Aufsatz "Der nichtige 'scheinmaschinelle' Grundpfandrechtsbrief" (Rpfleger 2009, 1)

  • Vielleicht verweist ja einer der um Stn. gebetenen Kollegen mal auf das Forum hier.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • So nach mehr als 10 Jahren und einer Änderung des § 87 GBV zum 09.10.2013, welcher nunmehr ausdrücklich die Nachbearbeitung der aus dem Grundbuch auf den Brief zu übertragenden Angaben für zulässig erklärt, wäre es mal interessant Meinungen zu erfahren, ob die Auffassung Bestelmeyers aus dem Jahre 2009 auf den geänderten Wortlaut der Vorschrift noch Bestand haben kann und inwieweit der maschinelle Brief abweichend von § 56 Abs. 2 GBO sich in der Rechtspraxis "durchgesetzt" hat.

    In Sachsen-Anhalt besteht der "Luxus", abweichend des Wortlauts nach § 56 Abs. 2 GBO, dass der Grundbuchführer unter Beidrückung des Stempels alleine die Briefe unterschreiben darf, vgl. § 150 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und 3 GBO, § 17 Nr. 2 und S. 2 AGGVG LSA (unverändert gemäß Art. 2 GVGAGÄndG ST vom 15.03.1995 mit Wirkung zum 01.01.1995, GVBl. LSA 1995, 72). Danach besteht unter den Kollegen hier kein Bedürfnis die Sollvorschrift des § 87 GBV überhaupt zu Rate zu ziehen.

  • .... Danach besteht unter den Kollegen hier kein Bedürfnis die Sollvorschrift des § 87 GBV überhaupt zu Rate zu ziehen.

    Verstehe ich nicht so recht. § 87 S. 1 GBV schreibt doch nun die maschinelle Briefherstellung vor (siehe Püls in Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht – Kommentar, 8. Auflage 2019, § 87 GBV RN 1). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundesrats-Drucksache 794/12 vom 21.12.2012 zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs (DaBaGG),
    https://dserver.bundestag.de/brd/2012/0794-12.pdf
    führt dazu auf Seite 49 aus (Hervorhebung durch mich):

    „Daher soll durch die nunmehr vorgeschlagene Änderung des § 87 Satz 1 GBV die maschinelle Briefherstellung vorgeschrieben werden“.

    Die Ausgestaltung als „Sollvorschrift“ hat lediglich die Bedeutung, dass zum Schutz des Rechtsverkehrs auch Briefe, die gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 GBO auf herkömmliche Weise erstellt wurden, weiterhin volle Gültigkeit besitzen sollen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)



  • „Daher soll durch die nunmehr vorgeschlagene Änderung des § 87 Satz 1 GBV die maschinelle Briefherstellung vorgeschrieben werden“.

    Die Ausgestaltung als „Sollvorschrift“ hat lediglich die Bedeutung, dass zum Schutz des Rechtsverkehrs auch Briefe, die gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 GBO auf herkömmliche Weise erstellt wurden, weiterhin volle Gültigkeit besitzen sollen.

    So konkurriert m.E. die GBV zum immer noch geltenden § 150 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und 3 GBO i.V.m. dem Erlass landesrechtlicher Vorschriften schon allein in Bezug auf die besondere funktionelle Zuständigkeit - auch zur Erteilung der Briefe wie bereits oben dargestellt. Danach deckt sich m.E. der Ausschluss von § 87 GBV mit dem Wortlaut in § 113 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GBV. Insoweit ist schon fraglich, ob der Bundesverordnungsgeber das bei Erteilung maschineller Briefe auch im Blick hatte?!

  • Die von Dir genannten Bestimmungen stammen aber aus der Zeit vor der Einführung des § 87 GBV.

    So wurde § 17 AGGVG durch das Gesetz vom 15.3.1995 (GVBl. LSA S. 72) neu gefasst. Eine Regelung, wie sie in Absatz 2 Ziffer 3 für die Erteilung von Grundpfandrechtsbriefen durch die Bediensteten, denen die Führung des Grundbuchs übertragen ist, vorgesehen ist, nämlich dass es der Unterschrift eines weiteren Bediensteten nicht bedarf, haben aber offenbar alle neuen Bundesländer getroffen. Jedenfalls führt die Kommentierung von Barrot im BeckOK, Graf, Stand 15.11.2021 zu 17 AGGVG LSA in RN 2.2 aus: „Alle neuen Bundesländer haben dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach der Wiedervereinigung bestimmte Aufgaben übertragen und iÜ die alleinige Unterschriftsbefugnis des Grundbuchführers und des Urkundsbeamten beibehalten. Mit dem Übergang des Grundbuchwesens in die förmliche gerichtliche Zuständigkeit ist in Sachsen-Anhalt – im Interesse der Übersichtlichkeit und Rechtsklarheit – die alleinige Zuständigkeit des Grundbuchführers und des Urkundsbeamten im AGGVG beibehalten worden (LSA Drs. 2/412, 4 f.)“.

    Im Zusammenhang mit der Brieferteilung nach § 87 GBV kann diese Bestimmung also nicht stehen.

    Wie sich aus der Abhandlung von Weike/Schad, „Grundpfandrechtsbriefe „scheinmaschinell“ und damit nichtig?“, notar 1/2011, 31 ff.
    https://www.dnotv.de/wp-content/uploads/0111.pdf
    unter „III. Beispiele der Brieferstellung in der gerichtlichen Praxis“ ergibt, werden z. B. in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Briefe aus dem EDV-System „SolumSTAR“ hergestellt und enthalten durchweg den Zusatz: „Maschinell hergestellt und ohne Unterschrift gültig“. NRW habe eine entsprechende Regelung in der landeseigenen Grundbuchgeschäftsanweisung aufgenommen (§ 21 Abs. 2 GBGA – AV d. JM vom 28.8.2007 (3850-I.58), JMBl. NRW S. 217).

    Das ist auch das, was die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundesrat Drucksache 794/12 vom 21.12.2012, zu § 87 GBV vorsieht („Wird das Grundbuch maschinell geführt, können Grundpfandrechtsbriefe bisher auf zwei verschiedene Arten erteilt werden, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Zum einen kann die Brieferteilung auf die herkömmliche Weise nach § 56 Absatz 1 Satz 2 GBO erfolgen, indem der Brief mit Unterschrift und Siegel oder Stempel versehen wird. Zum anderen können die Briefe nach § 87 GBV maschinell hergestellt werden. Maschinell hergestellte Briefe bedürfen zu ihrer Wirksamkeit keiner Unterschrift und müssen nicht von Hand gesiegelt oder gestempelt sein. Mit der Vorschrift, die auf das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2182) zurückgeht, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Erteilung von Grundpfandrechtsbriefen durch die Nutzung der sich aus der maschinellen Grundbuchführung ergebenden technischen Möglichkeiten zu vereinfachen. Das Nebeneinander dieser beiden Briefvarianten ist im Rechtsverkehr auf wenig Verständnis gestoßen. Daher soll durch die nunmehr vorgeschlagene Änderung des § 87 Satz 1 GBV die maschinelle Briefherstellung vorgeschrieben werden…“

    Allerdings geht auch die Bayerische Geschäftsanweisung zur Grundbuchsachenbehandlung https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath…=3&lasthit=True
    in Ziffer 6.1.1.3 noch von der Möglichkeit der Herstellung der Grundpfandbriefe in der bisherigen Form aus („Wird nicht nach § 87 oder § 89 GBV verfahren, bedürfen Briefe oder nachträgliche Vermerke der Unterschrift des Rechtspflegers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 56 Abs. 2 GBO)“

    Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 135 GBO enthält nur eine Verordnungsermächtigung, von der bisher nur in Baden-Württemberg und Sachsen Gebrauch gemacht wurde) wird sich diese Frage aber von selbst lösen. Allerdings sind auch dann die Grundpfandbriefe noch in Papierform vorzulegen (Wilsch im BeckOK GBO, Hrsg. Hügel, Stand: 01.11.2021, § 137 RN 6a).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Die von Dir genannten Bestimmungen stammen aber aus der Zeit vor der Einführung des § 87 GBV.

    So wurde § 17 AGGVG durch das Gesetz vom 15.3.1995 (GVBl. LSA S. 72) neu gefasst. Eine Regelung, wie sie in Absatz 2 Ziffer 3 für die Erteilung von Grundpfandrechtsbriefen durch die Bediensteten, denen die Führung des Grundbuchs übertragen ist, vorgesehen ist, nämlich dass es der Unterschrift eines weiteren Bediensteten nicht bedarf, haben aber offenbar alle neuen Bundesländer getroffen. Jedenfalls führt die Kommentierung von Barrot im BeckOK, Graf, Stand 15.11.2021 zu 17 AGGVG LSA in RN 2.2 aus: „Alle neuen Bundesländer haben dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach der Wiedervereinigung bestimmte Aufgaben übertragen und iÜ die alleinige Unterschriftsbefugnis des Grundbuchführers und des Urkundsbeamten beibehalten. Mit dem Übergang des Grundbuchwesens in die förmliche gerichtliche Zuständigkeit ist in Sachsen-Anhalt – im Interesse der Übersichtlichkeit und Rechtsklarheit – die alleinige Zuständigkeit des Grundbuchführers und des Urkundsbeamten im AGGVG beibehalten worden (LSA Drs. 2/412, 4 f.)“.

    Im Zusammenhang mit der Brieferteilung nach § 87 GBV kann diese Bestimmung also nicht stehen.



    Mag dem so sein, dass der Justizverwaltung in unserem Lande als Verordnungsgeber der § 87 GBV noch nicht geläufig ist, mag dem auch sein, dass der von Dir zitierte Barrot den § 17 AGGVG LSA nicht allseits auch zur Brieferteilung kommentierte. Allerdings scheint auch der Bundesgesetzgeber bisher an den gemachten Zuständigkeitsverhältnissen - auch unter Einschluss der Erteilung von Briefen, sonst hätte er ja schon längst den § 56 GBO auf § 87 GBV anpassen können - in den Neuen Ländern nicht zu rütteln, denn der § 150 GBO in seiner Neufassung seit 11.8.2009 wurde seit Bestehen der Möglichkeit des § 87 GBV (mit Neufassung der GBV am 24.01.1995, BGBl. 1995, S. 114) 5x(!) geändert (vgl. Buzer) und in Bezug auf den wortgleichen Vorgänger des § 144 GBO (i.d.F. vom 19.10.1994, Bestand bis 31.08.2008!) 1x geändert (gültig ab 01.09.2009 bis 30.09.2009 (danach umnummeriert zu § 150 GBO), zitiert nach juris). D.h. der Bundesgesetzgeber hätte bereits mehrfach die Verfallklausel in § 150 GBO auch auf die funktionelle Zuständigkeit ausweiten können und die besondere Unterschriftenregel damit hinfällig machen können - hat er aber nicht mit der Folge, dass ich zumindest bezweifle den § 87 GBV als konkrete Sollvorschrift in Bezug auf § 17 AGGVG LSA in Sachsen-Anhalt auszulegen.

    Insoweit kann ich auch für die Zukunft in Bezug auf den Elektronischen Rechtsverkehr nichts entnehmen, was der "herkömmlichen" Brieferteilung entgegensteht. Wilsch (BeckOK GBO/Wilsch GBO Stand: 01.11.2021 § 137 Rn. 6, 6a, § 137 RN 6a) sagt ja nur, dass der Brief in Papierform erteilt werden wird, nicht wie und solange wie im Ergebnis die §§ 56 und 150 GBO in ihrer Fassung bleiben, wer weiß....

  • Ich habe einen gerade erst hergestellten Grundschuldbrief vorgelegt bekommen. Er wurde auf herkömmliche Weise erstellt, sodass sich das betreffende Grundbuchamt offenbar nach wie vor auf der sicheren Seite befinden möchte. Wie viele Grundbuchämter in dieser Weise verfahren, bleibt allerdings Spekulation.

  • Ich habe einen gerade erst hergestellten Grundschuldbrief vorgelegt bekommen. Er wurde auf herkömmliche Weise erstellt, sodass sich das betreffende Grundbuchamt offenbar nach wie vor auf der sicheren Seite befinden möchte. Wie viele Grundbuchämter in dieser Weise verfahren, bleibt allerdings Spekulation.


    Ich denke es sind nicht viele. Bei unserem Grundbuchamt mit dutzenden Sachbearbeitern bin ich womöglich der einzige, der Grundschuldbriefe noch unterschreibt. Bin eben ein Traditionalist. Spätere Vermerke wie Abtretung oder Löschung sind nach wie vor zu unterschreiben, also warum nicht die Erstausstellung? Der Mehraufwand ist minimal. Ein Rationalisierungseffekt ist deshalb durch die Einführung des maschinellen Briefes nicht erzielt worden. Also was soll das Ganze überhaupt?! Allerdings weiß ich seit der Lektüre hier, dass ich damit gegen eine Sollvorschrift verstoße.

  • Ich habe einen gerade erst hergestellten Grundschuldbrief vorgelegt bekommen. Er wurde auf herkömmliche Weise erstellt, sodass sich das betreffende Grundbuchamt offenbar nach wie vor auf der sicheren Seite befinden möchte. Wie viele Grundbuchämter in dieser Weise verfahren, bleibt allerdings Spekulation.


    Ich denke es sind nicht viele. Bei unserem Grundbuchamt mit dutzenden Sachbearbeitern bin ich womöglich der einzige, der Grundschuldbriefe noch unterschreibt. Bin eben ein Traditionalist. Spätere Vermerke wie Abtretung oder Löschung sind nach wie vor zu unterschreiben, also warum nicht die Erstausstellung? Der Mehraufwand ist minimal. Ein Rationalisierungseffekt ist deshalb durch die Einführung des maschinellen Briefes nicht erzielt worden. Also was soll das Ganze überhaupt?! Allerdings weiß ich seit der Lektüre hier, dass ich damit gegen eine Sollvorschrift verstoße.

    Das wirst Du sicher überleben.

    Wäre ich im Grundbuchamt, würde ich es genauso handhaben.

  • Ich habe einen gerade erst hergestellten Grundschuldbrief vorgelegt bekommen. Er wurde auf herkömmliche Weise erstellt, sodass sich das betreffende Grundbuchamt offenbar nach wie vor auf der sicheren Seite befinden möchte. Wie viele Grundbuchämter in dieser Weise verfahren, bleibt allerdings Spekulation.

    In meinem Grundbuchamt haben wir es bisher auf die alte Art und Weise gehandhabt. Im Grunde genommen aus Gewohnheit und weil es bei Anwesenheit im Gericht kaum Mehrarbeit bedeutete. Im Zuge von Corona/Home-Office sind wir nun immer mehr auf die Bearbeitung gemäß § 87 GBV umgeschwenkt, da hier eine deutliche Beschleunigung der Bearbeitung gegeben ist.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!