InsO und § 811 ZPO

  • Ich stelle hier mal die Frage einer Kollegin zur Debatte:
    "Der Schuldner beantragt Pfändungsschutz nach § 811 Abs. I Nr. 12 ZPO für einen PKW im laufenden Insolvenzverfahren. Inhaltlich käme der Pfändungsschutz eventl. in Betracht (Hilfsmittelcharakter für notwendige medizinische Behandlung). Nach § 36 InsO dürfte aber das Insolvenzgericht für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig sein, da keiner der in Abs. I genannten Fälle vorliegt.
    Ist nun das Vollstreckungsgericht zuständig (dieses verweist darauf, dass es hier keine Pfändungsmaßnahme erlassen hat und insofern nicht zuständig ist) ?§ 314 InsO ist hier nicht einschlägig, da der Schuldner für die Freigabe des PKWs nichts zahlen will."
    Mein spontaner Gedanke wäre: weder noch, sondern Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nach §§ 767, 769 ZPO.

  • § 36 Abs. 1 InsO bezieht sich doch auf die unpfändbaren Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen und Abs. 4 sagt, dass das IG für die Feststellung zuständig ist.

    Der Zusatz, dass die §§ 850 u.a. entsprechend gelten ist doch nur eine Klarstellung dahingehend, dass die Vorschriften auch anzuwenden sind. Der Satz 1 war ja schon von Anfang an drin.

  • Schmidt: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Auflage 2007
    Autor: Lüdtke 


    Aus Gründen einer größeren Sachnähe ordnet Abs. 4 die sachliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes für Entscheidungen über die Massezugehörigkeit des Arbeitseinkommens und gleichgestellter Einkünfte des Schuldners an. Wegen der Sachnähe ist de lege ferenda eine generelle Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Entscheidungen über die Massezugehörigkeit zu begrüßen, d.h. über die Normen des Absatz 1 Satz 2 hinaus.

    Das Insolvenzgericht entscheidet nicht als solches, sondern als "besonderes Vollstreckungsgericht" (BGH ZInsO 2004, 391, 392 [BGH 05.02.2004 - IX ZB 97/03]; zust. Anm. Lüke/Ellke EWiR 2004, 1231). Die funktionelle Zuständigkeit ergibt sich damit aus § 20 Nr. 17 RPflG.

    Grundsätzlich erfasst Abs. 1 Satz 1 sämtliche Pfändungsschranken; Abs. 1 Satz 2 hat keine enumerative, sondern nur klarstellende Bedeutung. Die wichtigsten Pfändungsschutznormen sind im Achten Buch der ZPO enthalten.


    Hego ist somit zuzustimmen.

  • Danke RainermdvZ.

    Vielleicht wird es verständlicher, wenn Du nur den Satz 1 liest und zunächst Satz 2 weg lässt weil der erst durch das Gesetz vom 26.10.2001 (vermutlich um die bis dahin herrschende Unsicherheit zu beseitigen) angefügt worden ist.

  • Fangt nicht an zu streiten Jungs. Wenigstens mal ein Subforum, in dem Eitelsonnenschein herrscht. So soll es doch bitte bleiben.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Denkst Du etwa, dass wir uns kloppen wollen?

    Nee, ins Archiv gehen (hier im Forum) heißt in dem Fall um zu gucken, ob RainermdvZ mir früher schon mal widersprochen hat...

  • Nee, ins Archiv gehen (hier im Forum) heißt in dem Fall um zu gucken, ob RainermdvZ mir früher schon mal widersprochen hat...



    Das habe ich schon verstanden, aber ihr wolltet Euch doch nicht mehr widersprechen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Das wollte ich damit aber auch nicht gesagt haben:cool:

    Wenn es nötig ist, dann widersprechen wir uns auch. Aber das wäre oder war, wenn überhaupt, schon lange her, deswegen ARCHIV!

  • Leute, lasst die Streiterei, Rainer hat es doch nur gut gemeint und die komplette Begründung gleich online gestellt. :troest:

    Zu diesem Thema noch ne Frage: Habe nen Schuldner, dessen KfZ nen Wert von ca 900 € hat. Er wohnt auf dem Land, ist arbeitslos und meint, er benötige die Karre zum "Einkaufen" und zum "Kinder in die Schule fahren". Für mich kein Grund, das Auto als unpfändbar zu sehen. Schließlich können die Kindern radeln (Bewegung schadet nicht ;)) und Busse fahren genug.
    Der Schuldner meint aber nun, er zahle "keinesfalls". Arbeiten möchte er nicht. Wie denn auch, mit den Kindern?

    Wie komme ich nun an mein Geld, Beschluss des IG, sofern Streit besteht, klar? Dann § 314 insO? Das Gericht setzt dem Jungen also ne Frist, er möge zahlen, notfalls in Raten. Zahlt er nicht, kann der TH zumindest das Gefährt beschlagnahmen, ob es sich verwerten lässt, dürfte ne andere Frage sein.

    Ich hatte noch nie was zu tun mit § 314 InsO, mich reizt es aber, vielleicht mal der erste zu sein..... :wechlach:

    Gibt es Erfahrungen?

    P.s.: Auch ich bin bislang von einer Zuständigkeit des ProzessG ausgegangen und daher sehr erfreut, es nun "Schwarz auf Weiss" zu haben.
    :2danke

  • Wie komme ich nun an mein Geld, Beschluss des IG, sofern Streit besteht, klar? Dann § 314 insO? Das Gericht setzt dem Jungen also ne Frist, er möge zahlen, notfalls in Raten. Zahlt er nicht, kann der TH zumindest das Gefährt beschlagnahmen, ob es sich verwerten lässt, dürfte ne andere Frage sein.

    Ich hatte noch nie was zu tun mit § 314 InsO, mich reizt es aber, vielleicht mal der erste zu sein..... :wechlach:

    Gibt es Erfahrungen?

    Sofern möglich (also IK); klarer Fall für 314. Wenn er nicht zahlt, siehst Du das Geld zwar nicht und kannst auch das Auto nicht verwerten, aber das Druckmittel ist klar (Versagung der RSB). Bei langwierigen Sachen (Genossenschaftsanteile) oder solchen Schuldnern, bei denen ich extrem unsicher bin, ob Geld kommt, gehe ich gerne über 314. Das sind äußerst pünktliche Zahler und das Verfahren ist in der Regel völlig problemlos.

  • Dieser (klarstellende) Beschluss kann dann vom Treuhänder und vom Schuldner gestellt werden. Entscheidet das IG zugunsten des TH, ist der Weg offen für § 314 :strecker

  • Da das IG feststellen soll was der ZV unterliegt würde ich annehmen, dass der TH/IV an der Feststellung interessiert ist und er ist auch nach § 36 Abs. 4 InsO berechtigt diesen Antrag zu stellen.

    Und nochmal: Rainer und ich streiten nicht!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  • Also irgendwie nochmal zum Ausgangsfall. M.E. muß im Ausgangsfall geklagt werden.

    Schmidt, InsO, § 35, Rn. 279:

    "Teilt der Insolvenzschuldner die Auffassung des Verwalters zur Massezugehörigkeit eines Gegenstandes nicht, kann er gegen den Verwalter Feststellungs-, Unterlassungs- oder Leistungsklage vor den ordentlichen Prozessgerichten erheben (MK-Lwowski § [Blockierte Grafik: http://www.insolvenzrecht.de/fileadmin/images/icon/vorheriger_treffer.gif] Rn. 30; BK-Breutigam § [Blockierte Grafik: http://www.insolvenzrecht.de/fileadmin/images/icon/vorheriger_treffer.gif] Rn. 113; unklar HK-Eickmann § 36 Rn. 60 entgegen § [Blockierte Grafik: http://www.insolvenzrecht.de/fileadmin/images/icon/vorheriger_treffer.gif] Rn. 52). Die Inanspruchnahme und Verwertung von Gegenständen des Schuldners durch den Verwalter ist keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, da der Verwalter, anders als ein Gerichtsvollzieher, kein mit Zwangsbefugnissen ausgestattetes Vollzugsorgan ist (Jaeger-Henckel § [Blockierte Grafik: http://www.insolvenzrecht.de/fileadmin/images/icon/vorheriger_treffer.gif] Rn. 129). Auch ist das Insolvenzgericht mit seiner Aufsichts- und Organisationsfunktion grds. nicht zur verbindlichen Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Verfahrensbeteiligten berufen (Henckel a.a.O.). Ausnahmen gelten nach § 36 Abs. 4 und § 89 Abs. 3 für die Entscheidung über die Pfändbarkeit und damit Massezugehörigkeit von Arbeits- und gleichgestellten Einkünften des Schuldners sowie bei Zwangsvollstreckung des Verwalters gegen den Schuldner (§ 148 Abs. 2). In der insolvenzgerichtlichen Praxis werden diese Normen z.T. extensiv angewendet (vgl. AG Hamburg ZInsO 2006, 1232 ). De lege ferenda ist dies aufgrund der Sachnähe des Insolvenzgerichts zu begrüßen."

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich bin in dieser Sache ganz bei Mosser.
    Für einen Klarstellungsbeschluss des Insolvenzgerichts fehlt m.E. komplett die gesetzliche Grundlage. § 36 IV InsO verweist nur auf § 36 I 2 InsO und da stehen nur Vorschriften über die Pfändung von Arbeitseinkommen etc.. Eine weitere Auslegung geht m.E, zu weit, da sie eindeutig gegen den Gesetzeswortlaut verstößt. Wenn der Gesetzgeber so etwas gewollt hätte, hätte er es ins Gesetz schreiben müssen.
    Es ist auch logisch; in der Zwangsvollstreckung - auf deren Vorschriften in der InsO Bezug genommen wird - gibt es auch keinen Klarstellungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts nach § 811 ZPO.
    Das Einzige worüber man diskutieren kann, ist, ob tatsächlich eine Zivilklage nötig ist, oder ob der Schuldner Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen kann, wenn der Insolvenzverwalter evtl. mit Gerichtsvollzieher das KFZ abholen will. Darüber zerbreche ich mir aber nicht den Kopf, da es mich als Rechtspfleger nicht betrifft...

  • Sorry stimmt, lesen soll ja bekanntlich bilden und wenn ich das richtig gelesen hätte, hätte ich den Bezug auf Satz 2 sicherlich auch so verstanden.:(

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