§ 850f ZPO - Berechnung...

  • Hallo liebe Kollegen,

    jetzt muss ich doch mal eine erste Inso-(bzw. Einzelvollstreckungs-) Frage loswerden und hoffe, nicht gleich den "Dödel"-Stempel aufgedrückt zu kriegen...:oops:

    Ich habe einen Antrag nach 850 f ZPO auf Erhöhung des pfandfreien Betrages vorliegen. Die Schuldnerin ist in der Wohlverhaltensphase und arbeitet jetzt 600 km entfernt, will dort ne Wohnung nehmen und führt doppelte Haushaltführung und Fahrtkosten für ihre höheren Ausgaben ins Feld. Ihr Nettoeinkommen liegt bei ca. 1550 €, keine Unterhaltsberechtigten (es ist also ordentlich was pfändbar). Dass sie die Erhöhung nicht kriegt, solange sie nicht ne Wohnung genommen hat, ist klar.
    Aber wenn es dann soweit ist: wie ermittelt Ihr den eventuellen Mehrbedarf? :confused:
    Ich hätte ja jetzt ganz kühn die Pfändungstabelle genommen, den pfandfreien Betrag festgestellt und geschaut, was ihr am Ende nach Abzug aller Verbindlichkeiten bleibt. Nun kam eine Kollegin und meinte, ich müsste ne umfangreiche Berechnung ausgehend vom Nettoeinkommen über Freibeträge und Erwerbstätigenbonus u.s.w. veranstalten :gruebel::eek:

    Daher die Frage: Wie macht Ihr das? Bin für alle kreativen Lösungen dankbar - auch für solche, die mir zustimmen;)

    LG
    C.C.

  • ich komme zwar aus der M-Abt. und habe noch nie Inso gemacht, aber ein 850f Antrag macht doch nur dann Sinn, wenn der unpfändbare Betrag nach Pfändungstabelle gerade nicht reicht. Wieso sollte sonst ein 850 f Antrag auf Erhöhung des unpfändbaren Betrages (850c ZPO) gestellt werden ?Und dann muss man bei 850f natürlich den Lebensbedarf individuell ausrechnen. D.h. Mietspiegel bzw. ggf. Mietsätze vor Ort (Sozialamt) erfragen.

  • Ich würde mir überlegen, ob das überhaupt ein Grund für eine Erhöhung ist. Bei 600 km muss sie sich ohnehin eine Wohnung am Arbeitsort bzw. in der Nähe suchen. Wenn sie die alte Wohnung zur Wochenend- bzw. Freizeitgestaltung behalten will, kann das m.E. nicht auf Kosten der Gläubiger gehen.

  • m.E. muss bei 850f-Anträgen der Bedarf individuell von Null an berechnet werden.

    Ich berücksichtige hierbei grundsätzlich
    den Grundfreibetrag (Erwachsener, alte BuLä EUR 345)
    Erwerbstätigenbonus (30 % von oben)
    Kaltmiete (bei einer Person ca. 50 qm, Mietspiegel!) und
    Heizung (20 % der Kaltmiete)
    evtl. Medikamente, Diätnahrung...

    Oft liegt der Betrag unter dem in der Tabelle, v.a. wenn die geltend gemachten Ausgaben im Grundfreibetrag enthalten sind (oft Strom, Telefon, GEZ, Müll...) oder sonst wie nicht berücksichtigt werden können.

    Eine doppelte Haushaltsführung würde ich für max. einen Monat, aber auch keinesfalls dauerhaft anerkennen!

  • Hallo,
    die Antwort liegt in § 850 f ZPO und beweist, dass meine Vorredner Recht haben: Der Schuldner muss darlegen, dass bei Anwendung der Tabelle sein notwendiger Unterhalt nicht gedeckt ist. Damit ist der gleiche notwendige Unterhalt wie in § 850 d ZPO gemeint.

    Es ist also von Grund auf der notwendige Unterhalt festzulegen. Die meisten lehnen sich dabei an die SGB Regelsätze (Achtung ! Seit 01.07.08 351,00 EUR) an. Für Erwerbstätige gibt es bis zu 50 % Zuschlag auf diesen Regelsatz (Nach LG Mönchengladbach). Für Kinder und Ehegatten gibt es meiner Erinnerung nach 207,00 (bis 14 Jahre) und 276,00 EUR (ab 14 Jahre) und hinzu kommen noch die tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Es kann sein, dass die Regelsätze für Angehörige ebenfalls erhöht worden sind, darum bitte nachprüfen !

    Erst wenn dieser Bedarf über dem pfandfreien Betrag nach der Tabelle liegt, gibt es ein Rechtschutzbedürfnis und der pfandfreie Betrag wird auf den ausgerechneten Satz angehoben.

    Richtig ist aber, dass nur die Kosten berücksichtigt werden können, die unvermeidbar sind. Die Kosten zu hoher Lebensführung (Miete, Fahrtkosten) wird an meinem Gericht auf drei Monate beschränkt danach wird fiktiv mit einer Pauschalmiete von 335,00 EUR gerechnet (nach Mietspiegel als angemessen ermittelt). Dies lässt genug Zeit zum Kündigen und Umziehen.

    Ist ne ätzende Rechnerei, trotzdem viel Spaß.

  • das Thema doppelte Haushaltsführung wurde auch hier schon erörtert, die Berechnung von Fahrtkosten bei § 850f auch schön öfters, empfehle die Verwendung der Suchfunktion ;)


    Aber man kann sich auch einfach eine Sozialbedarfsberechnung vom Schuldner vorlegen lassen und muss nicht selber rechnen, höchstens noch den Erwerbstätigenbonus nach SGB II drauf setzen, s. Stöber RN. irgendwo/ oder Suchfunktion

  • Das ist die Frage welcher Buchstabe hier zieht und was der Schuldner geltend gemacht hat. Wenn er vorträgt, dass der unpfändbare Betrag nicht ausreicht den Unterhaltsbedarf zu decken, dann gelten die Sozialhilfesätze.

    Wenn er aber persönliche oder berufliche Gründe vorträgt, dann gelten die Sozialhilfesätze nicht. Der Buchstabe b hat dann nichts mit dem Buchstaben a und den dort genannten Voraussetzungen zu tun.

  • Das sehe ich anders und wurde auch schon andernorts diskutiert.

    Fahrtkosten und doppelte Haushaltführung fallen erst einmal unter § 850f Abs. 1 lit. a) ZPO. Wenn das nicht ausreicht, kann man evtl. unter I b) weitermachen, aber dann nur noch für einen weiteren Teil und nicht mehr alles vom Freibetrag freigeben. Wie überwiegende Belange des Gläubigers im Gesamtvollstreckungsverfahren zu bewerten sind, lasse ich mal offen.

  • Man kann doch (meiner Meinung nach) nicht hingehen und sagen, dass dem Schuldner immer noch genug bleibt und ihn dadurch schlechter stellen als er stehen würde, wenn er die berufsbedingten Aufwendungen nicht hätte.

    Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass man alle drei Buchstaben jeden für sich sehen muss und nicht alles in einen Topf werfen kann. Wäre dies von dem Gesetzgeber so gewollt, dann hätte er das nicht auseinanderpflücken müssen und in eine Nr. packen können.

    Das sieht man schon alleine daran, dass der Buchstabe a von Personen spricht, denen der Schuldner Unterhalt zu gewähren hat und Buchstabe c von besonderem Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten.

  • Er wird durch lit a) ja eher besser gestellt, weil ich in Höhe des nachgewiesenen Sozialbedarfes alles vom pfändbaren Teil freigeben kann und nicht nur einen weiteren Teil wie Buchst. b). Deshalb muss zunächst der Sozialbedarf geprüft werden, was auch der Sozialhilfeträger berechnen kann mit einer fiktiven Sozialbedarfsberechnung. Und einen Anspruch auf Buchst. b) hat man auch erst, wenn der Sozialbedarf + Erwerbstätigenbonus nicht mehr gedeckt wäre, wenn der Schuldner den Mehrbedarf aus dem Pfändungsfreibetrag zahlen müsste, das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Norm, vgl. sonst auch Stöber zu § 850f I lit. b (habe gerade keinen zur Verfügung).

    Sonst würden die Gläubiger wohl zu Recht rebellieren, wenn sie leer ausgehen.

  • Da können wir jetzt hin- und herdiskutieren, aber auch ich sehe es so dass eine doppelte Haushaltsführung ganz und gar nicht notwendig ist! Wie oben schonmal gesagt wurde, höchstens für einen Übergangsmonat. Ich nehme mir ja auch keine Wohnung in München nur weil ichs da so schön finde und arbeite in Hamburg. Das kann ich mir nur erlauben wenn ich genug Geld und keine Gläubiger (!!!) habe. Das darf wirklich nicht zu deren Lasten gehen!

  • Sowohl sozialhilferechtlich nach Ia) als auch nach § 850f I b) muss ein Umzug zum Arbeitsort für den Schuldner nicht zumutbar sein, damit er berücksichtigungsfähig ist. Das muss man dann für den Einzelfall prüfen...

  • vgl. sonst auch Stöber zu § 850f I lit. b (habe gerade keinen zur Verfügung).

    Sonst würden die Gläubiger wohl zu Recht rebellieren, wenn sie leer ausgehen.



    Dann wäre ein Blick in den Stöber aber mal hilfreich was die Unterscheidung zwischen den einzelnen Buchstaben angeht. Schließlich handelt es sich bei den einzelnen Buchstaben um unterschiedliche Vorsaussetzungen für die Erhöhung des unpfändbaren Betrages.

    Auch der Beschluss des LG Marburg vom 16.07.1999 - 3 T 127/99 - ist interessant, aber in Juris leider nur mit dem Orientierungssatz abgedruckt:

    "Die Kosten für die Fahrten zum Arbeitsplatz sind bei einem erwerbstätigen Schuldner als besondere Bedürfnisse iSv ZPO § 850f Abs 1 Buchst b anzuerkennen, soweit dies nicht bereits durch den Arbeitgeber geschieht und die Kosten nicht unerheblich sind. Dem Schuldner ist jedoch nur der Betrag zu belassen, der ihm durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würde."
    Da steht also nichts von (zuerst) Buchatabe a...

  • Solange es die Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gibt, werde ich diese auch gem. § 850f I a anwenden, egal was LG Marburg mal entschieden hat (auch wenn damals wenigstens noch die ganze Kammer und nicht nur ein Proberichter entschieden hat), zumal das annotobak war, keine Ahnung wie es damals nach dem BSHG genau geregelt war.

    Im Übrigen gibt es dazu auch schon bessere BGH-Entscheidungen, z.B. BGH IXa ZB 299/03: erst Sozialhilfe beantragen, dann 1b)

  • Das ist die Frage welcher Buchstabe hier zieht und was der Schuldner geltend gemacht hat. Wenn er vorträgt, dass der unpfändbare Betrag nicht ausreicht den Unterhaltsbedarf zu decken, dann gelten die Sozialhilfesätze.

    Wenn er aber persönliche oder berufliche Gründe vorträgt, dann gelten die Sozialhilfesätze nicht. Der Buchstabe b hat dann nichts mit dem Buchstaben a und den dort genannten Voraussetzungen zu tun.



    So sehe ich das auch. Da ist der Wortlaut eindeutig.
    Zu den Fahrtkosten habe ich mich mal mutig in einer Entscheidung auf den Standpunkt gestellt, dass in den Tabellenbeträgen Anfahrten zur Arbeit von bis zu 20 km bereits eingerechnet sind. Nur darüber hinausgehende Fahrten erhöhen den pfandfreien Betrag.

  • So, habe meine Kurti wieder. Vergesst die BGH-Entscheidung, habe die falsche herausgepickt :oops:.

    Ich meinte Stöber Rn. 1176a und mehr möchte ich dazu eigentlich auch nicht mehr schreiben, ich bleibe gläubigerfreundlich und erhöhe den Freibetrag bei lit. b) nur, wenn der Schuldner sonst sozialhilfebedürftig würde, wenn er anerkennngsfähige Kosten für den Sonderbedarf zu tragen hat, bis Kurti und ich von meinem LG aufgehoben werden sollten.

  • @ KdR

    Mutig, mutig, so sehen das nicht alle Rechtspfleger.

    Wenn man bedenkt, dass in der Tabelle (im unpfändbaren Grundbetrag) ein Betrag von 100,00 DM (!) für diese Fahrten berücksichtigt wurde, dann ist das sogar noch hoch gegriffen.

    Ausgehend von dem KM-Betrag aus dem früheren § 76 BSHG von 10,00 DM je Entfernungskilometer würde das schon eine Kostenlast von 100,00 € bedeuten und läge somit schon über dem Betrag von ursprünglich 100,00 DM, die in der Tabelle sind.

  • So, habe meine Kurti wieder. Vergesst die BGH-Entscheidung, habe die falsche herausgepickt :oops:.

    Ich meinte Stöber Rn. 1176a und mehr möchte ich dazu eigentlich auch nicht mehr schreiben, ich bleibe gläubigerfreundlich und erhöhe den Freibetrag bei lit. b) nur, wenn der Schuldner sonst sozialhilfebedürftig würde, wenn er anerkennngsfähige Kosten für den Sonderbedarf zu tragen hat, bis Kurti und ich von meinem LG aufgehoben werden sollten.



    Dann musst Du auch die Rdn. zu Ende lesen.

    Stöber schreibt nämlicht, dass einem aus solchem Grund bestehenden Sonderbedarf (persönliche oder berufliche Bedürfnisse) mit Erhöhung .... nach Buchst. b oder c Rechnung zu tragen ist.

    Besonders der letzte Satz ist in dem Zusammenhang von Bedeutung und besonders für die Gegenargumente wichtig.

  • Ja, wenn der Schuldner keinen Anspruch mehr nach dem SGB hat; Fahrtkosten nach der DVO zu SGB XII können ja nur bis max. 208 € berücksichtigt werden und die Kosten für doppelte Haushaltsführung auch nur begrenzt.

    Wenn man dem Schuldner dann noch mehr als die die schon nach lit. a berücksichtigungfähigen Posten zubilligen möchte über die Grenzen des § 850c hinaus, kann das nur noch nach lit. b) gehen.

    Und andere persönlich und berufliche Aufwendungen z. B: für Medikamente wären gar nicht nach lit. a) berücksichtigungsfähig, da insoweit kein Leistungsanspruch nach
    SGB II + XII besteht (allenfalls könnte eine Behinderung noch zur Erhöhung des Eckregelsatzes führen), weshalb dort von vornerein nur ein Anspruch nach lit. b) und nicht a) bestehen könnte.

    "Wenn dann (nach Erhöhung des pfändbaren Teils nach § 850f I lit. b, c ZPO) der notwendige Lebensunterhalt gedeckt bleibt, besteht kein Anspruch auf Sozialhilfe". Das genau steht in RN 1176a.

    Ergo: Auch bei § 850f I b, c muss der Schuldner sonst zum Sozialhilfefall werden, wenn er den Sonderbedarf aus dem nicht erhöhten Pfändungfreibetrag begleichen müsste, damit ein Anspruch besteht, und man kann deshalb die Vorlage einer Sozialbedarfsbedarfsbescheinigungung verlangen, auf die man ggfls.einen Erwerbstätigenbonus addiert und den Sonderbedarf - soweit dieser überhaupt anerkannt werden kann.
    Jedoch darf dadurch nicht mehr das gesamte unpfänbare Einkommen, sondern nur noch ein weiterer Teil freigegeben werden -anders als bei lit. a).
    Oh, nun habe ich doch noch was geschrieben, man wird hier so rechthaberisch :eek::flucht:

  • Du versteifst Dich zu sehr auf die Sozialhilfesätze.

    Betrachte einen Antrag eines Schuldners, der weit zur Arbeit fahren muss und trotzdem nicht unter das Sozialhilfeniveau fällt. Der hat auch einen Anspruch auf Erhöhung des unpfändbaren Betrages, aber nach Buchstabe b).

    Die Aufzählung der Buchstaben a), b) oder c) heißt doch nichts anderes, dass eine Alt. vorliegen muss.

    Wenn ich zwei spezielle Vorschriften habe, nach denen ich den unpfändbaren Betrag erhöhen kann (also b) oder c)), dann muss ich zunächst mal prüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Buchstabe a) kommt nur in Betracht, wenn nichts anderes weiter hilft.

    Das ist genau so wie bei Rechtsmitteln gegen eine Maßnahme. Wenn Du eine spezielle Vorschrift hast, nach der die Maßnahme unzulässig ist, dann hebst Du auch nicht nach § 765a ZPO auf, sondern aufgrund der speziellen Vorschrift.

    Das Thema hatten wir hier schon mal genau mit diesen Argumenten.

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