Kostenstundung + Masseverbindlichkeit

  • Guten Morgen alle zusammen,
    ich glaube ich stehe gerade etwas auf der Leitung.
    Ich habe gerade ein Stundungsverfahren auf dem Tisch, in dem der Verwalter Masse einnehmen konnte (Kontostand ca. 5.000 €). Er legt dar, dass Masseverbindlichkeiten von ca. 5.000 € nicht berichtigt werden können, da die Masse nicht ausreicht um die Verfahrenskosten (ca. 8.500 €) zu decken. Nun beantragt er Einstellung nach § 211.
    Gelten die gestundeten Kosten nicht als "gezahlt", so dass er aus der Restmasse die Masseverbindlichkeiten ausgleichen müßte?
    Oder liege ich jetzt komplett falsch?

  • Die Stundung der Verfahrenskosten gilt meiner Meinung nach (und nach § 4a Abs. 1 InsO) nur insoweit, als das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, die Kosten zu decken. Ist also Masse da, ist die zuerst auf die Verfahrenkosten zu "verrechnen", auch und gerade wenn die gestundet sind. Die nachfolgenden Massegläubiger gehen leer aus (siehe auch § 209 InsO). Für ein IK-Verfahren sind deine Kosten aber ganz schön hoch!

  • Wenn Masse vorhanden ist, ob gestundet oder nicht, dann sind immer zuerst die Kosten zu berichtigen § 53 InsO. Sonst würden die Massegläubiger ja zu Lasten der Staatskasse (die die vorrangigen Kosten dann zu tragen hätte) Befriedigung finden.
    Das wäre und ist nicht im Sinne der Verfahrenskostenstundung.

  • Angenommen es würden in einem Stundungsverfahren keine weiteren sonstigen Masseverbindlichkeiten bestehen und die Verfahrenskosten würden durch die Masse nicht vollständig gedeckt (also eigentlich der tägliche Regelfall), stellt ihr dann nach § 211 InsO ein oder hebt ihr nach § 200 InsO das Verfahren auf?
    Dadurch, dass wir hier ständig neue Verwalter haben, teilen sich bei uns nun hier die Meinungen der Verwalter. Die einen regen die Einstellung, die anderen die Aufhebung an.

  • Unterschiedliche Ansichten, beide Wege sind gangbar.
    Grundsätzlich führen wir die Verfahren zu Ende und machen regulären Schlusstermin, Aufhebung dann nach § 200.

  • Hallo Anett,
    es handelt sich um ein IN-Verfahren und aus verwertetem Anlagevermögen konnten ca. 11.000 € erwirtschaftet werden, wobei aber 6.000 € Umsatzsteuer an das FA abgeführt wurden.
    Vielen Dank für Eure Antworten!

  • Ich muß nochmal nachfragen.
    Der Insolvenzverwalter hat das Anlagevermögen veräußert - der Erwerber zahlte jedoch nur den Kostenbeitrag (9% aus 38.200 €) sowie die USt (6112 €) an die Masse. Die USt wurde an das FA weitergeleitet. Die USt fließt damit voll in die Berechnung der Teilungsmasse ein, oder?
    Nach meinem Bauchgefühl würde ich sie eher als "durchlaufend" abziehen.
    Aber Masseverbindlichkeiten sind ja nach § 1 Abs.2 Nr4 InsVV nicht abzusetzen. Als Ergebnis habe ich eine höhere Vergütung als die nun vorhandene Insolvenzmasse.

  • Das kann passieren.

    Ich hatte auch mal bei einem gestundeten IN Verfahren einen recht hohen Betrag aus der Staatskasse zu gewähren, da vergütungsrechtliche Teilungsmasse hoch war und die Vergütung am Ende die vorhandene Masse überstieg. War also eigentlich ein Fall für mangels Masse, mittels Stundung und RSB aber ein Verlustgeschäft für die Staatskasse.

  • Bei Verfahren ohne Stundung "streiten" wir uns hier auch immer wieder, ob man die Umsatzsteuer als Durchlaufposten zu sehen hat und nicht in die Teilungsmasse mit einbezieht (da die Umsatzsteuer ja faktisch der Masse gar nicht zusteht und der Verwalter sie sofort weiterleitet), oder ob man den Verwalter mit einem Teil seiner Vergütung ausfallen läßt, weil er ja vorrangig Masseverbindlichkeiten beglichen hat (Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt). Das wird insbesondere bei "Altverfahren" (EÖ vor 01.12.2001) natürlicher Personen mit RSB-Antrag wichtig, da die ja bei § 207 InsO keine RSB erhalten würden. Fände ich aber ungerecht.

    Ansonsten stelle ich bei Stundungsverfahren, wenn keine oder zu wenig Masse da ist, immer nach § 211 InsO ein, denn die Verfahrenskosten sind durch die Stundung gedeckt, die Massegläubiger fallen aus - entspricht dem Wortlaut des § 208 InsO. Und die § 38er-Gläubiger bekommen sowieso nichts - also keine § 200er- Verteilung.

  • Wie schon gesagt, ich halte beide Wege für machbar.
    Macht Ihr denn auch bei der § 211 Einstellung einen regulären Schlusstermin?

  • Der Fehler war, dass die USt. nicht "vorab" an das FA hätte abgeführt werden dürfen. Die USt. ist zivilrechtlich Teil des Kaufpreises; dieser Kaufpreisanteil unteliegt keiner treuhänderischen Bindung; der Fiskus hat hieran auch kein Absonderungsrecht. Problem ist, dass der Fiskus den Verwalter nach § 61 InsO in Regress nehmen kann. Mein Vorschlag: der Verwalter weisst den Käufer auf dessen Haftungsrisiko gem. § 25 d Abs. 1 UStG hin (hiernach haftet der Erwerber für die nicht abgeführte USt. wenn er weiss, dass Verkäufer nicht abführt). Dann steht dem Käufer insoweit ein Zurückbehaltungsrecht am Kaufpreis in dieser Höhe zu. Diesen einbehaltenen Betrag führt der Käufer auf seine potentielle Haftungsschuld an den Fiskus ab. Verwalter vereinnahmt nur den Nettokaufpreis und das Problem ist gelöst, leider mit geringerer Vergütung fürden Verwalter. Aber vielleicht erhält er einen Zuschlag für seine saubere Lösung.

    Achtung: oft wurde der Geschäftsbetrieb des einzelkaufmännischen Schuldners bereits vor Verfahrenseröffnung eingestellt. Dann endet an diesem Tag dessen Unternehmereigenschaft i.S. UStG. Für das gesamt Betriebsvermögen entsteht an diesem Tag die sog. Entnahmeumsatzsteuer (in der Rangklasse § 38 InsO!). Der Verwalter darf (!) das Vermögen alsdann nicht mehr mit USt. verkaufen. Macht er es dennoch, muss er die USt. abführen, der Erwerber ist jedoch, trotz Rechnung, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Glücklicherweise merkt es selten jemand, ab lange drohendes Haftungsrisiko für Verwalter.

  • Zitat von Pleitegeier

    Achtung: oft wurde der Geschäftsbetrieb des einzelkaufmännischen Schuldners bereits vor Verfahrenseröffnung eingestellt. Dann endet an diesem Tag dessen Unternehmereigenschaft i.S. UStG. Für das gesamt Betriebsvermögen entsteht an diesem Tag die sog. Entnahmeumsatzsteuer (in der Rangklasse § 38 InsO!). Der Verwalter darf (!) das Vermögen alsdann nicht mehr mit USt. verkaufen. Macht er es dennoch, muss er die USt. abführen, der Erwerber ist jedoch, trotz Rechnung, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Glücklicherweise merkt es selten jemand, ab lange drohendes Haftungsrisiko für Verwalter.



    Sehr interessanter Aspekt! Wie hältst Du es dann aber mit der missglückten BFH-Entscheidung bzgl. USt auf die Lästigkeitsprämie beim Grundstücksverkauf? Das beste, was ich dazu bisher gefunden habe, ist Beck, ZInsO 2006, 244, 246. Auch damit weiss ich angesichts Deines Hinweises allerdings nicht, was der Königsweg in folgendem Fall ist:

    Schuldner hat vor InsEröffnung seinen Betrieb dicht gemacht. Betriebsgegenstand war auch Vermietung und Verkauf von Immobilien. Im Insolvenzverfahren habe ich noch 3+X Immobilien zu verwerten, die natürlich bis über die Hutschnur belastet sind.

    Nach Deiner Darstellung dürfte ich wohl gar keine USt. mehr auf die Lästigkeitsprämie verlangen; nach BFH und Beck scheine ich aber zu müssen. Klar ist nur: Wenn ich es falsch mache, bin ich dran.

    :bahnhof:

  • Aber Beck hat auf S. 246 diesen Aspekt doch ausdrücklich angesprochen:

    "Soweit der Insolvenzschuldner umsatzsteuerlich kein Unternehmer ist - dies dürfte häufig in Verbraucherinsolvenzen der Fall sein -, liegt kein steuerbarer Umsatz gem. §1 Abs.1 Nr.1 UStG vor, selbst wenn der Auffassung des BFH i.Ü. zu folgen wäre. Durch die Insolvenz ändert sich daran nichts. Auch wenn der IV selbst Unternehmer i.S.d. UStG ist, färbt seine Tätigkeit nicht auf die des Insolvenzschuldners ab. Die Unternehmereigenschaft muss in der Person des Insolvenzschuldners, nicht der des IV vorliegen.
    Zum Unternehmer wird der Insolvenzschuldner auch nicht durch einen vom IV bewirkten Umsatz, jedenfalls solange nicht, wie die auf den Umsatz gerichtete Tätigkeit nicht nachhaltig i.S.d.§ 2 Abs.1 Satz 3 UStG ausgeübt wird."

    Umsatzsteuer kann immer und ausschließlich dann anfallen, wenn der Schuldner bzw. an seiner Stelle ( § 34 AO) der Insolvenzverwalter noch Unternehmer ist. Umsatzsteuerlich ist somit zunächst zu klären, ob der Schuldner noch Unternehmer i.S. § 2 UStG ist oder nicht. Bei Zweifeln arbeite ich immer mit der sog. "Angsklausel" (Bitte auf Bonität des Erwerbers achten!):

    "Sollte das Finanzamt eine Umsatzsteuerpflicht feststellen, schuldet die Käuferin zum Kaufpreis zusätzlich die Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe. Von eventuell vom Finanzamt festzusetzenden Zinsen und Säumniszuschlägen stellt die Käuferin den Verkäufer dabei umfassend frei."

    Von grösserer wirtschaftlicher Bedeutung ist aber doch die Frage, ob Du beim Verkauf der Immobilie zur USt. optieren kannst oder nicht bzw. ob gfls. die Vorsteuerkorektur nach § 15a UStG anfällt (vgl. BFH v. 28.11.2002 - VII R 41/01, ZInsO 2003, 276-280 = ZIP 2003, 582-586), wobei seit dieser Entscheidung die USt. auf den Grundstückskaufpreis unmittelbar vom Erwerber an das Finanzamt abzuführen und die lästige Auseinandersetzung mit den Grundpfandrechtsgläubigern weggefallen ist.

    Noch ein Tip: vor Beendigung des Insolvenzverfahrens möglichst für eine umsatzsteuerliche Betriebsprüfung sorgen; nach Verfahrenseinstellung kannst Du nicht mehr aus der Angstklausel vorgehen, es sei denn Nachtragsverteilung würde angeordnet...

  • Zitat von Pleitegeier

    Umsatzsteuer kann immer und ausschließlich dann anfallen, wenn der Schuldner bzw. an seiner Stelle ( § 34 AO) der Insolvenzverwalter noch Unternehmer ist. Umsatzsteuerlich ist somit zunächst zu klären, ob der Schuldner noch Unternehmer i.S. § 2 UStG ist oder nicht. Bei Zweifeln arbeite ich immer mit der sog. "Angsklausel" (Bitte auf Bonität des Erwerbers achten!)



    Genau diese Klärung, ob der Schuldner noch Unternehmer ist, bereit mir ja Probleme, und die Angstklausel kann ich bei Altfällen nicht mehr nachschieben (als ich noch nicht so schlau war wie der BFH). Fall:

    Insolvenzverfahren aus 2000. Schuldnerin (nat. Person) = Bauträgergeschäft und Vermietung. Betrieb vorinsolvenzlich eingestellt, weil die Bank die Schotten dichtmachte. Ich verkaufe nach und nach im Verfahren noch so zwischen 20 und 30 ETW, Bank läßt mir jeweils 5 % Lästigkeitsprämie.

    Kommt es jetzt für die Unternehmereigenschaft drauf an, dass die Schuldnerin vorinsolvenzlich sagt: "Ich stelle den Betrieb ein und will kein Unternehmer mehr sein!" oder kommt es darauf an, dass ich im Verfahren dann genau das mache, was die Schuldnerin bei Betriebsfortführung auch gemacht hätte, nämlich - ohne Betriebsfortführungswillen - die Wohnungen verkaufen?

    Ich befürchte doch mal, dass ich hier der Bank nachträglich eine Rechnung schreiben darf. Wenn ich die 5 % hierbei als Nettobetrag ansetze, hole ich mir ein :wechlach: ab, also wird's wohl eine Rechnung über 5 % brutto sein und meine Gläubiger weinen. Zum Glück habe ich ja in dem Verfahren genug Masse, aber sonst :eek:

  • jetzt wirds aber richtig knifflig, da kann ich nur noch raten, schnell zum StB zu gehen, da es wirklich auf Details ankommt. Dennoch folgende ergänzende Anmerkungen:
    Gem. § 4 Abs. 2 Ziff. 9 UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen umsatzsteuerfrei; gem. § 9 UStG kann unter bestimmten Umständen zur USt. optiert werden. Eine davon ist, dass die Wohnung an einen anderen Unternehmer verkauft wird, nicht jedoch, wenn die Wohnung an einen Nichtunternehmer verkauft wird. Wenn jetzt im Zusammenhang mit Wohnungsverkäufen an Nichtunternehmer auch noch "Provision" von der Bank gefordert wird, bin ich auf die schnelle überfragt, ab nicht bereits dies die USt. ausschliesst.
    Jedenfalls führen erhebliche umsatzsteuerfreie Umsätze im übrigen auch dazu, dass der allg. Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren, zB. für die InsvVergütung nur eingeschränkt möglich ist.
    Da ausreichend Masse da ist, schnell zum Steuerberater. Wenn nämlich die Umsatzsteuerpflicht weiter besteht, hast Du ja USt. hinterzogen (die 5% enthielten ja nach BFH USt), weil wohl nicht gemeldet und abgeführt. Der :teufel: ist ein Eichhörnchen, vor allem im Steuerrecht.

  • Mann o Mann, ich bin ja froh mich in der InsO zurechtfinden zu können. jetzt brauch ich mal schnell noch 'ne Steuerweiterbildung.

  • @ anett: Stellt Ihr nach § 211 InsO also auch dann ein, wenn keine sonstigen Masseverbindlichkeiten vorhanden sind?





    Das würde mich auch mal interessieren. Habe gerade so einen Fall. Der IV will Einstellung nach § 211 InsO, weil die Verfahrenskosten noch offen sind ( ansonsten gibt es keine weiteren Masseverbindlichkeiten ). Die sind gestundet, so dass § 207 nicht in Frage kommt. Aber sind die Kosten in dem Fall nicht so zu sehen, als wären sie derzeit nicht fällig, so dass das Verfahren aufzuheben ist ?

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