Prüfung Geschäftsfähigkeit des Veräußerers

  • Guten Morgen!

    Mir ist ein Kaufvertrag vorgelegt worden, in dem der Notar zum Ausdruck bringt, dass der Veräußerer unter Betreuung steht und der Zusaztbetreuer für die Vermögenssorge sich im Vorfeld mit ihm (dem Notar) in Verbindung gesetzt hat um darauf hinzuweisen, dass er erhebliche Bedenken bzgl. der Geschäftsfähigkeit hat. Daraufhin hat der Notar sich an die langjährige Hausärztin des Veräußerers gewandt, die ihm fernmündlich bestätigt hat, dass sie ihn für geschäftsfähig hält. Auch nach Auffassung des Notars, der ein Gespräch geführt hat, sei der Veräußerer geschäftsähig.
    Aus der Betreuungssache ergibt sich, dass am 10.01.2006 Antrag auf Einwilligungsvorbehalt bzgl. der Vermögenssorge gestellt wurde und der Anhörungstermin des Kreises zur Begutachtung am 26.01.2006 statt fand. Dabei hat der Gutachter festgestellt, dass der Betroffene unter erheblichen Gedächtnisstörungen leidet, und nicht mehr in der Lage ist, die Folgen rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu verstehen/einzuschätzen. Der Einwilligungsvorbehalt wurde mit Beschluss vom 24.03.2006 angeordnet. Der Kaufvertrag selbst wurde am 13.01.2006 (also 13 Tage vor der Begutachtung durch den Facharzt) beurkundet.
    Was muss ich jetzt tun? Hab ich, als ich mir die Betreuungssache beigezogen habe, überhaupt schon zu viel unternommen? Muss ich mich auf die Aussage des Notars, dass Geschäftsfähigkeit vorliegt, verlassen?
    Darüber hinaus verkauft der Betreute auch noch seine Tochter, die zuvor Betreuerin gewesen ist, dann aber aus dem Amt entlassen wurde. Begründung: "Der beschlossene Wechsel in der Person des Betreuers ist erforderlich, weil die Betreuerin die erforderliche Zusammenarbeit mit dem Zusatzbetreuer für die Vermögenssorge vermissen lässt. Vielmehr führten die bisherigen Aktivitäten der Betreuerin, insbesondere im Hinblick auf ihre Versuche, sich von dem Betroffenen dessen Grundbesitz übertragen zu lassen, zu ausgeprägten Missstimmigkeiten zwischen den Betreuern welche sich kontraproduktiv auf die Gesamtbetreuung auswirken."
    (Die Tochter war erst alleinge Betreuerin, dann ist ihr die Vermögenssorge entzogen worden und ein RA als Vermögensbetreuer bestellt worden und schließlich ist dem RA die gesamte Betreuung übertragen worden...)
    Für schlaue Ideen wäre ich sehr dankbar!!

  • Ohh, diese Sachen sind ja rechtlich immer sehr umstritten!

    In der Praxis würde ich an Deiner Stelle eine ZwVfg erlassen und die Zustimmung des Vermögenssorge-Betreuers verlangen sowie dann natürlich auch die Genehmigung des VormG.

    Zur Begründung würde ich in der ZwVfg wohl zunächst nur anführen, dass nach dem dem GBA bekannten Inhalt der Betreuungsakte von der Geschäftsunfähigkeit auszugehen ist.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Hier liegen m. E. erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers vor. Denen wird nachzugehen sein, wenn Du Dich nicht dem Vorwurf aussetzen willst, sehenden Auges bei dieser Übertragung einfach so mitgemacht zu haben. Nachdem die Urkunde selbst die Betreuung aufführt, wäre es unverantwortlich, das nicht nnäher zu prüfen. Ich sehe nicht, dass Du zu viel geprüft hättest.

    Wenn es "der Betroffene unter erheblichen Gedächtnisstörungen leidet, und nicht mehr in der Lage ist, die Folgen rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu verstehen/einzuschätzen", dann liegt dieser Zustand ja nicht erst ab Anordnung, sondern wohl auch vorher schon vor. Angesichts dessen davon auszugehen, dass wohl ein sog. lichter Moment vorliegen könnte, in dem der Veräußerer geschäftsfähig war, halte ich für sehr gewagt.

    Der gutachterliche Befund widerspricht m. E. (ich bin Laie) auch nicht unbedingt der Wahrnehmung des Notars, weil er ja auch ohne Gedächtnis und Einschätzung der rechtlichen Folgen momentan sehr präsent sein kann.

    Der Vertrag ist daher nur heilbar, wenn ihn der Betreuer mit den erforderlichen Genehmigungen/Zugängen genehmigt.

    Die Vorgänge um die Ex-Betreuerin stützen mich dann nur noch in dieser Haltung. Mögen die Beteiligten Beschwerde einlegen. Die Eintragung würde ich nicht ohne Anweisung des Landgerichts verantworten.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Wenn ernsthafte, auf konkreten Tatsachen beruhende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit eines der Beteiligten bestehen, darf das Grundbuchamt die Eintragung nicht vornehmen. Wie von Ulf bereits vorgeschlagen, ist dann eine Zwischenverfügung zu erlassen. Inhalt der Zwvfg sollte aber m.E. nicht sein, dass das GBA von der Geschäftsunfähigkeit des Beteiligten ausgeht, weil dann sofort zurückgewiesen werden müsste, vielmehr sollten die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Beteiligten zum Inhalt der Zwvfg gemacht werden. Nach der Rspr des BayObLG (Rpfleger 1992, 152) ist per Zwvfg aufzugeben, dass die Zweifel so weit zertreut werden, dass wieder vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann (s. hierzu auch DNotI-Report 7/2000, S. 57 ff., abrufbar unter http://www.dnoti.de; s.a. BayObLG in Rpfleger 1989,396). Ist dies nicht möglich, muss nach Fristablauf zurückgewiesen werden.

  • Meines Erachtens ist für die rechtliche Beurteilung des Falles danach zu unterscheiden, ob der Betreute geschäftsunfähig oder geschäftsfähig ist.

    1. Geschäftsunfähigkeit des Betreuten

    Ist der Betreute geschäftsunfähig, so ist der von ihm abgeschlossene Vertrag nach § 105 Abs.1 BGB nichtig und er kann demzufolge auch durch eine "Genehmigung" des Betreuers nicht wirksam werden (insoweit kann ich den Ausführungen von "Ulf" und "Andreas" nicht zustimmen). Der Betreuer müsste das Rechtsgeschäft mit identischem Inhalt somit neu vornehmen.

    Verfahrensrechtlich muss in diesem Fall danach unterschieden werden, ob das GBA bereits von der Geschäftsunfähigkeit des Betreuten überzeugt ist oder ob es eine Geschäftsfähigkeit des Betreuten immerhin für möglich hält. Ist letzteres der Fall, so ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen von "Harald" Zwischenverfügung zu erlassen und aufzugeben, die bestehenden Zweifel an der Geschäftsfähigkeit zu entkräften. Die Genehmigung des Betreuers (nebst vormG) kann aber nicht verlangt werden, weil diese Genehmigung eine wegen Geschäftsunfähigkeit nichtige Erklärung nicht wirksam machen könnte und die Erklärung des geschäftsfähigen Betreuten auch ohne die Genehmigung des Betreuers wirksam wäre (zumindest, wenn man die Auffassung teilt, dass der "verspätete" Einwilligungsvorbehalt die Wirksamkeit der Erklärung in entsprechender Anwendung von § 130 Abs.2 BGB nicht beeinträchtigt; hierzu vgl. nachfolgend Ziffer 2).

    Neigt man dagegen der Meinung zu, dass die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Betreuten aufgrund der zeitnahen Begutachtung des Sachverständigen und dessen Gutachten im vorliegenden Fall ohnehin nicht mehr zu zerstreuen sind, so ist sofortige Antragszurückweisung geboten.

    Mich stimmt etwas verwunderlich, dass der Sachverständige in seinem Gutachten keine Stellung zu der Frage bezogen hat, ob der Betreute auch schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als geschäftsunfähig angesehen werden muss. Wäre ich in dieser Sache VormG-Rechtspfleger, so würde ich unverzüglich von Amts wegen eine binnen kürzester Zeit vorliegende ergänzende schriftliche gutachterliche Stellungnahme zu dieser Frage erholen und dafür sorgen, dass sie dem GBA unverzüglich zugeht. Als Rechtspfleger des GBA würde ich diese Verfahrensweise beim Kollegen des VormG anregen und den gestellten Eintragungsantrag derweil wegen "noch nicht abgeschlossener Prüfung" schlummern lassen. Und dann sofort zurückweisen, wenn das Ergänzungsgutachten mit dem entsprechenden Inhalt eingeht.

    2. Geschäftsfähigkeit des Betreuten

    Ist der Betreute im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig gewesen, so kann die Wirksamkeit seiner Willenserklärung nach hM durch den nachträglichen Einwilligungsvorbehalt in entsprechender Anwendung des § 130 Abs.2 BGB nicht mehr beeinträchtigt werden (Palandt/Heinrichs § 130 RdNr.12; Ermann/Holzhauer § 1903 RdNr.23; Soergel/Zimmermann § 1903 RdNr.12). Ich halte diese Rechtsauffassung für zweifelhaft, weil durch den Einwilligungsvorbehalt kein Verlust der vorhandenen Geschäftsfähigkeit eintritt, sondern die Wirksamkeit der Erklärung des geschäftsfähigen Betreuten lediglich von einem zusätzlichen Erfordernis (der Einwilligung bzw. Genehmigung des Betreuers) abhängig gemacht wird. In diesem Kontext dürfte es sich beim Einwilligungsvorbehalt aber im Rechtssinne um eine gerichtlich angeordnete Verfügungsbeschränkung handeln, die unter den Anwendungsbereich des § 878 BGB subsumiert werden müsste.

    Stimmt man dem zu, so kommt es darauf an, ob der Eintragungsantrag vor dem Wirksamwerden des Einwilligungsvorbehalts beim GBA eingegangen ist (die Bindung nach § 873 Abs.2 BGB ist ja wegen der erfolgten notariellen Beurkundung des Kaufvertrags samt Auflassung kein Problem). Ist dies nicht der Fall, so müsste die in Ziffer 1) genannte Zwischenverfügung mit dem Inhalt ergehen, dass nicht nur die bestehenden Zweifel an der Geschäftsfähigkeit zu zerstreuen sind, sondern dass (falls dies gelingt) darüber hinaus in jedem Fall auch die Genehmigung des Vermögensbetreuers und die hierzu erforderliche vormG vorzulegen ist. Hat der Betreuer bereits erklärt, den Vertrag nicht genehmigen zu wollen (wofür lt. Sachverhalt einiges spricht), so ist im Falle der i.S. des § 878 BGB verspäteten Antragstellung sofort zurückzuweisen, weil der Vertrag dann auch im Falle des Nachweises der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen nicht wirksam werden könnte. Aber dies alles setzt natürlich voraus, dass man die Auffassung von der analogen Anwendbarkeit des § 130 Abs.2 BGB nicht für richtig hält und die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 878 BGB nicht vorliegen.

  • Ja, so tu ich das wohl.
    Schreib ihm also, dass er bitte entweder Zustimmung des Betreuers plus vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung einreichen oder die Geschäftsfähigkeit nachweisen bzw. die Zweifel daran ausräumen soll.
    Bin ja mal gespannt, wie es weiter geht.
    Danke für die schnellen Antworten!!!

  • Uschi:

    Also ist der Eintragungsantrag wohl erst nach dem Wirksamwerden des Einwilligungsvorbehalts eingegangen (anderenfalls wäre § 878 BGB ja erfüllt).

    Nur vorsorglich zur Klarstellung: Mit der Zwischenverfügung das Ausräumen der Zweifel an der Geschäftsfähigkeit und die Genehmigung des Betreuers samt vormG fordern (nicht entweder/oder).

    Der Notar wird einerseits schwer meutern, weil er Dir sicher den "analogen § 130 II BGB" mit den genannten Kommentarstellen um die Ohren haut. Andererseits: Gegen das Verlangen des Ausräumens der Zweifel an der Geschäftsfähigkeit kann er nichts machen. Insoweit wird Dir jedes Beschwerdegericht recht geben.

  • Ich will gar nicht weit rechtlich ausholen nur kurz meinen Fall schildern:
    In der Urkunde (Grundstücksübertragung) trat eine ältere Dame für sich auf. Der Notar protokollierte ihre Geschäftsfähigkeit.
    Zufällig erhielt ich zeitgleich neben der Grundakte auch die Betreuungsakte auf den Tisch, aus der hervorging, dass die Dame am Tag der Beurkundung von Richter angehört wurde. Aus dem Protokoll des Richters war zu entnehmen, dass die Dame kaum ansprechbar und für ihn geschäftsunfähig war.
    In der Zwischenverfügung wurde die Geschäftsfähigkeit angzweifelt und die Erklärung für nichtig erklärt.
    Das Landgericht hat die Zwischenverfügung aufgehoben, mit der Begründung, dass das Grundbuchamt von der Geschäftsfähigkeit auszugehen hat, wenn der Notar die Geschäftsfähigkeit feststellt.

    Gruß

    Jens

  • FOLIA-Jens:

    Diese Begründung des Landgerichts ist natürlich der vollendete Blödsinn, weil sie der gesamten einschlägigen Rechtsprechung und Literatur widerspricht, wonach die Beurteilung des Notars lediglich eine gewisse Indizwirkung im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden zukommt. Aber einen Vorteil hat das ganze natürlich: Das GBA hat die Haftung vom Hals, die drohen würde, hätte man einfach ohne ZwVfg. eingetragen.

    Haben der Betreuer und das VormG in dem geschilderten Fall eigentlich dann hinterher nichts mehr unternommen (Klage auf Berichtigungsbewilligung)? Oder haben sie die Sache laufen lassen, weil ihnen der Kaufpreis angemessen erschien und ohnehin hätte verkauft werden müssen?

  • @Juris:
    Also wenn doch die Zweifel über die Geschäftsfähigkeit ausgeräumt sind, warum sollte dann noch Zustimmung des Betreuers und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich sein?? Dann war er doch geschäftsfähig im Zeitpunkt der Beurkundung und gut.

    Ich hab mich im übrigen nochmal mit meinen Kollegen vor Ort unterhalten und die meinten, dass ich mir im formellen Grundbuchverfahren gar nicht so viele Gedanken machen DARF. Der Notar hat sich über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten Gedanken zu machen, was FOLIAJens' landgerichtlicher Entscheidung entspricht.
    Vielmehr müßte jetzt der Betreuer den Vertrag anfechten und eine Feststellungsklage erheben.
    Ich häng mich mal ans Telefon...

    Danke an alle!

  • Zum "formellen" Grundbuchverfahren:

    Bei der Veräußerung von Grundbesitz hat das GBA nach § 20 GBO die materielle Wirksamkeit der Auflassung zu prüfen. Im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit kann man sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte in aller Regel natürlich auf die diesbezügliche Einschätzung des Notars verlassen. Aber dies gilt natürlich nicht bei dem GBA zur Kenntnis gelangten entgegenstehenden Anhaltspunkten und erst recht nicht bei einem offensichtlich problematischen Fall wie dem vorliegenden.

    Was im Grundbuchverfahren zu Recht der Klärung bedarf, muss im übrigen im Zivilprozess nicht mehr erstritten werden.

    Nochmals zur Klarstellung: Wenn der Betreute im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig war, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Wirksamkeit seiner Erklärungen wird durch den Einwilligungsvorbehalt nicht mehr tangiert (§ 130 Abs.2 BGB analog) oder es findet § 878 BGB Anwendung. Plädiert man für die Anwendung des § 878 BGB, so gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder der Eintragungsantrag ist vor dem Wirksamwerden des EV beim GBA eingegangen (dann bleiben die Erklärungen wirksam) oder er ist erst nach dem Wirksamwerden des EV eingegangen (dann werden die ursprünglich wirksamen Erklärungen unwirksam, weil die Verfügungsbefugnis -wie auch sonst- bis zum Rechtserwerb fortbestehen muss).

  • Zitat von juris2112:
    "Ich halte diese Rechtsauffassung für zweifelhaft, weil durch den Einwilligungsvorbehalt kein Verlust der vorhandenen Geschäftsfähigkeit eintritt, sondern die Wirksamkeit der Erklärung des geschäftsfähigen Betreuten lediglich von einem zusätzlichen Erfordernis (der Einwilligung bzw. Genehmigung des Betreuers) abhängig gemacht wird. In diesem Kontext dürfte es sich beim Einwilligungsvorbehalt aber im Rechtssinne um eine gerichtlich angeordnete Verfügungsbeschränkung handeln, die unter den Anwendungsbereich des § 878 BGB subsumiert werden müsste.

    Ich kann damit nicht einig gehen. Durch den Verweis in § 1903 BGB

    "Die §§ 108 bis 113, 131 Abs. 2 und § 210 gelten entsprechend."

    wird der Betroffene mit der Anordnung des EV so gestellt, als sei er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, vgl. auch § 11 SGB X. Eingeschränkte Geschäftsfähigkeit hat nichts mit einer Verfügungsbeschränkung zu tun. Die Anordnung des § 1903 BGB wirkt auch nicht ex tunc, sondern ex nunc, also bedürfen die vorher abgegebenen Willenserklärungen nicht der Genehmigung durch den Betreuer, auch wenn ihr Vollzug noch aussteht.

    Im Grundbuchverfahren ist das Dilemma gegeben, dass zwischen Abgabe der Erklärung und deren Vollzug(-sfähigkeit) teils große Zeiträume liegen. Das schadet aber nicht. Wird eine vor EV-Anordnung wirksam - also bei voller Geschäftsfähigkeit - abgegebene Erklärung des Betreuten zur Eintragung eingereicht, ist diese weder zustimmungsbedürftig noch als Verfügungsbeschränkung zu sehen. Für die Anwendung des § 878 BGB ist daher kein Raum.

    Einer meiner Dozenten beschwor immer seine Gemeinde: Bringt den Sachverhalt ins Extreme, dann wird er klarer! Also:


    A, im Vollbesitz seiner Kräfte, auch geistiger Art, erklärt wirksam Auflassung etc., alles paletti. Auf der Fahrt nach Hause erleidet er einen schweren Unfall mit Gehirnschäden. Vollkommen geschäftsunfähig. Er erhält einen Betreuer. EV scheidet aus, weil unnötig, A liegt im Koma.

    Keiner wird ein Hindernis für den Vollzug der Urkunde sehen. Pacta sunt servanda. Rücktrittsrechte sind nicht ersichtlich.


    Im Ausgangsfall #1 hat A rechtsgeschäftlich wirksam eine Erklärung abgegeben, bevor er über § 1903 BGB gewisse Einbußen in seinen Möglichkeiten erlitten hat.

    Nach juris2112 wird im minder schweren Fall der nachträglich fingierten beschränkten Geschäftsfähigkeit das Grundbuchgeschäft für die Freunde des § 878 BGB gestoppt, wenn der Eintragungsantrag bei EV-Anordnung noch nicht vorliegt, obwohl A die Erklärungen wirksam vor EV-Anordnung abgegeben hat. Im schweren Fall der nachträglichen Geschäftsunfähigkeit schert sich keiner um den § 878 BGB, nur weil die Anwendung des § 1903 BGB wegen offensichtlicher Unnötigkeit nicht in Frage kam.

    Das kann nicht richtig sein und ist nicht richtig.

  • Wer will ihn wissen:

    Ich denke, ich hatte hinreichend deutlich gemacht, dass die hM die Problematik des "nachträglichen" Einwilligungsvorbehalts über die analoge Anwendung des § 130 Abs.2 BGB zu lösen gedenkt. Stimmt man dem zu, ist die Sache klar: Der nachträgliche EV hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Erklärungen des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (unterstellt) Geschäftsfähigen.

    Ich frage mich nur, ob diese Auffassung tatsächlich zutreffend ist. Denn die in § 1903 Abs.1 S.2 BGB enthaltene Verweisung auf die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit besagt ja nur, wie der aufgrund eines EV entstandene "rechtliche Mangel" der Erklärung des Betroffenen im Rechtssinne zu beheben ist. Eine Aussage über das Wesen und die Rechtsfolgen des EV ist mit dieser Verweisung dagegen nicht verbunden.

    Es ist völlig unstreitig, dass ein Einwilligungsvorbehalt bei einem geschäftsfähigen Betreuten nicht zur Beschränkung der (vorliegenden) Geschäftsfähigkeit des Betroffenen führt. Wenn dem aber so ist, so kann der rechtliche Mangel in der Erklärung des Betreuten nicht in dessen fehlender Geschäftsfähigkeit (denn diese liegt ja vor!), sondern nur in dessen Verfügungsbefugnis gesehen werden. Und dies führt ohne weiteres zur Anwendung des § 878 BGB.

    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen erweist sich auch der herangezogene "Extremfall" als obsolet. Wer eine wirksame Erklärung abgibt und hinterher geschäftsunfähig wird, dessen Erklärung bleibt aufgrund unmittelbarer Anwendung des § 130 Abs.2 BGB wirksam. Wir diskutieren beim Einwilligungsvorbehalt aber über die Frage, ob die analoge Anwendung des § 130 Abs.2 BGB gerechtfertigt ist oder ob sich die Problematik nicht besser über § 878 BGB lösen lässt.

    Ich räume ohne weiteres ein, dass ich in dieser Hinsicht (bisher) eine Mindermeinung vertrete. Aber ein Gedanke muss nicht deshalb falsch sein, nur weil er noch nie gedacht wurde.

    Zum Ausgangssachverhalt: Der vorliegende Meinungsstreit ändert jedenfalls nichts an der Tatsache, dass Zwischenverfügung aufgrund der bestehenden Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Verfügenden zu erlassen ist.

  • Zitat von Uschi


    Ich hab mich im übrigen nochmal mit meinen Kollegen vor Ort unterhalten und die meinten, dass ich mir im formellen Grundbuchverfahren gar nicht so viele Gedanken machen DARF. Der Notar hat sich über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten Gedanken zu machen, ...



    Ja, schon...

    Aber die Gedanken, die wir uns halt noch machen müssen, müssen wir wirklich intensiv machen, weil uns sonst aus der Ferne die Staatshaftung angrinst. Es kann doch nicht sein, dass ein Grundbuchamt deutliche Hinweise bekommt, dass keine Geschäftsfähigkeit vorlag, und einfach darüber hinwegsieht ("man darf sich ja nicht so viele Gedanken machen"). Wenn der Rechtsinhaber = Bewilligungsberechtigte geschäftsunfähig war, dass ist die Bewilligung (hier: die Auflassung) wertlos, darüber sind sich alle Kommentierungen einig. Ich will mich jedenfalls nicht dem Vorwurf aussetzen, dass ich darüber hinweggesehen hätte. Später kommen alle an: "Wie konnten Sie nur?" Wenn das Landgericht die Skrupel nicht hat, bitte. Dann bist Du aber aus dem Schneider. Und vorliegend meine ich, dass die Hinweise mehr als deutlich sind, dass die Geschäftsfähigkeit bei Vertragsabschluss nicht vorlag. Es ist ja offenbar nicht so, dass der Zustand erst nach Vertragsabschluss plötzlich eingetreten ist. Er wurde vielmehr bereits im Vertrag angesprochen.

    Der Notar hat sich über die Geschäftsfähigkeit Gedanken zu machen. Das heißt aber erstens nicht, dass nur er sich Gedanken machen muss. Liegen an der Geschäftsfähigkeit Zweifel vor, die - das ist richtig - das Grundbuchamt nicht suchen muss, die ihm aber ohne weiteres irgendwie zugetragen werden können, dann muss sich eben auch das Grundbuchamt Gedanken machen. Das besagt besagt zweitens nicht, dass der Notar in der Einschätzung der Geschäftsfähigkeit unfehlbar ist. Er ist Jurist (und wie oft fehlt er da schon!), kein Sachverständiger für die Frage der Geschäftsfähigkeit. Vorliegend behauptet er nicht einmal felsenfest, dass der Veräußerer geschäftsfähig gewesen wäre. Auf die fernmündliche Auskunft des Hausarztes gebe ich da nichts, aber auch gar nichts.

    Der Fall war doch wohl so, dass die Beteiligten ankamen (d.h. der Veräußerer wurde wohl eher angeschleppt), der Notar wollte sie nicht ohne weiteres wegschicken (die Tochter wird lange genug auf ihn eingeredet haben), sondern hat halt versucht, sich so gut es geht aus der Affäre zu ziehen, seine Zweifel angemeldet und trotzdem einen Weg gefunden, die Beurkundung halbwegs mit Anstand zu rechtfertigen und so - mal knallhart gesagt - den Schwarzen Peter ans Grundbuchamt weitergereicht.
    Ich will nicht so tun, als ob ich das als Notar nicht auch so gemacht hätte. Aber als Grundbuchamt kann ich nicht einfach darüber hinwegsehen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • So, jetzt habe ich meinen neuesten Palandt zur Hand (61. Aufl.). Dort Anm. 1) - 2 - b: "§ 878 ist nicht anwendbar bei ... oder Verlust der Geschäftsfähigkeit (§ 130 II), kann aber, sofern keine Bindung nach §§ 873 II, 875 II eingetreten ist, vom Erben (bei Miterben genügt einer), .... bzw. Vormund einseitig widerrufen werden ...)."

    Zur Definition der Verfügungsbeschränkungen: s. Palandt 61. Anm. 9, 17 Vorbemerkungen zu § 873 BGB. Passt nicht auf nachträglichen Geschäftsfähigkeitsverlust.

  • Die Richtigkeit dieser Ausführungen steht nicht in Zweifel. Das Problem ist aber, dass durch den Einwilligungsvorbehalt ja überhaupt kein Verlust und keine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit eintritt. Es verhält sich vielmehr so, dass der nach wie vor geschäftsfähige Betreute aufgrund des Einwilligungsvorbehalts der Zustimmung eines Dritten bedarf, damit die von ihm abgegebene Willenserklärung wirksam sein kann. Wie sollte sich dieses Ergebnis anders dogmatisch begründen lassen als durch den Eintritt einer gerichtlich angeordneten Verfügungsbeschränkung? Diese Fragestellung ist übrigens auch der Grund dafür, dass die in #5 unter Ziffer 2) genannten Kommentatoren die Vorschrift des § 130 Abs.2 BGB analog anwenden müssen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass der nachträgliche Einwilligungsvorbehalt die Wirksamkeit der vorher abgegebenen Erklärung nicht berührt. Für den Fall, dass der Betreute im vorliegenden Fall im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig gewesen sein sollte, zeigt gerade der hier diskutierte Sachverhalt, dass der gebotene Schutz des Betreuten über die Anwendung von § 878 BGB wesentlich besser gewährleistet werden kann als durch die analoge Anwendung von § 130 Abs.2 BGB.

  • Guten Morgen!

    Nachdem ich mich auch mit den beiden o.g. Entscheidungen auseinander gesetzt hab, bin ich auch zu der Auffassung gekommen, dass ich hier in die Prüfung "geschäftsfähig oder nicht" doch tiefer einsteigen muss. Andreas' Ausführungen teile ich (jetzt) zu 100% und ich werde dem Notar jetzt erstmal eine schöne Zwischenverfügung schicken....

    Nochmal danke an alle!

  • Als Rpfl. beim VG wäre ich sauer auf die Kollegen beim GBA wenn sie sich keine Gedanken zur Wirksamkeit der Auflassung machen würden. Denn irgendwie hab ich doch noch was im Hinterkopf, dass bei der Auflassung das formelle Konsenzprinzip durchbrochen wird und das GBA also auch die materielle Wirksamkeit der Auflassung zu prüfen hat. Wenn der Notar also Zweifel an der Geschäftsfähigkeit in seiner Urkunde zum Ausdruck bringt hat das GBA diese zu prüfen. Ich würde hier auch eine Anwendung des § 878 BGB bevorzugen, da mit dem Einwilligungsvorbehalt ja eine Verfügungsbeschränkung entsteht.

  • Nur zur Rolle des Notars: Er muss die Beurkundung ablehnen, wenn er von einer Geschäftsunfähigkeit überzeugt ist. Bestehen Zweifel an der Geschäftfähigkeit, soll der Notar diese in der Niederschrift feststellen. Ist ein Beteiligter schwe krank, so soll dies in der niederschrift vermerkt und angegeben werden, welche Feststellunlgen der Notar über die Geschäftsfähigkeit getroffen hat (siehe § 11 BeurkG u. entspr. Komm.).

    Bei bloßen Zweifeln wird der Notar i.d.R. immer beurkunden, denn nach BNotO u. BeurkG gilt für ihn ja als allein zuständige Stelle der Urkundsgewährungsanspruch. Er (der Notar) würde sich erheblichen Haftungsgefahren aussetzen, wenn er in solchen Zweifelsfällen eine von den Beteiligten angetragene Beurkundung ablehnt. Ob ein Beteiligter geschäftsunfähig war oder nicht ist aber natürlich bei solchen Beurkundungen nicht sicher.

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