Afghanisches Erbrecht

  • Und noch ein Sorgenkind:

    Ich habe einen vor kurzem verstorbenen afghanischen Staatsangehörigen.
    Dieser ist geschieden und hat drei minderjährige Kinder.
    Ansonsten gibt es (vermutlich nur noch) einen Onkel.

    Es kann sein dass die Kindesmutter die Erbschaft ausschlagen wird, vielleicht wird aber auch ein Erbscheinsantrag gestellt. Das Ordnungsamt hat die Wohnung versiegelt, so dass leider auf jeden Fall zu erwarten ist dass hier in den nächsten Tagen jemand aus der Verwandtschaft vorspricht.

    Kennt sich jemand mit dem afghanischen Erbrecht aus oder hat eine Idee wo ich etwas dazu finde?

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Vielleicht können die hier helfen:

    Botschaft:

    Bezeichnung
    Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan
    Leiter
    S.E. Herr Hamidullah Nasser Zia, außerordentlicher und bevollmächtiger Botschafter (26.09.2002)
    Frau Roxana Vakili Nasser-Zia
    Straße
    Wilhelmstraße 65
    Ort
    Berlin
    PLZ
    10117
    Telefon
    030-2 06 73 50
    Fax
    030-2 29 15 10
    Öffnungszeiten
    Mo. - Do. 09.30 - 14.00 Uhr
    Amtsbezirk:
    gesamtes Bundesgebiet
    Sonstige Informationen
    Nationalfeiertag: 18. August

    afghanische-botschaft@t-online.de

    Generalkonsulat:

    Bezeichnung
    Generalkonsulat von Afghanistan
    Leiter
    Herr Fazlurrahman Fazil, Generalkonsul (27.02.2001)
    Straße
    Liebfrauenweg 1a
    Ort
    Bonn
    PLZ
    53125
    Telefon
    0228-25 19 27, 25 67 97
    Fax
    0228-25 53 10
    Öffnungszeiten
    Mo-Do 09.00-14.00 Uhr
    Amtsbezirk:
    Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Den Weg würde ich auch erst einmal versuchen, um einige Informationen zu erhalten. Im gesamten afghanischen Recht gab es in den vergangenen Jahren erhebliche Änderungen. Wenn ich mich an einen Artikel richtig erinnere, gibt es auch kein einheitliches Erbrecht, sondern die Glaubensrichtung (sunnitisch oder schiitisch) des Erblassers ist maßgeblich. Außerdem bekommen weibliche Erben wohl immer noch weniger als männliche.

  • ...oder nach § 5 II RpflG verfahren..... (und tschüß!)

    :wechlach:

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Sollte es sich tatsächlich so verhalten, dass Frauen nur wegen ihres Geschlechts auf einen geringeren Erbteil als Männer verwiesen sind, so dürfte dies in jedem Fall gegen den Grundsatz des ordre public verstoßen (Art.6 EGBGB). Unter diesem Gesichtspunkt dürften die drei Kinder im Ergebnis wahrscheinlich zu gleichen Anteilen gesetzliche Erben sein, es sei denn, das afghanische Recht sieht auch die Beteiligung von (aus deutscher Sicht) ferneren Erbordnungen vor.

  • Das Erbrecht des Islam basiert auf dem Koran. Einmal unterstellt, dass in Afghanistan nach allen Änderungen die Grundsätze islamischen Rechts im Erbrecht erhalten sind, ist man dann wohl bei der interessanten Frage, ob Art. 6 EGBGB es ermöglicht, religiös geprägte Rechtsvorschriften nicht nur eines Staats zu übergehen. :gruebel: Ich bin irgendwie froh, dass ich das nicht zu klären habe.

    Zitat aus dem Koran, Sure 4 (Die Frauen), Verse 7-11:
    7. Den Männern gebührt ein Anteil von dem, was Eltern und nahe Anverwandte hinterlassen; und den Frauen gebührt ein Anteil von dem, was Eltern und nahe Anverwandte hinterlassen, ob es wenig sei oder viel - ein bestimmter Anteil.
    8. Und wenn (andere) Verwandte und Waisen und Arme bei der Erbteilung zugegen sind, so gebt ihnen etwas davon und sprecht Worte der Güte zu ihnen.
    9. Und jene mögen (Gott) fürchten, die, sollten sie selbst schwache Nachkommen hinterlassen, um sie besorgt wären. Mögen sie daher Allah fürchten und das rechte Wort sprechen.
    10. Jene, die den Besitz der Waisen widerrechtlich verzehren, schlucken nur Feuer in ihren Bauch, und sie sollen in flammendes Feuer eingehen.
    11. Allah verordnet euch in bezug auf eure Kinder: ein Knabe hat so viel als Anteil wie zwei Mädchen; sind aber (bloß) Mädchen da, und zwar mehr als zwei, dann sollen sie zwei Drittel seiner (des Verstorbenen) Erbschaft haben; ist's nur eines, so hat es die Hälfte. Und für seine Eltern ist je ein Sechstel der Erbschaft, wenn er ein Kind hat; hat er aber kein Kind und seine Eltern sind seine Erben, dann soll seine Mutter ein Drittel haben; und wenn er Geschwister hat, dann soll seine Mutter ein Sechstel erhalten, nach allen etwa von ihm gemachten Vermächtnissen oder Schulden. Eure Eltern und eure Kinder: ihr wißt nicht, wer von ihnen euch an Nutzen näher steht Eine Verordnung von Allah - wahrlich, Allah ist allwissend, allweise.
    12. Und ihr habt die Hälfte von dem, was eure Frauen hinterlassen, falls sie kein Kind haben; haben sie aber ein Kind, dann habt ihr ein Viertel von ihrer Erbschaft, nach allen etwa von ihnen gemachten Vermächtnissen oder Schulden. Und sie haben ein Viertel von eurer Erbschaft, falls ihr kein Kind habt; habt ihr aber ein Kind, dann hat sie ein Achtel von eurer Erbschaft, nach allen etwa von euch gemachten Vermächtnissen oder Schulden. Und wenn es sich um eine Person handelt - männlich oder weiblich -, deren Erbschaft geteilt werden soll, und sie hat weder Eltern noch Kinder, hat aber einen Bruder oder eine Schwester, dann haben diese je ein Sechstel. Sind aber mehr (Geschwister) vorhanden, dann sollen sie sich in ein Drittel teilen zu (gleichen) Teilen, nach allen etwa gemachten Vermächtnissen oder Schulden, ohne Beeinträchtigung - eine Vorschrift von Allah, und Allah ist allwissend, milde.

    Zitat von TL

    ...oder nach § 5 II RpflG verfahren..... (und tschüß!)

    "Sonntagskind" kommt aber aus Niedersachsen. Meines Wissens sind die Nachlassverfahren (außer streitige) dort vollständig auf den Rchtspfleger übertragen. :eek:

    @ Sonntagskind
    Wenn es nähere Informationen zum afghanischen Erbrecht gibt, sind hier wahrscheinlich alle daran interessiert.

  • Zitat von § 21 BGB

    (...) eine Vorschrift von Allah, und Allah ist allwissend, milde.



    Punkt, aus und fertig.

    Wenn nur in Deutschland die Gesetzgebung so "einfach", endgültig und allwissend :huldigen: :kardinal: wäre......

    :wechlach:

  • Nach Palandt/Heldrich Art. 6 EGBGB RdNr.30 (m.w.N.) verstößt eine geringere Erbquote von Töchtern neben Söhnen jedenfalls bei ausreichendem Inlandsbezug gegen den deutschen ordre public. Wenn die Erblasserfamilie in Deutschland lebt, hielte ich unterschiedliche Erbquoten in der Tat für untragbar. Aber vielleicht sind es im Ausgangssachverhalt ja drei Söhne oder drei Töchter und das Problem wäre gelöst.

  • Zitat von juris2112

    Nach Palandt/Heldrich Art. 6 EGBGB RdNr.30 (m.w.N.) verstößt eine geringere Erbquote von Töchtern neben Söhnen jedenfalls bei ausreichendem Inlandsbezug gegen den deutschen ordre public. Wenn die Erblasserfamilie in Deutschland lebt, hielte ich unterschiedliche Erbquoten in der Tat für untragbar. Aber vielleicht sind es im Ausgangssachverhalt ja drei Söhne oder drei Töchter und das Problem wäre gelöst.



    Ich meine, mal in einem Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts gelesen zu haben, dass der geringere Erbteil der Töchter nach islamischen Recht grundsätzlich schon vereinbar mit dem ordre public ist, da die Töchter bei der Eheschließung im Gegensatz zu den Söhnen eine nicht unerhebliche Mitgift erhalten und somit im Endergebnis eine Gleichbehandlung vorliegt.

    Im damaligen Fall erbte nach meiner Erinnerung die "ungläubige" deutsche Ehefrau wegen Verstoßes des Nichterbrechts von Nicht-Muslimen gegen den orde public zu 1/4 und die (gläubigen) Söhne im Verhältnis zu den (gläubigen) Töchtern 2:1 des Restes ?!

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • the bishop:

    Es ist durchaus möglich, dass das genannte Gutachten für einen schon etwas länger zurückliegenden Erbfall zu dem besagten Ergebnis gekommen ist. In letzter Zeit hat sich die betreffende Auffassung zu Art.6 EGBGB aber insoweit geändert, als bei starkem Inlandsbezug des Falles (also bei gewöhlichem Aufenthalt des Erblassers und der Erben im Inland und/oder bei inländischer Belegenheit des wesentlichen Nachlasses) der Vorrang des Gleichheitsgrundsatzes des Art.3 GG befürwortet wird (Erman/Hohloch, 11. Aufl., Art.5 EGBGB RdNr.50 unter Aufgabe der noch in der 10. Aufl. vertretenen gegenteiligen Auffassung; Lorenz IPrax 1993, 148; Dörner IPrax 1994, 35). Dass auch der Erbausschließungsgrund der Religionsverschiedenheit einen Verstoß gegen den ordre public darstellen kann, hat das OLG Hamm erst kürzlich wieder bestätigt (FamRZ 2005, 1705).

  • Im Einzelfall wird die Frage, ob ein ausreichender Inlandsbezug vorliegt, unter Umständen sehr schwer zu klären sein. Genügt es, wenn der Erblasser seit 20 Jahren in Deutschland wohnt und hier Familie sowie bewegliches und unbewegliches Vermögen hat? Was ist, wenn er trotzdem in einer "Parallelgesellschaft" lebte oder den größeren Teil seines Vermögens in seinem Heimatland hatte und sich irgendwann irgendwann dort zur Ruhe setzen wollte?

  • Puh, dass das sooo kompliziert wird hatte ich auch nicht gedacht!
    Meine Kollegin durfte sich hier schonmal mit ägyptischem Erbrecht rumschlagen, daher kenne ich die OLG Hamm-Entscheidung schon. War mir nur nicht klar dass ich hier das gleiche Problem haben werde und nach Koran beerbt wird...
    Da die Wohnung versiegelt ist werde ich hier wie gesagt auf jeden Fall irgendwann mit Anträgen oder Ausschlagungen zu rechnen haben.
    OLG Hamm erwähnt m. E. allerdings nur den Verstoß gegen ordre public hinsichtlich der verschiedenen Glaubensrichtungen - bin selbst gespannt was ich dann aus den Benachteilungen aufgrund des Geschlechtes machen werde, wenn es soweit kommt.

    Es stimmt, hier in Niedersachsen ist bereits die Übertragung auf den Rechtspfleger erfolgt, dh. ich darf mich seit 01.08.2005 mit solchem Kram rumärgern. Aber der Richter (und die Vertreterin) unterstützt uns hier tatkräftig und steht für unsere Fragen zur Verfügung.
    Die Übertragung wurde allerdings - wie ich auf einer Schulung mitbekommen habe - nicht bei jedem Gericht in Niedersachsen sofort durchgeführt. Bei einigen Gerichten wird immer noch alles so wie vorher gehandhabt, bei einigen anderen werden die Sachen in Etappen übertragen und die SAchen die der Richter angefangen hat führt er auch zuende. (Bei uns leider nicht der Fall...)

    Ich werde berichten wie es hier weiter geht und sagen auf jeden Fall schonmal DANKE für Eure Mühe!!
    Schön fand ich übrigens auch Punkt 10 des Koran-Zitates (den Teil mit dem Feuer, ob man das mit in den Erbschein aufnehmen muss?:D ) und Punkt 8. (Gilt ein A9-Rechtspfleger als arm und kann sich selbst etwas zuwenden?)

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

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