Vollstreckung gegen unbekannte Erben

  • Mich hat am Freitag ein Gläubiger angerufen und folgenden Sachverhalt geschildert. Der Schuldner ist verstorben. Es war eine Nachlasspflegschaft angeordnet, welche zwischenzeitlich aufgehoben wurde. Der Nachlasspfleger hat einen Betrag X für die unbekannten Erben hinterlegt. Der Gläubiger würde nunmehr gern einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die unbekannten Erben beantragen und das hinterlegte Geld pfänden. Ist das möglich? Ich meine nein...

  • Hallo,
    ich hätte dazu auch nochmal eine kurze Frage. Ich habe einen Antrag auf PfÜB, in welchem gegen die unbekannten Erben der Frau Sounso gepfändet werden soll, vertreten durch den Nachlasspfleger Herrn Soundso.
    Ich neige dazu den PfÜB zu erlassen, da auch bereits im zugrundeliegenden Titel der Schuldner die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger sind.
    Liege ich da richtig?

    Liebste Grüße!

  • Die Bezeichnung des Schuldners ist m. E. richtig. Schuldner sind die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger.

  • Die Bezeichnung des Schuldners ist m. E. richtig. Schuldner sind die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger.


    Hab dazu auch zwei Fragen:

    Wonach richtet sich die örtliche Zuständigkeit, nach dem Geschäftssitz oder Wohnsitz des Nachlasspflegers oder nach § 23 ZPO ?

    Wenn dem Gl. Nachlassgegenstände nicht bekannt sind, kann er die VAK über den Nachlass durch den Nachlasspfleger beantragen ? Oder sollte / darf er nicht besser einfach in die Nachlassakte schauen ?


  • Wenn dem Gl. Nachlassgegenstände nicht bekannt sind, kann er die VAK über den Nachlass durch den Nachlasspfleger beantragen ? Oder sollte / darf er nicht besser einfach in die Nachlassakte schauen ?

    Als gesetzlicher Vertreter gibt der Nachlasspfleger die Vermögensauskunft ab. Wenn das rechtliche Interese im Sinne § 299 ZPO da ist, kann der Gläubiger vielleicht schneller etwas über die Nachlassakte in Erfahrung bringen. Ob in diesem Fall ein rechtliches oder nur ein wirtschaftliches Interesse vorliegt, ist eine interessante Frage.

  • Hallo, hänge ich mal an diesen Thread an, es geht um die Frage der Zuständigkeit für einen PfÜb.

    Ich müsste Ansprüche der unbekannten Erben pfänden, vertreten d. die Nachlasspflegerin. Titel ist auf die u.E., vertr. d. d. NLP umgeschrieben und zugestellt.

    Ist das Vollstreckungsgericht der NLP für den Pfüb zuständig? Wenn nicht, welches?

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Nach Stöber Forderungspfändung Rn. 450 richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Nachlasspflegers, obgleich er nicht Partei kraft Amtes, sondern Vertreter der Erben ist.
    Hieße dann auch konsequenter Weise, dass es auf seine Privat- und nicht Geschäftsanschrift ankäme, sofern sie nicht im selben Bezirk liegen.

  • Mich hat am Freitag ein Gläubiger angerufen und folgenden Sachverhalt geschildert. Der Schuldner ist verstorben. Es war eine Nachlasspflegschaft angeordnet, welche zwischenzeitlich aufgehoben wurde. Der Nachlasspfleger hat einen Betrag X für die unbekannten Erben hinterlegt. Der Gläubiger würde nunmehr gern einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die unbekannten Erben beantragen und das hinterlegte Geld pfänden. Ist das möglich? Ich meine nein...


    Einen entsprechend gestellten Antrag auf Erlass eines Pfüb habe ich jetzt auch vorliegen. In meinem Fall liegen die Voraussetzungen des § 779 I ZPO grundsätzlich auch vor.

    Dennoch stolpere ich über ein paar Dinge im Zusammenhang mit dem Antrag:

    1. Angabe des verstorbenen Schuldners als Antragsgegner. M. E. so nicht möglich mangels Parteifähigkeit, oder?

    2. Wenn statt der Angabe des Schuldners m. E. richtig die unbekannten Erben als Antragsgegner benannt werden, wonach richtet sich die örtliche Zuständigkeit für den Pfüb? (Nachlasspflegschaft wurde aufgehoben.)

    3. Welche Rolle spielt § 779 II ZPO? :gruebel: Ein entsprechender Antrag des Gläubigers liegt nicht vor.


    Vielleicht könnt ihr mir auf die Sprünge helfen? Vielen Dank.

  • Die Voraussetzungen des § 779 liegen vor?

    (1) Eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners gegen ihn bereits begonnen hatte, wird in seinen Nachlass fortgesetzt.

    Sehe ich nicht so, da ich es so interpretiere, dass die Zwangsvollstreckungsmaßnahme bereits begonnen haben muss. (also damit gesagt wird, dass z.B. eine Kontopfändung nicht unwirksam wird, wenn der Schuldner nach Zustellung an die Bank stirbt)

    Der PfÜB (also die Zwangsvollstreckungsmaßnahme) hat jedoch noch nicht begonnen, da er dir jetzt erst vorgelegt wird- also muss hier ein Vertreter bestellt werden, der die unbekannten Erben vertritt.

    (Wenn die Nachlasspflegschaft aufgehoben wurde, da keine Erben mehr zu finden waren ist ggf. von der Nachlassabteilung Fiskuserbrecht festzustellen und der Fiskus zahlt an den Gläubiger).

    Der PfÜB kann also so nicht erlassen werden, da dir eine Partei fehlt, die ein Rechtsmittel gegen selbigen einlegen könnte bzw. anhand derer du deine Zuständigkeit prüfen könntest. Die hast du erst nach Bestellung eines Pflegers oder nach Fiskuserbrechtsfeststellung.

    Hier würde ich es wohl mit einem Telefonat erledigen wollen- der Gläubiger bittet die Nachlassabteilung um Bestellung eines Nachlasspflegers, ersatzweise um Fiskuserbrechtsfeststellung und nimmt den PfÜB (mangels Angabe eines Schuldners, an den zugestellt werden könnte, also auch mangels Darlegung der gerichtlichen Zuständigkeit) zurück.


    Hilft es dir?


  • Nicht so direkt. ;)

    Einhellige Meinung ist wohl, dass irgendeine Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu Lebzeiten des Schuldners aus dem gleichen Vollstreckungstitel bereits begonnen haben muss:

    Die Zwangsvollstreckung insgesamt darf nach dem Wortlaut des § 779 fortgesetzt werden, also nicht nur eine bereits begonnene Vollstreckungsmaßnahme; deshalb sind auch neue Vollstreckungshandlungen zulässig. Klauselumschreibung (§ 727) gegen den Erben oder eine erneute Zustellung sind nicht erforderlich.
    (Musielak/Voit/Lackmann, 16. Aufl. 2019, ZPO § 779 Rn. 2-5)

    Erneut würde wohl eher kein NLP bestellt, zumindest nach OLG München, Beschluss vom 20.11.2013 – 31 Wx 413/13.

    Weshalb der NLP die Verbindlichkeit nicht während seiner Amtszeit regeln konnte, verstehe ich allerdings nicht.


  • Hat vielleicht noch jemand eine Meinung oder Hinweise zum Sachverhalt?

  • Einhellige Meinung ist wohl, dass irgendeine Zwangsvollstreckungsmaßnahme zu Lebzeiten des Schuldners aus dem gleichen Vollstreckungstitel bereits begonnen haben muss:

    Die Zwangsvollstreckung insgesamt darf nach dem Wortlaut des § 779 fortgesetzt werden, also nicht nur eine bereits begonnene Vollstreckungsmaßnahme; deshalb sind auch neue Vollstreckungshandlungen zulässig. Klauselumschreibung (§ 727) gegen den Erben oder eine erneute Zustellung sind nicht erforderlich.
    (Musielak/Voit/Lackmann, 16. Aufl. 2019, ZPO § 779 Rn. 2-5)


    :daumenrau - so auch MüKo/Karsten Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl. [2016], § 779 Rn. 5 u. § 766 Rn. 48: Die ZV muß vor dem Tod des Schuldners begonnen haben (LG Stuttgart, DGVZ, 1987, 12; näher: Noack, JR 1969, 8). Sie beginnt nach der h. M. mit der ersten Vollstreckungshandlung (z. B. Erscheinen des Gerichtsvollziehers zum Zwecke der Pfändung oder Wegnahme, LG Berlin, DGVZ 1991, 3).

    1. Angabe des verstorbenen Schuldners als Antragsgegner. M. E. so nicht möglich mangels Parteifähigkeit, oder?


    :daumenrau

    3. Welche Rolle spielt § 779 II ZPO? Ein entsprechender Antrag des Gläubigers liegt nicht vor.


    Antrag des Gläubigers (schriftlich oder zu Protokoll der GSt - kein RA-Zwang) ist aber notwendig (Karsten Schmidt/Brinkmann, a.a.O., Rn. 8 ff.).

    Bestellung durch Beschluß. Rpfleger-Zuständigkeit (§ 20 Nr. 17 RPflG). Bestellung ist nach h. M. unanfechtbar. Vertreter kann nicht anfechten (ist aber zur Annahme des Amtes nicht gezwungen). Bestellung ist gerichtsgebührenfrei; für etwaige RA-Vergütung gilt § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG. Amt des Vertreters endet nach h. M. automatisch, wenn Erbe oder NLP in das ZV-Verfahren eintritt. In diesem Fall muß das Gericht den Erben oder NLP beteiligten, aber die Bestellung auch aufheben (sonst gilt Vertretungsmacht des Vertreters für Verfahrenshandlungen fort, auch wenn er verpflichtet ist, sich des Gebrauchs der Vertretungsmacht zu enthalten).

    Vertreter handelt nicht im eigenen Namen, sondern als Stellvertreter der Erben - nicht des Nachlasses. Er ist gesetzlicher Vertreter nach § 51 ZPO (daher auch dortiger Abs. 2 ZPO anwendbar). Er kann also auch Erinnerung oder sofortige Beschwerde einlegen.

    Die Voraussetzung seiner Bestellung wären hier auch gegeben (§§ 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO).

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • 2. Wenn statt der Angabe des Schuldners m. E. richtig die unbekannten Erben als Antragsgegner benannt werden, wonach richtet sich die örtliche Zuständigkeit für den Pfüb? (Nachlasspflegschaft wurde aufgehoben.)


    Stöber (Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 450) meint für den - hier vergleichbaren - Fall eines NLP, daß sich die örtliche Zuständigkeit nach seinem Wohnsitz bestimme, obgleich dieser nicht Partei kraft Amtes, sondern gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben sei (mit Verweis auf die so zutreffende Auffassung von Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 828 Rn. 4; Zöller/Stöber, ZPO, § 828 Rn. 2, Schuschke/Walker, Vollstreckung, § 828 Rn. 6, a. A. aber LG Berlin, JR 1954, 464, welches die Zuständigkeit des Drittschuldnerwohnsitz-Gerichtes oder des für den Erblasser zuständig gewesenen Gerichtes annehme).

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • 2. Wenn statt der Angabe des Schuldners m. E. richtig die unbekannten Erben als Antragsgegner benannt werden, wonach richtet sich die örtliche Zuständigkeit für den Pfüb? (Nachlasspflegschaft wurde aufgehoben.)


    Stöber (Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 450) meint für den - hier vergleichbaren - Fall eines NLP, daß sich die örtliche Zuständigkeit nach seinem Wohnsitz bestimme, obgleich dieser nicht Partei kraft Amtes, sondern gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben sei (mit Verweis auf die so zutreffende Auffassung von Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 828 Rn. 4; Zöller/Stöber, ZPO, § 828 Rn. 2, Schuschke/Walker, Vollstreckung, § 828 Rn. 6, a. A. aber LG Berlin, JR 1954, 464, welches die Zuständigkeit des Drittschuldnerwohnsitz-Gerichtes oder des für den Erblasser zuständig gewesenen Gerichtes annehme).


    @ Bolleff: Zunächst vielen Dank für deine Ausführungen.

    Die örtliche Zuständigkeit wäre nach deinem Beitrag im vorliegenden Fall ein besonderes Problem, wenn man der Kommentierung im Stöber folgt.

    Wie schon geschrieben, wurde die Nachlasspflegschaft aufgehoben. Der Nachlasspfleger hat sein Büro im Bereich eines anderen Gerichts. Angenommen, die NLP bestünde noch, wäre nach Stöber auf den Wohnsitz des NLP abzustellen. Woher soll das VG denn wissen, wo der NLP wohnt? :gruebel: (Sein Wohnsitz muss ja nicht im gleichen Gerichtsbezirk liegen wie sein Büro.)

    Du meinst offenbar, die Ausführungen im Stöber seien für einen Vertreter nach § 779 II ZPO entsprechend anwendbar.
    Da stellt sich natürlich die Frage, ob ich diesen überhaupt bestellen darf, wenn ich z. B. einen RA aus dem benachbarten Gerichtsbezirk auswählen möchte/müsste. (Unterstellt, der betreffende RA wohnt in der gleichen Stadt, in der sein Büro unterhält, wäre das hiesige AG dann nach Stöber gar nicht das zuständige Vollstreckungsgericht.)

    Ob die erwähnten Ausführungen im Stöber tatsächlich in der Praxis anwendbar sind? :gruebel:

  • Du meinst offenbar, die Ausführungen im Stöber seien für einen Vertreter nach § 779 II ZPO entsprechend anwendbar.


    Genau. Andernfalls muß man die örtliche Zuständigkeit sonst wohl nach § 23 ZPO (z. B. Wohnsitz Drittschuldner) beantworten, da § 16 ZPO (weil ja schon die Erben selbst unbekannt sind) wohl ausscheidet.

    Da stellt sich natürlich die Frage, ob ich diesen überhaupt bestellen darf, wenn ich z. B. einen RA aus dem benachbarten Gerichtsbezirk auswählen möchte/müsste. (Unterstellt, der betreffende RA wohnt in der gleichen Stadt, in der sein Büro unterhält, wäre das hiesige AG dann nach Stöber gar nicht das zuständige Vollstreckungsgericht.)


    Wieso nicht? Die Bestellung nimmt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 779 Abs. 2 ZPO das (für die ZV örtlich zuständige) ZV-Gericht vor.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!