Urteil zur Nichtausübung eins (dinglichen) Nutzungsrechts

  • Moin in die Runde,

    habe nachfolgendes Urteil gefunden, welches sicher nicht nur für Gutachter von Interesse ist.

    Ein Recht, das mehr als 30 Jahre nicht genutzt wurde, ist grundsätzlich verwirkt. Dies hat das Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) in einem veröffentlichten Urteil entschieden. Nach dem Richterspruch gilt dies selbst dann, wenn es sich um Nutzungsrechte an einem Grundstück handelt und diese Rechte im Grundbuch eingetragen sind. Der Eigentümer des Grundstücks habe nach einer so langen Zeitspanne dann sogar einen Anspruch auf Löschung der entsprechenden Grundbuchpassage (Az.: 1 U 611/02).

    Das Gericht gab mit seinem Urteil der Klage eines Grundstückseigentümers gegen ein Bimsabbauunternehmen statt. Der Kläger hatte dem Unternehmen 1958 an seinem Grundstück ein Bimsausbeuterecht eingeräumt. Zwar wurde dann bis 1961 der so genannte Oberbims abgebaut, nicht aber die tiefer liegenden Bimstrassen. In den Folgejahren wurde das Grundstück daraufhin rekultiviert und für den Ackerbau genutzt. Der Kläger fürchtete nun, das Unternehmen könnte auf dem im Grundbuch eingetragenen Ausbeuterecht auch weiterhin bestehen.

    Dies sah das OLG nicht so. Denn die Richter räumten der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz des Grundstückseigentümers den Vorrang gegenüber der laut Grundbuch noch bestehenden Rechtsposition des Grundstückseigentümers ein.

  • Moin,


    kleine Ergänzung bzw. Frage:

    Wie würden Sie unter Beachtung des v.g. Urteils den Löschungsanspruch z.B. eines 30 Jahre nicht (mehr) genutzten Wegerechts beurteilen.

    Danke im voraus für die Antworten.

  • Ich vermute, für das Grundbuchamt ändert das Urteil nicht viel. In dem Urteil geht es um materiell-rechtliche Fragen, die im formellen Grundbuchverfahren keinen Platz haben dürften.

    Ganz persönlich habe ich mit einer solchen Löschung eines offensichtlich überholten Rechts meine bisher schallendste Ohrfeige vom LG eingefangen.

    Ich habe auf Anregung der Grundstückseigentümerin ein Amtslöschungsverfahren für eine jahrzehntealte Aussichtsgerechtigkeit eingeleitet, mir die Lage vor Ort angesehen und die berechtigten Grundstückseigentümer angehört. Es war offensichtlich, dass das Recht durch die Bebauung der Umgebung keine Relevanz mehr hat. Nach Feststellung der Gegenstandslosigkeit und anschließender Beschwerde hat mir das LG meinen Beschluss zu Recht -es war halt eine ergebnisorientierte Entscheidung- um die Ohren gehauen. Im formellen Amtslöschungsverfahren gelten sehr strenge Regeln, es komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, die hier nict vorlägen.

    Die Berechtigten haben mir später bestätigt, dass Ihnen bis zu dem verfahren von dem Recht gar nichts bekannt war. Es ist dann ein paar Jahre später gelöscht worden, wohl gegen die Zahlung einer Auslösesumme. Aus was man nicht alles Geld machen kann.

    Fazit: Solche Dinge werden die Beteiligten nicht vor dem Grundbuchamt, sondern im Zivilrechtsweg ausfechten müssen.

  • Moin,

    erstmal Danke für die antwort.

    Hab mich zwischenzeitlich auch noch etwas intensiver damit beschäftigt.
    Der Löschungsanspruch dürfte sich allenfalls aus § 1028 BGB ergeben. Ich gehe davon aus, dass dies die Grundlage für das Urteil war, hab leider nicht den Volltext der Begründung.

    Ansonten bleiben solche Rechte dann wohl doch bestehen!

  • Für alle die es interessiert - hier der auszugsweise Urteilstext:
    (doch gut wenn man RPfl in RLP ist :p )

    Gruß

    HuBo
    =================================================

    Entscheidungsgründe

    I. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Bimsausbeute­rechts an einem Grundstück der Klägerin. Diese begehrt Feststel­lung des Nichtbestehens eines derartigen Rechtes sowie die Lö­schung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit.
    Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und dies auf die Verwirkung des ursprünglich vertraglich eingeräumten Bims­ausbeuterechts gestützt.

    Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie un­ter Intensivierung ihres bisherigen Vortrags sich vor allem gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer Verwir­kung wendet.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schrift­sätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 2 - 5, Bl. 66 - 69 d. A.) verwiesen.

    II. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das mit Vertrag vom August 1958 eingeräumte Bimsausbeuterecht be­steht wegen Verwirkung nicht mehr; das diesen ursprünglich beste­henden Anspruch sichernde dingliche Recht muss gelöscht werden.

    Das Bimsausbeuterecht ist wegen Verwirkung erloschen, § 242 BGB. Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete, hier die Klägerin, sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem ge­samten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH 105, 298; Palandt-Heinrichs § 242 Rn. 87 ff - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

    Die Ausbeute, der Abbau des Oberbimses, war entsprechend den ver­traglichen Vorstellungen (§ 7 Abs. 2, Bl. 11 d. A.) innerhalb der Zeit von 1958 bis 1961 vorgenommen worden. Danach wurde das Grund­stück durch die seinerzeit Berechtigte (Firma C. W….. GmbH) feldgerecht rekultiviert und dann später für regulären Ackerbau genutzt. Des Weiteren wurde das Grundstück - unstreitig zwischen den Parteien - 1973 auch noch neu vermessen.

    Das Zeitmoment (weit über 30 Jahre) ist gegeben, was wohl auch die Beklagte so sieht. Das Umstandsmoment (vgl. hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 14. November 2002 - VII ZR 23/02) liegt hier zum einen - entscheidend - in der Beendigung des Abbaus des Bimses (Oberbims) mit den hiernach durchgeführten Rekultivierungsarbei­ten ohne - unstreitig - geltend gemachte Vorbehalte hinsichtlich eines weiteren, späteren Abbaus. Des Weiteren liegt ein gleich­falls entscheidendes Umstandselement in der Neuvermessung des Grundstücks in 1973, denn nach §§ 8, 9 des Ausbeutevertrages vom August 1958 sollte das Grundstück nach völliger Beendigung der Bimsausbeute zum einen wieder eingeebnet und zu landwirtschaft­lichem Zweck hergerichtet und zum anderen neu vermessen und abge­steint werden (Bl. 12 d. A.). Aus diesen Umständen konnte und durfte die Klägerin durchaus den Schluss ziehen, dass die Bimsaus­beute durch die ursprünglich Berechtigte vollständig beendet war und weitere Rechte auch in Zukunft nicht mehr geltend gemacht wer­den würden.

    Damit war das zugunsten der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgän­gerin hinsichtlich des Unterbimses einmal unterstellte Ausbeute­recht spätestens nach Neuvermessung (1973) verwirkt, so dass die ursprünglich Berechtigte auch vertragliche Ansprüche an Dritte, hier die Beklagte, nicht mehr wirksam übertragen konnte. Der Be­klagten stehen mithin Ausbeuterechte an dem Grundstück der Kläge­rin nicht mehr zu.

    Das den ursprünglich bestehenden Ausbeuteanspruch sichernde ding­liche Recht ist nach Eintritt der Verwirkung entfallen und daher zu löschen.

    Nach allem hat das Landgericht die Beklagte zu Recht antragsgemäß verurteilt; die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung ist zu­rückzuweisen.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Ent­scheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Der Wert des Berufungsverfahrens wird in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung durch das Landgericht auf 7.700 EUR fest­gesetzt.


    Dr. Giese Dr. Itzel Semmelrogge

  • Moin,

    danke für die Abhandlung zum Urteilsvolltext!

    Hier griffen dann offensichtlich doch andere (vertragliche) Umstände!

  • Maßgebend für den Gutachter dürfte die Grundbuchlage sein. Die Konsequenz für den Gutachter kann dann bei solchen Rechten doch nur sein, dass er "stur" nach Grundbuch bewertet, also ohne materiellrechtliche Fragen zu klären!?

  • Richtig ist zwar, dass derartige Ansprüche nach 30 Jahren verjährt sind. Die Auffassung von Kai, woanach eine eintretene Verjährung das Grundbuchamt nicht dazu berechtigt, die Löschung eines derartig eingetragenen Rechts auf Antrag vorzunehmen, ist allerdings korrekt.

    Die Frage einer Verjährung richtet sich nach materiellem Recht und ist im Streitfall im Wege einer Klage auf Feststellung, dass Rechte aus dem bestehenden Recht wegen Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden können, geltend zu machen, wobei der Klagantrag dahingehend lauten muss, dass der Beklagte verurteilt wird, der Löschung des eingetragenen Rechts zuzustimmen.

    Erst aufgrund eines derartigen rechtskräftigen Urteils kann eine Löschung des Rechts im Grundbuch erfolgen, da erst ab diesem Zeitpunkt die formellen Voraussetzungen zur Löschung eines Rechts vorliegen. Das Urteil ersetzt dabei die ansonsten nach § 19 GBO erforderliche Löschungsbewilligung.

    Dies gilt grundsätzlich für sämtliche im Grundbuch eingetragenen Rechte, auch wenn sie verjährt sind.

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