(Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?

  • Eine Prüfung der Kündigung durch das ZV-Gericht hat sich damit doch ebenfalls weitestgehend erledigt? Die Kündigung ist laut der Entscheidung kein kalendermässig bestimmter Tag (751 ZPO) und gilt bei einem Nachweisverzicht - wie meist - auch sonst nicht als (verfahrensrechtliche) Bedingung.

  • Hat mir jetzt nicht wirklich geholfen. Der Nachweisverzicht gilt der formell-rechtlichen Klauselerteilung, nicht der materiell-rechtlichen Kündigung der Grundschuld. Wenn ein Notar materielles Rechts prüfen wollte, hätte ich also die Kündigung erwartet (= nicht bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung), nicht die Wirksamkeit des Nachweisverzichts. Ein Legalitätsprinzip, wonach der Notar eine Klausel nicht erteilen darf, wenn er positiv weiß, dass er damit materiellem Recht widerspricht (noch offengelassen: BGH, Beschluß vom 16. 7. 2004 - IXa ZB 326/03) gibt es im Klauselerteilungsverfahren somit nicht? Eine eindeutige Abgrenzung zu V ZB 84/16 hat es mit VII ZB 56/18 im Hinblick auf § 751 ZPO nicht gegeben. Auch nicht obiter dictum. Falls der Hinweis auf den Aufsatz von Lindemeier nicht so zu verstehen ist. Der Notar muß die Kündigung demnach nicht prüfen, das Vollstreckungsorgan schon?

  • Der Notar muß die Kündigung demnach nicht prüfen, das Vollstreckungsorgan schon?

    Nach Ansicht des BGH wohl keiner von beiden, vgl. Nr. 24 in VII ZB 2/20 (ebenso Nr. 23 in VII ZB 56/18):

    "... kann der Schuldner im Falle der bevorstehenden Einleitung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger, die eine vorherige Zustellung des Schuldtitels voraussetzt (§ 798 ZPO), bereits vor dem Beginn der Zwangsvollstreckung Vollstreckungsabwehrklage gemäß §§ 767, 797 Abs. 4 und 5 in Verbindung mit § 795 Satz 1 ZPO erheben und einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 769 ZPO beantragen (vgl. auch BT-Drucks. 16/9821, S. 18). Diese Klage hat Erfolg, wenn es an einer Kündigung oder dem Ablauf der Frist des § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB fehlt."

  • Eine neue Entscheidung des hiesigen Landgerichts:

    Erteilt der Notar bei erklärtem Nachweisverzicht umgehend nach Beurkundung eine einfache Vollstreckungsklausel, hat das Vollstreckungsgericht die materielle Rechtsmäßigkeit der erteilten Klausel nicht zu prüfen. Allein der Schuldner kann die Erteilung einer Klausel mit der Klauselerinnerung gemäß § 732 ZPO angreifen.

    Dem steht auch die Entscheidung des BGH vom 30.3.2017, Az. V ZB 84/16, mit der er die Zwangsvollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld gemäß § 751 Abs. 1 ZPO für unzulässig erklärt hat, nicht entgegen.

    LG Hamburg, Beschluss vom 02.12.2020, 328 T 49/20

  • Tue mir immer noch schwer damit. Dass der BGH jüngst den Nachweisverzicht der materiellrechtlichen Kündigung zuschreibt und nicht der verfahrensrechtlichen Klauselerteilung. Dass man begrifflich einen Nachweisverzicht doch nur da erwarten würde, wo zumindest eine theoretische Möglichkeit der Wirksamkeit besteht.

  • Ich habe hier das Problem der Kündigung gemäß § 1193 BGB mal wieder. Bisher hatte ich Glück und die Vollstreckungsklausel war zeitlich so erteilt, dass eine Kündigung vorausgegangen sein konnte oder es wurde die Kündigung mit Zustellnachweis an den Schuldner vorgelegt.
    Nun habe ich hier eine abgetretene Buchgrundschuld. Abtretung wurde im April 2019 im Grundbuch eingetragen. Die Rechtsnachfolgeklausel (wegen Gläubigerwechsel) wurde vom Notar im Juni 2019 erteilt. Von Grundschuldkündigung ist in der Klausel nichts erwähnt. Die Grundschuldbestellungsurkunde enthält auch die übliche Erklärung zum Nachweisverzicht.
    Nach BGH Beschluss vom 07.10.2020, VI ZB 56/18, ist vom Vollstreckungsorgan ja nur noch die Klausel selbst zu prüfen. Alles andere kann/muss der Schuldner im Klageweg einwenden.
    Ganz offensichtlich war für den neuen Gläubiger bei Klauselerteilung die 6-monatige Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen. Würdet ihr die Zwangsversteigerung anordnen oder noch den Kündigungsnachweis mit Zustellung verlangen?

  • Nach BGH, VII ZB 56/18, ist zwar bei einem Nachweisverzicht die Klausel nur eingeschränkt zu prüfen.

    Selbst bei einem Nachweisverzicht ist allerdings die Kündigung nebst Kündigungsfrist zu prüfen, siehe BeckOK ZVG/Ertle Rn. 32 ff / Böttcher, Rn. 63a, je zu § 16 ZVG.

    Selbst wenn man die Prüfung der Kündigung durch das Vollstreckungsgericht nicht für geboten hält: Ein Verfahren ohne abgelaufene Kündigungsfrist oder gar ohne erfolgte Kündigung ist für den Gläubiger ein Risiko. Meist werden die Anträge dann nach Hinweis auf § 1193 BGB zurückgenommen.

  • Ich will noch mal auf den Lauf der Frist eingehen. Wie alt ist die GS an sich. Der Abtretungsgläubiger muss sich ja all das zurechnen lassen, was der Ursprungsgläubiger getan hat. Wenn die GS schon älter ist, haben wir doch keinen Anhaltspunkt. Vielleicht hat ja schon der erste Gläubiger gekündigt.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Die Grundschuld ist aus dem Jahr 2010. In der ersten Vollstreckungsklausel, die mit Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel wegen Gläubigerwechsels zurückgezogen worden ist, ist nichts zur Kündigung der Grundschuld gesagt. Ich habe auch sonst keine Anhaltspunkte - etwa aus der dem Titel beigefügten Abtretungserklärung -, dass der bisherige Gläubiger die Grundschuld bereits gekündigt hat. Möglich wäre es natürlich. Vorgetragen hat der neue Gläubiger in seinem Antrag auch nichts in dieser Hinsicht.

  • Nach BGH, VII ZB 56/18, ist zwar bei einem Nachweisverzicht die Klausel nur eingeschränkt zu prüfen.

    Selbst bei einem Nachweisverzicht ist allerdings die Kündigung nebst Kündigungsfrist zu prüfen, siehe BeckOK ZVG/Ertle Rn. 32 ff / Böttcher, Rn. 63a, je zu § 16 ZVG.

    Selbst wenn man die Prüfung der Kündigung durch das Vollstreckungsgericht nicht für geboten hält: Ein Verfahren ohne abgelaufene Kündigungsfrist oder gar ohne erfolgte Kündigung ist für den Gläubiger ein Risiko. Meist werden die Anträge dann nach Hinweis auf § 1193 BGB zurückgenommen.

  • Grüß Gott.

    Ich habe mich in Ihrem Forum angemeldet um zu sehen, ob die neuere Rechtsprechung des EuGH bereits diskutiert wird. Ich habe die Rechtsprechung in mehreren Beiträgen in der Zeitschrift für Immobilienrecht (ZfIR) analysiert:
    • Nachweisverzicht im Lichte der RL 93/13, ZfIR 2021, 166-171.
    • Der Einfluss des Effektivitätsgrundsatzes im Lichte der RL 93/13 auf die Verfahrensrechte und -modalitäten bei der Bestellung und Vollstreckung einer Sicherungsgrundschuld, ZfIR 2021, 258-267.
    • Die Grundschuldbestellungsurkunde im Lichte der RL 93/13, ZfIR 2021, 349-359.
    Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass die bisherige Praxis den Anforderungen des EuGH nicht entspricht. Ich gehe deshalb davon aus, dass es zu gravierende Änderungen kommen wird.

  • Auf welches EuGH-Verfahren beziehst du dich da?

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