Titel gegen Minderjährige

  • Hallo zusammen! Ich bin ziemlich neu im Geschäft und hab hier jetzt ein Problem:

    Es liegt ein Titel (Vollstreckungsbescheid) vor, ausgestellt vor 5 oder 6 Jahren, gegen eine damals 5-jährige. Allerdings ist auf dem Titel der ges. Vertreter (die Mutter) mit vermerkt. Jetzt hat der Gerichtsvollzieher die jetzt 11-jährige zur abgabe der e.V. geladen. Nun wollen die von mir wissen ob der Titel überhaupt rechtswirksam ist und ob die mdj zur e.V. geladen werden kann und ich hab wie so oft die letzten Tage keine Ahnung.

    Ich wäre für jeden Hinweis dankbar.


  • Es liegt ein Titel (Vollstreckungsbescheid) vor, ausgestellt vor 5 oder 6 Jahren, gegen eine damals 5-jährige.

    Jetzt machst Du mich neugierig. Was ist der Schuldgrund?

    Die eV wird wohl von der gesetzlichen Vertreterin für das Kind abzugeben sein, nicht von dem Kind selber. Wobei ich mich unwillkürlich frage, ob da nicht auch Ersatzansprüche gegen die Mutter im Raum stehen - die dann in der eV ebenfalls mit anzugeben wären. Nachdem eine deliktische Forderung altersbedingt ausscheidet, wird die unbeglichene Verbindlichkeit ja vermutlich von der Mutter mit Wirkung für das Kind begründet worden sein.

  • Es ging damal um eine Brillenrechnung. Anscheinend war auf der Rechnung schon das Kind drauf und die Mutter als g.V.! Ich gehe auch davon aus dass die Mutter die Verbindlichkeit für das Kind begründet hat. Eine 5-jährige als Rechnungsempfängerin find ich persönlich schon irgendwie komisch aber naja. Der VB erging auf alle Fälle.

  • Die e. V. geben die (heutigen) gesetzlichen Vetreter für das Kind ab. Eine inhaltliche Überprüfung des Titels ist nicht zulässig. Gründe für die Rechtskraftdurchbrechung gem. § 826 BGB sind nicht ersichtlich und wären wohl auch nicht vom Rechtspfleger von sich aus zu berücksichtigen.


  • Eine inhaltliche Überprüfung des Titels ist nicht zulässig. Gründe für die Rechtskraftdurchbrechung gem. § 826 BGB sind nicht ersichtlich und wären wohl auch nicht vom Rechtspfleger von sich aus zu berücksichtigen.



    Klar, Titel ist wirksam. Halt nur sehr ungewöhnlich. Armes Kind. :daumenrun



    Ich würde bei der Gelegenheit ja mal glatt auf die Idee des § 1667 BGB kommen. Irgendwas ist da doch faul. Kleiner Tipp an´s Familiengericht ?

  • Es muss nicht unbedingt etwas faul sein.

    In aller Regel ist es bei Kleinkindern üblich, dass nicht das Kind, sondern der gesetzliche Vertreter Vertragspartei wird, und zwar ganz gleich, ob die Eltern für das Kind Kleidung oder Spielzeug kaufen, ob sie das Kind ärztlich behandeln lassen oder ob sie dem Kind -wie hier- eine Brille kaufen. Andererseits ist es aber natürlich auch möglich -wenn auch unüblich-, dass die gesetzlichen Vertreter vertragliche Rechte und Pflichten für das Kind selbst begründen. So scheint es sich im vorliegenden Fall verhalten zu haben und dagegen ist im Grundsatz auch nichts einzuwenden.

    Das der Gläubiger das Kind zur eV bittet, ist natürlich gleichwohl auf fehlende Sensibilität zurückzuführen.

    Ansonsten ist Titel eben Titel.


  • In aller Regel ist es bei Kleinkindern üblich, dass nicht das Kind, sondern der gesetzliche Vertreter Vertragspartei wird,

    "In aller Regel..."? Die von mir anlässlich des unten geschilderten Falls ausgewertete Rspr. dürfte aber 50 : 50 mal das eine, mal das andere annehmen.


    Eine inhaltliche Überprüfung des Titels ist nicht zulässig. Gründe für die Rechtskraftdurchbrechung gem. § 826 BGB sind nicht ersichtlich und wären wohl auch nicht vom Rechtspfleger von sich aus zu berücksichtigen.



    Klar, Titel ist wirksam. Halt nur sehr ungewöhnlich. Armes Kind. :daumenrun

    Unter Umständen war das Absicht.

    Aus dem "Nähkästchen", d. h. ein Fall von mir, den ich aber leider verloren habe:

    Das Töchterlein will Ferien auf dem Reiterhof machen. Die vermögenden Eltern melden das Kind an. In den AGB steht (wirksam), dass ein Betrag X zu zahlen ist, wenn man vom Vertrag vor Beginn der Reiterferien "abspringt". Genau das hat die kleine Lady getan. Der Reiterhof erwirkt nun einen Mahnbescheid gegen die Eltern. Nach Widerspruch wird in der Anspruchsbegründung behauptet, die Eltern seien Partei des Vertrages. Ich war der Meinung, das Kind sei Partei. Das ist eine Auslegungsfrage des Vertragstexts. Mein hiesiges Amtsgericht meinte (leider), die Formulierung "Hiermit melde ich mein Kind für die Reiterferien vom [Datum] bis zum [Datum] an" lasse auf die Eltern als Partei schließen (höchst zweifelhaft, aber Berufungssumme war nicht erreicht). Hätte ich recht bekommen, wäre die Klage gegen die Eltern wegen fehlender Passivlegitimation abgewiesen worden mit entsprechender Kostenerstattung wegen meines Honorars. Dann hätte der Reiterhof einen Mahnbescheid gegen das vermögenslose Kind machen können. Für den Fall hatte ich schon geraten, nichts zu unternehmen. Auf den VB nebst Kosten hätten die Eltern und das Kind dann pfeifen können. Klappte in meinem Fall nicht, aber in dem Fall #1 ist den Eltern genau das gelungen: Partei ist das Kind. Und das kann nicht zahlen. So what? Nur munter vollstreckt, die Eltern kostet es ja nichts und das Kind hat nichts!



  • Insbesondere bei ärztlicher Behandlung ist dies nicht unbedingt so.

    Gerade ein Vertrag mit einen Krankenhaus betreffen spezieller Eingriffe wird hier durchaus mit dem Kind als Vertragspartei unter Einbezug der Vertretungsregelung aufgesetzt (Privatpatienten). Ebenso geht dann die Rechnung folgerichtig dann an das Kind. Auf diese Weise kann durchaus auch ein Titel entstehen.

  • Da würde ich doch gerne mal wissen, ob für das Kind jetzt die Privatinsolvenz beantragt werden könnte? Ansonsten würde es wohl auf §1629a BGB hinauslaufen.



    Ich versuch es nochmals. Vielleicht krieg ich ja jetzt eine ANtwort. Danke im Voraus!



    Wegen einem einzigen Gläubiger ???? Einer Brillenrechnung ?? Was würden denn die Inso-Rechtpfleger dazu sagen ??

  • @ Titus

    ich find es richtig, dass so entschieden wurde. Die Eltern ! und nicht das Kind sind bewusst und gewollt eine vertragliche Verpflichtung eingegangen. Ich empfinde es als selbstverständlich, dass man als Eltern hierfür auch gerade stehen muss. Das vermögenslose Kind sodann vorschieben zu wollen, um raus zu kommen, ist unanständig.

    Es kann, zumindest nach meinem Rechtsempfinden wohl nicht darauf ankommen, ob die Eltern auf dem Papier für sich oder das Kind handeln. Und genau das wäre vorliegend der einzigste Unterschied.

    Aber wie wäre es mit folgendem "Winkelzug".

    Die Ansprüche gegen das Kind titulieren lassen und die Schadenersatzansprüche, welche man näher betrachten sollte, (Die Eltern entscheiden im Rahmen der Sorge wann, wohin das Kind geht, welchen Reiterhof es besucht, also Nichtteilnahme in ihrem Entscheidungsbéreich, Schaden , kausal..) gegen die Eltern pfänden und klagen und dann gegen Eltern vollstrecken.

    Insoweit hilft den Eltern dann auch nix § 1629 a BGB.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • @ Titus

    Die Eltern und nicht das Kind sind bewusst und gewollt eine vertragliche Verpflichtung eingegangen.

    So einfach ist das nicht. Natürlich sind sie bewusst und gewollt eine vertragliche Verpflichtung eingegangen. Die Frage ist aber: in eigenem Namen oder im Namen des Kindes.

    Bei Schulungsverträgen findet man mehr oder weniger nur Urteile, die davon ausgehen, dass Partei derartiger Verträge die Kinder sind und nicht die Eltern. Beim "Reiterhof" mag es evtl. anders sei, es kommt halt auf den Einzelfall an. Ich habe ja oben die Vertragsformulierung wörtlich zitiert. Bei dieser Formulierung meine ich, ist das Kind Partei. Das hiesige Amtsgericht hat es anders gesehen.

    Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich es für richtig halte, wenn sich die Eltern hinter dem Kind verstecken. Wer aber in vorgedruckten (!) Vertägen die Formulierungen so wählt, dass das Kind Partei ist, hat eben konsequenterweise auch nur das Kind als Vertragspartner mit allen vermögensrechtlichen Folgen. Außerdem hat man beim Kind als Partei ja die Möglichkeit der Vorkasse. Dann wäre es zu dem Rechtsstreit gar nicht gekommen und der Reiterhof hätte sein Geld gehabt, als das Kind vom Kursus absprang. Er hatte ja auch die Vorkasse in den AGB drinstehen, wollte sie aber "bar"! Die Eltern waren nicht bereit, stundenlang nochmals zum Reiterferienhof zu fahren, nur um bar (und damit vermutlich "schwarz") eine Anzahlung zu leisten. Das war dann auch mit ein Motiv für das Kind, sich einen anderen REiterhof zu suchen. In dem konkreten Fall war das Ärgerliche ja die in AGB vorgesehene Abstandszahlung, die ja normalerweise nach den §§ 307 ff. BGB so gut wie nie wirksam ist, es sei denn, man macht es 100%ig wasserdicht wie die Reiseveranstalter. Daher war in meiner Klageerwiderung die AGB-widrigkeit mein 2. Standbein. Aber auch da hat der junge Amtsrichter zugunsten des Reiterhofs entschieden. Das Urteil war im Ergebnis eine Billigkeitsentscheidung: die Frage, wer Partei ist, und die Frage, ob die AGB-Regelung wirksam ist, wurde im Urteil m. E. gezielt so beanwortet, damit im Ergebnis herauskommt: die Eltern müssen bezahlen.

  • #1: Es gibt BGH-Rechtsprechung, dass Verwirkung eingewandt werden kann, wenn einige Zeit (wieviel ist unterschiedlich) nicht vollstreckt wird. Letztlich müsste man jährlich vollstrecken, damit einem nichts anbrennt. Ich halte diese Rechtsprechung nicht für richtig, denn: sie hebelt die 30jährige Verjährungsfrist eines Titels aus. (Vollstrecke ich jedoch jährlich, setzt mir der Rechtspfleger die Kosten ab, weil ich ja ohnehin weiß, dass der Schuldner nichts hat. ) Allerdings sehe ich nicht ein, dass der Optiker um den Lohn seiner Arbeit gebracht wird. Also vergiß die Verwirkung gleich wieder.

  • Vielen Dank Titus für deine wie immer klaren, sachlichen, pointierten Ausführungen (bin begeistert und muss das mal sagen).

    Mir ging es nur genau um diese Billigkeit. Im Ausgangsfall habe ich einfach was dagegen, wenn sich Eltern so aus der Veranwortung stehlen wollen. Deswegen auch Begriffe, wie vorschieben und unanständig.

    Eine mehr oder weniger einfache Rechtsfrage ist die Wirksamkeit von AGB, aber die gilt für Eltern und Kind gleich.

    Wenn ich auf einen alten Strengjuristen getroffen wäre, und so verlier, hätte ich evtl. auch scharf zurückgeschossen.

    Die Eingehung der Zahlungsverpflcihtung im Rahmen des Besuchs des Reiterhofs durch die Eltern, vorsätzlich im Bewusstsein der Einkommens -und Vermögenslosigkeit des Kindes als Vertragspartner, ist sicherlich einen streng juristischen Blick in § 263 StGB wert.

    Würdest du bitte noch ein paar Worte zu meinem anderen Vorschlag schreiben, wäre ganz nett von dir.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ...Allerdings sehe ich nicht ein, dass der Optiker um den Lohn seiner Arbeit gebracht wird. Also vergiß die Verwirkung gleich wieder.



    Das sehe ich im Prizip auch nicht ein. Als Vormund erbe ich nach Sorgerechtsentzügen gelegentlich solche Forderungen. Für mich ist nicht nachvollziehbar, weshalb Handwerker (Optiker, Kieferorthopäden), Versandhandel und die GEZ sich immer wieder auf solche Veträge einlassen.

    Zu River@
    Wegen einem einzigen Gläubiger ???? Einer Brillenrechnung ?? Was würden denn die Inso-Rechtpfleger dazu sagen ??

    Die Kummertante hat mich zu meinem Beitrag provoziert, als sie mit dem 1667 gewedelt hat.

    Die Forderung wird schon beträchtlich sein, sonst würden die Eltern sie schon beglichen haben und der Gläubiger sein gutes Geld dem schlechten jetzt nicht noch hinterherschmeißen.



  • Klar, Titel ist wirksam. Halt nur sehr ungewöhnlich. Armes Kind. :daumenrun



    Klar ist das Kind zu bedauern - aber : ungewöhnlich ?

    Zu der Zeit, als ich noch eVs abgenommen habe, war das keinesfalls ungewöhnlich (insb. bei Gl. = kl. Sportvereine oder bei Arztrechnungen).

    Das V-Organ hat sich an den Titel zu halten und sich der Rechtsberatung zu enthalten ! Vollstreckungsschuldner ist - wie bereits gesagt wurde - das Kind, vertr. durch seine ges. Vertreter (i.d.R. beide Elternteile).

    Ansonsten müsste im Prozesswege gegen den Titel vorgegangen werden.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

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