Testament Auslegung

  • Hallo!

    Ich soll eine Grundbuchberichtigung aufgrund eines Erbvertrages vornehmen, welcher durch gemeinschaftliches handschriftliches Testament später geändert wurde (das meine zumindest ich).

    Die Witwe sagt, dass handschfriftliche Testament ändert den Erbvertrag nicht ab und daher könne ich ohne Erbschein eintragen.

    Mich würde mal Eure Meinung interessieren.

    Der Erbvertrag fängt sehr schön an, dass sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzen und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben (also Berliner T.) In Abs. 3 wird gesagt "sofern der überlebende Ehegatte sich nochmal verheiraten sollte, hat er an die ... Abkömmlinge ... unseren gemeinsamen Grundbesitz herauszugeben und aufzulassen. Die Abkömmlinge haben lediglich die beim Tod des Erstversterbenden von uns an diesem Grundbesitz eingetragenen Belastungen zu übernehmen..."

    Ich behaupte jetzt, dass diese Erbeinsetzung zu einer auflösend bedingten Vorerbschaft der Witwe führt, falls der Grundbesitz den Großteil des Vermögens ausmacht (analoge Anwendung des § 2087 BGB). (Ich weiß, dass zwei Grundstücke zur Erbschaft gehören).

    Im handschriftlichem Testament ist nun dieser Absatz 3 wieder aufgehoben. Ich behaupte jetzt, dass dadurch die Erbfolge geändert wurde und ein Erbschein vorgelegt werden muss, weil das die Erbfolge ändernde Testament handschriftlich geschrieben wurde (Schöner/Stöber Rn. 794).

    Würdet ihr einen Erbschein erfordern?

  • Hallo,

    selbst ohne nachträgliches handschriftliches Testament würde mir - wenn ich denn Grundbuchrechtspfleger wäre - der Erbvertrag nicht zur Grundbuchberichtigung ausreichen.

    Fraglich ist bereits, ob eine bedingte Vorerbschaft oder ein bedingtes Vermächtnis ( zu letzterem tendiere ich ) ausgesetzt ist.

    Deswegen meine Meinung: Erbschein erforderlich.


    Gruß HansD

  • Die Witwe wehrt sich dagegen, einen Erbschein zu beantragen, da ein anderes Amtsgericht (angeblich) bereits ohne Erbschein ein Grundbuch berichtigt hat. Dann bin ich natürlich die "unmögliche Behörde". Aber gut zu wissen, das ich nicht völlig daneben liege.

  • Zitat von Thorescha

    Im handschriftlichem Testament ist nun dieser Absatz 3 wieder aufgehoben. Ich behaupte jetzt, dass dadurch die Erbfolge geändert wurde und ein Erbschein vorgelegt werden muss, weil das die Erbfolge ändernde Testament handschriftlich geschrieben wurde (Schöner/Stöber Rn. 794).

    Exakt so ist es.

  • Ich bin anderer Meinung. Es handelt sich um einen notariellen Erbvertrag, sodass man davon ausgehen kann, dass dem Notar die verwendeten Rechtsbegriffe geläufig sind. Der Abschnitt über die Wiederverheiratung enthält die eindeutige Bestimmung, dass der Grundbesitz in diesem Fall an die Kinder herauszugeben und aufzulassen ist. Dann kann es aber keine bedingte Nacherbfolge sein, weil der Grundbesitz in diesem Fall kraft Gesetzes aufgrund des Eintritts der Nacherbfolge und nicht rechtsgeschäftlich durch Auflassung auf die Kinder übergehen würde. Also kann es nur ein bedingtes Vermächtnis sein, das keinen Einfluss auf die Vollerbenstellung der Witwe hat. Dann ist aber auch die Aufhebung des Vermächtnisses durch das privatschriftliche gemeinschaftliche Testament für die Erbfolge bedeutungslos. Also kann man auch keinen Erbschein verlangen. Die Erbfolge beruht alleine auf dem notariellen Erbvertrag.

  • Ich bin anderer Meinung. Es handelt sich um einen notariellen Erbvertrag, sodass man davon ausgehen kann, dass dem Notar die verwendeten Rechtsbegriffe geläufig sind. Der Abschnitt über die Wiederverheiratung enthält die eindeutige Bestimmung, dass der Grundbesitz in diesem Fall an die Kinder herauszugeben und aufzulassen ist. Dann kann es aber keine bedingte Nacherbfolge sein, weil der Grundbesitz in diesem Fall kraft Gesetzes aufgrund des Eintritts der Nacherbfolge und nicht rechtsgeschäftlich durch Auflassung auf die Kinder übergehen würde. Also kann es nur ein bedingtes Vermächtnis sein, das keinen Einfluss auf die Vollerbenstellung der Witwe hat. Dann ist aber auch die Aufhebung des Vermächtnisses durch das privatschriftliche gemeinschaftliche Testament für die Erbfolge bedeutungslos. Also kann man auch keinen Erbschein verlangen. Die Erbfolge beruht alleine auf dem notariellen Erbvertrag.



    Und was ist mit den Belastungen? Die Kinder sollen nur die Belastungen übernehmen, die schon drin sind. Ist das nur schuldrechtlich vereinbart? Denn es kann der Witwe keiner verwehren, dass Grundstück zu verkaufen oder immens hoch zu belasten und dann zu heiraten. Deshalb dachte ich, dass das Grundstück geschützt werden sollte...

  • Wenn es sich bei der Verfügung für den Fall der Wiederverheiratung nur um eine Vermächtnisanordnung handelt, dann ist alles, was damit zu tun hat, logischerweise auch nur schuldrechtlicher Natur. Nur nebenbei: Soweit die Witwe schon vor dem Erbfall Miteigentümerin des Grundbesitzes war, kann es sich sowieso nur um ein Verschaffungsvermächtnis handeln. Dieser Anteil gehört nicht zum Nachlass des Erblassers.

  • als Grundbuchrechtspfleger mußt du nicht auf den ersten Blick widersprüchliche Testamente (und eins davon handschriftlich) auslegen, dass ist Aufgabe des Nachlassgerichts
    verlange ruhigen Gewissens einen Erbschein:)
    wenn ein anderes Gericht den Nachweis nicht verlangt hat, ist es seine Sache (vielleicht ist der dortige GrundbuchRP ja auch NachlassRP und somit besser in der Materie drin:D)

  • als Grundbuchrechtspfleger mußt du nicht auf den ersten Blick widersprüchliche Testamente (und eins davon handschriftlich) auslegen, dass ist Aufgabe des Nachlassgerichts
    verlange ruhigen Gewissens einen Erbschein:)
    wenn ein anderes Gericht den Nachweis nicht verlangt hat, ist es seine Sache (vielleicht ist der dortige GrundbuchRP ja auch NachlassRP und somit besser in der Materie drin:D)



    Ich dachte, wir sind mittlerweile dazu gezwungen, Testamente auszulegen, und nur dort, wo wir Tatsachen ermitteln müssten, dürfen wir einen Erbschein verlangen?

    Wenn es sich bei der Verfügung für den Fall der Wiederverheiratung nur um eine Vermächtnisanordnung handelt, dann ist alles, was damit zu tun hat, logischerweise auch nur schuldrechtlicher Natur.



    Eben das ist ja mein Problem. Ist es ein Vermächtnis oder nicht. Sicher deutet die Wortwahl "Auflassung" darauf hin, aber sie lässt auch erkennen, dass das Grundstück in der Familie bleiben sollte. Das und die Tatsache, dass die Grundstücke den Großteil des Vermögens ausmachen, lässt mich an der Vermächtnis-Variante zweifeln


  • Ich dachte, wir sind mittlerweile dazu gezwungen, Testamente auszulegen, und nur dort, wo wir Tatsachen ermitteln müssten, dürfen wir einen Erbschein verlangen?


    Unabhängig von diesem speziellen Fall: Ich sehe das anders. § 35 GBO ist m.E. eindeutig. Danach ist Erbschein die Regel und Erbnachweis durch Testament die Ausnahme und selbst dann darf das GBA nach § 35 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 GBO einen Erbschein verlangen, wenn es die Erbfolge nicht für (eindeutig) nachgewiesen erachtet. Die von der Literatur und Rechtsprechung dazu teilweise konstuierten angeblichen Pflichten des GBA zur Auslegung, Ermittlung, Heranziehung von eidesstattl. Versicherungen usw. gehen absolut am Gesetz vorbei und machen das GBA zum Nachlassgericht. Ich gehe da nicht mit und fordere bei nicht völlig eindeutigen Sachlagen immer Erbscheine.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Mal eine andere Überlegung: Warum hörst Du die Kinder nicht an, ob sie mit der Eintragung der Mutter als Vollerbin (ohne Nacherbenvermerk) einverstanden sind? Hast Du Dir schon die Nachlassakten gezogen? Vielleicht ergibt sich auch daraus etwas.

  • @ Francesca:

    In Fragen in Bezug auf die Erbfolge die Beteiligten anzuhören ist aber auch nicht wirklich Aufgabe des Grundbuchamtes, meine ich.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • auschlaggebend ist doch dder Erblasserwillen und nicht was die Erben dazu sagen:gruebel:
    dass mit der Nachlassakte ziehen ist eine gute Idee; wenn das Verfahren an deinem Gericht ist, würde ich mal zu dem zuständigen NachlassRP gehen und den Fall erörtern:konferenz

  • Mal eine andere Überlegung: Warum hörst Du die Kinder nicht an, ob sie mit der Eintragung der Mutter als Vollerbin (ohne Nacherbenvermerk) einverstanden sind? Hast Du Dir schon die Nachlassakten gezogen? Vielleicht ergibt sich auch daraus etwas.



    Ich hab die Nachlassakten noch nicht beigezogen, da sie bei einem anderem Gericht anhängig sind. Und außer einer Testamentseröffnung ist ja auch nichts passiert (sonst könnte sie mir ja einen Erbschein vorlegen:)). Wenn ich die Kinder anhörte, machte ich ja tatsächlich die Arbeit des Nachlassgerichts, oder?

    Aber die unterschiedlichen Meinungen zeigen ja, dass es auf dem Gebiet der "Auslegung der Testamente" viele Meinungen gibt. Und ich muss Ulf recht geben, dass es nicht Aufgabe des Grundbuchsamt sein kann, stundenlang Testamnete auszulegen

  • Ulf: Warum nicht? Bei der Löschung von Nacherbenvermerken hörst Du die Nacherben doch auch an. Auch dabei geht es darum, ob die Erbfolge noch richtig verlautbart ist, wenn Du den Vermerk löschst.

    Der vorliegende Erbvertrag ist nach meiner Meinung völlig eindeutig, er wurde von einem Notar formuliert! Die Grundstücke sollen für den Fall der Wiederverheiratung "aufgelassen" werden. Das kann keine bedingte Nacherbfolge sein!

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