshilfe mehr gibt. Der RA habe die Beratungshilfe kassiert und da es sich um ein und dieselbe Angelegenheit handele, müsse er auch den neuen Plan erstellen.

    Wir bekommen dann als Treuhänder im späteren Verfahren die Akte auf den Tisch und vom Schuldner im Gespräch zu hören, dass der zunächst so toll funktionierende Plan von einem Gläubiger gekündigt wurde, nur weil sein damaliger Schuldnervertreter nicht wieder tätig wurde. Das Verfahren hätte vermieden werden können, da die meisten Pläne Anpassungsklauseln etc. erhalten, die Verhandlungen mit den Gläubigern jedoch nicht mehr erfolgten.

    Darf der RA /Schuldnervertreter tatsächlich so argumentieren oder war der Rechtspfleger im Unrecht und hätte hier erneut Beratungshilfe gewähren müssen?

    P.s: Sicherlich gibt es eine Vielzahl seriöser Anwälte und Schuldnerberater, auf die Vorstehendes nicht zutrifft. Ich denke, dass Filosof, Gerit und die mir hier bekannten Forenteilnehmer sowohl unsere Kanzlei selbst nicht der eingangs genanten Gruppe zuzuordnen sind. Das ändert m.E. leider nichts an der Tatsache, dass in der Branche der sog "Insolvenz- oder Schuldnerberatung" die Anzahl der Schwarzen Schafe in jedem Falle dominiert !

  • So schwarz sehen und grundsätzlich auf Anwälte schimpfen möchte ich nicht.

    Das Problem ist, dass "Schuldnerberater" bzw. "Schuldnerberatungsstelle" oft ungleich "Rechtsanwalt" bzw. "anerkannte Schuldnerberatungsstelle" ist. Die Erstgenannten zocken wirklich oft einfach nur ab, sammeln die belege und das Geld ein und senden beides quer durch die Republik zu einem Anwalt.

    Einen weiteren Berechtigungsschein würde ich in Deinem Fall auch nicht erteilen.

  • @ Ernst:
    Ich kann Dich beruhigen, unsere Kanzlei wird ausschließlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens tätig. Außergerichtliche Schuldenberatung betreiben wir aus fundamentalen Überlegungen grundsätzlich nicht.

  • Gerit: Wir machen beides!

    Nein, schimpfen möchte ich nicht, nur einmal generell feststellen, dass nicht jeder Anwalt, der das Staatsexamen hat und nicht weiß, von was er leben soll, mit "Insolvenzberatung" werben sollte. Man sollte sich mit diesem nicht ganz einfachen Rechtsgebiet vorab befassen - betreibt man die "Schuldnerberatung" richtig und rechnet nach den staatlichen Vergütungssätzen ab, stellt sich sehr schnell heraus, dass damit eigentlich nichts verdient ist.

    @ Grisu: Richtig, den Berechtigungsschein hat der Anwalt bekommen, fragt sich jetzt, warum er nicht tätig wurde, obgleich er es hätte müssen.

    Ein schöner Haftungsfall...
    :strecker

    Nach der geplanten Gestzesänderung dürfte sich die Freude an dieser Tätigkeit ohnedies in Grenzen halten. Danach bekommt der anwaltliche Schuldnerberater lächerliche 60 €, der völlig unnötige und die Staatskassen schädigende Einigungsversuch beim Nullplan fällt weg die "schöne" Arbeit darf dann - ebenso fast unentgeltlich - der vorläufige Treuhänder erledigen.

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