iranisches Erbrecht

  • Hallo liebe User ! Wer kann mir helfen ?

    Verstorben ist ein iranischer Staatsangehöriger. Er hinterlässt eine Ehefrau und einen Sohn und eine Tochter. In Deutschland gibt es bewegliches Vermögen in Höhe von 100000,-- EUR. Geheiratet haben die Eheleute in Deutschland. Wie ist die Erbfolge und wie lautet der Erbschein ?
    M.E. erhält die Ehefrau 1/4 Zugewinnausgleich und einen weiteren Erbanteil in Höhe von 1/8. Der Rest verteilt sich auf die Kinder, wobei der Sohn doppelt soviel erhält wie die Tochter. Trifft das zu ?

  • Der Verstorbene war Schiit ( zumindest muslimischen Glaunbens, wie auch die Erben. Vater und Mutter sind vorverstorben. Gilt deutsches Verfahrensrecht ?

  • :guckstduh https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…highlight=islam

    Zitat

    Gilt deutsches Verfahrensrecht ?



    Bei internationaler Zuständigkeit gilt doch immer deutsches formales Verfahrensrecht ?!

    Die interessante Frage ist, welches materielle Erbrecht infolge IPR anwendbar ist und ob ein etwa ausländisches anzuwendendes materielles Erbrecht mit unserem ordre public vereinbar ist.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • 1. Erbstatut

    Auf den vorliegenden Erbfall ist iranisches Recht anzuwenden, Art.8 Abs.3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens (ehemals geschlossen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien) vom 17.2.1929 (RBGl. 1930 II, 1006, Weitergeltung bestätigt mit Wirkung vom 4.11.1954 durch die Bekanntmachung vom 15.8.1955, BGBl. II 1955, 829), weil die genannte Norm -ebenfalls wie die durch das Abkommen verdrängte Vorschrift des Art.25 Abs.1 EGBGB- auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellt.

    2. Güterstand

    Die deutsch-iranische Ehe wurde im Jahre 1999 geschlossen. In der Ehe des Erblassers galt daher der deutsche gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Art.220 Abs.2, 15 Abs.1, 14 Abs.1 Nr.2 EGBGB).

    3. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten

    a) Ordre public

    Das gesetzliche Erbrecht der Witwe würde nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie nicht Muslimin ist. Dieses Erbhindernis der Religionsverschiedenheit verstößt gegen den deutschen ordre public des Art.6 EGBGB (OLG Hamm FamRZ 2005, 1705; Lorenz IPrax 1993, 148; Dörner IPrax 1994, 36; Staudinger/Dörner, Anh. zu Art.25 EGBGB RdNr.241 m.w.N.). Kein Verstoß gegen den deutschen ordre public soll es dagegen darstellen, dass der Ehemann im iranischen Recht bei der gesetzlichen Erbfolge beim Ableben der Ehefrau eine höhere Erbquote erhält als die Ehefrau beim Versterben des Ehemannes (OLG Hamm FamRZ 1993, 111 = IPrax 1994, 49; Palandt/Heldrich Art.6 EGBGB RdNr.30; LG Hamburg IPRspr 1991 Nr. 142; a.A. Lorenz und Dörner je a.a.O.; Erman/Hohloch Art.6 EGBGB RdNr.50; Soergel/Schurig Art.25 EGBGB RdNr.104). Die unterschiedlichen Erbquoten von männlichen und weiblichen Abkömmlingen sind dagegen als ein Verstoß gegen den deutschen ordre public anzusehen (Lorenz, Dörner, Palandt/Heldrich, Soergel/Schurig und Staudinger/Dörner m.w.N. je a.a.O.; a.A. LG Hamburg a.a.O.).

    Folgt man dem, bleibt es zunächst bei der gesetzlichen Erbquote der Ehefrau nach iranischem Recht (1/8 bei beweglichem Vermögen), während der auf die Abkömmlinge entfallenden Gesamterbteil im Wege der Anpassung hälftig auf Sohn und Tochter zu verteilen ist.

    b) Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs.1 BGB

    Ob für die Ehefrau eine Erbteilserhöhung um 1/4 vorzunehmen ist (§ 1371 Abs.1 BGB), hängt von der alten Streitfrage ab, ob man eine solche Erhöhung nur bei der Anwendung deutschen Erbstatuts oder auch bei der Anwendung eines nicht-deutschen Erbstatuts vornimmt, was nach zutreffender hM zu bejahen ist (OLG Karlsruhe NJW 1990, 1420; OLG Hamm IPRspr 1995, Nr.119; OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 740; zu den widerstreitenden Auffassungen vgl. Palandt/Heldrich Art.15 EGBGB RdNr.26).

    4. Erbfolge

    Folgt man den dargestellten Auffassungen, wird der Erblasser im vorliegenden Fall kraft Gesetzes von seiner Ehefrau zu 3/8 (1/8 + 1/4) und von den beiden Kindern zu je 5/16 beerbt.

    Die deutsche internationale Zuständigkeit ergibt sich aus § 2369 BGB.

    Da der Erblasser schiitischen Glaubens war, braucht auf die Besonderheiten bei der Beerbung von iranischen Katholiken, Protestanten, Gregorianern, Juden und Bahai nicht eingegangen zu werden (hierzu vgl. Staudinger/Dörner, Anh zu Art.25 EGBGB RdNr.242-244).

  • @juris2112:

    Sicher nur daran!:wechlach:

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  • @juris2112: Auch von mir einmal mehr : :respekt

    Zitat von juris2112

    a.A. LG Hamburg a.a.O



    Aha - daher kam mir das Thema weibliche / männliche Abkömmlinge hier so bekannt vor - aber halt mit anderem Ergebnis.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ich häng mich mal dran:

    Hab jetzt den Fall, dass ein iranischer Staatsangehöriger einen Sohn und eine Tochter hinterlassen hat. Seine Eltern sind vorverstorben. Er war nichtpraktizierender Muslime, der seit 50 Jahren in Deutschland gelebt hat, die beiden Kinder sind konfessionslos. Der Sohn selbst plädiert für Erbquoten 1/2, 1/2.

    Meine Frage: Wenn ich nun sage, dass sowohl der nach iranischem Recht vorgesehene Erbrechtsausschluss der Kinder aufgrund Religionsverschiedenheit als auch die Ungleichbehandlung von Sohn und Tochter (2/3, 2/1) gegen den ordre public verstoßen und ich somit zum Ergebnis komme: Sohn und Tochter Erben zu je 1/2, wie formuliere ich dann den Erbschein ??? In Anwendung deutschen oder iranischen Erbrechts? Muss der Art.6 EGBGB im Erbschein auftauchen ??

  • Nach Palandt, § 2353 BGB, Rn. 3 m.w.N. ist die Angabe des Berufungsgrundes überflüssig. Wenn nicht gerade irgendwelche gegenständlichen Beschränkungen vorliegen, würde ich den Erbschein ohne jeden Zusatz erteilen. Wie man zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Sohn und Tochter zu je 1/2 erben (ordre public usw.) kann man in einem Aktenvermerk oder im Feststellungsbeschluss niederlegen, wenn es sich nicht schon aus dem Antrag ergibt.

  • Mit dem Berufungsgrund (kraft Gesetzes oder kraft letztwilliger Verfügung) hat diese Frage nichts zu tun.

    Dass die Anwendung eines ausländischen Erbstatuts im Erbschein zu vermerken ist, dürfte nicht in Frage stehen. Wenn man es aber angibt und dessen Modifizierung durch den deutschen ordre public verschweigt, würde das eigenartige Ergebnis eintreten, dass das im Erbschein in Bezug genommene ausländische Erbstatut die im Erbschein verlautbarte Erbfolge überhaupt nicht hergibt.

    Eine ähnliche Problematik besteht im Fall der Anwendung des § 1371 Abs.1 BGB im Rahmen eines zum Zuge kommenden ausländischen Erbstatuts, sei es mit oder ohne erforderliche Angleichung der Erbquoten.

  • Hallo zusammen,

    ich hab jetzt folgenden Fall:
    Eine Iranerin verstirbt in Deutschland, hinterlässt ihren Ehemann und vier Kinder. Nach dem hier Gesagten lande ich im materiellen Erbrecht des Iran.

    Die Eheleute haben nun aber im Jahre 1995 ein Berliner Testament vor dem Notar errichtet:
    Darin erklären sie, dass sie, soweit gesetzlich zulässig, sich gegenseitig nach dem Erbrecht der Bundesrepublik Deutschland beerben möchten und sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Als Schlusserben setzen sie ihre vier gemeinsamen Kinder ein.

    Es geht um ein Grundstück in Deutschland, das verkauft werden soll, wobei mir als Grundbuchamt als Nachweis das vom deutschen Nachlassgericht eröffnete Testament nebst Eröffnungsprotokoll jeweils in beglaubigter Form vorgelegt werden.

    Hat jemand eine Idee, ob im iranischen Erbrecht überhaupt Verfügungen zugelassen sind bzw. ob bei Iranern für unbewegliches Vermögen das Recht der Belegenheit gelten kann?

    "Man muss denken wie die wenigsten und reden wie die meisten."
    (Arthur Schopenhauer)

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