Gutgläubiger Erwerb - vorweggenommene Erbfolge

  • Hallo, ich bräuchte mal wieder euren Rat:
    für den jeweiligen Eigentümer von Flst. 123 war ein Forstrecht eingetragen, das u. a. ein Weiderecht beinhaltete. Mit notarieller Urkunde aus dem Jahr 1966 wurde die Ablösung dieses Weiderechts vereinbart und die Eintragung der Ablösung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Laut der in der Grundakte befindlichen Eintragungsverfügung ist die Eintragung dieser teilweisen Ablösung des Forstrechts (nämlich hins. des Weiderechts) damals auch erfolgt.
    Im Jahr 1973 wurde das mit dem Forstrecht belastete Blatt umgeschrieben, wobei der Vermerk hins. der erfolgten teilweisen Ablösung des Forstrechts wohl nicht mit übertragen wurde. Das Forstrecht steht seither also wieder in vollem Umfang im belasteten Blatt ("Forstrecht, und zwar a) Holzrecht.... b) Weiderecht an den Flsten. ...").
    Im Jahr 2003 wurde das berechtigte Flst. von den damaligen Eigentümern in Erbengemeinschaft A und B an den C (Sohn des A) aufgelassen. Im Übergabevertrag wurden je ein Leibgeding für die Übergeber sowie ein Wohnrecht für die Schwester des Erwerbers bestellt, welche gleichzeitig mit der Auflassung im Grundbuch eingetragen wurden.

    Der C möchte nun das eigentlich nicht mehr bestehende Weiderecht wieder ausüben und beruft sich auf gutgläubigen Erwerb des Rechts, da zum Zeitpunkt seiner Eintragung als Eigentümer das Weiderecht ja im Grundbuch eingetragen war.

    Sollte es sich bei der Übergabe an den C um eine Übergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handeln, wäre gutgläubiger Erwerb nach § 892 BGB ausgeschlossen.
    Laut Notar, welcher den Übergabevertrag von A und B an den C beurkundet hat, handelte es sich bei dieser Übergabe nach den allgemeinen Grundsätzen um eine vorweggenommene Erbfolge. Seitens des A ist dies wohl so, der C (bzw. dessen Anwalt) meint nun aber, dass seine Tante B ja auch Miteigentümerin war und es sich deshalb nicht um eine vorweggenommene Erbfolge handeln kann!?!

    Etwas problematisch ist, dass sich kein Handblatt des Grundbuchblattes, in welchem das Weiderecht ursprünglich eingetragen war und in dem wohl auch der Ablösungsvermerk eingetragen wurde, mehr auffinden lässt. Auch beim Staatsarchiv konnte nichts gefunden werden.

    In dem ursprünglichen Blatt des berechtigten Flst. (welches im Jahr 1982 umgeschrieben wurde und in dem der Herrschvermerk nur noch lautet "Forstrecht eingetragen in Blatt....") wurde die Ablösung im Bestandsverzeichnis jedoch vermerkt, außerdem liegt eine Eintragungsverfügung mit Erledigungsvermerk in der Grundakte, weshalb man wohl davon ausgehen kann, dass die Ablösung im Blatt des belasteten Grundstücks eingetragen wurde.

    Ich habe also zugunsten des Eigentümers des mit dem Weiderecht belasteten Grundstücks einen Amtswiderspruch gegen die Nicht-Mitübertragung des Ablösungsvermerks hins. des Weiderechts bei der Umschreibung des Grundbuchblattes eingetragen, gegen welchen der RA des C nun Beschwerde eingelegt hat, eben weil die Übergabe nicht im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt sein soll und gutgläubiger Erwerb deshalb stattgefunden hat.

    Weiß irgendwer, wie das mit der vorweggenommenen Erbfolge (insbes. hins. der Tante B) ist?

  • Es wäre mir egal.

    Wenn hinsichtlich der Überlassung durch A von gutgläubigem Erwerb nicht ausgegangen werden kann, dann heißt das m. E. im Umkehrschluss, dass C als bösgläubig zu betrachten sein muss.

    Dann rettet es seinen Erwerb nicht, wenn nun irgendwie wieder Gutgläubigkeit konstruiert werden soll, denn ich kann nicht eine Sache gleichzeitig wissen und auch wieder nicht wissen. Diese Fähigkeit geht Menschen im Allgemeinen im frühen Kindesalter verloren.

    Der Fall selbst wirft die weitere (interessante und bislang m. W. unbeantwortete) Frage auf, ob nicht schon deswegen von Bösgläubigkeit auszugehen wäre, weil (nach einer Ansicht) für die Frage der Grundbuchunrichtigkeit vom Grundbuch insgesamt auszugehen sei, also von der Gesamtheit aller Grundbücher, und in diesem Fall vorliegend ein gutgläubiger Erwerb kaum in Betracht kommen dürfte, weil die Teilablösung ja bereits eingetragen war.

    Praktisch würde mich das alles nicht interessieren, denn der Widerspruch ist eingetragen. Hiergegen ist Beschwerde eingelegt. Du fährst am sichersten, wenn Du der Beschwerde nicht abhilfst und das Landgericht entscheidet.

    An dieser Entscheidung wäre ich übrigens interessiert.

    Nach der LG-Entscheidung über die Beschwerde können sich die Beteiligten - also C und der Eigentümer des mit dem Forstrecht belasteten Grundstücks - einigen oder vor Gericht weiter streiten.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Grundsätzlich war ein gutgläubiger Erwerb möglich, wenn sich das Erlöschen des Weiderechts nicht aus dem Grundbuch des belasteten Grundstücks ergab und der Inhalt des im Grundbuch des herrschenden Grundstücks eingetragenen Herrschvermerks den Erwerber nicht bösgläubig machte (vgl. Palandt-Bassenge § 892 Rn. 11). Dazu hat Andreas schon Ausführungen gemacht.

    Problematisch ist der Gesichtspunkt der vorweggenommenen Erbfolge. Ich hätte an Stelle des Kollegen anders argumentiert und nicht erst bei der Frage angesetzt, ob eine solche vorliegt. Ich teile nämlich nicht die herrschende Ansicht, daß ein gutgläubiger Erwerb bei vorweggenommener Erbfolge ausgeschlossen ist (vgl. zB OLG Zweibrücken FGPrax 1999, 208 und LG Bielefeld Rpfleger 2002, 200). Begründet wird sie damit, daß ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich wäre, wenn der Erwerber das Grundstück vom Eigentümer erbt und daß nichts anderes gelten kann, wenn er es bereits im Weg der vorweggenommenen Erbfolge erhält. Das sind reine Wertungsgesichtspunkte, die den sachenrechtlichen Zuordnungsprinzipien grundsätzlich fremd sind. Bei der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb. Dieser ist nach § 892 BGB geschützt – Gutgläubigkeit unterstellt. Ob der Erwerber das Grundstück später kraft Gesetzes im Weg der Erbfolge erhalten hätte, ist irrelevant. Der BGH hat die Frage bisher offen gelassen (vgl. BGHZ 30, 255 und BGH NJW 1982, 761). Er hat aber kürzlich in einer anderen Frage gegen die herrschende Meinung entschieden, als er die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eines Miteigentumsanteils durch einen anderen Bruchteilseigentümer anerkannte (BGH NJW 2007, 3204). Wie er auf eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG entscheiden würde, ist deshalb offen.

    Die Argumentation des Kollegen ist auch noch aus einem anderen Grund gefährlich. Für die Annahme einer vorweggenommenen Erbfolge ist es ausreichend, dass ein künftiger Erblasser sein Vermögen schon zu seinen Lebzeiten auf als künftige Erben in Aussicht genommene Erwerber überträgt (vgl. Palandt-Edenhofer, Einleitung vor § 1922 Rn. 6). Das kann also auch für die (zB kinderlose) Tante des Erwerbers gelten, wenn sie ihren Neffen für den Zweck der Übertragung als ihren künftigen Erben ansah. Gerade die in der Argumentation des Kollegen anklingenden Schwierigkeiten bei der tatbestandlichen Abgrenzung der successio anticipata sprechen nach meiner Ansicht aber gegen die herrschende Meinung. Der Ausschluß des öffentlichen Glaubens ist keineswegs bei jeder unter Lebenden erfolgenden Übertragung von Grundbesitz auf einen voraussichtlichen Erben angebracht (vgl. RGZ 136, 148, 150). Bloße Schenkungen müssen, auch wenn sie unter Anrechnung auf ein künftiges Erb- oder Pflichtteilsrecht erfolgen, von der vorweggenommenen Erbfolge unterschieden werden. Die von der herrschenden Ansicht vorgenommene Abgrenzung, daß ein gutgläubiger Erwerb nur ausgeschlossen ist, wenn die Eigentumsübertragung in ihrer tatsächlichen Gestaltung und nach dem Willen der Vertragsbeteiligten die Züge einer Vorwegnahme der Erbfolge in sich trägt (vgl. RG aaO), ist zu unsicher, um hiervon einen sachenrechtlichen Erwerb abhängig zu machen. Wo will man die exakte Grenze zwischen einer normalen Schenkung und einer vorweggenommenen Erbfolge ziehen?

  • Eben diese Grenze kann ich nicht ziehen, die Überlassungsurkunde insoweit auszulegen maße ich mir nicht an. Dies ist m.E. eine Aufgabe, die ein Richter am Landgericht übernehmen sollte, nicht aber ich als Grundbuchrechtspfleger. Im Hinblick auf eine ergebnisorientierte Lösung muss vielleicht noch angemerkt werden, dass der Berechtigte des Weiderechts zu einer (nochmaligen) Ablösung gegen eine entsprechende Ablösesumme bereit wäre, nachweislich ist eine solche aber bereits im Jahr 1966 geflossen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der C zum Zeitpunkt seines Erwerbs gewusst hat, dass eine Ablösung des Weiderechts schon früher stattgefunden hat. Es kommt ihm nach Auskunft des Eigentümers des belasteten Grundstücks nur darauf an, aus der beim GBA "vermasselten" Umschreibung einen Profit zu ziehen, und das kann wohl nicht sein.

  • Die Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit können wir aufgrund der zur Verfügung gestellten Angaben nicht beantworten. Jeder Beteiligte argumentiert zu seinem eigenen Vorteil. Interessant an dem Fall ist das grundsätzliche Problem des Gutglaubensschutzes bei vorweggenommener Erbfolge. Diese Frage muß das Beschwerdegericht beantworten. Wenn gutgläubiger Erwerb abweichend von der herrschenden Ansicht möglich ist, wäre keine Grundbuchunrichtigkeit anzunehmen, weil der gute Glaube des Erwerbers grundsätzlich zu unterstellen ist. Andererseits müßte die Beschwerde zurückgewiesen werden, wenn sich das Landgericht der herrschenden Meinung anschließt. Dazu müßte es aber auch feststellen, daß es sich in diesem Einzelfall um eine vorweggenommene Erbfolge durch beide Veräußerer handelt.

  • Wenn man sich der herrschenden Meinung anschließt, wäre auch eine interessante Frage, was zu gelten hätte, wenn nur in der Person eines der beiden Übergeber der Tatbestand der vorweggenommenen Erbfolge erfüllt wäre. Außerdem, ob man zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt, wenn beide Veräußerer in Erbengemeinschaft oder in Bruchteilsgemeinschaft Eigentümer waren.

  • So, das Landgericht hat entschieden:
    die Beschwerde gegen die Eintragung des Amtswiderspruchs wurde zurückgewiesen!!!
    Das Beschwerdegericht hat sich meinen Begründungen vollumfänglich angeschlossen; zur Problematik hinsichtlich der vorweggenommenen Erbfolge bezüglich des überlassenen Anteils der Tante wurde ausgeführt: "Dem Charakter der Hofübergabe steht auch nicht entgegen, dass auch der Tante des Beschwerdeführers, Frau M. S., die gemeinsam mit dem Vater des Beschwerdeführers Miteigentümerin des Anwesens war, Gegenleistungen ähnlich denen an seine Eltern eingeräumt werden. Die vorweggenommene Erbfolge ist nicht auf die Erben erster Ordnung beschränkt."

    Und dass hier überhaupt eine vorweggenommene Erbfolge vorliegt, ergibt sich aus der Übertragung des Vermögens durch den künftigen Erblasser auf eine oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger (BGH vom 30.01.1991, NJW 1991, 1345). Wie es bei Hofübergaben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge üblich ist, wurden auch hier den Übergebern verschiedene Gegenrechte, die die Altersvorsorge des Erblassers absichern sollen, vereinbart (zB Wohnungsrecht samt Heizung, Wasser und Strom, Wart und Pflege bei Alter und Gebrechlichkeit und ein Taschengeld, vgl. hierzu auch Staudinger, BGB, Bearb. 2005, § 516 Rdnr. 110).

    Einmal editiert, zuletzt von Punkti (23. Januar 2009 um 08:55) aus folgendem Grund: Klarnamen entfernt

  • Gehe ich richtig in der Annahme dass das Weiderecht seit der Umschreibung 1973 ununterbrochen im Grundbuch bestanden hat? Somit hätte sich ja der Anwalt des C auch auf Ersitzung gemäß § 900 BGB berufen können. Wie wäre eurer Meinung nach der Fall aus dieser Sicht ausgegangen?

    mfg Schorsch

  • Seit der Umschreibung 1973 stand das Weiderecht ununterbrochen im Grundbuch der belasteten Grundstücke.

    Dort steht es übrigens auch heute noch, der Grundstückseigentümer hat den C zur Abgabe einer Löschungsbewilligung verklagt, bisher wurde aber noch nicht entschieden.

    Da C und auch sein Vater bzw. B um die Ablösung des Weiderechts gewusst haben, gehe ich nicht davon aus, dass dieses in der Zeit seit 1973 weiter ausgeübt wurde - weshalb die Anwendung des § 900 BGB wohl entfallen dürfte.

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