Österreichisches Erbrecht

  • Ich muss das Thema nochmals aufgreifen:

    Im Jahr 2018 stirbt ein Österreicher mit letztem Wohnsitz in Deutschland.
    Er ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in Deutschland.

    Anfang 2016 hat er in Deutschland ein notarielles Einzeltetstament errichtet und unter Bezug auf § 22 der Europäischen Erbrechtsverordnung bestimmt, dass österreichisches Recht zur Anwendung kommen soll.
    In diesem Testament setzt er vier Freunde je zu 1/4 zu seinen Erben ein und ordnet Testamentsvollstreckung an. Einer der Miterben wird zum Testamentsvollstrecker ernannt.

    Der Testamentsvollstrecker beantragt nun unter Vorlage des Testamentes nebst Eröffnungsniederschrift die Berichtigung des Grundbuchs.

    Was ist zu tun?
    Reichen die Unterlagen zur Berichtigung aus oder benötige ich sonst noch etwas (z.B. einen Einantwortungsbeschluss)?
    Muss ich die Testamentsvollstreckung im Grundbuch vermerken?

    Vorab vielen Dank.

  • 1) Der letzte Wohnsitz ist egal, es kommt auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt an. Ist aber bei Dir für das anwendbare Recht im Ergebnis egal (wegen der Rechtswahl).

    2) Die Unterlagen reichen nicht aus. Es muß - durch das deutsche AG, welches für das Nachlassverfahren zuständig ist, und nicht, wie in Österreich, durch Gerichtskommissäre - ein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt und ein Einantwortungsbeschluss erlassen werden. Für die Verbücherung (sic) muss dann innerhalb eines Jahres nach Einantwortung beantragt werden. ACHTUNG: der österreichische Pflichtteil ist kein rein schuldrechtlicher Anspruch (wie in Deutschland), sondern ein echtes Noterbrecht. Es muss also geklärt werden, ob solche Noterbrechte nach österreichischem Recht bestehen.

    3) Ja klar musst Du die TV eintragen, wenn sie noch besteht.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich habe Zweifel daran, dass das Pflichtteilsrecht in Österreich - auch nach der Erbrechtsreform - als echtes Noterbrecht ausgestaltet ist und ich habe auch Zweifel daran, dass die österreichische Testamentsvollstreckung die "starken" Wirkungen wie eine deutsche TV hat (Entzug der Verfügungsbefugnis der Erben). Und die Zulässigkeit eines Verlassenschaftsverfahren bei einem deutschen Nachlassgericht wurde jedenfalls vor der Geltung der EuErbVO ganz überwiegend verneint.

  • Und die Zulässigkeit eines Verlassenschaftsverfahren bei einem deutschen Nachlassgericht wurde jedenfalls vor der Geltung der EuErbVO ganz überwiegend verneint.


    Aber seither bestehen keine vernünftigen Zweifel mehr daran, dass (1) bei wirksamer Rechtswahl das gewählte Recht angewendet werden muss und dass (2) das zuständige Gericht eben das nach der EU-ErbrechtsVO ist (grundsätzlich gewöhnlicher Aufenthalt).

    Ob das sinnvoll ist? Das ist eher fraglich.

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  • Muss dann nicht zwingend ein Nachlasspfleger bestellt werden (nachdem das deutsche Recht einen Gerichtskommisär nicht kennt). Oder muss der ernannte Testamentsvollstrecker diese Aufgabe übernehmen?

    Es kann auch kein Erbschein beantragt werden, da das österreichische Recht einen solchen nicht kennt.

    Und wie erfolgt die Übertragung des Eigentums am herrenlosen Nachlass auf die Erben? Und vor allem durch wen? Durch das Nachlassgericht?

  • Der Gerichtskommissär wird im Auftrag des Gerichts tätig, übernimmt also funktional die Aufgaben des Nachlassgerichts (siehe auch die Definition von "Gericht" in Art. 3 Abs. 2 EUErbRVO).

    Örtlich zuständig ist das deutsche Gericht (Art. 4 EUErbRVO).

    Das deutsche Gericht wendet österreichisches Recht an (Art. 21 EUErbRVO), insbesondere im Hinblick auf den "Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben und gegebenenfalls die Vermächtnisnehmer, einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und deren Wirkungen" (Art. 23. Abs. 1 lit. c) EUErbRVO). Das ist dann wohl ein Verlassenschaftsverfahren nach österreichischem ABGB (und vermutlich - das ist noch nicht ganz geklärt - mit den Bestimmungen des FamFG für die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens).

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  • Wobei es für Dich als GB-Beamtin doch einfach ist.

    Das anzuwendende österreichische Erbrecht kennt keinen „Von-selbst-Erwerb“ des oder der Erben. Vielmehr ruht die Erbschaft zunächst einmal (hereditas iacens) und die Erben treten erst durch die Annahme und Einantwortung in die Rechtsnachfolge des Erblassers ein (vgl. §§ 797 ff. ABGB; s. J. Schmidt im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.08.2019, Art. 62 EuErbVO RN 3.3).

    Mithin reicht das vorgelegte notarielle Testament nebst Eröffnungsniederschrift zur GB-Berichtigung nicht aus.

    Lt. Grziwotz im Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Auflage 2019, EU-ErbVO Art. 62, RN 6 kann in solchen Fällen vom Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangt werden.

    Allerdings sieht Art. 62 Absatz 2 EuErbVO vor, dass von keinem Mitgliedstaat die Vorlage eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangt werden kann (MüKo/Grziwotz EU-ErbVO Art. 62, RN 5).

    Davon geht auch der OGH Wien in Rz. 2.4 des Beschlusses vom 03.10.2018, OGH 5 Ob 157/18a,
    https://rdb.manz.at/document/ris.j…157_18A0000_000
    und in Rz. 7 des Beschlusses vom 21.12.2017, 5 Ob 186/17i
    https://rdb.manz.at/document/ris.j…186_17I0000_000
    aus.

    Das Ergebnis der vom deutschen Nachlassgericht durchzuführenden Verlassenschaftsverfahrens nach österreichischem Recht, nämlich die Einantwortung, müsste daher auch durch einen deutschen Erbschein dokumentiert werden können.

    Besteht ein innerstaatlicher Erbnachweis entweder in Form einer gerichtlichen Entscheidung, zu denen auch solche der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören, oder einer öffentl. Urkunde, können diese in einem Anwendungsstaat der EU-ErbVO anzuerkennen sein und ein ENZ überflüssig machen (MüKo/Grziwotz, EU-ErbVO Art. 62, RN 5). Entscheidend ist, dass die in dem Ausstellungsstaat aufgenommenen Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleiche auch in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden (MüKo/Grziwotz, aaO).

    Das wäre wohl auch in Österreich der Fall. Jedenfalls weist der OGH Wien in Rz. 7 der Entscheidung vom 21.12.2017, OGH 5 Ob 186/17i, darauf hin, dass in der Lehre umstritten ist, ob es sich bei dem deutschen Erbschein um eine anzuerkennende Entscheidung iSd Art 39 ff EuErbVO oder um eine anzunehmende öffentliche Urkunde iSd Art 59 EuErbVO handelt.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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