Nichtiges Erbbaurecht

  • Wir alle wissen, dass ein Erbbaurecht erstrangig im Grundbuch des belasteten Grundstücks einzutragen ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO). Ein Verstoß hiergegen, z.B. durch die Eintragung nach einer in Abt. II eingetragenen Grunddienstbarkeit, führt zur Nichtigkeit. Die inhaltlich unzulässige Eintragung müsste gem. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen gelöscht werden. :heul:


    Nehmen wir nun einmal an, dass 32 (!!!) Jahre kein Schwein bemerkt, dass es sich um ein unzulässiges Recht handelt. :ichwarsni Ein gutgläubiger Erwerb scheidet infolge §§ 892, 893 BGB aus. Glück gehabt. Während dieser 32 Jahre wird das Erbbaurecht aber insgesamt vier Mal (!!!) zwangsversteigert. :beifallkl

    Die Gretchenfrage wäre nun:

    Haben die jeweiligen Ersteher kraft Hoheitsaktes (§ 90 Abs. 1 ZVG) das Erbbaurecht erworben oder gab’s nichts zu erstehen weil etwas versteigert wurde was de facto nicht existierte (so mein Gedanke)? :aetsch:


    Bin gespannt auf eure Beiträge.


    Gruß


    HuBo

    :flucht:

  • DAS soll 32 Jahre NIEMANDEM aufgefallen sein? Schwer vorstellbar.

    Hast Du die Ausnahme nach § 10 II ErbbauVO abgeklopft?

    aus MüKo/vOefele Rdnr. 7: Nach Abs. 2 können durch landesrechtliche Verordnungen Bestimmungen geschaffen werden, wonach bei der Bestellung des Erbbaurechts vom Rangerfordernis nach Abs. 1 abgewichen werden kann, allerdings nur bei Unschädlichkeit. Derartige Ausnahmen finden sich in: Preußische VO vom 30. 4. 1919 (GS S. 88); in Nds. aufgehoben durch VO v. 26. 3. 1971 (GVBl. S. 135); Baden-Württemberg: VO vom 17. 1. 1994 (GVBl. S. 49); Bayern: VO v. 17. 10. 1919 (BS III S. 130), aufgehoben durch VO v. 1. 12. 1981 (GVBl. S. 504); Hamburg: § 42a AGBGB v. 1. 7. 1958 (GVBl. S. 195).

    Weitere Ausnahme (MüKo Rdnr. 5): Die Bestimmung gilt nach Wortlaut und Sinn aber nur für Rechtsgeschäfte, nicht dagegen für Rangverschlechterungen kraft Gesetzes; so kann nach BGH ein zu Unrecht gelöschtes Erbbaurecht nach einem gutgläubigen Zwischenerwerb bereits vorrangig eingetragener Grundpfandrechte Dritter auch an anderer als an erster Rangstelle wieder eingetragen werden, da das Erbbaurecht unbeschadet der Zwischenrechte nicht erloschen ist. 

    Ansonsten hilft wohl nur die Löschung. Das Versteigerungsgericht kann nichts zuschlagen was nicht existiert.

  • Hallo Kai,

    danke für den Beitrag. Es ist in der Tat so, dass die mit der Versteigerung befassten Profis nichts bemerkt haben - sonst hätten sie ja wohl niemals anordnen dürfen. Eine ältere Kollegin aus dem GBA wusste um den Fall; sie betreute die Gemarkung vor vielen Jahren. Kommentar: "Daran hat keiner gerührt!"

    Die Ausnahmereglung (Stichwort: altrechtliche Dienstbarkeiten) habe ich schon geprüft - Fehlanzeige. Die vorrangige Dienstbarkeit stammt aus den sechziger Jahren. Vor ihr stehen noch zwei echte altrechtliche (1883, 1900).

    Es wird also wohl gelöscht werden müssen und eine Neueintragung kommt wegen Nichtbeschaffbarkeit der ersten Rangstelle (es sei denn die Rücktrittserklärung würde nachgereicht) nicht in Betracht.

    Ich glaube da hilft nur noch :flucht:

    Gruß

    HuBo

  • Und was wäre, wenn alle weiterhin die Augen zu machen würden und so täten, als hätten sie's noch nicht bemerkt?!?

    Oder gibt es eine(n) Antrag/Anregung für die Amtslöschung??

    Na ja, der Kollege, der das Ding vor 32 Jahren verbrochen hat, ist wahrscheinlich schon länger nicht mehr im Dienst. Aber die Zwangsversteigerungsrpfls. könnten sich u.U. auch regresspflichtig gemacht haben. Au weia!!! :schwitz:

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Übelst!!!! Das hätte natürlich nie passieren dürfen. Eine Versteigerung hätte nicht angeordnet werden dürfen. Da Die Unrichtigkeit außerdem auch grundbuchersichtlich ist, gibt es m.E. keine Heilungsmöglichkeit. Gutgläubiger Erwerb ist ausgeschlossen. Aber, Ulf, das ganze so lassen? Ich weiß nicht. Was machst Du dann, wenn neue GB-Eintragungen beantragt werden oder wenn eine weitere Zwangsversteigerung angeordnet werden soll? Gruß
    Stefan

  • Solange kein Antrag gestellt ist, würde ich in einer solchen Situation auch nicht dran rühren. Wenn ein Antrag käme, würds darauf ankommen, was für ein Antrag es ist. Die Löschung eines Grundpfandrechts würde ich wohl vollziehen. Aber eine neue Belastung, das wäre schon eine Gewissensfrage. Vermutlich würde ich sie nicht eintragen und in diesem Zusammenhang "zufällig" entdecken, dass das Erbbaurecht ja nichtig ist und es von Amts wegen löschen.

    Bei der Umschreiberei wegen der Einführung von Solum-Star hatte ich auch so ein nichtiges Erbbaurecht entdeckt, das schon einige Jährchen alt war. Da wars allerdings kein Problem, da das Erbbaurecht noch nicht weiter veräußert worden war. Ich habs dann einfach gelöscht, mich auf den Stadnpunkt gestellt, dass der Antrag damals noch nicht bzw. nicht ordnungsgemäß vollzogen worden war und nach der entsprechenden Rangerklärung des vorgehenden Berechtigten (Stromversorger) das Erbbaurecht neu eingetragen.

    Hier ist das leider nicht so einfach.

  • zu der frage fallen mir die 2 golden rulez des grundbuchrechtspflegers ein:


    1. man darf das grundbuch nicht unrichtig machen, sonst

    2. droht der regreß.

  • Subjektiv, also wenn ich die betreffende Akte auf dem Tisch hätte, wäre Augen-zu-und-durch vielleicht verlockend.

    Objektiv betrachtet muss aber etwas passieren. Womöglich geht sonst der Regress noch weiter und ob den Beteiligten letztlich geholfen ist, wenn man es weiterlaufen lässt, darf bezweifelt werden.

  • Moin,

    wieso scheidet der öffentliche Glaube des Grundbuchs in dem Falle aus?

    Ein nur weitläufig ähnlicher Fall behandelte das OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.01.2001 - 9 U 157/00

    Falsa Demonstratio und guter Glaube bei Grundstücksteilung und Auflassung

    1. Haben die Beteiligten ein gemeinsames Grundstück in zwei gleich große Teile zu Alleineigentum aufteilen wollen, ist stattdessen aber unbemerkt eine Aufteilung in zwei "ungleiche Hälften" im Grundbuch eingetragen, finden die Grundsätze der falsa demonstratio auf die Auflassung Anwendung. Das gilt auch, wenn bei Weiterveräußerungen sämtliche Beteiligte derselben Fehlvorstellung unterlegen sind.
    2. Sind Eintragung und Auflassung zumindest teilweise deckungsgleich, entsteht jedenfalls im eingetragenen Umfang Alleineigentum an den Hälften. Das Alleineigentum im gewollten Umfang kann aber erst entstehen, wenn die Grundbucheintragung korrigiert ist.

    3. Derjenige, der ein Grundstück erwirbt, kann sich hinsichtlich der Grundstücksgrenzen auf das Grundbuch und die daraus ersichtlichen Bestandsangaben verlassen. Rechtliche Bedenken an den Eigentumsverhältnissen stehen einem gutgläubigen Erwerb allenfalls entgegen, wenn auch einem juristischen Laien ohne jeden Zweifel einleuchten muss, dass Übertragungsvorgänge der Vergangenheit nicht wirksam sein können.
    (Leitsätze, nicht amtlich)

    Greifen diese Grundsätze hier nicht auch? Bei den Erwerbern kann/muss man doch eher von jurist. Laien ausgehen?!

    Sorry, hat mich interessiert, wollte mich nur deshalb hier einmal einbringen.

  • @ loop63,

    hallo - der gute Glaube nach § 892 BGB schützt nur den rechtsgeschäftlichen Erwerb (§ 892 Abs. 1 Satz 1 BGB), nicht jedoch den Erwerb kraft Gesetzes (z.B. Gesamtrechtsnachfolge infolge Erbfall) bzw. den - wie hier vorliegend - durch Staatsakt (Palandt, BGB, 61. Aufl, § 892, Rdn 2 m.w.N.).

    Selbst im Falle rechtsgeschäftlichen Erwerbs würde im vorliegenden Fall gutgläubiger Erwerb ausscheiden da es sich um eine inhaltlich unzulässige Eintragung handelt (a.a.O., Rdn 10).

    @ kollegen,

    wenn noch niemand von dem Missgeschick Wind bekommen hätte wäre - etwas Dreistigkeit vorausgesetzt - eine Umschreibung des Grundbuchblattes (nicht des Erbbaugrundbuchblattes) bei gleichzeitiger Anwendung von § 46 II GBO in Erwägung zu ziehen gewesen. Vermutlich wäre keinem Beteiligten in den nächsten 30 Jahren aufgefallen, dass die Dienstbarkeit sang- u. klanglos verschwunden ist :idee:

    Und bis es einer gemerkt hätte wäre der umschreibende RPfl bereits :flucht:

    Aber zu diesem Kunstgriff ist es leider schon zu spät :heul: ! Ein Notar hat's bemekrt :aetsch: und das GBA sagt :dankescho :wall: .

    Mal schauen wie's weitergeht :guckstduh

    Gruß

    HuBo

  • zu #3: Die Ausnahme gem. § 10.II ErbbauRG betrifft durchaus nicht nur Altrechte! Gerade in Bbg, wo die "Baulast-"Dienstbarkeiten gem. § 65 der BauO im Grundbuch eingetragen werden, wird gelegentlich von der Möglichkeit der Unschädlichkeitsfeststellung gem. § 24 AGBGB Gebrauch gemacht. M.W. gibt es jedenfalls in Bayern, Ba-Wü, Hamburg und Sachsen ähnliche Vorschriften.

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