Auslegung eines gegenständlich beschränkten Erbverzichts

  • Sachverhalt

    Erbscheinsantrag

    Antragstellerin: Ehefrau
    einzige weitere gesetzliche Erben: Geschwister

    Geschwister haben per Erbverzichtsvertrag mit dem Erblasser auf ein Grundstück verzichtet.

    Nach eidesstattlicher Versicherung der Antragstellerin besteht die Nachlassmasse nur aus dem betroffenen Grundstück.

    Fragen

    1) Bestehen Bedenken gegen eine Auslegung des Erbverzichts dahin, daß die Geschwister auf den gesamten Nachlass verzichtet haben?

    2) Reicht die einfache schriftliche Anhörung der Geschwister und Nachweis des Erbverzichts durch Vorlage einer öffentlich beglaubigten Ablichtung des Vertrages verfahrensrechtlich aus?

  • Der Sachverhalt ist unklar.

    Es gibt lediglich einen gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht, aber -wegen des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge- keinen gegenständlich beschränkten Erbverzicht.

    Also bitte noch einmal in der notariellen Urkunde nachsehen, worum es sich tatsächlich handelt. Es ist doch hoffentlich ein notarieller Vertrag!?

    Es kann ein Pflichtteilsverzicht sein, dann sind die Geschwister Miterben. Oder es kann ein umfassender Erbverzicht sein mit der schuldrechtlichen Verpflichtung, dass er zwischen den Beteiligten nur im Hinblick auf das Grundstück wirken soll. Dann sind die Geschwister nicht Erben geworden, haben aber evtl. schuldrechtliche Ausgleichsansprüche am übrigen Nachlass in Höhe ihrer Erbquoten.

  • Es handelt sich um einen notariellen Vertrag.

    Die Geschwister haben auf sämtliche erbrechtlichen Ansprüche bezüglich des Grundstücks verzichtet. Der Verzicht wurde auch angenommen.

    Dies ist gemäß §2346 BGB nicht zulässig. Eine Umdeutung in Bruchteilsverzicht soll jedoch möglich sein (Palandt, 2346, RN 2).

    Ist diese Auslegungs- / Umdeutungsmöglichkeit auch dahingehend gegeben, daß die Geschwister auf den gesamten Nachlass verzichtet haben, da dieser nur aus dem betroffenen Grundstück besteht.

  • Bevor ich darauf antworten kann, muss ich den genauen Wortlaut des Verzichts kennen.

    Wenn der Notar tatsächlich einen Erbverzicht beurkundet hat, ist dies ein unbegreiflicher Fehler.

  • "Wir werden in bezug auf den übertragenen Grundbesitz niemals Ansprüche welcher Art auch immer und wem gegenüber auch immer stellen. Dies gilt für Ansprüche unter Lebenden und von Todes wegen und auch für Pflichtteilsergänzungsansprüche und Ansprüche nach § 2329 BGB (d. h. Ansprüche gegen den Beschenkten)."

  • Wo ich mir das jetzt nochmal genau durchlese, erscheint es mir eher einer schuldrechtlichen Verpflichtung. Diese hätte dann auch keinen Einfluss auf mein Erbscheinsverfahren... :gruebel:

  • Das ist kein Erbverzicht, sondern lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung. Wie ich schon vermutet hatte, ist dem Notar also doch kein unbegreiflicher "Bock" unterlaufen.

    Es stellen sich nunmehr folgende Folgefragen:

    Hat sich der Kreis der "verzichtenden" Geschwister zwischen dem Vertragsschluss und dem Erbfall verändert? Mit anderen Worten: Sind die "Verzichtenden" und die nun zu gesetzlichen Erben berufenen Geschwister in personeller Hinsicht völlig identisch?

    Falls ja, sind die Geschwister verpflichtet, ihre kraft gesetzlicher Erbfolge herbeigeführte eigentümerrechtliche Stellung am Grundbesitz aufzugeben. Sofern der Nachlass faktisch nur aus dem betreffenden Grundbesitz besteht, wäre diese Verpflichtung am besten durch Übertragung der Geschwistererbanteile i.S. des § 2033 BGB zu erfüllen, ansonsten durch Auflassung.

    Falls nein, ist zu unterscheiden. Soweit Personenidentität besteht, gilt das vorstehend Gesagte. Soweit Geschwister zwischen dem Vertragsschluss und dem Erbfall verstorben sind, sind deren Abkömmlinge kraft Eintrittsrechts zu gesetzlichen Miterben berufen. Ob diese Abkömmlinge aber auch in die vertragliche schuldrechtliche "Verzichtsverpflichtung" eingetreten sind, hängt alleine davon ab, ob diese Abkömmlinge zumindest Miterben nach dem betreffenden Geschwisterteil des Erblassers geworden sind. Hat ein Geschwisterteil z.B. seinen Ehegatten zum Alleinerben eingesetzt, so sind die im vorliegenden Erbfall eintrittsberechtigten Abkömmlinge nicht an die genannte Verpflichtung gebunden. Ob sie sich dieser Verpflichtung im Ergebnis mit Rücksicht auf ihren überlebenden Elternteil widersetzen werden, ist natürlich eine andere Frage.

    Im Hinblick auf die Auslegung des Vertragsinhalt als Erbverzicht wäre ich skeptisch, obwohl sie natürlich vom Grundsatz her möglich erscheint. Auf so etwas kann man sich als Nachlassgericht wohl nur einlassen, wenn der Nachlass faktisch tatsächlich nur aus dem genannten Grundbesitz besteht und alle Geschwister (und evtl. eintrittsberechtigte Abkömmlinge von Geschwistern) explizit erklären, dass sie diese Auslegung befürworten und daher davon ausgehen, dass ihnen keinerlei erbrechtliche Ansprüche am Nachlass des Erblassers zustehen.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!