Auffälligkeiten bei Diplomarbeiten

  • Seit drei Jahren gibt es an der FH Hildesheim Diplomarbeiten. Zeit für mich als Korrektor, erste "Auffälligkeiten" mitzuteilen (rein subjektiv und nur aufgrund der von mir durchgesehenen Arbeiten):


    Die richtige Wahl und Eingrenzung des Themas ist sicher schwierig. Ist es zu eng gefasst, kriegt man die Seiten nicht voll, ist es zu weit gefasst, kommt man mit dem Platz nicht aus. Das sollte jedoch kein Grund sein, das Untersuchungsthema (sicherheitshalber) allzu schwammig zu formulieren. Dem Leser der Arbeit muss schon beim Lesen des Themas klar, um was es in der Arbeit genau geht. Die FH-Dozenten sollten überlegen, ob hier ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, mehr Hilfestellung für die Themenauswahl möglich ist. Es wird jedoch auch Kandidaten geben, die diese Hilfe gar nicht in Anspruch nehmen wollen.

    Ein Thema hat nicht nur Außenwirkung, sondern ist auch für die Verfasser wichtig. Es ist mir mehrfach aufgefallen, dass Studenten bei schwammigen und weit gefassten Themen ein Rahmen und roter Faden für die Arbeit fehlt. Da wird munter im Nebel herumgestochert, weil man selbst auch nicht so recht weiß, was man eigentlich untersuchen möchte. Zudem neigen Studenten dann dazu, sich nicht auf die Besonderheiten ihres Themas zu konzentrieren, sondern lehrbuchartig zu schreiben (fiktives Beispiel: Beim Thema "Der Nachlasspfleger und die Anwendung des japanischen Rechts" wird lang und breit über die Nachlasspflegschaft im Allgemeinen referiert, ohne dass ein Bezug zum Thema hergestellt wird). Lehrbücher gibt es aber nun wahrlich genug.

    Bei der Praxisuntersuchung insbesondere den Aktenauswertungsbögen fällt auf, dass formale Dinge abgefragt werden (überspitzt "Wie dick ist die Akte" "Anteil von Umweltpapier daran"). Das ist zwar fürchterlich bequem und schnell herausgefunden, hilft jedoch in der Sache nicht immer weiter. Mühsamer herauszufinden, aber aussagekräftiger sind meist materiell-rechtliche Dinge.

    Die gefundenen Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen insbesondere ggf. aus der Praxisuntersuchung sind häufig denkbar, lassen sich aber nicht immer aus den gefundenen Ergebnissen ableiten. Das lässt dann meist nur den Schluss zu, dass die Verfasser die Schlussfolgerungen aufgrund außerhalb des Fragenkatalogs liegenden Erkenntnissen ziehen oder sie schlicht mutmaßen. Beides sind keine belegten Schlussfolgerungen.

  • wer sowas lesen muss .... erweitert sicher seinen horizont. und interessant noch dazu. :ironie:


    da ich zu einer zeit den abschluss machte, wo zwar keine dipl.-arbeit, aber dafür während der anwärterzeit noch doppelt soviele klausuren geschrieben wurden, kann ich mir unter dem ganzen gar nix vorstellen.

    suchen sich denn die leute die themen selbst aus?

    was ist denn praxisuntersuchung, fragenkatalog, aktenauswertungsbogen alles?

    ich dachte, das wär sone art hausarbeit, also fleissarbeit, wo man schon von der masse der seiten her quasi durch teilpunkte faktisch immer besteht. also haken dran und gut!?

  • nee, nee, oL, das ist nicht mehr so "locker" wie bei uns.

    es muss sich jeder student ein thema aussuchen und etwas 40 seiten dazu schreiben. jedes thema ist also gewissermaßen einzigartig, auch wenn ich über die jahre schon ähnliche themen hatte.
    meist bestehen die arbeiten aus einem theoretischen und einem praktischen teil, der in einer praxisbefragung oder einem aktenauswertungsbogen besteht.

    die arbeit zählt 15 % der prüfungsnote.

  • ahh. so ist das.

    aber früher "locker" - ich fand die doppelte anzahl von klausuren während der anwärterzeit sicherlich belastender, als ich heute ne diplom-fleiss-arbeit finde ...

    und 15 % ist doch immer noch ne abhakposition.

  • Zitat von oL

    und 15 % ist doch immer noch ne abhakposition.



    hmm, weiß nicht. seit auch die note bei einer übernahme eine immer größere rolle einnehmen, können 15%, wenn die arbeit schlecht ausgefallen ist, die entscheidenden fehlenden prozente sein. zudem muss die arbeit mindestens "ausreichend" benotet werden, sonst ist die prüfung nicht bestanden.

    als korrektor ist eine diplomarbeit mehr arbeit als eine normale klausur, die themen sind manchmal schon etwas speziell, gibt ja auch mehr geld fürs abhaken. und: die note ist keine fleißnote; ist die arbeit mist, gibst von mir trotzdem kein "gut", weil der prüfling sooo viel zeit reingesteckt hat :teufel:

  • Bin erst jetzt über das Thema gestolpert...

    Zitat

    die arbeit zählt 15 % der prüfungsnote.



    Korrekt. Hat man die Diplomarbeit aber nicht bestanden, ist die ganze Prüfung im Eimer

    Zitat

    und 15 % ist doch immer noch ne abhakposition.



    Tja, könnte man meinen. Seit es die Diplomarbeit gibt, ist allerdings die Zahl der "Durchfaller" gestiegen. Mittlerweile fallen so bummelig 15 % durch die Prüfung ; der Löwenanteil wegen der Diplomarbeit. So ganz "locker" scheint das Ganze dann wohl doch nicht zu sein ....:(

  • ich seh das mal einfach mathematisch: zum bestehen braucht man 4 punkte und man schreibt 40 seiten. was fürn schrott muss man denn abgeben, wenn sich pro 10 seiten nicht 1 pünktchen verbirgt?

  • Und ich sehe das mal pragmatisch ... :

    Ich glaube, uns zwei Hübschen betrifft diese Frage gar nicht mehr so sehr extrem direkt. Insofern haben wir aus der Fernperspektive leicht und schlau reden und können nun klug in die Gegend schwallern ... Ich gehe einfach mal davon aus, dass an der FH nicht 15 % total Bekloppte herumlaufen. Also wird die Sache schon einen gewissen Anspruch haben ( hat sie auch, glaube es mir ;) ) und ist nicht auf die "Diplomarbeiten" zu übertragen, die Du und ich aktiv geschrieben haben ( und die nichts besseres als dödelige Hauarbeiten waren ) . Da mag Deine mathematische Betrachtungsweise durchaus zutreffend gewesend sein ...

    Ansonsten habe ich mal gehört, dass es im Leben nicht nur schwarz und weiss gibt, sondern auch diverse Grautöne vorhanden sind. Und manchmal wird es sogar bunt :D .


    Viele Grüße

    FloHH

  • Zitat von FloHH

    Ansonsten habe ich mal gehört, dass es im Leben nicht nur schwarz und weiss gibt, sondern auch diverse Grautöne vorhanden sind. Und manchmal wird es sogar bunt.



    naja. ich geh morgen after work ins sola. braun ist auch n farbton.

    aber wer in einer schriftlichen arbeit, wo man viele wochen zeit für hat, von 15 möglichen keine 4 points bringt - ich schieb das simpel auf mangelnden fleiss.

  • Da merkt man, dass OL keine Ahnung vom Verfassen einer Diplomarbeit hat. :mad:
    Insgesamt hat man für die Diplomarbeit sogar fast ein Jahr Zeit, das heißt jedoch nicht, dass man in dieser Zeit nur die Diplomarbeit schreibt! Daneben läuft die praktische Ausbildungszeit beim Gericht sowie die Vorbereitung auf die 4 Examensklausuren, die man ja auch nicht vergeigen will. Da ist es schon schwierig Prioritäten zu setzen und seinen eigenen Lern- und Arbeitsplan einzuhalten. Ich will mich nicht beklagen, da ich die Zeit insgesamt schon ausreichend fand, ein Spaziergang war's jedoch nicht.

    Zudem ist es für viele Studenten das erste Mal, sich wissenschaftlich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Die Hausarbeit, die im Grundstudium geschrieben wurde, hat mit der Diplomarbeit nämlich überhaupt nichts zu tun!

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!