Chancengleicheit

  • Hallo,

    ich habe hier einen Fall der Unterhaltsgeltendmachung und habe natürlich an das Jugendamt verwiesen.
    Nun meint der Rechtsanwalt, dass aufgrund der Chancengleichheit Beratungshilfe zu gewähren sein, weil schließlich auch die Gegenseite anwaltlich vertreten ist.
    Ich meine, das wäre ein Grundsatz aus dem PKH-Recht. Aber gilt der auch hier und gibt es dazu Kommentarmeinungen/Rechtsprechungen. ich habe nämlich nichts gefunden.

  • Ich bin da anderer Meinung. Zumindest das hiesige Jugendamt streicht gleich die Segel, wenn die Gegenseite bereits anwaltlich vertreten ist. Und warum sollte das Prinzip der "Waffengelichheit" nicht auch schon außergerichtlich gelten? Es soll ja schließlich ein Verfahren vermieden werden und je nachdem, welch komplizierte Berechnung der generische RA aufgestellt hat (kommt ja vielleicht auch ein bisschen darauf an WAS geltend gemacht wird), dann halte ich es schon für gerechtfertigt, damit einen Anwalt aufzusuchen.

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • Ich bin da anderer Meinung. Zumindest das hiesige Jugendamt streicht gleich die Segel, wenn die Gegenseite bereits anwaltlich vertreten ist. Und warum sollte das Prinzip der "Waffengelichheit" nicht auch schon außergerichtlich gelten? Es soll ja schließlich ein Verfahren vermieden werden und je nachdem, welch komplizierte Berechnung der generische RA aufgestellt hat (kommt ja vielleicht auch ein bisschen darauf an WAS geltend gemacht wird), dann halte ich es schon für gerechtfertigt, damit einen Anwalt aufzusuchen.



    Ich auch. Aber erst, wenn das Jugendamt die Segel gestrichen hat. Nicht vorher.

  • Sinn und Zweck der Waffengleichheit ist doch, dass eine nicht juristisch vorgebildete Partei gegenüber einem anwaltlich vertretenen Gegner nicht benachteiligt ist.

    Ich bin der Meinung, dass aufgrund der Hilfe und Beistandschaft des JA dem juristischen Laien sehr wohl auch ausreichend eine Hilfe zur Seite steht, die auch einem Anwalt gegenübertreten kann. Also ist m. M. auch das JA eine zu beauftragen und trägt zur Waffen/Chancengleichheit bei.

    Sollte da JA nicht helfen können, dann käme nat. BerH in Betracht.

  • Die hier diskutierte Frage ist Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde mit dem Az. 1 BvR 482/06.

    Der Verfasser der Verfassungsbeschwerde ist - im Namen seiner Partei - Rechtsanwalt Eckhard Friedrich Albrecht Benkelberg, der unter seinem Klarnamen "Benkelberg" Teilnehmer in diesem Rechtspflegerforum hier war, jetzt aber kein aktiver User mehr ist.

    Der Koll. Benkelberg hat den Wortlaut seiner Verfassungsbeschwerde ins Internet gestellt. Der Text kann über eine Suchmaschine mit den Stichworten "Waffengleichheit", "Beratungshilfe", "Jugendamt", "Benkelberg" problemlos gefunden werden.

    Wie die Verfassungsbeschwerde ausging oder ob sie noch anhängig ist, konnte ich nicht herausfinden. Wäre "Benkelberg" noch aktiver User, könnte man ihn über PN kontaktieren.

    Soll ich ihn mal "von Anwalt zu Anwalt" fragen?

  • Ich dachte das Thema Jugendamt wäre vom Bundesverfassungsgericht schon länger entschieden und damit eigentlich ausdiskutiert.:gruebel:

  • Da dem Rechtsuchenden somit eine andere eine andere Art der Hilfe zur Verfügung steht, die ihm auch zuzumuten ist und unter Beachtung des Grundgedanken, dass Beratungshilfe (BerH) grds. subsidiär ist, kommt hier die Bewilligung von BerH nicht in Betracht. Zum Unterhalt vgl. insoweit Funßnote[1] und zum Sorge- und Umgangsrecht insoweit (neben Fußnote²) Fußnote[2].

    Dies gilt auch dann, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten ist.[3]
    Da insoweit keine Verweisung durch das BerH in die ZPO erfolgt, kennt das BerHG keine "Waffengleichheit" im engeren Sinne.[4]

    Die Ablehnung der Beratungshilfe mit dem Verweis auf eine Behördenberatung verletzt auch keine verfassungsmäßigen Rechte.[5]

    [1] AG Rotenburg (Wümme), Beschl. 12.12.1989, Rpfleger 1990, 171 f.; AG Detmold, Beschl. 02.01.1991, FamRZ 1991, 462; OLG Celle, Beschl. 16.08.1996, NJW-RR 1997, 135 f.; AG Neunkirchen, Beschl. 24.04.1997, FamRZ 1998, 253 f., 15.09.1998, FF 1999, 60; KG, Beschl. 02.08.2001, FamRZ 2002, 546; AG Leverkusen, Beschl. 26.02.2002, FamRZ 2002, 1715; AG Lahnstein, Beschl. 08.07.2003, FamRZ 2004, 1299; AG Hannover, Beschl. 19.09.2005, FamRZ 2006, 351; AG Konstanz, Beschl. 14.08.2006, UR II 172/06, JURIS JURE060091163; AG St. Blasien, (richterl.) Beschl. 06.10.2006, UR III 54/06 (soweit bekannt nicht veröffentlicht); AG Calw, (richterl.) Beschl. 12.12.2006, 1 BerH 467/06 (soweit bekannt unveröffentlicht); MuekoBGB, 4. Aufl. § 18 SGB VIII Rn. 3, 4, 14; Schoreit/Groß, 9. Aufl., § 1 BerHG, Rn 63; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, PKH/BerH, 4. A. Rdn. 949; Lindemann/Trenk-Hinterberger, Rn. 18; Hellstab, Rpfleger 2004, 337 [344]; AG Zeven, Beschl. 14.08.2007, Rpfleger 2007, 671

    [2] AG Zeven, Beschl. 14.08.2007, FamRZ 2008, 165; Schoreit/Groß, 9. Aufl., § 1 BerHG, Rn 63; Anwkom-RVG-Schneider Vor 2.6 VV, Rn. 4; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, PKH/BerH, 4. A. Rdn. 949

    [3] AG Kirchhain, Beschl. 19.07.2005, JAmt 2005, 469 f.

    [4] BVerfG, Beschl. 19.12.1988, 1 BvR 1492/88, 05.02.2001, 2 BvR 1389/99, 12.06.2007, Rpfleger 2007, 552 f.

    [5] BVerfG, Beschl. 12.06.2007, Rpfleger 2007, 552 f

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."


  • Soll ich ihn mal "von Anwalt zu Anwalt" fragen?



    Nur zu. Mag jeder selbst beurteilen, ob er sich mit Hr. Benkelberg und/oder seinen Argumenten auseinandersetzen will. Nach der Lektüre seiner Verfassungsbeschwerde könnte die Entscheidung jedoch leichter fallen...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Da die von Ernst P. dankenswerterweise (unter anderem) zitierte BVerfG-Sache 1 BvR 1014/07 ein jüngeres Aktenzeichen trägt als die vom Koll. Benkelberg in Karlsruhe eingebrachte Angelegenheit, lässt sich denken, wie die 06er Sache ausging. Aber warten wir ab, was B. sagt.



  • Das ist / war nicht seine erste Verfassungsbeschwerde. Der gute Mann setzt so ziemlich alles , was er so von sich gibt, ins Internet.

    Ist immer recht amüsant :) Nicht war Petroselius ?

    Auf seiner Homepage veröffentlich er auch seine "Erfolge"; seine "weniger erfolgreichen" Beschwerden hingegen finde ich nicht.

  • Ja und? Ich halte das für absolut ehrenwert und außerdem für vollkommen belanglos im Hinblick auf das Diskussionsthema.
    Auch hier sind einige Beiträge nicht immer Qualitätszeugnisse zur Ehre der Justiz. Das gilt natürlich auch für meine.

  • Ja und? Ich halte das für absolut ehrenwert und außerdem für vollkommen belanglos im Hinblick auf das Diskussionsthema.
    Auch hier sind einige Beiträge nicht immer Qualitätszeugnisse zur Ehre der Justiz. Das gilt natürlich auch für meine.



    Mag sein. Ich denke aber, dass man - wenn man schon sich derart präsentiert - auch mal bei bereits mehrfach entschiedenen Sachen die Meinung der Gerichte akzeptieren kann.

    Was ich aber sagen wollte: es kann ´ja durchaus sein, dass die Sache schon entschieden ist aber halt nicht veröffentlicht wurde ( auf seiner Homepage ).

  • Gemeldet hat sich sein Büro bisher bei mir auch nicht. Ich frage da nicht weiter nach. Die Entscheidungen des BVerfG sind ja eindeutig.

  • Mag sein, dass Herr B. die Verweisung an das Jugendamt für verfassungswidrig hält. Auch keine Bedenken, wenn er meint, erneut Verfassungsbeschwerde einlegen zu müssen, obwohl das Thema schon ziemlich zerschlissen ist.

    Ich habe gerade mal die entsprechende Seite aufgerufen, aber als ich dann zu lesen bekam:

    "Wir haben Sie [die Antragstellerin] erneut zur Antragstelle geschickt, mit dem Rat, sich nicht abwimmeln zu lassen, und - allemal nur mündlich, weil das keine Spuren hinterlässt - wurde die Beschwerdeführerin Anfang Januar 2006 erneut abgewiesen. So erscheint das auch nicht in der Statistik, und man kann dann stolz verkünden, alle, die nachgefragt hätten, hätten auch Beratungshilfe erhalten."

    ist mir die Lust auf den Rest des Artikels spontan vergangen. [Blockierte Grafik: http://www.cosgan.de/images/smilie/muede/k025.gif]

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

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