Nießbrauchsfähig?

  • Hallo,

    hab den Fall einer erfahrenen Kollegin, die hier nicht so recht weiter weiß.

    "Der Übernehmer (Sohn) räumt dem Übergeber (Mutter) einen lebenslänglichen und unentgeltlichen Nießbrauch an bestimmten Räumen in dem übertragenen Objekt sowie an der Freifläche ein, wozu folgendes vereinbart wird:

    Der Nießbrauch soll sich beziehen auf die Benutzung aller Räume im Anbau des Hauses; diese Räume werden von dem Übernehmer auf seine Kosten zu einer eigenen Wohnung in ca 90 qm, bestehend aus 2 Zimmern, Küche Bad, Flur, Gäste-WC und Abstellraum, umgebaut."

    Ist dieses Recht nießbrauchsfähig? Oder ist das nicht einfach ein Wohnrecht an einer noch nicht fertig gestellten Wohnung?
    Und wo ist evtl. der Sinn und Zweck der Sache?

    Die Kollegin meint, dass das kein Nießbrauch sein kann, da hier nur ein Recht besteht (nämlich das Recht, die Räume als Wohnung zu nutzen) und damit eine bpD (Wohnrecht) einzutragen wäre.
    Ich hab jetzt die Meinung geäußert, dass ja der Nießbrauch auch die Früchteziehung beinhaltet und daher auch die Möglichkeit besteht, das Ding zu vermieten oder weiß der Geier was. Aber da ich noch seht neu im GB bin, hab ich das nur ganz leise geäußert...

    Für Meinungen und Gedanken wäre ich sehr dankbar.

    Gruß, rpfl_nds

  • Der Nießbrauch kann auf bestimmte Grundstücksteile beschränkt sein. In Deinem Fall wäre dies der Teil auf dem der Anbau steht (der Nießbrauch erfaßt dann auch das Gebäude - Palandt, § 1030 Rn 2). Da der Vertrag keine Einschränkungen vorsieht, ist der Gundstücksteil (einschl. Gebäude) dabei zur Benutzung in jeder Hinsicht überlassen (Schöner/Stöber, Rn. 1237).

  • Ich bin mir da nicht ganz sicher, ob der Nießbrauch auf einzelne Räume beschränkt werden kann. Randnummer 1363 Schöner/Stöber hält dies wohl nicht für zulässig.

    Gruß
    Ron

  • Ich würde hier Ron zustimmen.

    Im Übrigen hat m. E. die Bauverpflichtung nichts in der dinglichen Bewilligung des Rechts zu suchen!

  • zu #3 und #4: Schon, daß der Nießbrauch nicht an einem räumlich beschränkten Teil des Gebäudes bestellt werden kann ist klar. Aber Gegenstand des Nießbrauchs sollen ja nicht einzelne, sondern alle Räume des Anbaus sein. Eine Lösung wäre m.E. daher gewesen, den Nießbrauch (oder dessen Ausübung) auf den Teil des Grundstücks zu beschränken, auf dem sich der Anbau (bzw. die Freifläche) befindet. Der Nießbrauch erstreckt sich dann kraft Gesetztes auf die wesentlichen Bestandteile, eben den Anbau. Zwingend ist diese Sichtweise des Vertrags offensichtlich nicht. Andererseits würde ich bei dem Passus hinsichtlich des Umbaus der Wohnung auch eher eine Kostenregelung und nicht eine Bauverpflichtung annehmen.

  • Ich habe einen ähnlichen Fall vorliegen und soll für den Übergeber folgendes Nießbrauchsrecht eintragen:

    "Es bleibt das Nießbrauchsrecht an den bisher von dem Übergeber als Wohnung genutzten Teil des Gebäudes dem Übergeber vorbehalten. Die Wohnung ist in anliegender Skizze farbig gekennzeichnet.

    Der Nießbraucher hat das Recht zum freien Umgang in Haus und Garten und Anspruch auf Mitbenutzung aller zum gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen des Hauses."

    Ich habe damit aus zwei Gründen meine Probleme:

    Zum einen bin ich nicht sicher, ob das Recht vom Umfang her überhaupt noch ein Nießbrauch oder nicht vielmehr eher eine Dbk. ist.
    Wenn man der sog. "formellen Abgrenzung" folgt, wie sie von Pohlmann im MüKoBGB, 4. Auflage 2004, beck-online, Rn. 59 + 60 zu § 1030 BGB, beschrieben wird, folgt, dann dürfte hier kein Nießbrauch vorliegen.

    Auf der anderen Seite wird wohl vielfach vertreten, dass auch ein Nießbrauch nur zum Kassieren von Miete bestellt werden kann (aaO, Rn. 67 zu § 1030 BGB mit weiteren Nachweisen).

    Leider konnte ich speziell zur Abgrenzung Nießbrauch - Wohnungsrecht aber nichts finden.

    Zum anderen dürfte m.E. wohl die örtliche Beschränkung auf die näher bezeichnete Wohnung unzulässig sein. Jedenfalls entnehme ich das der schon genannten Kommentierung im MüKo sowie der Entscheidung des BGH vom 27.01.2006, V ZR 243/04, Rpfleger 2006, 386-387.

    Außerdem ist nach der o.g. Bewilligung m.E. fraglich, ob sich der Nießbrauch überhaupt auf die Wohnung beschränkt bzw. beschränken kann, wenn der Berechtigte auch zur Mitbenutzung des übrigen Gebäudes und des Gartens befugt sein soll.

    Ist die Bewilligung daher evtl. so zu verstehen, dass sich das Nießbrauchsrecht doch auf das gesamte Grundstück bezieht es aber in der Weise eingeschränkt wird, dass hinsichtlich der Wohnung noch die Nutzungsmöglichkeiten eines Wohnungseigentümers und hinsichtlich des restlichen Gebäudes und des Grundstücks nur noch Mitbenutzungsrechte beim Nießbraucher verbleiben?

    Eine solche Ausgestaltung dürfte dann aber m.E. in jedem Fall vom Umfang her kein Nießbrauchsrecht mehr darstellen.

    Was meint Ihr?

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • [...] Ist die Bewilligung daher evtl. so zu verstehen, dass sich das Nießbrauchsrecht doch auf das gesamte Grundstück bezieht es aber in der Weise eingeschränkt wird, dass hinsichtlich der Wohnung noch die Nutzungsmöglichkeiten eines Wohnungseigentümers und hinsichtlich des restlichen Gebäudes und des Grundstücks nur noch Mitbenutzungsrechte beim Nießbraucher verbleiben?

    Eine solche Ausgestaltung dürfte dann aber m.E. in jedem Fall vom Umfang her kein Nießbrauchsrecht mehr darstellen.

    Was meint Ihr?



    Ebenso. Die Mitbenutzung könnte man zwar über einen Quotennießbrauch regeln und die Nutzung dabei vielleicht noch auf den "freien Umgang" einschränken, aber da die Nutzung an der Wohnung unbeschränkt ist, hätte man dann dann einen Nießbrauch mit zwei unterschiedlichen Inhalten.

    Einen § 1093 Abs. 3 BGB gibt es beim Nießbrauch nicht. Eine Beschränkung auf einen "Teil des Gebäudes" ist nicht möglich, sondern nur die auf einen Teil des Grundstücks.

  • Hallo,
    ich häng mich hier mal dran! Mich würde mal die Meinung zu folgendem Sachverhalt interessieren.

    Im vorliegenden Fall ist die Eintragung eines Wohnungsrechtes gemäß § 1093 BGB am gesamten Einfamilienhaus (mit Ausnahme der Einliegerwohnung) und dem Recht zur Mitbenutzung aller zum gemeinsamen Gebrauch bestimmten Anlagen Räume und dem Garten ... im Rang vor einem auflösend bedingten Niesbrauchrecht am Vertragsbesitz für den selben Berechtigten (Veräußerer) bewilligt und beantragt.

    Auf meine Beanstandung das die Eintragung eines Wohnungsrechtes zusätzlich zu einem Niesbrauch desselben Berechtigten, der das selbe Grundstück betrifft mangels eines rechtlich geschützten Interesses des Niesbrauchers unzulässig ist, teilt mir der Notar (in formlosen Schreiben) folgendes mit:

    ...Nießbrauch und Wohnungsrecht haben nicht den gleichen Ausübungsbereich... Das Wohnungsrecht beschränkt sich auf das Einfamilienhaus ohne die vermietete Einliegerwohnung. Mit dem Nießbrauch soll die Vermieterstellung des Veräußerers an der Einliegerwohnung erhalten bleiben. Da eine Beschränkung des Ausübungsbereiches des Nießbrauches nicht in Betracht kam wurde das Wohnungsrecht im Range vor dem Nießbrauch bestellt und verdrängt insofern für den Ausübungsbereich des Wohnungsrechtes die Rechte des Nießbrauchers. ...Juristisch reduziert sich das Recht des Nießbrauchers damit auf die Nutzung der Räume die nicht in den Ausübungsbereich des Wohnungsrechtes fallen und für diese Konstellation besteht ein Rechtsschutzbedürfnis...

    Seh ich da was zu eng oder sollte ich mich mit dieser Begründung geschlagen geben? :confused:

    :klugscheiIch kann, weil ich will was ich muss! (E. Kant)

  • Hilft Rz. 1362 im Schöner/Stöber weiter?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Hilft Rz. 1362 im Schöner/Stöber weiter?


    Hatte ich auch schon gelesen, aber ich denke das passt nicht so wirklich; (auch RdNr. 1363, 1364 nicht)
    selbst dortige Fußnote 12 (Beschluss vom 26.10.1979) ...die Bestellung eines Nießbrauches an einem bebauten Grundstück mit der Beschränkung dass eine Wohnung vom Nießbrauch ausgenommen ist, ...ist nicht zulässig .. kann ich nicht so richtig auf meinen Sachverhalt übertragen.
    :gruebel:Nunja, vielleicht sehe ich da ja tatsächlich etwas zu eng.

    :klugscheiIch kann, weil ich will was ich muss! (E. Kant)

  • ...Nießbrauch und Wohnungsrecht haben nicht den gleichen Ausübungsbereich... Das Wohnungsrecht beschränkt sich auf das Einfamilienhaus ohne die vermietete Einliegerwohnung. Mit dem Nießbrauch soll die Vermieterstellung des Veräußerers an der Einliegerwohnung erhalten bleiben. Da eine Beschränkung des Ausübungsbereiches des Nießbrauches nicht in Betracht kam wurde das Wohnungsrecht im Range vor dem Nießbrauch bestellt und verdrängt insofern für den Ausübungsbereich des Wohnungsrechtes die Rechte des Nießbrauchers. ...Juristisch reduziert sich das Recht des Nießbrauchers damit auf die Nutzung der Räume die nicht in den Ausübungsbereich des Wohnungsrechtes fallen und für diese Konstellation besteht ein Rechtsschutzbedürfnis...

    Seh ich da was zu eng oder sollte ich mich mit dieser Begründung geschlagen geben? :confused:



    Da hätte ich auch ein Problem mit. Ein Wohnungsrecht kann nicht zusätzlich zu einem Nießbrauch bestellt werden, da der Berechtigte durch den Nießbrauch bereits alle Nutzungen ziehen kann. Die Begründung des Notars ist in meinen Augen Blendwerk, da demnach dem Berechtigten durch das Wohnungsrecht die Rechte wiedergegeben werden sollen, die ihm hinsichtlich des Nießbrauchs durch das besserrangig bestellte Wohnungsrecht überhaupt erst genommen werden.

    Solange beide Rechte nebeneinander existieren, steht der Berechtigte durch das Wohnungsrecht also nicht besser, als vorher durch den Nießbrauch allein. M.E. müßte das Wohnungsrecht aufschiebend bedingt eingeräumt werden, wobei Bedingung das Erlöschen des Nießbrauchs ist.

    Einmal editiert, zuletzt von 45 (3. Oktober 2009 um 18:32)

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