Regelinsolvenz

  • Hallo liebe Forummitglieder,

    ich bin noch ganz neu hier, da ich mich noch in der Ausbildung befinde.

    Vorgang:

    Wir haben letzte Woche in einem Regelinsolvenzfall den Abschlußbericht erhalten. Soweit ja nichts aufregendes, aber...

    ...Das Verfahren dauerte insgesamt 6 Jahre!!!
    Meine Ausbilderin war sich auch nicht so ganz sicher, daher meine Frage:

    Wielange darf ein einfaches Regelverfahren dauern???
    Hier kommen Zweifel, dass der IV das Verfahren solange herausgezögert hat!

    Lieben Gruß

    Trixi

  • Jetzt kommt die berühmte Antwort:

    Kommt drauf an!

    Ich habe auch noch Regelinsolvenzen aus 1999 bzw. 2000, nicht viele aber ein paar, sind relativ große Firmen, die dann auch bald endlich abgeschlossen werden können!

    Pauschal kann man das nicht sagen, wie lange ein Regelinsolvenzverfahren dauern darf

  • Ein Insolvenzverfahren sollte kurz wie möglich und so lange wie nötig dauern. Also einfach anders ausgedrückt als: Es kommt drauf an.
    Große Verfahren können gut und gerne mal so lange dauern. Insbesondere Handwerkstbetriebe oder Baufirmen, die noch fortgeführt werden, da schliesst sich oftmals noch die Zeit für Gewährleistungen, bzw. Massezugewinn durch den Ablauf von Gewährleistungsbürgschaften an, da kommen nach Einstellung des Betriebes, bzw. Sanierung (idR. durch Übertragung) noch 3 Jahre dazu.

    Bei natürlichen Personen kann man auch mal auf den einen oder anderen "Aussreisser" kommen, manchmal wenn Grundbestiz im Spiel ist, das längste Verfahren waren bei mir mal 3 1/2 Jahre.

    Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings die Frage: was hat das Gericht im Aufsichtswege getan und welche Auslagen macht der IV geltend, sollte er einfach nur auf dem Schlussbericht gesessen haben. Denn nach dem BGH gibt es die jährliche Auslagenpauschale nur bis zum Zeitpunkt ordnungsgemäßer Verfahrensdurchführung (BGH, Beschluss v. 23.07.2004, IX ZB 250/03, NZI 04, 590 oder ZinsO 03, 652, 703)

  • Hallo Harry und Jenny,

    sorry, aber ich hatte die Rahmenbedingungen nicht direkt mitgenannt.

    Es handelt sich bei dem Verfahren um eine natürliche Person und der Betrieb wurde nicht fortgeführt. Grundbesitz war auch keiner vorhanden.

    Es ist ein Verfahren mit knapp über 20 Gläubigern und scheint recht "normal" gestrickt zu sein. D.h. Keine Beteiligung an anderen Firmen und dergleichen.

    Die Auslagenpauschale wird für die gesamte Zeit geltend gemacht.

    Hinzu kommt auch noch, dass der Schuldner in dieser Sache nachgefragt hat und um Aufklärung über die Dauer eines solchen Verfahrens gebeten hat, da in diesem "alten" Verfahren die RSB erst nach Verfahrensabschluß angekündigt werden kann. Somit kommen für den Schuldner dann ca. 13 Jahre bis zur endgültigen RSB zusammen, oder?!

    In dem Gespräch zwischen Schuldner und meiner Ausbilderin deutete dieser an, nach §60, wegen schuldhafter Pflichtverletzung durch Verfahrensverzögerung den IV oder das Gericht zu belangen.

    Wir haben ja die Kontrollfunktion des IV.
    Kann man uns denn auch dafür belangen?

    Gibt es außer der Sache mit der Auslagenpauschale noch ähnlich gelagerte Fälle?

    Grüße

    Trixi

    P.S.: Selten so einen interessanten Fall in meiner Ausbildung gehabt.

  • Tja, dann würde ich sagen, da hat der Verwalter geschlurt und das Gericht ein wenig geschlafen.

    Wir fragen bei einfachen Verfahren nach dem zweiten Bericht an, wann mit dem Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist, wenn der Verwalter nichts dazu sagt!

    Also nun schnellst möglich Schlusstermin und aufheben. Ist denn Masse zum Verteilen da?

  • Ja, Masse ist da! Wenn auch durch die Auslagenpauschalen geschmälert...

    Können wir denn die RSB rückwirkend für diesen Fall betrachten (anrechnen)?

    Könnten die Gläubiger auch noch Schadenersatz fordern, da die Ausschüttung so lange hat auf sich warten lassen?

    Wer ist denn in erster Linie verantwortlich? Der IV oder wir???

    Trixi

  • Also, wenn der Verwalter das Verfahren nur "so" laufen lassen hat, ohne in den letzten Jahren irgendwas gemacht zu haben, Forderungseinzug oder ähnliches, dann würde ich ihm die Auslagenpauschale nicht für die ganze Zeit geben.

    Bei dem Rest habe ich leider keine Ahnung und halte mich lieber raus. Sorry

  • @Jenny

    Es scheint ja bei diesem Fall wirklich nicht so einfach zu sein...

    Das mit der Auslagenpauschale sehen wir hier genauso!

    Danke für Deinen Beitrag.


    Was machen wir denn nun mit den anderen Fakten???

    Jemand eine Idee???

  • Nun, die Gesetzeslage ist eindeutig: WVP und Laufzeit der Abtretungserklärung in diesem Altfall erst mit Aufhebung des Verfahrens. Und dann dem Sachvortrag nach auch noch 7 Jahre. Der Schuldner ist über Gebühr in Anspruch genommen worden, einen Schaden hat er aber nicht, schließlich wird die eingezogene Masse zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten eingesetzt. Die Verfahrensdauer war allerdings überdurchschnittlich hoch und das verstösst gegen einige Verfahrensgrundsätze. Zuletzt hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bundesrepublik wegen überlanger Verfahrensdauer zur Zahlung verurteilt. Die Fundstelle habe ich leider nicht, es ging um § oder Art. 13 EuMRK. Es ging darum, das die Bundesrepublik kein Gesetz im Stil der Untätigkeitsbeschwerde zur Beschleunigung von Verfahren hat. Und in diesem Zusammenhang könnte der Schuldner wohl durchaus an Gericht und IV herantreten.

    So eine Idee: die RSB ist anzukündigen. Der Schuldner könnte sich dagegen beschweren und die Verfahrensdauer ins Feld führen mit dem Antrag, die RSB solle ihm sofort erteilt werden, oder ein Zeitraum des Verfahrens sei im in der WVP anzurechnen. Würde der Schuldner seinen Antrag auf Erteilung der RSB zurücknehmen und einen neuen Antrag stellen, dann würde das Verfahren nach 6 Jahren um sein.

    Was macht den der IV geltend, warum das Verfahren so lange gedauert hat?

  • @Harry

    Guten Morgen,

    der IV hat sich zur Verfahrensdauer noch nicht geäußert. Wir haben ihn allerdings schon dazu aufgefordert.

    Es handelt sich aber, wie schon beschrieben, um einen ziemlich einfachen Fall!

    Sollte hier vielleicht eine unseröse Praxis zu einer gewollten Verzögerung und somit einer Erhöhung der Vergütung geführt haben????????????

    Wie schon beschrieben, ist die Gesetzeslage bei so einem "Altverfahren" eindeutig.

    Könnten wir denn auch sofort die Verfahrensdauer auf die WVP anrechnen?
    Wenn ich das richtig verstehe, dürften wir das doch eigentlich nicht und dem Schuldner bleibt nur der Beschwerdeweg übrig, oder?

  • @Harry

    Wieso ist dem Schuldner eigentlich kein Schaden entstanden?!?

    "Jetzt kommt wieder meine soziale Ader zum Vorschein..."

    Der Schaden besteht doch aus einer dann 13-jährigen statt ca. 8-jährigen RSB.

    Wir befürchten, das hier §60 greifen könnte.

  • Zitat von Trixi

    Sollte hier vielleicht eine unseröse Praxis zu einer gewollten Verzögerung und somit einer Erhöhung der Vergütung geführt haben????????????



    Ob die lange Verfahrensdauer als vergütungserhöhender Faktor akzeptiert wird, liegt ja beim Gericht. Selbst wenn die Schamgrenze des Verwalters so niedrig ist, dass er das versucht, wäre es von ihm ziemlich blauäugig, an einen Erfolg zu glauben, vom Gericht problematisch, wenn es ihm auch noch folgt, und vom Schuldner ziemlich unaufmerksam, wenn er in letzterem Fall kein Rechtsmittel gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss einlegen würde.

    Zitat von Trixi

    Könnten wir denn auch sofort die Verfahrensdauer auf die WVP anrechnen?
    Wenn ich das richtig verstehe, dürften wir das doch eigentlich nicht und dem Schuldner bleibt nur der Beschwerdeweg übrig, oder?



    Bei eindeutig anwendbarer alter Rechtslage erschiene es mir sehr problematisch, einfach aus "Gerechtigkeitserwägungen" das neue Recht anzuwenden. Da würde ich als Gläubigeranwalt wohl über Schadensersatz nachdenken, weil mein Mandant ein paar Jahre WVP mit (potentieller) Quote verliert.

    Vor diesem Hintergrund sehe ich eigentlich auch keine Chance für ein Rechtsmittel des Schuldners gegen den 7-Jahre-Ankündigungsbeschluss.

    Ich selbst kann mir zwei sinnvolle Lösungen vorstellen für "Altverfahren" dieser Art:

    1. Der Schuldner nimmt seinen RSB-Antrag spätestens im Schlusstermin zurück und stellt gleich nach Verfahrensaufhebung einen neuen Insolvenzantrag. Damit spart er sich zumindest ein Jahr. (Er sollte dies vorab mit dem Gericht kurz absprechen bzw. notfalls einen neuen Gläubiger organisieren, damit sein neuer Antrag nicht als unzulässig betrachtet wird.)

    2. Vor dem Hintergrund vorgenannter Möglichkeit könnten IV oder Schuldner auch einen Insolvenzplan in Form des "Restschuldbefreiungsplans" vorlegen, wonach die eigentlich 7-jährige WVP verkürzt wird auf 6 Jahre (zur fehlenden Schlechterstellung bei Vergleichsrechnung s.o. Ziff. 1.) bzw., auf eine kürzere Frist, wenn ohnehin nichts zu erwarten wäre und die Gläubiger mitmachen (weil dann die Vergleichsrechnung Baden gehen würde und der Plan angreifbar wäre, § 245 I Nr. 1, § 251 I Nr. 2 InsO).

  • Zum Schaden:
    Wie soll denn die Verfahrensdauer sich als Schaden für den Schuldner auswirken? Er hat unter altem Recht den Antrag gestellt, da stand im Gesetz: erst Verfahren, dann WVP und die dauert 7 Jahre. Ob nun der pfändbare Teil des Einkommens an den IV oder einen pfändenden Gläubiger geht kann dem Schuldner eigentlich egal sein, das Geld wird auf jeden Fall zur Reduzierung seiner Verbindlichkeiten eingesetzt. Weiter noch, in der Insolvenz ist der Schuldner vor sonstigen Vollstreckungsversuchen (ich sage nur Kontopfändung) der Gläubiger geschützt.
    Wenn der Schuldner nun meint, er habe einen Schaden, dann soll er diesen beziffern und begründen. Und da sehe ich für ihn schwarz.

    Und alles weitere ist "kreative" Rechtsfortbildung, keine Grundlage im Gesetz. Einziger Anhaltspunkt ist die lange und bislang nicht gerechtfertigte Verfahrensdauer.

  • Unabhängig davon, ob neues oder altes Recht anzuwenden ist, entsteht dem Schuldner u.U. schon ein Schaden durch die überlange Verfahrensdauer:
    Seine Steuerrückerstattungsansprüche fallen z.B. noch in die Insolvenzmasse, und falls die Verfahrenskosten schon beglichen sind bei Stundungsverfahren bzw. bei den Altverfahren, fließt von seinem Arbeitseinkommen noch der volle pfändbare Betrag in die Masse und er kommt nicht in den Genuss des erhöhten Selbstbehaltes nach vier Jahren gem. § 292 Abs. 1 S. 4 InsO ("Motivationsrabatt"). :mad:

  • Ja, das Verfahren dauert lange, aber alles, was in die Masse fliesst ist pfändbar. Und wenn es pfändbar ist hat der Gläubiger Zugriff und Insolvenzverfahren bedeutet letztlich es gibt genug Gläubiger und auch solche mit Titel.

    Die Insolvenzmasse wird zur Reduktion der Verbindlichkeiten des Schuldners eingesetzt, das Pfändbare hätte der Schuldner also so oder so voraussichtlich hergeben müssen. Kein Schaden.
    Ich verwehre mich dem Automatismus, gleich einen Schaden aus der Verfahrensdauer anzunehmen. Und für einen Schadensersatzanspruch bedarf es einer Anspruchsgrundlage, da fällt mir keine zu ein, insbesondere im Hinblick auf die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens.

    Sollte der Schuldner jetzt vortragen, er habe aber einen Schaden, dann wollte er also seine Gläubiger nicht befriedigen, oder pfändbare Vermögenswerte nicht zur Reduktion seiner Verbindlichkeiten einsetzen. Und das zieht nicht.

    Interessant: Die Vergütung des IV, da kann ein Schaden entstehen, wenn der für lange Verfahrensdauer eine Erhöhung will oder für Zeiten, in denen nichts lief auch noch die Auslagenpauschale.

  • Ich denke der Kern der Schadensersatzdiskussion ist die Frage, ob der IV gegenüber dem Schuldner eine (untechnisch gesagt) "Schadensbegrenzungspflicht" hat. Mit anderen Worten: Der Schuldner hat einen "Schaden", nämlich seine Schulden. Das Gesetz bietet ihm in Form der RSB eine Möglichkeit, diesen "Schaden" zu beseitigen.

    Fragt man sich vor diesem Hintergrund nach den Pflichten des IV, muss m.E. in erster Linie das Wesen und der Zweck des Insolvenzverfahrens im Auge behalten werden:

    Das Insolvenzverfahren ist zunächst mal ein Verfahren der Gesamtvollstreckung, also Zwangsvollstreckung. Zwangsvollstreckung aber ist das, was der Staat dem Gläubiger zur Wahrung von dessen Interessen zum Ausgleich dafür zur Verfügung stellen muss, dass das staatliche Gewaltmonopol Selbstjustiz des Gläubigers nicht zuläßt. Dass es im Vollstreckungsrecht auch Schuldnerschutzbestimmungen gibt, ist insbesondere der Menschenwürde geschuldet, ändert aber m.E. nichts am grundsätzlichen Charakter des Vollstreckungsrechts als Gläubigerrecht.

    Über den Zweck des Insolvenzverfahrens findet sich in § 1 InsO eine Aussage. Auch wenn die Vorschrift nur bedingt geglückt ist, liegt nach zutreffender und wohl ganz h.M. (soweit ernstzunehmen) der Zweck in der optimalen Gläubigerbefriedigung. Missverständlich ist insbesondere § 1 Satz 2 InsO, der die Auslegung zuzulassen scheint, die RSB sei ebenfalls ein Zweck des Verfahrens. Letzteres halte ich so nicht für zutreffend; die RSB ist vielmehr ein potentieller Effekt des Verfahrens, jedoch nicht primärer Zweck.

    Ausgehend hiervon steht der IV im Hinblick auf die Verfahrensdauer in einer gewissen Zwickmühle: Bestmögliche Gläubigerbefriedigung - zu dessen Realisierung ihn die InsO verpflichtet - beinhaltet angesichts der Einbeziehung des Neuerwerbs zwingend, das Verfahren so lange wie möglich laufen zu lassen. Das Interesse des Schuldners, möglichst bald und "schmerzfrei" RSB zu erlangen wird nach einer an Wesen und Zweck des Verfahrens orientierten Interessenabwägung in aller Regel dem Gläubigerinteresse nachzustellen sein.

    Damit soll nicht gesagt sein, dass es keine Ausnahmefälle gibt, in denen die Interessenabwägung irgendwann umschlägt - z.B. dann, wenn realistischerweise eine Weiterführung des Verfahrens für die Gläubiger keinen Vorteil mehr erwarten läßt. In diesem Fall wird man wohl vom IV einen Verfahrensabschluss in überschaubarer Zeit verlangen dürfen. Ob und wann dann eine weitere Verzögerung auch noch in einen Schadensersatzanspruch des Schuldners gegen den IV umschlägt, kann wohl nur einzelfallabhängig beurteilt werden, dürfte aber die absolute Ausnahme sein. Denn - wie Harry richt sagt - die Anspruchsgrundlage ist durchaus problematisch (evtl. § 826 BGB) und lässt sich wohl nur aus der geschilderten Pflichtenlage des IV herleiten.

    Abschließend noch ein Wort zur Person des Ersatzpflichtigen:

    Eine Haftung des InsGerichts (neben dem IV) halte ich für noch schwieriger zu begründen. Denn unmittelbaren Einfluss auf den Verfahrensabschluss hat das InsGericht erst, wenn der IV die Schlussunterlagen vorgelegt hat und und die Erstellung und Vorlage kann das Gericht zwar (ggf. mit Zwangsgeld) einfordern, aber letztlich nicht ersetzen. Wenn die Schlussunterlagen vorliegen, könnte man allerdings über eine Haftung wegen Verzögerung des Schlusstermins nachdenken und in diesem Zusammenhang dürfte dann auch die Fürsorgepflicht des InsGerichts gegenüber dem Schuldner ein Argument sein.

    Kleine Anekdote hierzu: Unseren Kanzleirekord hält ein bislang nicht verbeschiedener Antrag auf Schlusstermin (und Vergütung!) aus dem Jahr 1999. Dem Schuldner ist das allerdings in dem Fall wurscht, weil er zwischenzeitlich gestorben ist. :eek:

  • Was die Befriedigung der Gläubiger anbelangt, gehe ich konform.

    Allerdings sehe ich das auch so wie "Bienenschwarm", dass der Schuldner das Verfahren doch nur betriebt, um RSB zu erlangen.
    Während dieser angedachten Zeit von Verfahren+WVP=ca. 8 Jahre, ist das meiner Meinung nach ja auch OK.

    Das mit den Steuererstattungsansprüchen und dem pfändbaren Betrag aus AE für eine Zeit von letztendlich dann ca. 13 Jahren, ist meiner Meinung nach schon ein materiell-rechtlicher Schaden.

    (Wir diskutieren den Fall hier auch sehr rege! Sehr lehrreich!)

    Frage:

    Wie ist denn dann eigentlich der §60 zu verstehen???

    "Der IV ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften IV einzustehen"

    Greift dieser Paragraph auch für uns als Dienstaufsicht führende Behörde?

    Kann denn der IV im Verfahren schalten und walten wie er mag???

    Viele, viele Fragen...

  • @chick + Harry

    Warum wurde denn durch die Reform der InsO eigentlich eine komplette Verfahrensdauer+WVP von max. 6 Jahren eingeführt??
    Hier ist es ja egal wie lange das geöffnete Verfahren dauert.

    Wollte man nicht eine Gleichbehandlung damit erreichen??



  • 1. Mir ist nicht bekannt, dass irgendjemand schon einmal auf die Idee gekommen wäre, § 60 InsO auch auf das Insolvenzgericht anzuwenden. Dafür besteht m.E. auch gar kein Bedürfnis, weil es ja den § 839 BGB gibt, der bei einer Pflichtverletzung des Gerichts eingreift. (In diesem Zusammenhang weise ich - zur Bereicherung der regen Diskussion bei Euch - nur darauf hin, dass das Spruchrichterprivileg in § 839 II 1 BGB für den Insolvenzrichter nach Ansicht verschiedener Kommentatoren zumindest teilweise nicht gilt, der also ggf. auch persönlich mal in die Haftung kommen kann; dürfte nicht allen Insolvenzrichtern geläufig sein:eek: ).

    2. § 60 InsO ist ein weites Feld und ich möchte für Details auf die einschlägigen Kommentare verweisen. Richtig dürfte in jedem Fall sein, dass er nur bei der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten (die ihm nach diesem Gesetz obliegen) zur Anwendung kommt. Standardfall ist die Verwertung eines Massegegenstandes unter Preis - da haftet der Verwalter natürlich den Gläubigern, aber auch dem Schuldner, weil dessen Schulden sich ja nicht in dem Umfang reduzieren, wie es möglich gewesen wäre. Ansonsten kommen für eine Haftung gegenüber dem Schuldner z.B. folgende Fälle in Betracht:

    - Nichterfüllung der steuerlichen Buchführungspflichten;
    - Zugriff auf insolvenzfreies Vermögen;
    - als Treuhänder in der WVP: Verletzung der Abführungspflicht § 292 I;
    - interessant in unserem Zusammenhang: Durchführung des Insolvenzverfahrens in großer übertriebener Eile (BGH WM 1985, 422, 424 f. = EWiR 1985, 313 [Kübler])

  • Zitat von Trixi

    @chick + Harry

    Warum wurde denn durch die Reform der InsO eigentlich eine komplette Verfahrensdauer+WVP von max. 6 Jahren eingeführt??
    Hier ist es ja egal wie lange das geöffnete Verfahren dauert.

    Wollte man nicht eine Gleichbehandlung damit erreichen??



    Man hat wohl die "Ungerechtigkeit" der alten Regelung gesehen, wonach es für einen Schuldner nicht von der Redlichkeit, sondern vom Zufall abhing, wie schnell er schuldenfrei wird (Beispiel aus eigener Praxis: Schuldnerin super kooperativ etc., hat aber Immobilien, deren Verwertung ewig dauert, etc. weshalb das Verfahren sich jahrelang hinzieht).

    Für die Überlegungen des Gesetzgebers gilt im übrigen prinzipiell:

    Die wirklichen Überlegungen des Gesetzgebers zu kennen schadet in der Regel dem Glauben an die Menschheit/an den Rechtsstaat/an die Gerechtigkeit/etc. In der Gesetzesanwendung sollten wir uns darauf beschränken, bei der Auslegung nach dem "Willen des Gesetzgebers" einen objektivierten, gerechten und somit real nicht existierenden Gesetzgeber zu fingieren. Anhaltspunkte bieten indes durchaus die Lügenmärchen, die in den Gesetzesbegründungen und anderweitig offiziell verbreitet werden.:D

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