Beginn Ausschlagungsfrist und Genehmigung

  • Jetzt nochmal rechtlich. Die Lösung findet sich in § 166 I BGB. Dort ist die Wissenszurechnung geregelt. Kein Vertretener soll dadurch besser stehen, dass er einen Vertreter hat. Deshalb wirkt die Kenntnis des Vertreters für und gegen den Vertretenen.

    Man ist nun verleitet als Gegenfrage zu formulieren: Wieso gilt die Kenntnis des Vertretenen auch zu Lasten des Vertreters? Indes ist die Frage falsch. Die Kenntnis des "Vertretenen" gilt unmittelbar zu seinen eigenen Lasten. Bei einer Person, die keinen gesetzlichen Vertreter hat, würde dies auch keiner bezweifeln. Warum soll der körperlich schwer behinderte Betreute besser stehen, weil er sich zu seiner Entlastung einen Betreuer bestellen lässt? Bei Betreuten mit geistigen Problemen wird sich in der Praxis immer fragen, ob diese denn nun geschäftsfähig waren oder nicht.

  • § 166 BGB ist nicht anwendbar, weil die Vorschrift nur die Rechtsfolgen einer Willenserklärung, nicht jedoch deren Unterlassen betrifft (vgl. Palandt-Edenhofer § 1944 Rn. 6; MüKo-Leipold § 1944 Rn. 14).

  • Im Palandt findet sich nur der eine Satz. Im Müko steht unter der angegebenen Rn.: Es handelt sich nicht um einen Fall des § 166, und auch aus allgemeinen Grundsätzen der Stellvertretung folgt keine Zurechnung der Vertreterkenntnis. Dass der Erbe durch die Vertreterbestellung besondere Vorsorge trifft, rechtfertigt nicht, ihm deswegen den Nachteil eines Fristbeginns ohne persönliche Kenntnis aufzuerlegen.

    Das kann so nicht richtig sein. Dies könnte z.B. bei einem Geschäftsunfähigen mit Vorsorgevollmacht dazu führen, dass die Erbausschlagungsfrist über Jahrzehnte nicht läuft. (Unterstellt, dass die Form des § 1945 III BGB gewahrt ist.) § 166 I BGB gibt gerade einen allgemeinen Grundsatz des Vertretungsrechts wieder. Wieso das Gegenteil behauptet wird, wird nicht begründet. Es geht hier auch nicht nur um das Unterlassen einer Willenserklärung, sondern um eine fingierte Willenserklärung. Im Ergebnis wird der § 166 I BGB dann ohnehin (ggf. analog) angewendet.

  • Es bedarf nicht der unmittelbaren oder analogen Anwendung des § 166 BGB, um zu einer Wissenzurechnung der Kenntnis des Vertreters zu gelangen. Bei gewillkürter Vertretung ergibt sich diese Wissenzurechnung aus dem Umfang der Vollmacht (BayObLG NJW 1953, 1431 und NJW-RR 1999, 590; KG NJW-RR 2004, 801; Erman-Schlüter § 1944 Rn. 6; Soergel/Stein § 1944 Rn. 13; RGRK-Johannsen § 1944 Rn. 12). Erstreckt sie sich auch auf die Regelung des Erbfalls (zB bei der Generalvollmacht), so genügt die Kenntnis des Vertreters. Deshalb ist es zB ganz herrschende Meinung, daß die Kenntnis des Verfahrensbevollmächtigten des Erben im Nachlaßverfahren die Frist in Lauf setzt. Die Unanwendbarkeit des § 166 BGB führt also gar nicht dazu, daß die Ausschlagungfrist nicht beginnen kann.

  • BayObLG, NJW-RR 1999, 590 (592): Die Kenntnis ihres Verfahrensbevollmächtigten muß sich die Bet. zu 3 zurechnen lassen (vgl. den Rechtsgedanken des § 166 I BGB, Palandt-Heinrichs, § 166 Rdnr. 6).

    KG NJW-RR 2004, 801 stellt ausdrücklich auf § 166 I BGB ab.

    Die Behauptung von Samirah, eine Rechtsfolge könne sich unmittelbar aus dem Nichts ergeben, ohne dass sie auf eine Rechtsquelle (Gesetz, Gewohnheitsrecht) zurückzuführen ist, ist falsch. Oder anders gewendet: Wenn § 166 I BGB weder direkt, noch analog anwendbar ist, dann gibt es keine Wissenszurechnung.

  • Wie sich aus meinen mit Zitaten versehenen Stellungnahmen ergibt, habe ich die mir untergeschobene Behauptung nicht aufgestellt. Ich muß sie daher auch nicht rechtfertigen. Weil Weihnachten das Fest der Liebe ist, lasse ich es mit dieser Feststellung gut sein.

  • Weil Weihnachten das Fest der Liebe ist, lasse ich es mit dieser Feststellung gut sein.



    :einermein

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Ich möchte mich hier mal kurz anhängen.
    Die Betreuerin hat die Ausschlagung fristgerecht erklärt und das ganze liegt mir zur Genehmigung vor. Nun hat die Betroffene eine Vorsorgevollmacht erteilt und die Betreuung soll aufgehoben werden. Kann die Betreute nach Aufhebung der Betreuung die Ausschlagung genehmigen? Ist die Frist auch für die Betreute gehemmt gewesen?

  • Ich möchte mich hier mal kurz anhängen.
    Die Betreuerin hat die Ausschlagung fristgerecht erklärt und das ganze liegt mir zur Genehmigung vor. Nun hat die Betroffene eine Vorsorgevollmacht erteilt und die Betreuung soll aufgehoben werden. Kann die Betreute nach Aufhebung der Betreuung die Ausschlagung genehmigen? Ist die Frist auch für die Betreute gehemmt gewesen?

    Was ist mit der Frist für den Betroffenen selbst? Er ist doch geschäftsfähig.

  • Der geschäftsfähige Betroffene kann nicht anders behandelt werden als jeder andere Geschäftsfähige, mag er unter Betreuung stehen oder nicht. Die Kenntnis des geschäftsfähigen Betreuten setzt daher die Ausschlagungsfrist in Gang. Daneben ist der Betreuer gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB), sodaß die Frist auch beginnen kann, wenn der Betreuer Kenntnis erhält. Wenn beide Kenntnis erlangen, ist also für den Ablauf der Frist entscheidend, wer früher Kenntnis erhielt. Der Betroffene muß sich die frühere Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen. Genauso muß der Betreuer damit leben, daß die Kenntnis des Betroffenen die Frist in Gang setzt, ohne daß er davon erfährt. Das ist das „Risiko“ der Geschäftsfähigkeit, die durch die Anordnung einer Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt nicht beeinträchtigt wird.

    Ich stimme dem voll zu, stelle mir aber gerade aufgrund eine konkreten Falls die Frage, ob die obigen Ausführungen demnach bedeuten, dass bei einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögenssorge der Betreute bzgl. des Beginns der Ausschlagungsfrist einem Geschäftsunfähigen gleichzustellen ist, sprich bzgl. des Beginns der Frist es auschließlich auf die Kenntnis des Betreuers ankommt? Dies würde m. E. dem Schutzzweck des Einwilligungsvorbehalts entsprechen.

    Oder würde man argumentieren, dass es dennoch auf die frühere Kenntnis vom Betreuten oder des Betreuers ankommt, da der Betreute ja durchaus ausschlagen kann, die Wirksamkeit der Ausschlagung des Betreuten, aber "nur" von der Genehmigung des Betreuers abhängt?

    Ich habe in den hier vorliegenden Kommentaren (u. a. Palandt) nichts dazu gefunden, wie der Fall bei einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt zu behandeln ist.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Folgender Fall:

    Erbin schlägt, vertreten durch den Betreuer, das Erbe fristgerecht aus. Das Betreuungsgericht teilt dem Betreuer nach Prüfung mit, dass eine Genehmigung nicht erteilt werden kann, da das Erbe nicht überschuldet ist. Ein Versagungsbeschluss wird allerdings nicht erlassen. Nun ist die Betreuung aufgehoben worden und die ehemalige Betreute beantragt einen Erbschein zu Ihren Gunsten. Muss sie hierzu noch irgendwas gesondert erklären bzgl. der nicht genehmigten Ausschlagung?

  • Folgender Fall:

    Erbin schlägt, vertreten durch den Betreuer, das Erbe fristgerecht aus. Das Betreuungsgericht teilt dem Betreuer nach Prüfung mit, dass eine Genehmigung nicht erteilt werden kann, da das Erbe nicht überschuldet ist. Ein Versagungsbeschluss wird allerdings nicht erlassen. Nun ist die Betreuung aufgehoben worden und die ehemalige Betreute beantragt einen Erbschein zu Ihren Gunsten. Muss sie hierzu noch irgendwas gesondert erklären bzgl. der nicht genehmigten Ausschlagung?

    Wäre natürlich schön gewesen, wenn es so im Antrag stünde, aber verlangen kannst du wohl nur, dass die Erbschaft angenommen wurde.

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