Bietevollmacht

  • Am Ende eines ZV-Termins kam eine "unterlegen Bieterin" mit ihrer Mutter zu mir und bekundete Interesse an einem bald anstehenden Objekt. Leider sei sie an diesem Termin in Urlaub. Da beide Damen sich durch BPA auswiesen, habe ich eine Volllmacht aufgesetzt und zur Akte des anstehenden Termins gegeben.
    War ich zu blauäugig, bürgerfreundlich oder reicht das aus ?

  • Von Kommentaren abgeschnitten würde ich nach Gefühl sagen:

    Wenn ich den betreffenden Termin durchführen müsste, hätte ich mit dieser Vollmacht arge Probleme. Einerseits würde ich Dich ungern in die Pfanne hauen, anderseits ist die Vollmacht m.E. nicht formgerecht, da sie nicht notariell beglaubigt ist. Uns kommt insoweit keine Beglaubigungskompetenz zu. Das mag korintenkackerig sein, um niemanden zu bevorzugen, sollten die Bietvoraussetzungen für alle Bieter gleich sein.

    Wenn das wirklich ginge, hätten wir ja ständig Bietinteressenten auf der Matte, die uns ausweiswedelnd um Beglaubigung einer Vollmacht bitten würden.

  • Hi,

    Zitat von sundari

    War ich zu blauäugig, bürgerfreundlich oder reicht das aus ?



    bei der vom Gericht protokollierten Vollmacht handelt es sich nicht um eine notarielle oder notariell beglaubigte Bietvollmacht. Allerdings reicht es zur Abgabe von Geboten auch aus, wenn die Vertretungsmacht des für den Bieter Handelnden bei Gericht offenkundig ist, § 71 Abs. 2 ZVG. Die Offenkundigkeit könnte sich im vorliegenden Fall daraus ergeben, dass sich in der Versteigerungsakte des noch zu versteigernden Objekts eine "unter gerichtlicher Mitwirkung" erstellte Vollmacht befindet, die allerdings gegen § 129 BGB verstößt und damit nicht formgerecht ist.
    Meines Erachtens ist auch durch die nicht formgerechte aber dafür gerichtskundige Vollmacht die Vertretungsmacht des für den Bieter Handelnden als beim Versteigerungsgericht offenkundig anzusehen.

    Allerdings setzt sich der Versteigerungsrechtspfleger, der ein solches Gebot zulässt, der Gefahr aus im Beschwerdeverfahren wegen Verstoß gegen § 83 Nr. 6 ZVG aufgehoben zu werden, wenn das Beschwerdegericht der Auffassung ist, dass eine, wenn auch unter gerichtlicher Mitwirkung erstellte, so doch nicht formgerechte Vollmacht, nicht offenkundig sein kann.


    Gruß
    Bördie

    P.S.: Da ich auch ein Fan von Bürgerfreundlichkeit bin, hoffe ich für Dich, dass Die Sache einen guten Ausgang hat.

  • Bördies Lösung mag vertretbar sein, erscheint mir aber nicht zwingend.

    Deshalb bleibe ich dabei: Ist es wirklich bürgerfreundlich, die Bieterin der Gefahr des § 83 Nr. 6 ZVG auszusetzen?

    Lasst nur mal den Schuldner im Termin sitzen. Wenn er plietsch ist und das LG den Zuschlag aufheben sollte, würde sich die Meistbietende sicher wünschen, dass Gericht hätte sie zum Notar geschickt.

    Was macht man, wenn in dem betreffenden Termin ein anderer Bieter mit einer notariell beglaubigten Vollmacht auftaucht? Wie will man ihm die formunwirksame Vollmacht plausibel machen? Schwierig ohne so zu tun, als reiche eine vom Gericht aufgesetzte Vollmacht aus, was unstreitig nicht geht.

  • Ich sehe das ähnlich wie Bördie, jedoch stehen "offenkundig" und "öffentlich beglaubigte Bietvollmacht" alternativ ("oder") nebeneinander (§ 71 Abs. 2 ZVG). Daher sehe ich kein Problem mit § 129 BGB. Offenkundig ist, was überhaupt oder bei Gericht allgemein bekannt ist oder sich aus den dortigen Akten ergibt. In diesem Fall die Vertretungsmacht.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Uff - mir fällt ein Stein vom Herzen, dass auch andere das nicht so problematisch sehen. Aber die Sache mit Erklärungen zu Protokoll ist doch sehr nachdenkenswert. Nicht das ich jetzt ständig Bietvollmachten zu Protokoll aufnehmen werde (war ein Einzelfall, da Bieterin bekannt und Termin kurz bevorstehend).
    Aber wie wäre das zu sehen, wenn die Bieterin zu Beginn des Termin eine entsprechende Erklärung(Vollmacht) abgibt und dann den Raum verläßt ? Da würde doch auch keine notarielle Beglaubigung(in R-Pf. öffentl. Begl. auch durch Gemeinde zulässig) der Bietevollmacht verlangt werden.
    Spricht alles gegen Kai`s Bedenken !

  • Zitat von sundari

    Nicht das ich jetzt ständig Bietvollmachten zu Protokoll aufnehmen werde (war ein Einzelfall, da Bieterin bekannt und Termin kurz bevorstehend).



    So wirklich juristisch konsequent ist das nicht. Entweder es geht oder es geht nicht *stänkerstänker* :teufel:

    Zitat von sundari

    Aber wie wäre das zu sehen, wenn die Bieterin zu Beginn des Termin eine entsprechende Erklärung(Vollmacht) abgibt und dann den Raum verläßt ? Da würde doch auch keine notarielle Beglaubigung(in R-Pf. öffentl. Begl. auch durch Gemeinde zulässig) der Bietevollmacht verlangt werden.



    Hatte ich noch nie, wenns im selben Termin ist, mags mit der Offenkundigkeit lösbar sein.

    Insgesamt würde ich tendenziell die Finger von solchen Vollmachten lassen, (evtl. erfolgreiche) Zuschlagsbeschwerden wegen sowas Vermeidbaren machen zuviel Arbeit. Wenns die Obergerichte abnicken würden, wäre ich natürlich sofort mit dabei. Wer will schon gerne als bürgerfeindlich dastehen...

  • Hi,

    Zitat von sundari

    Aber wie wäre das zu sehen, wenn die Bieterin zu Beginn des Termin eine entsprechende Erklärung(Vollmacht) abgibt und dann den Raum verläßt ? Da würde doch auch keine notarielle Beglaubigung(in R-Pf. öffentl. Begl. auch durch Gemeinde zulässig) der Bietevollmacht verlangt werden.
    Spricht alles gegen Kai`s Bedenken !



    ich hatte mal folgenden Fall:
    Mutter und Sohn waren in der Versteigerung anwesend. Der Sohn bot für sich alleine. Die Bietzeit dauerte schon über zwei Stunden. Der Bieter erklärte mir plötzlich, dass er nun dringend weg müsse aber seine Mutter für ihn weiterbieten solle. In dieser Situation habe ich eine entsprechende Bietvollmacht des Bieters zu Protokoll genommen und die Mutter hat dann munter für ihren Sohn weitergeboten.
    Bei einer im Rahmen einer Versteigerung protokollierten Vollmacht ist die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten wohl ohne jeden Zweifel offenkundig.

    Zitat von Kai


    Lasst nur mal den Schuldner im Termin sitzen. Wenn er plietsch ist und das LG den Zuschlag aufheben sollte, würde sich die Meistbietende sicher wünschen, dass Gericht hätte sie zum Notar geschickt.



    Oder der Ersteher ist plötzlich mit dem Objekt nicht mehr zufrieden und sucht nach dem Haar in der Suppe, wie er den Zuschlag wieder los werden kann.

    Gruß
    Bördie

  • Zum Thema Bietvollmacht findet sich in beck-online erstaunlicherweise nichts und in juris-web nur sehr wenig halbwegs Passendes:

    a. LG Lüneburg (Rpfleger 88, 112)

    Wenn eine Bietvollmacht im Versteigerungstermin von dem Bevollmächtigten durch einen handschriftlichen Eintrag geändert wird, so können dessen Gebote zurückgewiesen werden. Durch die nachträgliche Änderung des Urkundstextes wird die Vermutung der Echtheit der Erklärung beseitigt. Eine Vollmachtsergänzung ist auch nicht nach dem Versteigerungstermin durch Erklärung des Vollmachtgebers nachholbar.

    b. LG Magdeburg, Beschluss vom 1. Oktober 2003, Az: 3 T 584/03

    1. Ist ein Gebot ohne den nach § 71 Abs. 2 ZVG erforderlichen Nachweis der Vertretungsmacht des für die Bieterin im Versteigerungstermin handelnden Geschäftsführers abgegeben worden, so ist das Gebot gemäß § 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen. Ein von dem Geschäftsführer der Bieterin vorgelegter beglaubigter Auszug aus dem Handelsregister, welcher mehr als sechs Monate vor dem Versteigerungstermin erstellt wurde, ist nicht geeignet, das Bestehen der Vertretungsmacht nachzuweisen.

    2. Die Vertretungsmacht kann nicht in dem Zeitraum zwischen der Zurückweisung des Angebots und dem durch das Vollstreckungsgericht bestimmten Termin zur Verkündung einer Entscheidung nachgereicht werden. Der Nachweis der Vertretungsmacht muss durch den Geschäftsführer der Bieterin ohne Verzögerung nach Abgabe des Gebotes beigebracht werden

    3. Das Bestehen der Vertretungsmacht wird nicht aufgrund einer fernmündlichen oder per Telefax übermittelten Aussage des Registergerichts dahingehend, dass der für die Bieterin handelnde Geschäftsführer nach den Eintragungen im Handelsregister auch während des Versteigerungstermins die Stellung als Geschäftsführer der Bieterin inne hatte, offenkundig.

  • Mal so nebenbei:

    Wieso seht Ihr eventuell eine Verletzung des § 83 Nr. 6 ZVG?

    Das Verfahren wird doch durch eine eventuelle falsche Behandlung von Geboten nicht unzulässig. Nr. 6 beinhaltet eine Schutzvorschrift für den Schuldner. Durch die Zulassung des Gebotes ist der Schuldner jedoch nicht tangiert.
    Sollte mit der Zulassung des Gebotes ein Verfahrensfehler vorliegen, dann liegt ein Verstoß von § 81 ZVG vor. Eine Beschwerde kann dann auf § 100 ZVG gestützt werden. Unterschied: Das LG hat bei einer Zuschlagsbeschwerde aus anderen Gründen, die Frage der Zulässigkeit des Gebotes nicht von amtswegen zu prüfen, d.h. der Beschwerdeführer muß sich direkt darauf berufen.

    Zur Sache selbst würde ich das von sundari im Ausgangsfall geschilderte Gebot nicht zulassen. Im Fall, den Bördie schilderte würde ich auch die Vollmacht protokollieren, allerdings gem. § 139 ZPO auf die Tragweite einer unbeschränkten Bietvollmacht hinweisen.

    Gruß
    Stefan

  • Hi,

    Zitat von Stefan


    Wieso seht Ihr eventuell eine Verletzung des § 83 Nr. 6 ZVG?



    weil ich keine Zuschlagsversagungs-Vorschrift gefunden habe, die für den geschilderten Fall besser passen würde.

    Zitat von Stefan


    Das Verfahren wird doch durch eine eventuelle falsche Behandlung von Geboten nicht unzulässig. Nr. 6 beinhaltet eine Schutzvorschrift für den Schuldner. Durch die Zulassung des Gebotes ist der Schuldner jedoch nicht tangiert.



    Da gebe ich Dir irgendwie Recht.

    Zitat von Stefan


    Sollte mit der Zulassung des Gebotes ein Verfahrensfehler vorliegen, dann liegt ein Verstoß von § 81 ZVG vor.



    Da bin ich anderer Meinung.
    Wenn das Gebot des Meistbietenden X nicht gemäß § 71 Abs. 2 ZVG zurückgewiesen wurde, dann gilt er meines Erachtens im Sinne von § 81 ZVG als Meistbietender. Das Gebot des Mitkonkurrenten Y wäre wohl durch die, wenn auch fehlerhafte Zulassung des Übergebots des X, erloschen, § 72 Abs. 1 ZVG.
    Einen Verstoß gegen § 81 ZVG würde ich daher nicht sehen.

    Gruß
    Bördie

  • Zitat von Bördie


    Wenn das Gebot des Meistbietenden X nicht gemäß § 71 Abs. 2 ZVG zurückgewiesen wurde, dann gilt er meines Erachtens im Sinne von § 81 ZVG als Meistbietender.



    Hallo,
    das LG mag es aber anders sehen und zu dem Schluß kommen, daß seiner Meinung nach bei richtiger Anwendung des § 71 ZVG jemand anders Meistbietender zu sein hat, und dann greift § 100 ZVG. Welche Fälle sollten sonst mit dem Verweis von § 100 auf den § 81 ZVG gemeint sein? Auch hierzu siehe Stöber Anm. 2.3.a) zu § 100 ZVG.
    Gruß
    Stefan

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