"Firmenbestatter", Insolvenzstraftaten und Mitwirkung von Notaren

  • In Berlin weist die Notaraufsicht "ihre" Notare auf folgende Problematik hin, die ich hiermit einfach mal zur Kenntnis gebe:

    Ich weise daraufhin, dass die „Firmenübernehmer“ im Zusammenwirken mit den alten Geschäftsführern der von Insolvenz bedrohten und nunmehr zu „bestattenden“ Firmen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Notare, die trotz Vorliegens der beispielhaft aufgelisteten, nachstehend wiedergegebenen Indizien amtieren, setzen sich der Gefahr disziplinarischer und strafrechtlicher Ermittlungen einschließlich einer Durchsuchung ihrer Kanzlei aus:


    a)
    Übertragung der Gesellschaftsanteile an einer krisenbehafteten Gesellschaft (z. B. Kaufpreis
    1,00 Euro), wenn nicht eine Sanierung bzw. das Ziel einer erfolgreichen Geschäftsfortführung schlüssig dargelegt ist oder zumindest nachvollziehbar behauptet wird. Hieran fehlt es in der Regel bei gleichzeitiger Sitzverlegung ohne erkennbaren sachlichen Grund und Firmenänderung sowie bei vermehrtem Ankauf solcher Gesellschaften ohne nachvollziehbaren wirtschaftlichen Grund.

    b)
    Größere Anzahl von Mantelkäufen innerhalb kürzerer Zeit unter Mitwirkung des gleichen oder annähernd gleichen Personenkreises auf Käuferseite und wechselnden Verkäufern.

    c)
    Mehrfache Sitzverlegungen und Firmenänderungen, denen ein Mantelkauf vorangegangen ist.

    d)
    Übertragung von Geschäftsanteilen einer krisenbehafteten Gesellschaft bzw. Übertragung der Geschäftsführerposition an offensichtliche „Strohmänner“ bzw. Personen, die ersichtlich die für eine ordnungsgemäße Führung der Gesellschaft oder gar deren Sanierung erforderliche Qualifikation nicht aufweisen (z. B. Personen, die erkennbar aus dem Obdachlosen- oder Drogenmilieu stammen). Anhaltspunkte für die fehlende Eignung können hierbei mangelnde Sprachkenntnisse, das allgemeine Auftreten (einschließlich des äußeren Erscheinungsbildes), die während der Urkundsverhandlungen zu beobachtende Auffassungsgabe oder fehlende, unrichtige oder unschlüssige postalische Anschriften sein.

    e)
    Fehlender örtlicher Bezug des Vorgangs zum Amtssitz des Notars. Weisen weder die Käufer noch die Verkäufer noch der bisherige oder der künftige Sitz der Gesellschaft einen Bezug zum Amtssitz des Notars auf, kann dies darauf zurückzuführen sein, dass die Beteiligten bewusst einen Notar aussuchen, der über die betroffene Gesellschaft keine Vorkenntnisse (etwa über Veröffentlichungen in der lokalen Presse) hat und der daher zunächst kein Misstrauen hegt.

    f)
    Postalische Unerreichbarkeit der beteiligten Personen oder Gesellschaften auch im Zusammenhang mit früheren Vorgängen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Mich würde hierzu interessieren, ob nicht auch das Registergericht eine Handhabe hat, derartige Firmenbestattungen zu verhindern.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Eintragung des Mantelkaufs zumindest die Versicherung erforderlich, dass das Stammkapital der Gesellschaft noch vollständig vorhanden ist. Derartiges lässt sich doch anhand der letzten Bilanz leicht nachprüfen. Ich denke, dass die Aufkäufer/Verkäufer schnell das Interesse verlieren, wenn jedes Mal mindestens € 25.000,00 aufgebracht werden müssen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Eintragung des Mantelkaufs zumindest die Versicherung erforderlich, dass das Stammkapital der Gesellschaft noch vollständig vorhanden ist.



    Meinst Du den Beschluss des BGH vom 07.07.2003 - II ZB 4/02 -?

  • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Eintragung des Mantelkaufs zumindest die Versicherung erforderlich, dass das Stammkapital der Gesellschaft noch vollständig vorhanden ist.



    Meinst Du den Beschluss des BGH vom 07.07.2003 - II ZB 4/02 -?



    :daumenrau, es handelt sich -technisch gesehen - natürlich im eine Unterbilanzhaftung.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Mich würde hierzu interessieren, ob nicht auch das Registergericht eine Handhabe hat, derartige Firmenbestattungen zu verhindern.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Eintragung des Mantelkaufs zumindest die Versicherung erforderlich, dass das Stammkapital der Gesellschaft noch vollständig vorhanden ist. Derartiges lässt sich doch anhand der letzten Bilanz leicht nachprüfen. Ich denke, dass die Aufkäufer/Verkäufer schnell das Interesse verlieren, wenn jedes Mal mindestens € 25.000,00 aufgebracht werden müssen.



    Aus Sicht des BGH ist alles ja ganz einfach ... aber wie soll ich als Registergericht erkennen, dass eine "marode" Gesellschaft sprich "wirtschaftliche Neugründung" vorliegt? Ich bekomme den Abtretungsvertrag ja nicht unbedingt übersandt (Gesellschafterliste genügt) und woher soll ich weitere Anhaltspunkte bekommen?

    Es ist ja allgemein bekannt, dass das Registergericht nur bei begründetem Verdacht prüfen kann/soll und ob Sitzverlegung mit Firmen- und Gegenstandsänderung sowie GF-Wechsel (kumulativ/alternativ) einen solchen begründeten Zweifel hervorrufen kann/soll/muss, habe wiederum ich meine Zweifel ... :gruebel:

  • :dito:

    Wer will, dass das Registergericht nichts von der "Bestattung" der Firma mitbekommt, schafft das im Zweifel. Zivilrechtliche Ansprüche / strafrechtliche Relevanzen etc. stehen allerdings auf einem anderen Blatt.

    Der Notar sitzt näher an den Tatsachen. Ob es ihm aber wirklich immer möglich ist, eine Firmenbestattung zu erkennen, kann ich nicht beurteilen.

  • das hängt sicherlich auch mit der erfahrung des notars auf eben jenem gebiet zusammen.
    die bestattungen werden wohl eher bei kleinen notariaten gemacht werden, die meist nicht so viel erfahrung auf dem gebiet haben und entsprechend nicht soooo misstrauisch sind....wäre zumindest jetzt mein gedanke

  • Was man so mitbekommt, war es eher so, dass hier bestimmte Kreise immer mit den gleichen Notaren zusammengearbeitet haben und nicht dass hier arme kleine Notare übers Ohr gehauen wurden. Man sollte auch nicht glauben, dass alle Notare in ihrem Amt gleich den Heiligenschein mitgeliefert bekommen. Ich denke, es war manchem Notar durchaus bewusst, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber bevor die Kollegen das ganze schöne Geld verdienen...

  • Das "schöne Geld" ist aber eigentlich gar nicht so viel; wenn 1 Euro der Kaufpreis ist und der Wert der GmbH-Anteile entspr. relativ wertlos dargestellt wird, entsteht ja gerade mal die Mindestgebühr (evtl. bei 20/10-Geb. § 36 II KostO dann 20 Euro). Daher "reißt" sich i.d.R. kein Notar um derartige Beurk.; die meisten werden es machen wegen des Urkundsgewährungsanspruchs.
    Aber ich will nicht ausschließen, dass es im Einzelfall auch mal Notare gibt, die nicht ganz unwissend und umschuldig sind, aber das ist wie in jedem Beruf mit schwarzen Schafen sicher die Ausnahme.
    Die genannten Missbräuche waren ja auch ein Anlass für die jetzt weit forgeschrittene GmbH-Reform durch MoMiG (vom Bundestag am 26.6.2008 beschl. Gesetz, siehe hierzu Pressemitt. des BMJ vom 26.6.2008 und BT-Drs. 16/9737), mit denen es Firmenbestattern u. sonstigen Missetätern schwerer gemacht werden soll (s. hierzu Ziff. 3 des Dokuments "Schwerpunkte des Ges.zur Modernis. des GmbH-Rechts und zur Bekämpfuing von Missbräuchen (MoMiG), das auf der Seite des BMJ mit o.a. Unterl. zum Stand des Ges.-geb.-verf. heruntergeladen werden kann).
    Ca. für Sept. soll sich der Bundesrat mit der Sache befassen und ein Inkrafttreten wird für ca. Okt. / Nov. 2008 erwartet.

    P.S. Zu o.a. Gebühr (die oft fälschlich, aber unbeanstandet, nach der Stammeinl. nominell berechnet wird, was zu etwas höheren Gebühren führt - die aber auch alles andere als üppig sind - kommt natürl. noch die Geb. für die Beschlussfassung zur Satzungsänderung und Geschäftsführerabberufung usw. - bei 25.000 Euro Stammkapital im Verhältnis zur damit verbund. Arbeit ist das aber auch nichts, worauf die Notare scharf sind - die KostO-Gebühren im Grundstücksrecht sind da wesentlich attraktiver wegen der da regelm. mehrfach höheren Werte, und die "normalen" HR.-Sachen werden von vielen auch wegen der geringen Gebühren sehr ungern gemacht.

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