Der Nachlasspfleger kann sich mit seinen Handlungen nur im Rahmen dessen bewegen, was ihm das Rechtsinstitut der Nachlasspflegschaft mittels der ihm vom Gesetz verliehenen Rechtsmacht gestattet und der ihm im Bestellungsbeschluss verliehene Aufgabenkreis kann natürlich nicht über diese (maximalen) gesetzlichen Befugnisse hinausgehen.
Aufgrund dieser Rechtslage ist es unstreitig nicht möglich, dass der Nachlasspfleger in erbfolgerelevanter Weise im Hinblick auf den Nachlass agiert, für den er bestellt ist: Er kann die Erbschaft für die unbekannten Erben weder annehmen noch ausschlagen und der kann auch keinen Erbscheinsantrag stellen.
Es ist seit jeher streitig, ob das, was vorstehend für den Nachlass gilt, für den der Nachlasspfleger amtiert, auch für die Erbschaft eines anderen (Erst-)Nachlasses gilt, die dem Zweiterblasser zu seinen Lebzeiten angefallen war, die er aber bis zu seinem Ableben - bei laufender Ausschlagungsfrist - noch nicht angenommen oder ausgeschlagen hatte. Die bislang hM hat diese Frage verneit und deshalb war es bislang auch gängige Praxis, dass der Nachlasspfleger diese "Erbschaft in der Erbschaft" annehmen oder ausschlagen und diesbezüglich auch einen Erbscheinsantrag stellen konnte. Der BGH hat dieser herrschenden Ansicht nunmehr widersprochen und wenn ich es richtig sehe, sind alle, die sich hier bislang dazu geäußert haben, der Ansicht, dass dies eine Fehlentscheidung ist.
Das ist die rechtliche Ausgangssituation.
Wenn wir nunmehr für die weitere Diskussion unterstellen, dass die Rechtsauffassung des BGH zutrifft, so sind dem Nachlasspfleger des Zweitnachlasses die genannten Maßnahmen im Hinblick auf den Erstnachlass verwehrt, weil ihm die hierfür erforderlichen Befugnisse - bedingt durch die Besonderheiten der Nachlasspflegschaft - materiell nicht zustehen. Diese Feststellung führt dann zwangsläufig zu der Frage, wer denn überhaupt die Erbschaft des Erstnachlasses annehmen oder ausschlagen kann, wenn dem Nachlasspfleger des Zweitnachlasses diese Befugnis nicht zusteht. Hierfür kommt - und dies wurde hier auch bereits angesprochen (ohne dass es ausdiskutiert worden wäre) - einzig und alleine ein nach § 1913 BGB zu bestellender Pfleger in Betracht.
Bevor ich mich näher mit den Befugnissen eines solchen Pflegers im Hinblick auf die vorliegende Streitfrage befasse, möchte ich betonen, dass die hier diskutierte Problematik der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft des Erstnachlasses nicht die einzige Fallgestaltung ist, bei welcher der nach § 1913 BGB bestellte Pfleger einspringt, wenn der Nachlasspfleger insoweit "ausfällt". Ich denke hier insbesondere an die bekannte Streitfrage, ob man eine originäre Erbteilspflegschaft für unbekannte Erben zu dem Zweck anordnen kann, sich an der Erbauseinandersetzung im Verhältnis zu den bekannten Erben zu beteiligen. Die Nachlassgerichte - und auch die Rechtsprechung - sind insoweit bekanntlich sehr zurückhaltend und deswegen hat sich der besagte Streit auch schon fast zu einer Glaubensfrage entwickelt. Dabei wird aber übersehen, dass das, was der Nachlasspfleger wegen der (auch hier unterstellten) systemimmanenten Beschränkung seiner Rechtsmacht nicht zu leisten vermag, natürlich ohne weiteres von einem nach § 1913 BGB zu bestellenden Pfleger geleistet werden kann, weil er diesen systemimmanenten Beschränkungen des Rechtsinstituts der Nachlasspflegschaft nicht unterliegt. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zum Nachlasspfleger kann ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger den unbekannten Erben bei allen Rechtsgeschäften vertreten, die der Erbe auch selbst vornehmen könnte, ohne dass insoweit die Beschränkungen einer Nachlasspflegschaft Platz greifen.
Und deshalb kann ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger - und jetzt sind wir wieder bei der aktuellen Problematik - die Erbschaft des (Zweit-)Nachlasses, für den der Nachlasspfleger amtiert, ihm Gegensatz zu diesem auch annehmen und ausschlagen (BGB-RGRK/Kregel § 2043 Rn. 4 sowie BGB-RGRK/Dickescheid § 1913 Rn. 14 - jeweils für die Erbannahme, aber für die Erbausschlagung kann natürlich - als Spiegelbild der Annahme - nichts anderes gelten). Und wenn er dies kann, dann kann er natürlich "erst recht" auch eine Erbschaft für die unbekannten Erben des Zweiterblassers annehmen und ausschlagen, die sich zugunsten des vor Ablauf der Ausschlagungsfrist verstorbenen Zweiterblassers aus einem Erstnachlass ergibt, welche dieser zu seinen Lebzeiten noch nicht angenommen oder ausgeschlagen hatte.
Die Befugnisse eines Nachlasspflegers und diejenigen eines nach § 1913 BGB bestellten Pflegers sind also nicht identisch, denn wären sie es, könnte neben einem Nachlasspfleger nie ein Pfleger nach § 1913 BGB bestellt werden, weil es dadurch nicht zur materiellen Erschließung weiterer Befugnisse (die einem Nachlasspfleger nicht zustehen) kommen könnte. Diese Abgrenzung zwischen § 1960 BGB (als lex specialis im Verhältnis zu § 1913 BGB) und § 1913 BGB ist daher auch exakt der Punkt, der in jedem Kommentar für die Beurteilung der Frage diskutiert wird, wofür denn nun der Nachlasspfleger und wofür der Pfleger nach § 1913 BGB zuständig ist.
Die Antwort auf diese Frage lautet: Der Pfleger nach § 1913 BGB kann für die unbekannten Erben alles tun, was der Nachlasspfleger nicht tun kann und umgekehrt darf er nichts tun, wofür der Nachlasspfleger zuständig ist.
Und wenn nun streitig ist, was der Nachlasspfleger tun darf und was nicht, gibt es eben zwei denkbare Problemlösungen. Entweder man weist die betreffenden materiellen Befugnisse dem Nachlasspfleger zu (was wir hier alle im Gegensatz zum BGH für die vorliegende Problematik befürworten) oder man verneint - wie der BGH -, dass dem Nachlasspfleger diese Befugnisse zustehen. Im Falle einer solchen Verneinung ist die Diskussion aber noch nicht am Ende angelangt, denn aus dieser Verneinung folgt zwangsläufig, dass die besagten Befugnisse einem nach § 1913 BGB zu bestellenden Pfleger zustehen.
Die Welt geht also nicht unter, wenn man dem Nachlasspfleger die betreffenden Befugnisse verwehrt, weil als Ausweichslösung - wie bei der angesprochenen Frage der Erbauseinandersetzung - immer noch § 1913 BGB zur Verfügung steht. Es liegt auf der Hand, dass diese Ausweichlösung nicht erstrebenswert ist (und deswegen "kämpft" man ja für die Nachlasspflegerlösung), weil sie zu einem unbefriedigenden Nebeneinander von nachlassgerichtlichen und betreuungsgerichtlichen Zuständigkeiten, zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung und zu erhöhten Kosten führt (Gerichtskosten, Pflegervergütung und Verfahrenspflegervergütung im betreuungsgerichtlichen Verfahren). Das ändert aber nichts daran, dass es diese Ausweichlösung gibt und dass man sich ihr als "letzter Ausweg" auch bedienen kann. Es liegt allerdings nahe, dass die Betreuungsgerichte angesichts dieser "neuen" Aufgaben keine Freudensprünge vollführen werden (was man ja auch verstehen kann).
Der BGH hat die Befugnis eines Zweit-Nachlasspflegers, eine Ersterbschaft anzunehmen oder ausschlagen, mit der Begründung verneint, dass dies Aufgaben seien, die dem Rechtsinstitut der Nachlasspflegschaft fremd sind. Er hat aber - wie sollte er auch - nicht den Grundsatz in Frage gestellt, dass eine Erbschaft von einem gesetzlichen Vertreter (also etwa von den Eltern für ihre minderjährigen Kinder) angenommen oder ausgeschlagen werden kann. Nur muss dies in den hier einschlägigen Fällen dann eben ein anderer gesetzlicher Vertreter als der Nachlasspfleger sein.
Ich rechne aus den genannten Gründen nicht damit, dass der BGH - sollte er mit dieser Frage überhaupt befasst werden und hierfür wäre (weil Angelegenheiten des Betreuungsgerichts in Frage stehen) letztlich auch ein anderer Senat zuständig - auch die entsprechenden Befugnisse eines nach § 1913 BGB zu bestellenden Pflegers verneint, weil auch jeder andere gesetzliche Vertreter (etwa die Eltern) für die von ihr jeweils vertretene Person sog. "höchstpersönliche" Entscheidungen treffen kann. Der Nachlasspfleger kann dies nach Ansicht des BGH nur wegen der Besonderheiten des Rechtsinstituts der Nachlasspflegschaft nicht. Diese systemimmanenten Beschränkungen gelten aber für einen nach § 1913 BGB bestellten Pfleger nicht.
Sollte der BGH wider Erwarten auch einem nach § 1913 BGB bestellten Pfleger die besagten Befugnisse verweigern, könnte überhaupt niemand die Erbschaft des Erstnachlasses annehmen oder ausschlagen, solange die Erben des Zweitnachlasses nicht ermittelt sind (was bekanntlich Jahre dauern kann). Damit würde das Annahme- und Ausschlagungsrecht im Hinblick auf den Erstnachlass zur res extra commercium. Dies wäre in der Tat ein völlig unannehmbares Ergebnis, weil dann sowohl der Erstnachlass als auch der Zweitnachlass in verwaltungsmäßiger Hinsicht bis zum Abschluss der Erbenermittlung beim Zweiterbfall brach liegen.
Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen halte ich die Entscheidung des BGH aber gleichwohl für völlig verfehlt. Bevor man Entscheidungen mit derart weitreichenden Konsequenzen trifft und seit Jahrzehnten bewährte Verfahrensweisen mit leichter Hand vom Tisch wischt, sollte man vielleicht ein wenig über den Tellerrand des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts hinausblicken, bevor man die Tätigkeit von Nachlasspflegern und Nachlassgerichten im gesamten Bundesgebiet ohne Not erschwert und beeinträchtigt.