Urteilsanmerkungen/Kommentare

  • wer noch nicht reingeschaut hat, sollte es mal lesen:

    ZInsO 2011, Heft 36

    Klartext: Inquisitor oder Don Quijote?!
    Zu Anspruch und Praxis der Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e.V. (GSV)
    von Rechtsanwalt/Insolvenzverwalter Dr. Karsten Förster, Neubrandenburg und Frankfurt/Oder

    Im gleichen Heft ist ja auch noch ein Artikel von Frind. Interessant, dass ihm die eigenen Widersprüche nicht auffallen: Einerseits wird geschrieben, dass eine Abkürzung des Eröffnungsverfahren bei Kostengarantie durch die Gläubiger nicht möglich sei, da man ja nicht wissen kann, ob die auch wirklich zahlen, während man davor dafür plädiert (und es wohl in Hamburg auch so praktiziert), dass man alles eröffnet, wenn nur eine vage Aussicht besteht, dass die Kosten gedeckt sind. Also was nu?
    So richtig abstrus wird es, wenn er behauptet, dass eine vorläufige Verwaltung die Gläubiger sogar billiger kommt... Naja, judex non calculat, vor allem nicht, wenn es gegen die eigene Überzeugung geht. Die Insolvenzgerichte soll man schon konzentrieren, aber bitte nicht zu den Kammern für Handelssachen, da da dürfte er ja nicht mehr mitspielen.

    Der Artikel von Förster zeigt m.E. zweierlei: Erstens, dass sich die Insolvenzverwalter durch eine vielleicht stärkere Kontrolle durch die Gläubiger auf den Schlips getreten fühlen und dass der GSV dafür aber die falsche Institution ist.

    Die Artikel bestätigen mich in der Annahme, dass es zwar offiziell allen Beteiligten ganz selbstlos nur um das Insolvenzrecht an sich und den Wirtschaftsstandort Deutschland geht, dass aber in Wahrheit jeder nur sein eigenes Süppchen kocht und für sich den größtmöglichen Vorteil herausschlagen will.

  • 1.
    Klagt ein Unterhaltsgläubiger, der über einen vollstreckbaren Unterhaltstitel verfügt, gegen den Unterhaltsschuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auf Feststellung des Bestehens eines Anspruches aus unerlaubter Handlung wegen Nichtzahlung des Unterhalts, fehlt es, wenn der Unterhaltsschuldner diesem Anspruch widersprochen hat, nicht an einem rechtlichen Interesse an der Feststellung (Anschluss an BGH Urt. v. 02.12.2010 - IX ZR 41/10, ZInsO 2011, 39 ).
    2.
    Für das Verfahren eines Unterhaltsgläubigers auf Feststellung, dass ihm der titulierte Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltsschuldner auch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 StGB zusteht, ist kraft Sachzusammenhangs mit dem Unterhaltsanspruch das Familiengericht sachlich zuständig.

    KG, Beschl. v. 30. 8. 2011 - 18 WF 93/11

    Hab ich gestern in meinem Newsletter auch schon irritiert gelesen. OLG Rostock hat´s genau anders enschieden: Danach ist das FamGericht gerade nicht zuständig.

    Zitat

    1. Wenn im Hinblick auf § 302 InsO die Feststellung begehrt wird, dass eine bereits titulierte Unterhaltsforderung auch aufgrund unerlaubter Handlungen des Schuldners besteht, sind für die Feststellungsklage nach § 184 Abs. 2 InsO erstinstanzlich nicht die Familiengerichte sondern die Zivilkammern der Landgerichte bzw. die Zivilabteilungen der Amtsgerichte sachlich zuständig.

    2. Der Streitwert der Feststellungsklage ist nach dem vollen Wert der festzustellenden Forderung zu bestimmen.

    OLG Rostock, Beschluss vom 14.01.2011 - 10 WF 4/11

    Ein Fall für die roten Roben? In Rostock wurde das Verfahren allerdins "aus Versehen" zum FamGericht verwiesen und musste entsprechend dort entschieden werden. Sollte es aber eigentlich nicht, nach Aussage der Entscheidung.

  • Zitat

    2. Der Streitwert der Feststellungsklage ist nach dem vollen Wert der festzustellenden Forderung zu bestimmen.

    OLG Rostock, Beschluss vom 14.01.2011 - 10 WF 4/11

    Ein Fall für die roten Roben? In Rostock wurde das Verfahren allerdins "aus Versehen" zum FamGericht verwiesen und musste entsprechend dort entschieden werden. Sollte es aber eigentlich nicht, nach Aussage der Entscheidung.

    das wäre dann der zweite Aufguß auf einen noch warmen Teebeutel:

    Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe
    auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, bemisst sich nicht nach dem Nennwert der
    Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers
    nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung. Wenn diese als nur
    zu gering anzusehen sind, kann ein Abschlag von 75 Prozent des Nennwerts der Forderung angemessen sein.

    BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Mir ging es mehr um die unterschiedlichen Feststellungen zur Zuständigkeit. :)

    Aber du hast recht, das mit dem Streitwert ist mir gar nicht aufgefallen, die BGH-Entscheidung kenne ich, der Widerspruch ist mir aber gar nicht bewusst gewesen. Da ist mein OLG ja mal wieder voll aus dem Rahmen gefallen.

  • ..

    b) Übersteigt die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren den Betrag von 160.000 € oder die Gesamtsumme aller angemeldeten und anerkannten Insolvenzforderungen, kommt ein Abschlag in Betracht, der von Amts wegen zu prüfen ist.

    BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - IX ZB 193/10

    Da kann man sich mal wieder fragen, was das soll. Bei Lotto und Erbschaft, wo man sich ja nicht wirklich aus dem Fenster lehnen muss, trifft es mein volles Verständnis aber ansonsten sind die Bemühungen um die Anreicherung der Masse doch losgelöst von Höhe der festgestellten Forderungen.

    Was ist denn, wenn der bockbeinige Schuldner partout keinen §212, 213 InsO - Antrag stellt, obwohl nur 3,50 EUR an Verbindlichkeiten vorhanden sind? Dann ist halt bis zum Ende zu verwerten. Oder soll man etwas in Erwägung ziehen, unbelastete Vermögensgegenstände aus der Masse freizugeben, um so § 196 InsO künstlich herbeizuführen ?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zu Anfechtbarkeit der Umwandlung gem. § 851c ZPO :

    Immerhin hat der BGH entschieden, dass eine Anfechtung nach § 134 InsO nicht vorliegt. Der BGH verweist auf eine Prüfung, ob § 132 InsO infrage kommt. Zunächst muss man sich dann noch Gedanken darüber machen, wann die Umwandlung i.S.d. § 140 InsO erfolgt. Sofort? Zum Ende der laufenden Versicherungsperiode?

    Ganz grundsätzlich stehe ich dem aber skeptisch gegenüber, denn hier wird über die Anfechtbarkeit der Inanspruchnahme eines gesetzlich geregelten Pfändungsschutzes diskutiert. Dieser Logik folgend, kann ich künftig die Umwandlung eines Kontos in ein P-Konto anfechten oder den auf § 850f ZPO gestützen Schuldnerantrag. Dafür habe ich doch gesetzliche Regelungen?! Oder übersehe ich was?

  • wenn man auf einen bereits bestehenden Vertrag § 851c ZPO anwendet, wird man dies sicher anders sehen, als wenn man dies von anfänglich bereits vereinbart hat.

    Und der Antrag nach § 850f ZPO ist ja auf die Zukunft gerichtet (mal abgesehen davon, dass der Mehrbetrag auch verbraucht sein wird).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • ...na, die meisten Immobilien sind doch mit Grundpfandrechten zugeschüttet, also mit bestehenden Absonderungsrechten. Nach dem strikten Wortlaut von 313 III hätte man in IK Verfahren als TH eben nicht verwerten dürfen.....

  • ...na, die meisten Immobilien sind doch mit Grundpfandrechten zugeschüttet, also mit bestehenden Absonderungsrechten. Nach dem strikten Wortlaut von 313 III hätte man in IK Verfahren als TH eben nicht verwerten dürfen.....

    Ja, so hatte ich es bislang auch verstanden. Und das OLG meint nun, so sei es doch nicht? Wird man sicherlich erst die Begründung abwarten müssen. Auf Grund des Wortlauts des Gesetzes irritiert mich der Leitsatz. :)

  • "Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners, welche dieser im Rahmen einer aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen gewerblichen Tätigkeit erworben hat, fallen nicht in die Insolvenzmasse und stehen somit einer vom FA erklärten Aufrechnung gegen solche Ansprüche mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen nicht entgegen.


    BFH, Beschl. v. 23. 8. 2011 - VII B 8/11 "


    da ich wirklich kein Steuerexperte bin:


    Nach Lektüre dieser und der zugrundeliegenden Entscheidung stellt sich mir noch immer die Frage, ob hiermit nur die Umsatzsteuererstattungen nicht in die Masse fallen oder auch die Einkommenssteuererstattungen.... bitte Nachhilfe!

  • Mit der Umsatzsteuer ist es ja noch "einfach", weil es eine entsprechende neue Ust.Nr. gibt, auf die erklärt wird.

    Die Einkommensteuer ist aber schon immer einheitlich, d.h. es gibt nur einen Mantel, die Anlagen sind sowohl vom Verwalter als auch vom Schuldner zu fertigen.

    In der Vergangenheit wurde bei Steuerschulden eine Aufteilung vorgenommen. Ich weiß jedoch nicht wie das Finanzamt sich das jetzt denkt.


    Andererseits: aufgrund der Verrechnungsmöglichkeit es FA mit der Ust. kann sich der Schuldner in der Regel einmotten, sofern er darauf angewiesen ist, dass ein Vorsteuererstattungbetrag tatsächlich ausgezahlt wird. Er ist darauf angewiesen seine steuerlichen Belange so zu gestalten, dass immer eine Zahllast rauskommt. Das dürfte bei "Großanschaffungen" schwierig werden. Mit der Entscheidung schafft man sich die Folgeinsolvenzen....

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Anfechtung Arbeitnehmer, Bargeschäft BAG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10

    Über diese Definition des Bargeschäfts habe ich mich schon am 7. Oktober 2011 mit einem BGH-Richter unterhalten, der, gelinde gesagt, begeistert war, was das BAG so unter Bargeschäft versteht.

    § 133 InsO wird man ja bei Arbeitnehmern ausblenden können, denn das setzt ja voraus, dass dem AN bewußt sein müsste, das fehlende Gehaltszahlungen auf dem Konto und schlechte Liquiditätslage des AG in einem Zusammenhang stehen könnten.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zitat

    IX ZB 166/10, Beschluss d. BGH v. 10.11.2011


    bertr. die Vergütung des vor-vorläufigen GA in Aurich


    diesmal hätte es im VÖ Text: Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses im EÖ-Verfahren oder so ähnlich lauten müssen und nicht "Vergütung der Mitglieder des vorläufigen GA"....

    Na hoffentlich kassieren die nicht auch meine Entscheidungen. Ich habe bestimmt irgendwo statt "Gläubigerversammlung" " Glaubigerfersamlung" oder so ähnlich veröffentlicht...;)

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!