eidestattliche Versicherung anstelle der Geburtsurkunde

  • Hallo, ich habe einen Erbscheinsantrag nach gesetzlicher Erbfolge vorliegen, bei welchem von 2 der 4 Kindern keine Geburtsurkunden vorgelegt werden können, da diese in Polen geboren wurden. Das eine Kind ist 1935 in Tschauschwitz (später Hochdorf, zust. Stadesamt Ottmachau) geboren. Es wurde eine Bescheinigung des Standesamts I in Berlin vorgelegt, dass die Geburtsurkunde nicht ausgestellt werden kann, da das Personenstandsregister sowie sonstige Unterlagen nicht vorliegen. Weiterhin wurde eine Bestätigung des Standesamts in Ottmachau vorgelegt, dass das Geburtenregister aus 1935 verschollen ist.
    Bezüglich des anderen Kindes, das 1939 in Nowag, Kreis Neisse geboren wurde, wurde ebenfalls eine Erklärung des Standesamts I in Berlin vorgelegt, dass der Geburteneintrag nicht gefunden werden konnte. Zudem wurde die Bestätigung des Standesamts Pakoslawice (Bösdorf) vorgelegt, dass kein Geburteneintrag vorliegt.
    Nur am Rande...die Kinder, mit den fehlenden Geburtsurkunden, sind bereits nachverstorben.
    Nach Angabe des Notars haben sich die Antragsteller um die Einschaltung eines Erbenermittlers bemüht. Diese hätten den Beteiligten allerdings mitgeteilt, dass deren Hauptaufgabe die Erbenermittlung und nicht die Urkundenbeschaffung sei. Zudem sei der Nachlasswert sehr gering (8300 €). Der Notar teilte weiterhin mit, dass die Antragsteller weiterhin bemüht seien, einen Dienstleister zu finden, der eine weitere Recherche in Polen (z.Bsp. nach einem Kirchenbucheintrag) übernehmen würde.
    Es wurden zudem eidesstattliche Versicherungen der Ehegatten der nachverstorbenen Kinder vorgelegt, wonach diese die Abstammung ihrer Ehegatten erklären.
    Der Notar verwies desweiteren auf § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG und bat um Erteilung des Erbscheins.

    Daraufhin habe ich den Notar um Mitteilung gebeten, ob bereits bei den Standesämtern, die die Eheschließungen der Kinder beurkundet haben, nachgefragt wurde, ob dort eidesstattliche Versicherungen/Erklärungen zu den Eltern vorliegen. Zudem habe ich darauf hingewiesen, dass unter Umständen in Kirchenbüchern (ggf. mit Hilfe von Erbenermittlern) Abstammungsnachweise zu finden seien. Weiterhin habe ich angefragt, ob den Beteiligten anderweitige Unterlagen vorliegen, aus denen sich Hinweise zur Abstammung finden lassen (Briefe, Unterlagen aus Flüchtlingslagern etc.).
    Darüber hinaus habe ich angeregt, beim deutschen Generalkonsulat in Breslau nachzufragen und auch beim Standesamt des Wohnorts des Erbl. zu recherchieren. Ggf. liegen dort Kenntnisse/Unterlagen über die Anzahl des Kinder der Erbl. vor (z.Bsp. Meldebestätigungen).
    Auf dieses Schreiben erwiderte der Notar, dass bereits beim Generalkonsulat angefragt wurde und daraufhin die Schreiben der zuständigen Standesämter in Polen kamen. Er erklärte zudem nochmal, dass die Urkundenbeschaffung für die Antragsteller nachweislich mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sei. Weitere Ausführungen erachte er als obsolet, da andere Beweismittel vorgelegt wurden. Abschließend bat er um Erteilung einer rechtsmittelfähigen Entscheidung

    Mich würde eure Meinung zu dem Fall interessieren. Vlt. können mir mitlesende Erbenermittler einen Hinweis geben, ob in diesen Orten in Polen tatsächlich nicht mehr viel zu finden ist.

    Ich bin der Meinung, dass zumindest in den Kirchenbüchern recherchiert werden sollte. Die e.V. der Ehegatten der Erbprätendenten halte ich für nur bedingt geeignet. Das einzige noch lebende Kind des Erblassers hat allerdings den Erbscheinsantrag gestellt und somit auch eidesstattlich versichert, dass es sich bei seinen Gechwistern um die Kinder des Erbl. handelt.
    Ich tendiere derzeit eher dazu einen Zurückweisungsbeschluss zu erlassen, da auf mein letztes Schreiben mit den Vorschlägen zum weiteren Nachweis der Abstammung gar nicht eingegangen wurde.

    Vielen lieben Dank!!!

  • Ergibt sich nicht schon aus deinen Ausführungen, dass die urkundlichen Nachweise nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen besorgt werden können und du deshalb die vorgelegen EV als andere Beweismittel anerkennen musst.

    Wie lange muss d.E. ein Erbe „graben“, bis d.E. eine EV ausreicht? Muss d.E. ein Erbe einen (kostenpflichtigen) Profi-Erbenermittler einschalten, der u.U. mehr an (Zeit-) Honorar verlangt, als der Nachlass hergibt.

  • Danke für deine Antwort.
    M.E. sind Anfragen bei Standesämtern oder die Vorlage persönlicher Unterlagen, die die Abstammung beweisen, nicht zu viel verlangt.
    Es wurde nichts dazu vorgetragen, dass nach Unterlagen gesucht oder Anfragen bei den Standesämtern der Eheschließung oder Wohnsitz der Familie gestartet wurden. Weitere Recherchen wurden sogar ausdrücklich abgelehnt.

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Recherche (mit oder ohne Erbenermittler) in alten Kirchenbüchern exorbitant teuer ist. Vlt. könnte dazu ein Erbenermittler etwas schreiben.

    Die eidesstattliche Versicherung der Ehegatten der nachverstorbenen Kinder würde dir also ausreichen?

    Mit dem Nachlasswert ist das ja leider oft so eine Sache. Da ist der Grundbesitz (wie hier auch) meist nichts wert. Zudem möchte ich, unabhängig vom Nachlasswert, einen korrekten Erbschein erteilen.
    Und in dieser Sache habe ich ein ungutes Gefühl.

  • Der (nachgewiesene) Erbe versichert zu seinen Lasten, dass er weitere (nachverstorbene) Geschwister hat. Der Notar hat Nachweise vorgebracht, dass öffentliche Urkunden nicht beschaffbar sind. Es liegen weitere EV“s von Nichterben vor. Der Nachlasswert liegt unter 10.000€.

    Damit ist alles gesagt.

    Da hat es der deutsche Staat nicht hinbekommen, die staatlichen Personenstandsbücher zu schützen, die Menschen wurden vertrieben und nun sehen sie sich einer Justiz gegenüber, die (so empfinden das wahrscheinlich manche) erbarmungslos zu sein scheint.

    Ich kann offen gesagt überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb man bei dem Sachverhalt begründet ein „ungutes Gefühl“ haben kann. Worin begründet sich denn die Skepsis, dass hier unwahre Angaben gemacht werden?

    Aber wer kennt sie nicht, die Erben die zu ihren Lasten mal eben noch weitere Geschwister erfinden und deren Kinder dann bei diesem perfiden Spiel, die Justiz zu täuschen mitmachen? Und natürlich suchen diese Betrüger genau diese Erbfälle heraus, bei denen tatsächlich die Bücher kriegsbedingt nachweislich vernichtet sind. Daran merkt man, welche kriminelle Energie die oft schon weit über 70 jährigen Erben haben. Gut, dass man hier nicht auf diese durchschaubaren Tricks hereinfällt.

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    2 Mal editiert, zuletzt von TL (14. Juni 2022 um 00:11)

  • Besonders lobenswert ist auch, dass man die weiteren Personenstandsurkunden der nachverstorbenen Personen und die dort enthaltenen Angaben zum Geburtstag/-ort (Heiratseintrag, Sterbeurkunde) ignoriert. Diese Typen haben sich +/- 70 Jahre ohne Geburtseintrag durchs Leben gelogen, jetzt ist endlich Schluss damit. Und dass Polen lügen weiß auch jeder, von daher ist die Erklärung des Standesamtes dass nichts mehr da ist (ist die überhaupt beglaubigt und apostilliert?) wertlos. Mindestens kann man erwarten dass sich die Erben Zutritt ins Archiv verschaffen und nochmal richtig (statt polnisch) nachschauen.
    :mad:

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  • TL:
    Was kostet eigentlich 1 Stunde Urkundenbeschaffung für einen Erbenermittler?
    Und wieviel Stunden muss man ca. pro zu beschaffende Urkunde investieren?

  • TL:
    Was kostet eigentlich 1 Stunde Urkundenbeschaffung für einen Erbenermittler?
    Und wieviel Stunden muss man ca. pro zu beschaffende Urkunde investieren?

    Erbenermittler arbeiten typischerweise nicht nach Stunden, sondern nach % des Nachlasses. Für einen Nachlasswert von € 8.500 geht es da nach dem Motto von Cindy Crawford = dafür steht keiner morgens auf.

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  • Danke für eure Antworten!

    Insbesondere bei dem 1939 geborenen Kind finde ich es seltsam, dass kein Geburteneintrag existiert. Ist das üblich?

    Ich hatte zudem in ähnlichen Themen hier im Forum die Meinung gefunden, dass bei fehlenden Urkunden weitere Nachweise/Beweise vorgelegt werden sollten. Die e.V. nebst Bestätigung, dass Urkunden nicht vorliegen, reicht vielen Rechtspflegern nicht aus. In den Beiträgen wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass bei Eheschließungen die Eltern angegeben werden müssen. Warum wollen die Beteiligten nicht bei diesen Standesämtern nachfragen? Dies verursacht kaum Kosten und Aufwand.
    Ich bin der Meinung, dass die Beteiligten nicht alles Zumutbare unternommen haben, um die Abstammung nachzuweisen.

    Aber wenn ihr hier kein Probleme mit der Erbscheinserteilung hättet, werde ich den Erbschein erteilen.

    Einmal editiert, zuletzt von Karo (14. Juni 2022 um 09:47)

  • Diese Beiträge meine ich u.a.:
    Erbnachweis (rechtspflegerforum.de)


    • 21.01.2022, 11:35



      MoPe

      UserBerufRechtspflegerinRegistriert seit17.03.2014Beiträge22

      Falls die beiden Schwestern hier geheiratet haben, könnte man auf deren Heiratsurkunden zurückgreifen. In den Heiratsurkunden sind in aller Regel die Eltern genannt und man muss zur Heirat eine Geburtsurkunde vorlegen.
      Manchmal hat man Glück und bekommt aus den bei den Standesämtern verwahrten Anlagen zur Heiratsurkunde die entsprechende Geburtsurkunde oder der Ehegatte hat vor dem Standesamt an Eides Statt versichert, wer seine Eltern sind.
      Eine solche eidesstattliche Versicherung könnte man dann als anderes Beweismittel werten.
      Möglich wäre ggf. auch eine Suche über die Kirchenbücher in Breslau.




    • 24.01.2022, 11:56



      Max

      Gehört zum InventarBerufRpflRegistriert seit27.11.2013Beiträge722

      Andere Nachweise die mir schon vorgelegt wurden könnten sein:
      Impfbescheinigung und Entlausung aus dem Auffanglager für Flüchtlinge (gab es manchmal eine Karte für die gesamte Fam.)
      Lebensmittelkarten für die Familie
      Wohnungszuweisungsschein
      alte Hausbücher (die Meldeämter wissen bei uns wo noch welche da sind)
      Einwohnerlisten aus den Ortschaften aus denen die Menschen geflüchtet waren, gibts aus Schlesien, Ostpreußen etc




    • 24.01.2022, 12:16



      Einstein
      Gast

      In der Regel bekommt man auch heute noch Unterlagen aus Polen, wenn nicht von den staatlichen (Standes-) Ämtern, dann von den Kirchen. Die Kirchenbücher "spiegeln" in der Regel die früher von den (deutschen) Standesämtern geführten Register, die oft "in den Kriegswirren" zerstört bzw. von den deutschen Behörden mitgenommen wurden.


      Auch die hier bekannten Erbenermittler in HN bzw. in BAD sind -gegen entsprechendes Entgelt- in der Regel bei der Beschaffung von Personenstandsurkunden (auch aus dem Ausland) behilflich. In meiner Zeit beim Nachlassgericht konnten so (fast) alle Verwandtschaftsverhältnisse mit -wenn manchmal auch kirchlichen- Urkunden belegt werden.


      Meines Erachtens sollte man nicht allzu vorschnell auf die die Vorlage von Personenstandsurkunden ersetzende eidesstattliche Versicherung zurückgreifen, da häufig Urkunden beschaffbar sind und die evtl. Einschaltung einer Hilfsperson (z.B. eines wenn auch kostenpflichtigen Erbenermittlers) nicht zur besonders schweren Beschaffung von Personenstandsurkunden führt.

    • 24.01.2022, 12:25



      Cromwell

      Club 20.000BerufRechtspflegerRegistriert seit06.05.2009Beiträge20.211

      Ich stimme der Einschätzung meines Vorredners zu.


  • Insbesondere bei dem 1939 geborenen Kind finde ich es seltsam, dass kein Geburteneintrag existiert. Ist das üblich?

    Ja sicher gab es mal einen. Die Unterlagen des Geburtenregisters 1939 sind aber zerstört worden und/oder verschollen; entsprechende Bescheinigungen haben die Antragsteller laut Sachverhalt beigebracht. Auf einer einschlägigen Website heißt es dazu:

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ah! Danke für die Info Tom! Bei dem anderen Kind (StA. Ottmachau) wurde nämlich konkret angegeben, dass das Geburtenbuch verschollen ist. Bei dem weiteren Kind stand in der Mitteilung vom Standesamt nichts davon, dass das Geburtenbuch verschollen ist, sondern nur dass kein Geburteneintrag existiert.

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