Unterhaltsvollstreckung: Nachweis der Privilegierung

  • Hallo,

    ich bin neuerdings auf ein (für mich) neues Problem gestoßen und bisher nichts passendes gefunden:

    Unterhaltsansprüche lassen sich ja ohne die Beschränkungen des § 850 c ZPO vollstrecken, wie wir alle wissen (§ 850 d ZPO), ebenso Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (§ 850 f Abs. 2 ZPO).

    Der Nachweis einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung lässt sich nicht aus einem Vollstreckungsbescheid herleiten, da der Anspruch nie geprüft wurde (so die Rechtsprechung, wohl mittlerweile h.M.)

    Wie sieht es denn mit Unterhaltsansprüchen aus ?

    Die hiesigen Jugenämter lassen sich immer häufiger übergegangene Unterhaltsansprüche nach dem UVG per Vollstreckungsbescheid titulieren.
    Bisher habe ich mich zwar gewundert, aber wegen der Herkunft vom Jugendamt noch alles durchgehen lassen.

    Jetzt aber beantragt sogar schon ein Unterhaltsberechtigter selbst die Privilegierung mittels eines VB. Das geht doch zu weit oder wie seht Ihr das ?

  • Sowas hatte ich ja noch gar nicht!:eek: Daher bisher noch nie GEdanken dazu gemacht...

    Bin da geteilter Meinung:

    Einerseits müsste ja das gleiche gelten wie bei unerlaubter Handlung: Anspruch wurde nie geprüft und rechtlich beurteilt.

    Andererseits: Dass bei unerlaubter Handlung tiefer gepfändet werden kann, wissen ja die wenigsten. Also denkt der Schuldner z. B. einer Warenlieferung vermutlich: Ja, stimmt, ich habe eingekauft und nicht bezahlt. Das ist nicht erlaubt = unerlaubte Handlung, also kein Widerspruch.
    Also rutscht die Privilegierung meist mit durch, wenn die Hauptforderung unstreitig ist (daher m. E. zurecht keine Privilegierung durch VB).
    Anders bei Unterhalt: wenn die Forderung an sich besteht, ist die Privilegierung ja immer die Folge - der Schuldner muss also gar nicht wie bei unerlaubter Handlung die Konsequenzen einer Unterhaltsforderung kennen, weil er die Privilegierung ja gar nicht abwenden kann, wenn die Forderung an sich besteht.

    Würde hier Pfändung nach § 850 d also ganz spontan als zulässig ansehen.
    Bin aber gespannt, was die anderen denken - vielleicht gabs ja auch schonmal eine Entscheidung..?

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Was wird denn geltend gemacht und von wem (Kind, Ex oder sonst einer Person)? Ist es als Unterhalt erkennbar?

    Dass sich das Vorrecht der Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht aus dem VB ergeben kann hat ja einen Hintergrund. SK hat ja schon darauf hingewiesen, dass in MB/VB oft die vbuH einfach mit angegeben wird. Weil die Forderung als solch ja zu Recht besteht wird das dann auch oft übersehen und die Einlegung eines Widerspruchs ist nur gegen den MB komplett möglich und nicht nur gegen die vbuH.

    Nicht jeder, der eine Forderung nicht bezahlt erfüllt die Voraussetzung des § 263 StGB. Über diese Schiene wird es aber auch oft versucht.

    Ich denke mal, dass es aber bei Unterhalt diese Probleme nicht geben dürfte. Und, sofern die Unterhaltsforderungen älter sein sollten als ein Jahr ist der Schuldner beweispflichtig, dass er sich der Unterhaltsverpflichtung nicht absichtlich entzogen hat.

    Eine Unterhaltsverpflichtung muss aber erst mal festgestellt werden. Diese "Feststellung" würde ich mir erst mal nachweisen lassen. Vielleicht ist der Unterhaltsgläubiger auch so unbedarft, dass er meint, er müsse zusätzlich noch das Mahnverfahren durchziehen:gruebel:

  • Soweit aus dem Vollstreckungsbescheid ersichtlich ist, dass es sich um eine Unterhaltsforderung handelt und auch im VB der Zeitraum der Unterhaltsforderung angegeben ist + der Gläubiger die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners nachweist, hätte ich kein Problem den Pfänder nach § 850d ZPO zu unterschreiben.

    In der Regel wird aber doch gleich mit Erklärung der Unterhaltsverpflichtung auch der zu zahlende Unterhalt festgelegt. Den Sinn in einem gesonderten Vollstreckungsbescheids sehe ich daher nicht.

    Ich hatte jetzt einen ähnlichen Fall:
    Jugendamt hat Versäumnisurteil gegen SChuldner erwirkt, in dem Urteil stand aber nicht drin, dass es sich um eine Unterhaltsforderung handelt. Gepfändet werden sollte auch nach § 850d ZPO. Auf meine Monierung wurde mir ein Schreiben (:gruebel:) der Richterin vorgelegt, die bestätigt hat, dass dem Urteil Unterhaltsforderungen zugrunde gelegen haben. Den Antrag nach § 850d ZPO habe ich dann zurückgewiesen.

    Oft macht man sich das Leben schwer, obwohl es gar nicht nötig wär. ;)

  • Ich habe bisher nur wenige VB gesehen, in denen der Anspruchsgrund Unterhalt bzw. vbuH tituliert war.

    Bei vbuH ist ja klar, dass bei VB kein § 850 f II ZPO möglich ist (obwohl es doch immer noch einige wenige Gläubiger mal versuchen).

    Bei Unterhalt habe ich § 850 d ZPO bisher immer abgelehnt, wenn nur VB da war, da der Anspruchsgrund ja nicht materiellrechtlich geprüft wurde und das Pfändungsprivileg, wonach man den Schuldner dann im Prinzip auf Sozialhilfeniveau herunterpfändet, schon sehr weit geht.
    Ich habe bisher (bei den wenigen Unterhalts-VB) auch nicht verstanden, warum es die Dinger überhaupt gibt. Normalerweise hat man doch immer JA-Urkunden, Urteile, Beschlüsse o. ä.

    Und einmal hatte ich einen Fall, da hatte der Schuldner Gläubiger nach § 850 f II ZPO. Da hat er sich schnell einen solchen Unterhalts-VB vom Mahngericht besorgt, wonach sein längst volljähriger Sohn Unterhalt im deutlich fünfstelligen Bereich zu bekommen hätte. Der Sohn hat dann flugs PfÜb beantragt mit Antrag auf Privilegierung nach § 850 d ZPO - noch bevor der § 850 f II ZPO-Gläubiger seinen PfÜb beantragt hatte.
    Die Zusammenhänge habe ich aber erst erfahren, nachdem ich eben moniert hatte, dass § 850 d ZPO aufgrund nur VB eben nicht geht und war dann überrascht, als nach kurzer Zeit der PfÜb-Antrag des § 850 f II ZPO-Gläubigers auf dem Tisch lag.

    Das mag zugegebenermaßen ein Extremfall gewesen sein, dennoch gibts bei mir aufgrund VB keine Privilegien. Leider habe ich noch kein Rechtsmittel bekommen, um die Meinung meines LG dazu zu erfahren. :strecker

  • Gibt es inzwischen etwas Neues zu diesem Thema?
    Ich habe gerade einen VB auf dem Tisch, in dem Unterhaltsrückstände tituliert sind (für die ARGE) ...

  • Rückständigen Unterhalt per VB zu titulieren ist etwas relativ normales. Das Problem des Ausgangsposts stellt sich m.E. in der Praxis nicht wirklich.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Ich habe einen Vollstreckungsbescheid vorliegen, aus dem sich als Hauptforderung "Unterhaltsrückstände für die Zeit vom... bis..." ergibt. Gläubiger ist ein Job-Center. Pfändung nach § 850d ZPO ist beantragt. Ich finde das etwas merkwürdig - Unterhalt und Job-Center- wie geht das zusammen? Hatte das schon mal jemand? Ich bin geneigt, die bevorrechtigte Pfändung abzulehnen.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Job-Center = evt. ARGE SGB II ?

    Gesetzlicher Forderungsübergang infolge sozialgesetzlicher Vorschriften, ähnlich wie beim BSHG und beim Unterhaltsvorschussgesetz ?

    Vor übereilter Zurückweisung sollte dies unbedingt geprüft werden.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Hatte ich auch schon überlegt.
    Das heißt wohl, dass mir der Gläubiger erklären muss, worum es sich bei den titulierten Beträgen genau handelt. Dann käme ggf. bevorrechtigte Pfändung in Betracht?

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Er müsste doch nachweisen, dass der Unterhaltsanspruch auf ihn übergegangen ist.



    In der Vollstreckung?

    Wenn der S in der Titulierung keine Einwände erhebt, dass die Forderung als "Unterhaltsrückstand" bezeichnet wird, ist doch Ende im Gelände. Ist doch wohl keine Titelumschreibung.

  • Habe hier auch gerade so einen Antrag. Vom Jugendamt habe ich aber immer die Mitteilung, ob sich der Schuldner seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat und ob weitere Unterhaltsberechtigte vorhanden sind.

  • Er müsste doch nachweisen, dass der Unterhaltsanspruch auf ihn übergegangen ist.



    In der Vollstreckung?

    Wenn der S in der Titulierung keine Einwände erhebt, dass die Forderung als "Unterhaltsrückstand" bezeichnet wird, ist doch Ende im Gelände. Ist doch wohl keine Titelumschreibung.



    Da erst in der Vollstreckung eine Bevorrechtigung nach § 850d ZPO angeordnet werden kann, warum nicht. Es ist für uns ja auch nicht erkennbar wie der Titel aussieht.

  • Vom Jugendamt habe ich aber immer die Mitteilung, ob sich der Schuldner seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat und ob weitere Unterhaltsberechtigte vorhanden sind.


    Diese Erklärungen habe ich hier auch vorliegen. Trotzdem kann doch der Gläubiger viel in den VB schreiben, wenn der Tag lang ist. Würdet ihr trotzdem (ggf. ohne weitere Prüfung) die Pfändung nach § 850d ZPO unterschreiben??

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Da erst in der Vollstreckung eine Bevorrechtigung nach § 850d ZPO angeordnet werden kann, warum nicht. Es ist für uns ja auch nicht erkennbar wie der Titel aussieht.



    Es reicht doch, wenn der RP den Titel als Unterhaltstitel erkennt und nach 850 d beschließt.

    Bei den Insos war die Meinung verbreitet, wonach die VUH in jedem Fall durch eine ergänzende Gerichtsentscheidung bestätigt werden müsse. Das hat sich mittlerweile aber erledigt.

    In #1 sollen dem privaten Unterhaltsgläubiger höhere Hürden aufgebaut werden als einer Behörde. Das halte ich für absurd.

    Und wie soll der Nachweis geführt werden? Wer will das in angemessener Zeit prüfen, ohne dass der Schuldner davon erfährt?



  • Warum willst Du, dass der Schuldner nichts davon erfährt? Was hast Du zu verbergen?

    Außerdem geht es hier nicht um das JA, sondern um die Arge, was meiner Meinung etwas anderes ist.

  • Diese Erklärungen habe ich hier auch vorliegen. Trotzdem kann doch der Gläubiger viel in den VB schreiben, wenn der Tag lang ist. Würdet ihr trotzdem (ggf. ohne weitere Prüfung) die Pfändung nach § 850d ZPO unterschreiben??



    ich denke : Ja.

    Es handelt sich hier bei dem Gläubiger immerhin um eine Behörde, nicht um einen Privatgläubiger, der "just for fun" eine entsprechende Titelbezeichnung schaffen kann.

    Wenn sich also aus dem Titel die Tatsache "Übergegangene Unterhaltsansprüche" ergibt, sehe ich keinen Grund, das Vollstreckungsprivileg gem. § 850d ZPO (unter Beachtung der vorrangig vom Schuldner zu bedienenden laufenden Unterhaltsansprüche) zu verwehren.

    Nichts desto trotz steht es dir im Rahmen von § 9 RpflG natürlich frei, eine diesbezügliche Auflage m.d.B. um Erläuterung, dass und inwieweit es sich bei der titulierten Forderung um kraft Gesetzes übergegangene Unterhaltsansprüche handelt, abzusetzen.

    Das Ergebnis würde mich interessieren, stelle es doch bitte hier unter Angabe der Vorschrift des Rechtsübergangs ein. Danke.

    Zitat von Hego


    Warum willst Du, dass der Schuldner nichts davon erfährt? Was hast Du zu verbergen?

    Außerdem geht es hier nicht um das JA, sondern um die Arge, was meiner Meinung etwas anderes ist.



    Moosi stellt wohl auf die sich aus § 834 ZPO ergebende ratio legis ab.

    Ich persönlich sehe jetzt keinen großen Unterschied, ob der Anspruch infolge UVG auf das Jugendamt, Unterhaltsvorschusskasse oder infolge BSHG oder SGB... auf die ARGE übergegangen ist ...

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Okay, danke für eure Meinungen. Ich werde doch erst mal nachfragen, um was für Ansprüche es sich genau handelt und werde dann hoffentlich nicht vergessen, das Ergebnis hier mitzuteilen ;)

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Wenn Du schon Aufklärungsbedarf siehst, dann erforsche doch den viel wichtigeren Sachverhalt, ob der laufende Unterhalt des Kindes als unpfändbarer Einkommensteil im Entwurf berücksichtigt ist.

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