Zeitliche Problematik bei Bestellung und Vergütung

  • .. Durch die Bekanntgabe des Beschlusses mag zwar die Entlassung des Jugendamtes erst wirksam werden und möglicherweise auch meine Bestellung, obwohl sich aus der Kommentierung, die ich bisher gelesen habe er gibt, dass ich bereits ab dem Zeitpunkt meiner Verpflichtung gemäß § 1789 BGB hafte und verpflichtet bin. Aber dennoch bin ich der Meinung, dass sämtliche Voraussetzungen des § 1789 BGB erfüllt sind (1. ausdrückliche Erklärung der Rechtspflegerin, dass ich zum Vormund für diesen einen Jugendlichen bestellt werde, 2. persönliche Anwesenheit und (sinngemäße) Erklärung, dass ich das Amt treu und gewissenhaft führen wolle).

    Das gefragte Gesetz ist das Denkgesetz. Erst verkünden und dann beschließen geht nicht, genausowenig wie ein Wechsel.;)

    Der einzige Ansatz wäre für mich, dass die Formulierung: "Ferner hat sie vermerkt: „Wechselvormund vornehmen“." derart auszulegen ist, dass eine mündliche Anordnung des Vormundswechsels mit gleichzeitiger Bestellung und Wechsel im Termin mit Verpflichtung erfolgt ist und lediglich die schriftliche Abfassung noch erfolgen soll.

    Deine Bestellung wäre wirksam, die Entlassung aber noch nicht, d.h. anfechtbare, aber wirksame Doppelbestellung, die einen Vergütungsanspruch begründet.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • § 1789 S. 1 BGB fordert, dass der Vormund (sic!) vom Familiengericht durch Verpflichtung ... bestellt wird. Also kann jemand, der noch nicht einmal per Beschluss zum Vormund ausgewählt ist, auch im Rechtssinne nicht als solcher bestellt werden.

    Etwas anderes könnte aber gelten, wenn man einen Vormund - wie eine absolute Mindermeinung annimmt - "auf Vorrat" auch bereits für ihm künftig zu übertragende Vormundschaften verpflichten könnte (in diesem Sinne Keuter FamRZ 2010, 1955). Wie in meiner Replik (Bestelmeyer FamRZ 2011, 950) dargelegt habe, ist diese Ansicht jedoch in Übereinstimmung mit der absolut hM nicht zutreffend.

    Hier die betreffenden Passagen:

    Nach herrschender Ansicht hat die Verpflichtung eines Ergänzungspflegers i.S. des § 1789 BGB für jedes konkrete Pflegschaftsverfahren gesondert (neu) zu erfolgen,[15] während eine Mindermeinung anlässlich einer konkreten Pflegerverpflichtung bei persönlicher Anwesenheit des Pflegers auch eine gleichzeitige „Vorratsverpflichtung“ für künftige Pflegerämter des ausgewählten Pflegers für zulässig hält.[16] Keuter schlägt sich aus den bereits genannten „justizinternen Entlastungsgründen“ auf die Seite der Mindermeinung und vertritt dabei die Ansicht, dass es „ganz pragmatisch“ genüge, wenn ein dergestalt globalverpflichteter Pfleger bei avisierter Übernahme einer neuen Pflegschaft telefonisch oder mittels Fax um die Erklärung seines Einverständnisses mit der beabsichtigten Bestellung gebeten werde und er dieses Einverständnis sodann formlos erkläre.[17]

    Die Rechtsprechung hat eine sog. Vorrats- oder Globalverpflichtung von Vormündern in früherer Zeit für zulässig gehalten.[18] Das BayObLG hat jedoch bereits im Jahre 1992 entschieden,[19] dass diese Rechtsprechung überholt ist, weil sie nach dem seinerzeit von Art. 136 EGBGB vorbehaltenen Landesrecht über den sog. „bestellten Berufsvormund“ ergangen war,[20] dieses Landesrecht aber bereits mit Wirkung vom 01.04.1924 außer Kraft trat[21] und die auf ihm beruhende bestellte Berufsvormundschaft durch die bestellte Amtsvormundschaft abgelöst wurde, für welche das Procedere des § 1789 BGB von vorneherein nicht einschlägig war (§ 41 II RJWG) und bis heute nicht einschlägig ist (§ 1791b II BGB). Der „bestellte Berufsvormund“ nach seinerzeitigem Landesrecht hat aufgrund seiner dem Amtsvormund angenäherten Rechtsstellung mit dem heutigen Berufsvormund somit nur den Namen gemein, sodass die zum damaligen Landesrecht ergangene Rechtsprechung für die Verpflichtung von heutzutage tätigen Berufsvormündern oder Berufspflegern nicht mehr als einschlägig angesehen werden kann.[22] Eine auch für künftige Vormunds- und Pflegerämter erfolgende Vorrats- oder Globalverpflichtung von Vormündern oder Pflegern anlässlich ihrer nach § 1789 S. 1 BGB erforderlichen persönlichen Anwesenheit zum Zweck ihrer Verpflichtung in einem konkreten Vormunds- oder Pflegschaftsverfahren ist somit in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht nach geltendem Recht nicht zulässig. Dass es sich so verhält, folgt schon aus dem Wortlaut des § 1789 S. 1 BGB, der im Hinblick auf die Bestellung des Vormunds ausdrücklich von Verpflichtung zur Führung „der Vormundschaft“ und nicht von „den Vormundschaften“ spricht.


    [15] BayObLG, BayZ 1925, 186; BayObLG, FamRZ 1992, 854; Palandt/Diederichsen [Fn. 1], § 1789 Rz. 1; MünchKomm/Wagenitz [Fn. 1], § 1789 Rz. 11; Staudinger/Engler [Fn. 1], § 1789 Rz. 9; RGRK/Dickescheid, BGB, 12. Aufl., § 1789 Rz. 6; Bamberger/Roth/Bettin [Fn. 1], § 1789 Rz. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, 5. Aufl., § 70 Rz. 55 und Fn. 90; Dölle, FamR, § 122 I Fn. 7; Goerke, Rpfleger 1982, 169; Damrau, Rpfleger 1984, 48.
    [16] Soergel/Zimmermann [Fn. 1], § 1789 Rz. 5; Erman/Saar [Fn. 2], § 1789 Rz. 2
    [17] Keuter, FamRZ 2010, 1955, 1956/1957.
    [18] RG, Gruchot 73, 357 = HRR 1933 Nr. 1588; BayObLGZ 24, 193 = JFG 3, 67 = JW 1925, 2140.
    [19] BayObLG, FamRZ 1992, 854. Ebenso bereits KG, JFG 11, 64 („selbstumgrenzte Ausnahme“).
    [20] Die in Fn. 18 genannte Entscheidung des BayObLG betraf eine bestellte Berufsvormundschaft nach Art. 1 und 3 des bayerischen Gesetzes, betreffend die Berufsvormundschaft, vom 23.02.1908, BayGVBl. S. 85. Zu diesem Beschluss des BayObLG vgl. ausführlich Goerke, Rpfleger 1982, 169, 170.
    [21] Art. 4 EGRJWG vom 09.07.1922 (RGBl. I, 647) zum RJWG vom gleichen Tage (RGBl. I, 633).
    [22] BayObLG, FamRZ 1992, 854; Goerke, Rpfleger 1982, 169, 170. Dies gilt umso mehr, als die zum damaligen Landesrecht ergangene Rechtsprechung schon seinerzeit überwiegend abgelehnt wurde.

  • Danke Cromwell,

    "wird von dem Familiengericht durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Vormundschaft bestellt." Das heißt m. E., dass es sich um eine Person handeln muss, die bereits entsprechend vom Familiengericht ausgewählt worden ist, aber noch nicht - durch Beschluss - bestellt sein muss.

  • Jetzt sind wir bei den Begrifflichkeiten, die üblicherweise nicht exakt auseinander gehalten werden.

    Der Beschluss, in welchem jemand als Vormund namentlich benannt wird, betrifft die Auswahl des Vormunds und die Verpflichtung i. S. des § 1789 BGB seine Bestellung!

    Die Beschlussfassung ist im Rechtssinne also gar nicht die Bestellung, sondern lediglich die Auswahl. Und hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass man zunächst durch Beschluss aus Vormund ausgewählt wird und erst anschließend als solcher nach § 1789 BGB verpflichtet (= bestellt) werden kann. Deswegen amtiert man auch nicht wirksam vor der Durchführung des Prozedere des § 1789 BGB.

    In Deinem Fall wurdest Du als jemand, der noch gar nicht als Vormund ausgewählt war, als Vormund verpflichtet (= zum Vormund bestellt). Das geht nach dem Gesagten natürlich nicht.

  • Das kann ich in etwa für den Fall nachvollziehen, in dem der Richter in einem Kindschaftsachenverfahren anordnet, dass eine Person zum Vormund bestellt wird, nicht aber, wenn es wie hier um einen Wechseldes Vormunds geht. Alle Beteiligten sind sich einig. Das Mündel, das JA, welches mich vorgeschlagen hat, und das Gericht in Person der Rechtspflegerin - mehr Auswahl, finde ich, geht nicht. Wenn dann die Verpflichtung und anschließend der Beschluss ergeht, kann m. E. kein Zweifel an einer wirksamen Verpflichtung bestehen. Dies davon abhängig machen zu wollen, ob der Beschluss schon erlassen worden ist oder erst nach der Verpflichtung, kann ich schlichtweg nicht nachvollziehen.

    Und es war ja auch keine Vorratsverpflichtung, wie du in seinem vorhergehenden Beitrag meinte, sondern hatte sich auf diesen einen konkreten Jugendlichen bezogen.

  • Wieder 1789 :eek:, da kann man nur hoffen, dass die geplante Reform des Vormundschaftsrechts, nach der der 1789 mit seinem aktuellen Inhalt nicht mehr existiert, schnellstmöglich zum Gesetz wird. Es ist - jedenfalls bei mir - bereits seit langem so, dass die regelmäßig zu verpflichtenden Anwälte faktisch sowieso nur noch zum Unterschreiben der Niederschrift kommen.
    Aber im gegenständlichen Fall sollte dann schon der Niederschrift zu entnehmen sein, dass der Rechtspfleger eine Entscheidung verkündet hat (die dann erst später nochmal schriftlich abgefasst wird/wurde), wonach der Erschienene zum Vormund bestellt werden soll. Ohne einen solchen Hinweis halte ich es auch mit dem Bezirksrevisor bzw. der Meinung des erwähnten OLG.

  • Dezent OT: So langsam mache ich mir Sorgen, weil Cromwell und ich schon wieder die gleiche Meinung vertreten (auch wenn er es deutlich eleganter dargelegt hat) ;)

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Das kann ich in etwa für den Fall nachvollziehen, in dem der Richter in einem Kindschaftsachenverfahren anordnet, dass eine Person zum Vormund bestellt wird, nicht aber, wenn es wie hier um einen Wechseldes Vormunds geht. Alle Beteiligten sind sich einig. Das Mündel, das JA, welches mich vorgeschlagen hat, und das Gericht in Person der Rechtspflegerin - mehr Auswahl, finde ich, geht nicht. Wenn dann die Verpflichtung und anschließend der Beschluss ergeht, kann m. E. kein Zweifel an einer wirksamen Verpflichtung bestehen. Dies davon abhängig machen zu wollen, ob der Beschluss schon erlassen worden ist oder erst nach der Verpflichtung, kann ich schlichtweg nicht nachvollziehen.

    Und es war ja auch keine Vorratsverpflichtung, wie du in seinem vorhergehenden Beitrag meinte, sondern hatte sich auf diesen einen konkreten Jugendlichen bezogen.

    Auch ein Vormundswechsel setzt natürlich die Auswahl des neuen Vormunds voraus.

    Und mit "Vorratsverpflichtung" meinte ich im vorliegenden Kontext natürlich schon eine Verpflichtung für einen konkreten Einzelfall, aber eben eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung, weil sie zu früh und daher quasi "auf Vorrat" erfolgte. Das rechtliche Problem ist das gleiche wie bei der Vorratsverpflichtung für mehrere künftige Verfahren.

  • Vielen Dank für die rege Diskussion und eure Beiträge. Da ich davon ausgehe, dass ihr euch bald ins WE verabschiedet, wünsche ich euch und euren Familien einen schönen 4. Advent!

  • Für meine Verfassungsbeschwerde bleibt mir nach den unterschiedlichen Meinungen wenigstens die Hoffnung, dass sie wenigstens zur Entscheidung angenommen wird. Das wäre zumindest schon einmal ein kleiner Erfolg.

  • Wieder 1789 :eek:, da kann man nur hoffen, dass die geplante Reform des Vormundschaftsrechts, nach der der 1789 mit seinem aktuellen Inhalt nicht mehr existiert, schnellstmöglich zum Gesetz wird. Es ist - jedenfalls bei mir - bereits seit langem so, dass die regelmäßig zu verpflichtenden Anwälte faktisch sowieso nur noch zum Unterschreiben der Niederschrift kommen.
    Aber im gegenständlichen Fall sollte dann schon der Niederschrift zu entnehmen sein, dass der Rechtspfleger eine Entscheidung verkündet hat (die dann erst später nochmal schriftlich abgefasst wird/wurde), wonach der Erschienene zum Vormund bestellt werden soll. Ohne einen solchen Hinweis halte ich es auch mit dem Bezirksrevisor bzw. der Meinung des erwähnten OLG.

    Na ja, der Paragraph kann ja nichts dafür, wenn man ihn nicht beachtet.

    Ich habe mehr als zwei Jahrzehnte Vormünder (und natürlich überwiegend) Pfleger bestellt/verpflichtet und es gab nie die Probleme mit § 1789 BGB, die hier im Forum immer wieder geschildert werden und die im Hinblick auf die Vergütungsfrage auch zunehmend die Oberlandesgerichte beschäftigen.

    Mich würde einmal interessieren, woran es liegt, dass eine Norm heute offenbar mehr oder weniger "massenweite" nicht beachtet oder nicht im zutreffenden zeitlichen Kontext angewendet wird.

    Ich bin auch strikt gegen die Abschaffung des Erfordernisses der persönlichen Verpflichtung und weshalb das so ist, habe ich bereits im einschlägigen Reformthread dargelegt.

    Erinnert mich irgendwie an § 2306 BGB, den man auch geändert hat, nur weil viele Rechtsanwender zu dumm waren, um ihn richtig anzuwenden.


  • Ich bin auch strikt gegen die Abschaffung des Erfordernisses der persönlichen Verpflichtung

    Ich nicht, und warum: Weil gar kein vernünftiger Grund existiert, einen Berufsbetreuer nicht verpflichten zu müssen (§ 289 FamFG), stattdessen einen Berufsvormund schon (§ 1789 BGB), selbst wenn es dieselbe Person, z.B. ein Rechtsanwalt ist. Das kann man schlichtweg niemandem vermitteln.

  • Nach wie vor ist aufgrund der Vorschrift des § 1789 BGB der Vormund erst mit seiner Verpflichtung wirksam im Amt.

    Wie gestaltet ihr in dieser Hinsicht am besten einen Wechsel des Vormunds (zwischen zwei natürlichen Personen), damit der Mündel nicht (allzu lange) ohne gesetzlichen Vertreter ist? :gruebel:

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