§ 16 I Nr. 6 RPflG

  • Hola!

    Beim Studium des Rechtspflegergesetzes habe ich mich über die Vorschrift des § 16 I Nr. 6 gewundert. Der macht die funktionelle Zuständigkeit zur Erbscheinserteilung davon abhängig, ob eine Verfügung von Todes wegen vorliegt. Danach soll der Richter zuständig sein - von der Ermächtigung nach § 19 I Nr. 5 RPflG mal abgesehen.

    Das macht aber meines Erachtens überhaupt keinen Sinn bzw. nur umgekehrt: Wenn keine Verfügung von Todes wegen vorliegt, dann müssen erst mühsam die vorhandenen gesetzlichen Erben ermittelt werden, bei nichtehelichen Kindern stellt sich die Frage nach der Vaterschaft etc. Das sind doch Sachen, die unklar sind und in der Regel besonderer rechtlicher Würdigung bedürfen, um beim Nachlassgericht die erforderliche Wahrscheinlichkeit zur Erteilung des Erbscheines nachzuweisen.

    Umgekehrt ist doch bei einer Verfügung von Todes wegen alles klar: Da steht ja drin Erbe werden A, B, etc. Die Erquoten ergeben sich dann entweder aus dem Testament oder sind als gleich hoch anzusehen. Irgendwelche Erbenermittlungen sind nicht nötig. Der Erbschein kann ohne große Prüfung erteilt werden.

    Deswegen meine Frage: Warum ist gerade die leichtere Variante des Erbscheinvefahrens mit einem Richtervorbehalt belegt? Oder gibt es hier einen praktischen Aspekt, den ich gerade übersehe?

    Danke für alle Hinweise.

  • Zum großen Teil wurde das Erbscheinsverfahren auch bei Vorliegen von Verfügungen von Todes wegen auf den Rechtspfleger übertragen. So geschehen in Niedersachsen.

    Ob es noch Bundesländer gibt, in denen von dieser Öffnungsklausel kein Gebrauch gemacht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Hier wird nur noch vorgelegt, wenn sich heftig gefetzt wird und Anfechtungen der Testamente erfolgen.
    Also selten.
    Abgesehen davon, dass die Rpfl. meist doch mehr Ahnung haben als die oft jungen und frischen Richter, die die Nachlassabteilung aufgedrückt bekommen ... :cool:

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • Um es mit der Maus zu sagen " klingt komisch, ist aber so"
    Wenn ich mich an meine Ausbildung richtig erinnere wurde uns das damals so verklickert:
    Die gesetzliche Erbfolge ist klar. Wer Kind ist , wer Ehegatte ist, wer verwandt ist kann man rauskriegen ohne eine rechtliche Würdigung abgeben zu müssen. Man prüft einfach die Urkunden und dann ist völlig klar wer Erbe ist.
    Bei einem Tesatment muss man unter Umständen Willenserklärungen auslegen, eine rechtliche Würdigung abgeben und rechtssprechung kennen.
    Deswegen ist das erste keine Rechtssprechung und damit Rechtspflegertätigkeit, das zweite ist Rechtssprechung und deswegen der Richtervorbehalt. Soweit die graueTheorie.
    Um den Rechtspflger wieder zu trösten. Der Richter kann den Erbscheinsantrag den schon immer der Rechtspfleger aufgenommen hat nur unterschreiben und dann ist es der Erbschein oder zurückweisen dann sit es kein erbschein. Zwischenverfügen kann er nicht. Deswegen muss der Rechtspfleger die Materie mindestens genausogut kennen wie der Richter .

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • In Sachsen-Anhalt ist noch der Richter für den ES zuständig, wenn ein Testament vorhanden ist.
    Aber i.d.R. bekommt der Richter den fertigen ES zur Unterschrift vorgelegt.
    Bei zweifelhaften Testamentsauslegungen wird vorher Rücksprache mit dem Richter genommen.

  • Ich glaube, die meisten Bundesländer haben von der Öffnungsklausel noch keinen Gebrauch gemacht...

    Generell würde ich schon sagen, dass gesetzliche Erbfolge leichter ist. Wie Claudia schon schreibt, Du kriegst ja die Urkunden vom Antragsteller. Wenn nicht - kein Erbschein.
    Natürlich gibt es auch hier haufenweise schwierige Konstellationen, rechtlicher Natur wie Adoption, ausländisches Recht etc., oder tatsächliche wie die und die Urkunde ist nicht aufzutreiben, kann man ersatzweise das und das Dokument anerkennen...

    Es gibt aber auch richtig schwierige Testamente, nämlich wenn die Testatoren sich irgendwas komisches ausdenken, es halbgar formulieren und dann die ganze Familie entsetzt ist, wenn das böse Gericht sagt "man kann nicht einzelne Gegenstände in den Erbschein schreiben, sondern nur Quoten".
    Dann musst Du Dich in den Erblasser hineinversetzen und auslegen - das geht über die bloße Prüfung von Urkunden hinaus und sowas hat man wohl früher nur dem Volljuristen zugetraut... die Öffnungsklausel zeigt ja zum Glück, dass der Rechtspfleger in Nachlassangelegenheiten sehr wohl gut ausgebildet ist.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Ich denke auch , dass Hintergrund des Richtervorbehaltes die Unterstellung des Gesetzgebers war , der Rpfl. könne keine letztwilligen Verfügungen auslegen.
    Durch die Praxis u. die Ausbildung der Anwärter ist jedoch das Vorurteil des Gesetzgebers widerlegt worden.
    Leider hat der Gesetzgeber Änderungen nur auf Länderebene gem. § 19 RpflG vollzogen.

  • @: Steinkauz: Ob es sich dabei um ein Vorurteil des Bundesgesetzgebers handelte oder sich die einzelnen Länder die jeweiligen Regelungen vorbehalten haben, sei einmal dahin gestellt. Soweit mir bekannt, war die gefundene Öffnungsklausel dann der Kompromiss.

  • :ironie:Also das Testamentserbscheine schwierig sind, daß kann gar nicht sein.
    Schließlich hätte das doch mein Dienstherr bei der Übertragung auf den Rechtspfleger mit mehr Personal oder sonst irgendwie berücksichtigt.

  • Bei uns in Brandenburg wurde von der Öffnungsklausel kein Gebrauch bisher gemacht. Vo der anstehenden Landtagswahl passiert eh nicht mehr viel. Jedoch finde ich den Flickenteppich in der funktionellen Zuständigkeit, der wg. der Kompromisse geschlossen wurde, furchbar. Dies ist einem rechtssuchenden Bürger kaum erklärbar.

    How can I sleep with Your voice in my head?

  • Laientestamente können mE das schwierigste sein, was es gibt, weil man teilweise einfach nicht weiß, welche von verschiedenen Auslegungsvarianten die richtige ist.




    Das ist richtig, obwohl auch notarielle Testamente oft haarig sind. Manchmal aufgrund Unwissenheit der Notare (hatte schon mehrmals welche, wo die einzelnen Gegenstände, Perlenketten, Silberbesteck etc. bis aufs kleinste verteilt wurden, aber nirgendwo stand wer der Erbe sein soll - ein Laie hätte es nicht "besser" machen können) oder auch, weil die Testatoren komische Sachen wollen wie Nach-Nach-Nacherben oder komische Testamentsvollstreckungen oder mögliche Abkömmlinge als Nacherben einsetzen oder oder
    Klar, Mehrzahl ist einfach, Berliner Testament und gut.
    Deine Vorstellungskraft wird nicht ausreichen für all die Möglichkeiten von kruden Testamenten, die die Menschen so hervorbringen. Hierzu kannst Du ja mal bei Deinem Gericht fragen (wenn Du da Station machst), oder einfach mal hier ins Subforum Nachlass gehen.

    Zur gesetzlichen Erbfolge möchte ich auch drauf hinweisen, dass nicht jedes Bundesland die Erben von Amts wegen ermitteln muss, die mühsame Arbeit, Urkunden der Verwandtschaft zusammenzuklauben, hat theoretisch der Antragsteller. (Praktisch hilft man natürlich auch mal dabei oder gibt einen Ratschlag).

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