Pfändbare Anteile in der Wohlverhaltensperiode falsch berechnet

  • Der Schuldner hat vor 3 Jahren in der WVP geheiratet und sich seine Ehefrau sowie deren 2 Kinder auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Vom Arbeitgeber wurden keine pfändbaren Beträge an den TH überwiesen, da er von 3 Unterhaltsberechtigten ausging und sich somit keine pfändbaren Beträge ergaben.
    Schuldner sagt, dass er die Heiratsurkunde, Kopie der Lohnsteuerkarte (n)sowie monatlich Kopien seiner Gehaltsabrechnungen bei dem TH eingereicht hätte.
    Nun will der TH die pfändbaren Beträge vom Schuldner einfordern, der- wenn überhaupt- die "Rückstände" höchstens ratenweise tilgen kann. Stellungnahme des TH zum Vorbringen des Schuldners habe ich noch nicht.
    WVP ist vor ein paar Tagen abgelaufen, RSB wurde noch nicht erteilt.
    Was mache ich denn nun?
    Falls die Beträge vom Arbeitgeber oder TH abzufordern sind- wer kümmert sich denn darum?
    Und was mache ich mit der RSB?

  • Das mit der Pflicht zur Berechnung der pfändbaren Anteile hatten wir hier schon mal.
    M. E. hat sich der Treuhänder falsch verhalten, so dass die Beträge von diesem einzufordern wären. Der Schuldner hat Anspruch auf Erteilung der RSB, da die Zeit der Abtretungserklärung abgelaufen ist. Bloß, wer verteilt die Masse, wenn Du dem Schuldner die RSB erteilst? Der Treuhänder kann dies m. E. nicht mehr tun, da sein Amt mit der Erteilung der RSB endet.

    Ein richtig schön verzwickter Fall, aber die werden jetzt nach und nach noch mehr auftauchen.

  • Da war doch erst kürzlich eine BGH-Entscheidung, wonach es nicht in die Zuständigkeit des TH fällt, den pfändbaren Lohnanteil richtig zu berechnen. Davon ausgehend müsste der schwarze Peter beim Arbeitgeber als Drittschuldner liegen (Hallo, Hego, willst Du dazu was sagen?).

    Eine Nachtragsverteilung gibt's ja nach Ablauf der WVP nicht und eine Analogie hielte ich für recht gewagt. Unterstellt, dass ein Nachzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber besteht, ist der TH aber doch bis zur Beendigung seines Amtes Inhaber dieser Forderung, da sie an ihn abgetreten ist, § 287 Abs. 2 InsO. Folglich müsste der TH bis zur Beendigung seines Amtes auch in der Lage sein, diesen Anspruch auf Nachzahlung (weiter) abzutreten, an jemanden, der dann über eine "faktische" Nachtragsverteilung mit dem Arbeitgeber in den Ring steigt.

  • Da war doch erst kürzlich eine BGH-Entscheidung, wonach es nicht in die Zuständigkeit des TH fällt, den pfändbaren Lohnanteil richtig zu berechnen. Davon ausgehend müsste der schwarze Peter beim Arbeitgeber als Drittschuldner liegen



    BGH-Entscheidung habe ich zwar nicht gefunden, aber diese hier:

    OLG Celle, 02.10.2007, 16 U 29/07


    1.
    § 60 InsO ist auf den nach § 292 InsO bestellten Treuhänder nicht entsprechend anzuwenden; es kommt eine Haftung nach § 280 BGB in Betracht.

    2.
    Den Treuhänder trifft keine Pflicht, zugunsten des Schuldners eingehende Zahlungen darauf zu überprüfen, ob die pfändbaren Beträge zutreffend berechnet sind.

  • Nun es trifft jedoch den Treuhänder zu veranlassen, dass die Ehegattin mit eigenem Einkommen bei der Berechnung der pfändbaren Beträge nicht zugunsten des Schuldners berücksichtigt wird. Der Drittschuldner hat weder das Recht noch die Pflicht sich nachweisen zu lassen, ob der Ehegatte seines Angestellten eigenes Einkommen hat :gruebel:

  • @ chick,

    schön, dass Du wieder da bist, hab Dich schon richtig vermisst.

    Also wer hat Schuld, dass die pfändbaren Beträge nicht richtig abgeführt worden sind?

    1. Schuldner:

    der ist immer schuld, sagt ja schon das Wort.

    Nach Nerlich/Römermann (Rn. 37 zu § 295 InsO) ist der Schuldner verpflichtet die pfändbaren Beträge an den TH weiterzuleiten, wenn der Arbeitgeber die Abtretung nicht beachtet.

    Ob das nur für den Fall gilt, dass der Arbeitgeber die Abtretung gar nicht beachtet hat oder auch wenn dieser nur falsch gerechnet hat oder - wie hier - von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist (weil er scheinbar angenommen hat, dass auch die Kinder der Frau zu berücksichtigen sind).
    Dafür müsste er aber erst mal wissen, dass der Arbeitgeber etwas falsch gemacht hat. Davon kann er aber nicht ausgehen, weil er scheinbar alle wesentlichen Fakten dem TH mitgeteilt und sogar belegt hat.

    Er konnte also meiner Meinung nach darauf vertrauen, dass alles richtig gelaufen ist, weil der TH sowohl die familiären Verhältnisse als auch die Höhe des monatlichen Einkommens durch die vorgelegten Gehaltsabrechnungen kannte.

    2. Arbeitgeber:

    Der Arbeitgeber wird grundsätzlich durch die Zahlung an den Schuldner nicht von seiner Zahlungspflicht dem TH gegenüber befreit.

    Aber als Arbeitgeber würde ich mich auf den Aufsatz von Roland Rixecker (R.a.LG Saarbrücken "Der Irrtum des Drittschuldners über den Umfang der Lohnpfändung, JurBüro 12/1982 S. 1761 ff) berufen.

    Der Drittschuldner hat in rechtlicher Hinsicht geirrt, dass er fälschlich von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung den Kindern der Ehefrau gegenüber ausgegangen ist.

    Ich glaube kaum, dass man das einem einfachen Drittschuldner verdenken kann, weil auch heute noch fälschlicher Weise überall hinsichtlich der unterhaltsberechtigten Personen auf die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte hingewiesen wird.

    3. Treuhänder:

    Da der Schuldner dem TH auch seine Gehaltsabrechnungen (neben Heiratsurkunde und Kopien der Lohnsteuerkarten) vorgelegt hat sehe ich in erster Linie eine Verantwortung bei dem TH. Wofür soll der Schuldner denn seine Gehaltsabrechnungen vorlegen, wenn nicht dafür, dass der TH die Richtigkeit der abgeführten Beträge überprüft?

    Der TH scheint mir hier wohl eine bezahlte Schlafmütze zu sein.

    Zwar hat das OLG Celle in dem von RainermdvZ verlinkten Urteil die Verpflichtung des TH verneint die pfändbaren Beträge zugunsten des Schuldners auf ihrer Richtigkeit hin zu überprüfen. Das heißt doch nicht, dass er auch nicht verpflichtet ist, die Richtigkeit zugunsten der Gläubiger zu überprüfen. Das Urteil ist scheinbar auch noch nicht rechtskräftig. Bleibt abzuwarten was noch kommt.

    Ich sehe das eher so wie RainermdvZ, dass es ein Problem des TH ist.

    @ Muckla Es geht wohl eher um die Berücksichtigung der Kinder als um die Ehefrau. Diesbezüglich hättest Du natürlich recht.

  • Ich finde es schade, dass dieser Punkt, wer nun abschließend verantwortlich dafür ist, dass die Beträge nicht richtig abgeführt worden sind, bisher noch nicht geklärt worden ist. Langsam meine ich, dass es dafür mal Zeit wird.

  • Ich finde es schade, dass dieser Punkt, wer nun abschließend verantwortlich dafür ist, dass die Beträge nicht richtig abgeführt worden sind, bisher noch nicht geklärt worden ist. Langsam meine ich, dass es dafür mal Zeit wird.



    Ich denke mir, dass es dafür auf den Einzelfall ankommt und darauf, was Schuldner, Arbeitgeber und TH wissen und was nicht.

    Wenn es sich aber - wie hier - so darstellt, dass der Schuldner alles getan hat den TH über alle Veränderungen zu unterrichten und auch noch Kopien von Gehaltsabrechnungen vorlegt, dann hat der TH doch wohl auch eine sehr große Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die Beträge richtig abgeführt werden.

    Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was ich von den TH für belehrende Schreiben erhalte, was ich alles machen muss und was ich nicht darf. Abgesehen davon, dass die Hälfte davon nicht stimmt wäre es vorliegend verfehlt den Schuldner zur Kasse zu bitten weil den nun mal gar keine Schuld trifft.

  • Danke rainer. Die von Dir verlinkte Entscheidung hat mir schon mal weitergeholfen, weil ich aus ihr entnehme, dass den TH zumindestens im Interesse der Gläubiger eine Pflicht zur Überprüfung der pfändbaren Beträge trifft.



  • Aus der Sicht des Drittschuldners hast Du natürlich recht. Aber vielleicht sollte man dies einmal endgültig im Gesetz klären, dann könnten wir uns diese Diskussionen sparen. (Obwohl die würden mir dann auch wieder fehlen ;))

  • Danke rainer. Die von Dir verlinkte Entscheidung hat mir schon mal weitergeholfen, weil ich aus ihr entnehme, dass den TH zumindestens im Interesse der Gläubiger eine Pflicht zur Überprüfung der pfändbaren Beträge trifft.



    Wenn die Entscheidung für dich bindend ist dann ja, aber darüber kann man natürlich wieder streiten. :D

  • Also mal abgesehen von dem ganzen Hin und Her wer welche Pflichten hat sehe ich noch ein anderes Problem.

    Wenn der Schuldner bisher unverheiratet war dann wurde er nach Steuerklasse I abgerechnet.

    Nun ist er verheiratet und hat Steuerklasse IV/2 und daraus resultierend ein höheres Netto. Dieses höhere Netto resultiert allerding nur aus der Tatsache dass der Schuldner nun zwei Kinder auf der Lohnsteuerkarte eingetragen hat.

    Da ja Stiefkinder bei der Berechnung des Pfändungsbetrages normalerweise nicht als unterhaltsberechtigte Personen zu berücksichtigen sind kann ihm der höhere Nettolohn aufgrund der der jetzigen Steuerklasse IV/2 nicht zum Nachteil gereichen.

    Also müsste doch die Berechnung des Pfändbaren in der Art erfolgen dass der Schuldner in der Pfändungsberechnung so zu stellen ist als wenn er die reine Steuerklasse IV, also ohne Kinderfreibeträge, hätte und und aus dem sich daraus ergebenden Netto dürfte auch nur der Pfändungsbetrag errechnet werden.

    Mit freundlichem Gruß
    Studierender

  • Hallo,
    was nicht deutlich wird, ob für die Kinder Unterhalt bezahlt wird oder nicht.
    Wenn ja, hätten Sie eigene Einnahmen und eine Unterhaltspflicht würde wahrscheinlich entfallen.
    Zahlt der Vater der Kinder keinen Unterhalt, tritt nach dem Unterhaltsvorsschuss ggf. die ARGE mit Zahlungen ein. Wenn die Mutter wieder heiratet und (was sehr wahrscheinlich ist) mit dem Ehemann zusammen wohnt sagt die ARGE, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handelt in der das Einkommen des Ehemanns zu berücksichtigen ist.
    Die ARGE -Unterstützung fällt also weg, somit wird der Stiefvater in eine Unterhaltspflicht durch das SGB gezwungen.
    Dann müsste meiner Meinung nach auch die Unterhaltspflichten angerechnet werden.

  • Zitat von rantanwolf

    Zahlt der Vater der Kinder keinen Unterhalt, tritt nach dem Unterhaltsvorsschuss ggf. die ARGE mit Zahlungen ein. Wenn die Mutter wieder heiratet und (was sehr wahrscheinlich ist) mit dem Ehemann zusammen wohnt sagt die ARGE, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handelt in der das Einkommen des Ehemanns zu berücksichtigen ist.
    Die ARGE -Unterstützung fällt also weg, somit wird der Stiefvater in eine Unterhaltspflicht durch das SGB gezwungen.
    Dann müsste meiner Meinung nach auch die Unterhaltspflichten angerechnet werden.



    Das ist tatsächlich eine interessante Frage. In der Vollstreckungsliteratur habe ich dazu bislang nur gefunden, dass nicht adoptierte Stiefkinder bei der Berechnung des pfändbaren Betrages nicht als Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen sind. Ausgehend davon muss ich als IV bzw. TH natürlich gemein sein und den höheren Pfandbetrag verlangen. Dass das angesichts der Bedarfsgemeinschafts-Handhabung durch die ARGE dann ggf. nicht praxisgerecht ist, leuchtet ein. Es wäre wünschenswert, wenn hierzu mal Entscheidungen ergehen/veröffentlicht würden. Sollte jemand entsprechende Entscheidungen kennen, wäre ich ein dankbarer Abnehmer.

  • Zitat von rantanwolf

    Zahlt der Vater der Kinder keinen Unterhalt, tritt nach dem Unterhaltsvorsschuss ggf. die ARGE mit Zahlungen ein. Wenn die Mutter wieder heiratet und (was sehr wahrscheinlich ist) mit dem Ehemann zusammen wohnt sagt die ARGE, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft handelt in der das Einkommen des Ehemanns zu berücksichtigen ist.
    Die ARGE -Unterstützung fällt also weg, somit wird der Stiefvater in eine Unterhaltspflicht durch das SGB gezwungen.
    Dann müsste meiner Meinung nach auch die Unterhaltspflichten angerechnet werden.



    Das ist tatsächlich eine interessante Frage. In der Vollstreckungsliteratur habe ich dazu bislang nur gefunden, dass nicht adoptierte Stiefkinder bei der Berechnung des pfändbaren Betrages nicht als Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen sind. Ausgehend davon muss ich als IV bzw. TH natürlich gemein sein und den höheren Pfandbetrag verlangen. Dass das angesichts der Bedarfsgemeinschafts-Handhabung durch die ARGE dann ggf. nicht praxisgerecht ist, leuchtet ein. Es wäre wünschenswert, wenn hierzu mal Entscheidungen ergehen/veröffentlicht würden. Sollte jemand entsprechende Entscheidungen kennen, wäre ich ein dankbarer Abnehmer.



    Was geht denn vor: Unterhaltspflicht nach BGB oder nach SGB? Weil eigentlich besteht ja keine Unterhaltspflicht und § 850 c ZPO dürfte sich doch wohl nur nach den BGB-Unterhaltspflichten richten?

    Na, das ist ja mal eine interessante Frage.....


    Im Übrigen handhaben wir als IV oder TH das immer so, dass die Abtretungserklärung gegenüber dem Arbeitgeber nur offengelegt wird, wenn der Schuldner nicht regelmäßig seine Lohn-/Gehaltsbescheinigungen rüberschiebt. Regelmäßig heißt quartalsmäßig. Muss der Schuldner zwei Mal an seine "Mitwirkungspflichten" erinnert werden, geben wir die Abtretung an den Arbeitgeber (was schon des öftern die Kündigung des Arbeitsverhältnisses - natüüüüüürlich nicht aus diesem Grunde - nach sich zog). Der Schuldner hat es hier also selbst in der Hand.

  • Im Übrigen handhaben wir als IV oder TH das immer so, dass die Abtretungserklärung gegenüber dem Arbeitgeber nur offengelegt wird, wenn der Schuldner nicht regelmäßig seine Lohn-/Gehaltsbescheinigungen rüberschiebt. Regelmäßig heißt quartalsmäßig. Muss der Schuldner zwei Mal an seine "Mitwirkungspflichten" erinnert werden, geben wir die Abtretung an den Arbeitgeber (was schon des öftern die Kündigung des Arbeitsverhältnisses - natüüüüüürlich nicht aus diesem Grunde - nach sich zog). Der Schuldner hat es hier also selbst in der Hand.



    Das handhabe ich während des laufenden Insolvenzverfahrens grundsätzlich auch so, wenn der Schuldner darum bittet und ausreichend vertrauenswürdig erscheint (wobei ich damit auch schon auf die Nase gefallen bin). Oftmals spart sich der Schuldner dadurch eine Gebühr für die Bearbeitung der "Lohnpfändung".

    In der WVP kommt man aber m.E. nicht um die Verpflichtung nach § 292 Abs. 1 Satz 1 InsO rum. Wenn die Abführung durch den Schuldner funktioniert, beschränke ich mich eben auf die Unterrichtung des Arbeitgebers ("Jetzt weisst Du's, machen musst Du aber erst mal nix."), aber zumindest die muss sein.

  • Zitat chick

    Zitat

    Es wäre wünschenswert, wenn hierzu mal Entscheidungen ergehen/veröffentlicht würden. Sollte jemand entsprechende Entscheidungen kennen, wäre ich ein dankbarer Abnehmer

    Es gibt hierzu unterschiedliche Entscheidungen von Sozialgerichten. Frage liegt jetzt wohl zur Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht.http://www.stieffamilien.de/frames/main_blank.html

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