Pflichtteilsverzicht gegenüber Betreuter

  • So nen Fall hatte ich noch nie und irgendwie, glaube ich, sehe ich hier das Problem nicht:
    Frau wird betreut von Ehemann. Ihre Geschäftsfähigkeit ist nicht eindeutig, ich tendiere nach Akteninhalt allerdings zu geschäftsfähig.
    Die Tochter der Eheleute verzichtet nunmehr gegenüber dem Erstversterbenden ihrer Eltern auf ihren gesetzlichen Pflichtteil. Eine Gegenleistung o.ä. ist in der notariellen Urkunde nicht vereinbart.
    Der Pflichtteilsverzicht wird angenommen zum einen von der Betreuten selbst und zum anderen zusätzlich nochmals von ihr selbst vertreten durch ihren Ehemann als Betreuer. Die Urkunde liegt mir jetzt zur Genehmigung vor.

    Ich habe den 2347 Abs. II BGB gefunden, zur Kenntnis genommen und sehe beim besten Willen keinen Grund, warum ich hier nicht ohne weiteres Fackeln sofort die Genehmigung erteilen sollte.
    Unsicher bin ich mir allerdings im Hinblick darauf, ob nicht evtl. ein Vertretungsausschluss besteht, wenn der Ehemann die Betroffene gegenüber seiner Tochter vertritt.
    Ich hätte jetzt gesagt, der Vertrag ist für die Betroffene lediglich rechtlich vorteilhaft und deshalb kein Vertretungsausschluss.
    Mache ich es mir zu einfach? Kann es so simpel sein ? :D Übersehe ich was?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • § 2347 I 1 BGB: "...wen der Verzichtende unter Vormundschaft steht..."

    Die Betroffene verzichtet ja nicht, sondern nimmt den Verzicht nur vertraglich an. Ehrlich gesagt, sehe ich gar keine Genehmigungspflicht.



    Ich bzw. wir hier haben 2347 Abs. II S. 2 so gelesen, dass bei Annahme des Verzichts des Erblassers vetreten durch den Betreuer auch eine Genehmigung erforderlich ist.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -



  • Ich bzw. wir hier haben 2347 Abs. II S. 2 so gelesen, dass bei Annahme des Verzichts des Erblassers vetreten durch den Betreuer auch eine Genehmigung erforderlich ist.



    Jep, der Rechtsfreund liest weiter.

    Genehmigung ist notwendig, wenn der Betreuer handeln will - muß vorher vorliegen (MüKo).
    § 1795BGB wird durch den rechtlichen Vorteil ausgehebelt, Palandt, 67. A. Rn. 4 zu § 1975.

    Fazit: es ist so einfach - aber vorherige Genehmigung.

  • Irgendwie erschließt sich mir nicht der Sinn der nötigen vG in Fällen, wo der Betreuer für den Betroffenen den Pflichtteilsverzicht seiner Kinder als dessen potentielle Erben annimmt.

    Kann mir jemand auf die Sprünge helfen? Was muss ich denn bei einem unentgeltlichen Verzicht im Genehmigungsverfahren prüfen? :gruebel: Ist doch immer vorteilhaft für den Betroffenen (sofern er nicht als Erster stirbt, dann sogar egal).

  • Irgendwie erschließt sich mir nicht der Sinn der nötigen vG in Fällen, wo der Betreuer für den Betroffenen den Pflichtteilsverzicht seiner Kinder als dessen potentielle Erben annimmt.

    Kann mir jemand auf die Sprünge helfen? Was muss ich denn bei einem unentgeltlichen Verzicht im Genehmigungsverfahren prüfen? :gruebel: Ist doch immer vorteilhaft für den Betroffenen (sofern er nicht als Erster stirbt, dann sogar egal).



    Mir auch nicht! Deshalb bin ich ja so verwirrt. Ich hasse Sachen, deren Sinn sich mir nicht erschließt, weil ich immer davon ausgehe, dass ich nur zu doof bin, um den tieferen Sinn zu verstehen. Ich hatte schon mal gedacht, dass es Fälle geben könnte, wo eine Gegenleistung vereinbart ist und deshalb das Vormundschaftsgericht den Daumen draufhalten soll...:nixweiss:

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Der Sinn u. Zweck der Vorschrift in Deinem Fall erschließt sich für mich auch nicht.
    Ob das vom Gesetzgeber vom Schutzweck der Norm her , wie es immer so schön heißt , gewollt war ?:gruebel:

    Mal unscharf formuliert :

    Ist das Ganze nicht "lediglich rechtlich vorteilhaft" für den Betreuten und daher deshalb genehmigungsfrei ?


  • Ist das Ganze nicht "lediglich rechtlich vorteilhaft" für den Betreuten und daher deshalb genehmigungsfrei ?



    Auch diese Überlegung hat zu meiner Verwirrung beigetragen. Denn wenn ich für den 1795 den "rechtlichen Vorteil" bejahe, muss das ja wohl auch für die Genehmigung gelten...

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Sehe ich wie Du.

    Denn ich hab mal "gelernt", dass Rechtsgeschäfte , die lediglich rechtlich vorteilhaft sind, nicht genehmigungspflichtig sind.

  • Mal wieder so' n Fall, wo ich zu gerne denjenigen, der das Gesetz "verbrochen" hat danach fragen möchte, wo der tiefere Sinn steckt. Ich schätze mal, ich mache gleich einfach nen dicken Vermerk in die Akte und erteile pro forma die Genehmigung - wer fragt schon nach dem Sinn :teufel:

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Den Sinn der VG-Genehmigung nach § 2347 II2 BGB kann ich eigentlich auch nicht nachvollziehen, ohne die Gesetzesmaterialien zu bemühen. Palandt schweigt, Müko pp. habe ich nicht im Büro.

    Den Verzicht auf den Pflichtteil - § 2346 II BGB (#1) - ohne Gegenleistung würde ich auch genehmigen, auch wenn nach #1 eine Genehmigungsbedürftigkeit gar nicht vorliegt, weil die Betreute nicht geschäftsunfähig ist. Im Prinzip darf der Betreuer gar nicht mitwirken. Seine Mitwirkung und die VG-Genehmigung sind also nur Vorsichtsmaßnahmen.
    Das Erbrecht der Tochter bleibt erhalten, ohne dass eine Beschränkung in den Testiermöglichkeiten, die ausschließlich nach § 2229 BGB zu beurteilen sind, herbeigeführt wird.

    Würde durch die Tochter auf das Erbrecht mit der Folge des § 2349 BGB verzichtet, könnte in Ermangelung einer Testierfähigkeit eine prinzipiell dem Betreuten fremde oder sogar unliebsame Person Erbe werden, eine Folge, die dieser und sein Betreuer evtl. nicht überblicken. Ich kann mir vorstellen, dass deshalb ein Genehmigungsvorbehalt eingebaut ist.

  • Habe jetzt mal den MüKo zu Rate ziehen können. Da danach ist der Erbverzicht für den Erblasser lediglich rechtlich vorteilhaft ist, "können sich Bedenken gegen die Erteilung der Genehmigung nur aus dem Kausalgeschäft zum Erbverzicht ergeben."
    Warum allerdings bei einem lediglich rechtlich vorteilhaften RG dann überhaupt eine Genehmigung zu erteilen ist, wird nicht problematisiert.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Den Sinn der VG-Genehmigung nach § 2347 II2 BGB kann ich eigentlich auch nicht nachvollziehen, ohne die Gesetzesmaterialien zu bemühen. Palandt schweigt, Müko pp. habe ich nicht im Büro.

    Den Verzicht auf den Pflichtteil - § 2346 II BGB (#1) - ohne Gegenleistung würde ich auch genehmigen, auch wenn nach #1 eine Genehmigungsbedürftigkeit gar nicht vorliegt, weil die Betreute nicht geschäftsunfähig ist. Im Prinzip darf der Betreuer gar nicht mitwirken. Seine Mitwirkung und die VG-Genehmigung sind also nur Vorsichtsmaßnahmen.
    Das Erbrecht der Tochter bleibt erhalten, ohne dass eine Beschränkung in den Testiermöglichkeiten, die ausschließlich nach § 2229 BGB zu beurteilen sind, herbeigeführt wird.

    Würde durch die Tochter auf das Erbrecht mit der Folge des § 2349 BGB verzichtet, könnte in Ermangelung einer Testierfähigkeit eine prinzipiell dem Betreuten fremde oder sogar unliebsame Person Erbe werden, eine Folge, die dieser und sein Betreuer evtl. nicht überblicken. Ich kann mir vorstellen, dass deshalb ein Genehmigungsvorbehalt eingebaut ist.




    So richtig erschließt sich mir dennoch nicht das Erfordernis einer Genehmigung.

    Im Fall des Pflichtteilsverzicht durch einen potentiellen gesetzlichen Erben des Betroffenen muss natürlich eine Verfügung von Todes wegen vorliegen, die den Pflichtteilsverzichtenden von der Erbfolge ausschließt. Sonst käme ein späteres Fordern des Pflichtteils durch den potentiellen Erben generell ohnehin nicht in Betracht. Wenn noch nicht klar ist, dass derjenige enterbt werden soll, scheint mir ein Verzicht auf das Pflichtteil auch kaum sinnvoll.

    Hinsichtlich des Verzichts auf das Erbrecht kann es natürlich sein, dass der Betroffene z. B. die Lieblingstochter eingesetzt hatte und nun nach dem Gesetz auch andere unliebsame Kinder erben. Dies geschieht jedoch auch im Falle der Ausschlagung durch die Tochter nach Eintritt des Erbfalls. Bei einem Genehmigungsantrag zu einem Erbverzicht müsste man dann ja quasi prüfen, ob die an Stelle der Verzichtenden eintretenden Personen als Erbe würdig wären. Das kann ja irgendwie nicht sein.

  • Ich habe nun auch einen Antrag auf Genehmigung eines Erb-u. Pflichtteilsverzichtsvertrages auf dem Tisch.

    Der Betroffene ( wohl nicht mehr geschäftsfähig) wird vom Sohn und Betreuer bei der Annahme des Verzichtes vertreten.
    Die beiden anderen Söhne erklären ihren Verzicht auf Erbteil und Pflichtteil nach dem Tod des Vaters.
    Seht ihr hier ein Genehmigungserfordernis ? Gibt es neue Meinungen ?

  • Nein, eine Gegenleistung ist nicht vereinbart. Mit dem Betreuer habe ich schon etwas länger Schwierigkeiten. Es geht um die Rentenzahlungen des Vaters und deren Verwendung -kurz: mittlerweile ist auch ein Ergänzungsbetreuer im Spiel mit dem AK -Abschluss eines Pflegevertrages-. U.a. habe ich den Betreuer auch auf seine Schlussrechnungspflichten hingewiesen. Da ist er fast explodiert... Tja, jetzt will er wohl Nägel mit Köpfen machen und hat die Geschwister zu dem Verzichtsvertrag gedrängt.

  • Wenn die Geschwister des Betreuers verzichten, ist das deren Sache und deren Motivation hat uns -jedenfalls bei fehlender Abfindung- nicht zu interessieren.

    Der für einen geschäftsunfähigen Erblasser handelnde Betreuer bedarf nach § 2347 Abs.2 S.2 BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Für das Genehmigungserfordernis ist es entgegen der im vorliegenden Thread gelegentlich anklingenden Annahme irrelevant, ob der Verzicht für den Erblasser mit einem rechtlichen Vorteil verbunden ist.

    Gleichwohl ist gefährlich, was der Betreuer hier vorhat. Denn wenn der Erblasser geschäftsfähig sein sollte, ist der Verzicht unwirksam, weil ihn der Erblasser den Verzichtsvertrag nur persönlich schließen kann (§ 2347 Abs.2 S.1 BGB). Aus diesem Grund wird auch empfohlen, sowohl den Erblasser als auch den Betreuer handeln zu lassen und für das Betreuerhandeln vorsorglich die gerichtliche Genehmigung einzuholen (Staudinger/Schotten § 2347 Rn. 31, 34 m.w.N.).

  • Cromwell hat natürlich recht, aber das kann in diesem Fall dem Erblasser doch wurscht sein. Offensichtlich geht das ganze nicht von ihm aus, er erleidet also keinen Nachteil, ob der Verzicht wirksam geschlossen wurde oder nicht (wenn er noch geschäftsfähig war). Und wenn die "dummen Jungs" später merken, dass sie vom Bruder reingelegt wurden, können sie versuchen, mit "Geschäftsfähigkeit" das ganze zu Fall zu bringen.
    Anders würde ich es sehen, wenn es ein Wunsch des Erblassers wäre, dass die beiden verzichten, dann muss der Verzicht "halten".

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