Verbrauch des Nachlasses durch Vorerben

  • Ich weiß, das meine Frage nicht unbedingt mit dem o.a. Fall zusammenhängt. Dennoch bitte ich um eine geschätzte Antwort. A wurde lt. Testament befreiter Vorerbe (darf u.a. eine ET-Wohnung lt. Testament verkaufen), als Nacherben wurden die 3 Söhne von A eingesetzt.
    Frage: Kann A das geerbte Geldvermögen für sich zu seiner Lebenszeit verbrauchen. Siehe auch Rd-Ziffer 1.301 -9.Auflage Firsching/Graf- "So kann der sog. Befreite Vorerbe den Nachlass nicht nur nutzen, sondern v e r b r a u c h e n"
    Danke für antwort ggf. Hinweise zu dieser Frage

    edit by Kai: in eigenen Thread geschoben und "rechtsberatungsfrei" umformuliert

  • befreit ist = befreit von der Verpflichtung den Nachlass zu erhalten

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Mein Vorschreiber sieht das zu undifferenziert. Man muß danach unterscheiden, ob der Vorerbe über Nachlaßgegenstände wirksam verfügen kann und ob er im Verhältnis zum Nacherben dazu berechtigt ist. Eine Befreiung des Vorerben über den von § 2136 BGB genannten Umfang hinaus ist nicht möglich. Der befreite Vorerbe - bzw. dessen Erbe - haftet nach § 2138 Abs. 2 BGB für eine Schmälerung der Nachlaßsubstanz, die durch unentgeltliche Verfügungen iSd § 2113 Abs. 2 BGB oder eine Benachteiligungsabsicht des Vorerben eintritt. Die Verwendung von Nachlaßgegenständen für eigene Zwecke ist grundsätzlich eine unentgeltliche Verfügung. Durch sie fließt dem Nachlaß kein Gegenwert zu (§ 2111 BGB). Eine andere Frage ist, ob eine Haftung nach § 2138 Abs. 2 BGB zu verneinen ist, wenn der befreite Vorerbe zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf den teilweisen oder gänzlichen Verbrauch der Vorerbschaft angewiesen ist. Beim nicht befreiten Vorerben wäre diese Frage im Anwendungsbereich des § 2134 BGB zu beantworten.

    Ein allgemeines "Verbrauchsrecht" des Vorerben besteht also nicht. Sonst ergäben die Vorschriften der §§ 2134, 2138 BGB keinen Sinn. Der Unterschied zwischen dem befreiten und dem nicht befreiten Vorerben besteht nur darin, daß der Haftung des befreiten Vorerben engere Grenzen gesetzt sind.

  • Samirah stimme ich zu. Ein allgemeines "Verbrauchsrecht" kann man u.U. nur durch die zusätzliche Anordnung von Vermächtnissen erreichen.

  • :daumenrau:aufgeb::einermein


    TL:grin:

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Herzlichen Dank, der kompeten unbekannten Dame. Es geht hierbei immerhin um ca. 200.000.-€ Ich werde raten, die Vor-erbschaft auszuschlagen und dann können die 3 Söhne als Nacherben alles abwickeln -und er Mutter freiwillig aus dem Nachlass etwas zuwenden.

    Lieben Gruß

    Max 1

  • Das wäre m.E. der falsche Weg. Der Vorerbe kann die Erträge für sich ohne Einschränkung verbrauchen. Was den Verbrauch der Substanz angeht vgl. Beitrag von samirah, es könnte daher von den Nacherben u.U. Schadensersatz geltend gemacht werden, aber erst ab Eintritt des Nacherbfalls. Auf diese Schadensersatzansprüche kann von den Nacherben verzichtet werden. Weiter können die Nacherben den unentgeltlichen Verbrauch der Substanz genehmigen. Eine Ausschlagung wäre daher m.E. völlig fehl am Platz.

  • Nach § 2136 BGB kann der Erblasser den Vorerben von den Beschränkungen des § 2134 befreien. Dann müßte der Vorerbe den Nachlass (Geld) doch für sich verbrauchen dürfen? !
    Palandt: 2 a zu 2136: "Nur muß der Befreiungswille ihrgendwie zum Ausdruck kommen"

  • Beim befreiten Vorerben geht es nur um die Ersatzpflicht nach § 2138 Abs. 2 BGB. Davon kann nicht befreit werden - die Norm ist in § 2136 BGB nicht genannt.

    Die Erwägung einer Ausschlagung halte ich aus den von Justus genannten Gründen ebenfalls nicht für angebracht. Wie ist die Vorerbin mit dem Erblasser verwandt?

  • Danke, Miss Samirah, die Vorerbin ist mit der Erblasserin nicht verwandt "nur" die Frau ihres vorverstorbenen Bruders, also die Schwägerin.
    Ich werde der befr. Vorerbin empfehlen, die Erbschaft anzunehmen und ihren nacherbenden 3 Söhnen aus dem Nettonachlass -vor Eintritt des Nacherbfalles (also ihres eigenen
    Todes)- Geldbeträge nach eigener Aus-Wahl zukommen zu lassen.
    Was mir nicht einleuchted, warum kann der befr. VE nicht für sich selbst Geld aus dem Nachlass verwenden -verbauchen. Z. B. ein Auto kaufen, in Urlaub fahren.
    Es kann doch nicht sein, dass er ohne eigenen Nutzen und Vorteil erbt- und nur die Arbeit der Testaments-Abwicklung (Erbscheiantrag, Erfüllung der Vermächtnisse, Verkauf der ET-Wohnung) usw. hat.

  • Meine Nachfrage in Nr. 9 bezog sich auf die Fallgestaltung des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB. Wenn die Vorerbin das einzige Kind des Erblassers wäre, könnte sie die Vorerbschaft ausschlagen und den Pflichtteilsanspruch geltend machen. Die Nacherben wären Ersatzerben gemäß § 2102 Abs. 1 BGB, sodaß sich auf diesem Weg eine Hälfteteilung des Nachlasses zwischen Tochter und Enkeln erreichen ließe. Wie die Klarstellung in Nr. 10 ergibt, liegt diese Fallgestaltung aber nicht vor.

    Deine Bedenken in Bezug auf die Unzulässigkeit des Verbrauchs der Substanz des Nachlasses beruhen nach meiner Auffassung auf einem rechtlichen Mißverständnis. Dem Vorerben - auch dem befreiten - stehen generell nur die Nutzungen des Nachlasses zu und die Nachlaßsubstanz gebührt den Nacherben. Bei einem Nachlaß von 200.000 € und einer Verzinsung von 5 % ergibt sich daraus für die Vorerbin eine jährlicher Nutzungsvorteil von 10.000 €. Die Vorerbin muß sich mit diesem Vorteil zufrieden geben. Der Erblasser bestimmt, wen er zu welchen Bedingungen erbrechtlich bedenkt.

  • :confused:Herzlichen Dank für Ihre promte Antwort. Bitte um Entschuldigung: Vier Juristen- fünf Meinungen.
    Habe gestern nach einem Tennismatch mit einem befreundeten Anwalt über den Fall gesprochen, der hat wiederum mit einem Einser-Juristen (Notar) Kontakt aufgenommen. Beide sind der Meinung, daß der befr. VE für sich selbst Geld aus dem Nachlass entnehmen und v e r b r a u c h e n
    darf (z.B. Auto kaufeb, für Urlaub usw.) Randziffer 1.301 -9 Auflage Firsching/Graf
    Die Nachlassangelgenheit wird m.E. praktisch dergestalt gelöst, dass die VE (Mutter) in Absprache mit den 3 NE (Söhne) den Geldnachlass einvernehmlich aufteilt, denn die verheirateten Söhne wollen nicht ca. 20 Jahre warten, bis die Nachlasserbschaft durch den Tod der Mutter eintritt.
    Sie wissen ja, die Kinder wollen jetzt das GELD:

    Herzlichen Gruß und nochmals vielen Dank

    Max1

  • Tja, der Einserjurist.

    Dennoch ist es ein Unterschied, ob ich im Außenverhältnis grundsätzlich verfügen kann, aber im Innenverhältnis dafür hafte.

    Max1 lies doch mal im Firsching/Graf Rn. 1.303

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
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    Einmal editiert, zuletzt von TL (10. März 2009 um 14:07)

  • Die Auskünfte des Anwalts und des Notars sind nicht zutreffend. Ein Hinweis auf § 2138 Abs. 2 BGB sollte genügen, um ihren Rechtsirrtum offenzulegen.

    Ich möchte noch auf die erbschaftsteuerliche Seite der Angelegenheit aufmerksam machen. Bei steuerlicher Betrachtungsweise läßt sich bei einer Einigkeit aller Beteiligten viel Geld sparen. Es ist auch von Bedeutung, wann der Erbfall eingetreten ist.

    Erbfall vor dem 01.01.2009: Die Nacherben gehören als Neffen und Nichten des Erblassers der günstigeren Steuerklasse II an, die Vorerbin der ungünstigeren Steuerklasse III. Die Vorerbin müßte 23 % der Erbschaft versteuern und hätte einen Freibetrag von nur 5.200 €. Die Neffen und Nichten hätten jeweils einen Freibetrag von 10.300 € - insgesamt also 30.900 € - und ihr Steuersatz betrüge nur 17 %, wenn nicht sogar nur 12 % (es könnte u.U. die niedrigere Betragsgrenze von 52.000 € unterschritten werden - zumindest könnte die Härteklausel des § 19 Abs. 3 ErbStG zur Anwendung kommen). Nach überschlägiger Berechnung führt die Ausschlagung zu einer Ersparnis von ca. 16.000 € bei einem Steuersatz von 17 % und zu einer Ersparnis von ca. 26.000 € bei einem Steuersatz von 12 %.

    Erbfall nach dem 31.12.2008: Die Berechnung sieht etwas anders, aber trotzdem günstiger aus. Angehörige der Steuerklassen II und III werden nunmehr einheitlich mit 30 % besteuert. Also ergibt sich für den Steuersatz durch die Ausschlagung keine Verbesserung. Dafür haben die drei Nacherben aber Freibeträge von jeweils 20.000 €, ingesamt also 60.000 €. Die Vorerbin hat den gleichen Freibetrag nur einmal. Durch die Ausschlagung ließen sich also insgesamt 12.000 € einsparen (30 % von 40.000 €).

    Die Ausschlagung hat also im vorliegenden Fall auch ihre Vorzüge. Wenn die Vorerbin gegen Abfindung ausschlägt, kann evtl. sogar noch ein günstigeres steuerliches Ergebnis erreicht werden. Ich halte eine steuerliche Beratung für angesagt. Es ist aber die Ausschlagungsfrist zu beachten!

  • Tja, der Einserjurist.

    Dennoch ist es ein Unterschied, ob ich im Außenverhältnis grundsätzlich verfügen kann, aber im Innenverhältnis dafür hafte.

    Max1 lies doch mal im Firsching/Graf Rn. 1.303


    Stimmt schon, aber m.E. wurde die Vorerbin im Testament nach 1.305 von den Beschränkungen freigestellt und wäre demnach Vollerbin mitdem Ergebnis, dass sie Nachlass verbrauchen könnte. Oder??
    Den noch, danke für die Anmerkung

    Gruß

    Max 1

  • Man darf sich vom Wortlaut der Vorschrift des § 2137 Abs. 2 BGB nicht in die Irre leiten lassen. Ich zitiere aus Staudinger-Behrends-Avenarius § 2137 Rn. 5:

    "Soll der Vorerbe zur freien Verfügung über den Nachlaß befugt sein, so ist im Zweifel Gesamtbefreiung (Anm.: nach § 2136 BGB) gewollt. Der Ausdruck "freies Verfügungsrecht" kann als untechnisch und der Laiensprache entnommen aufgefaßt werden (KGJ 44, 77), da unter den technischen Begriff auch die unentgeltliche Verfügung fallen würde. Das Gesetz spricht von einem freien Verfügungsrecht eines Vorerben, aber nur scheinbar ohne Einschränkung, vgl. § 2136 BGB. Ergibt die Auslegung, daß ein wirklich freies ... unbeschränktes Verfügungsrecht im technischen Sinne gewollt ist, so ist der zunächst berufene Erbe Vollerbe und die nach ihm Bedachten Vermächtnisnehmer (OLG Bremen DNotZ 1956, 149; OLG Oldenburg DNotZ 1958, 95)."

    Für letzteres sehe ich im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Interessant ist vielleicht noch, daß der Erblasser den Nacherben nach herrschender Ansicht mit der vermächtnisweisen Verpflichtung beschweren kann, unentgeltlichen Verfügungen des Vorerben zuzustimmen.

  • Interessant ist vielleicht noch, daß der Erblasser den Nacherben nach herrschender Ansicht mit der vermächtnisweisen Verpflichtung beschweren kann, unentgeltlichen Verfügungen des Vorerben zuzustimmen.



    Oder bedingte dingliche Vorausvermächtnisse zugunsten des Vorerben anordnen. Ich meine diese Diskussion hatten wir aber schon einmal.

  • Welche Lösung zu bevorzugen ist, hängt am Willen des Erblassers. Das beim alleinigen Vorerben ausnahmsweise mögliche dingliche Vindikationslegat nach § 2110 Abs. 2 BGB bewirkt, daß der Vorausvermächtnisgegenstand überhaupt nicht der Nacherbfolge unterliegt. Die von mir ins Gespräch gebrachte Variante belässt den Nachlaß dagegen in der Nacherbenbindung, soweit der Vorerbe keine unentgeltlichen Verfügungen vornimmt. Die rechtlichen Folgen beider Lösungen sind also sehr unterschiedlich.

  • Da verstehen wir uns glaube falsch. Bei meiner angesprochenen Lösung würde der Nachlassgegenstand solange der Nacherbfolge unterliegen bis unentgeltlich verfügt wird, erst dann greift das bedingte (Bedingungseintritt ist die unentgeltliche Verfügung) Vorausvermächtnis. Sollte daher nicht unentgeltich verfügt werden, bleibt der Gegenstand dem Nacherben erhalten.

  • Ich bezweifle die Zulässigkeit dieser Bedingungskonstruktion. Sie führt zu einer Verfügungsbefugnis des Vorerben, die nach § 2136 BGB im Wege der Befreiung bei unentgeltlichen Verfügungen nicht möglich ist.

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