Erbausschlagung Nachlasspfleger

  • Merkt ihr jetzt, warum ich mich über diesen juristischen Tieftauchrausch des BGH so aufrege? Ja? Warum ich es als inkohärent bezeichne, was die da fabriziert haben?

    Darüber habe ich mich zu keinem Zeitpunkt gewundert. :D
    Verstehe es jetzt aber noch besser. Ich fand die Entscheidung allerdings auch schon beim ersten lesen wenig nachvollziehbar. Zusammengefasst also: Es hat schwach angefangen und dann stark nachgelassen.

    Einen NLP für den in den anderen Nachlass fallenden Nachlass zu bestellen wird wohl einzig übrig bleiben, bis der Gesetzgeber das gelöst hat.


    Oder der BGH seine Rechtsprechung aufgibt ...

    Wenigstens gibt es eine (zumindest halbwegs) praxistaugliche Möglichkeit damit umzugehen.

  • Ich werde hierzu eine Entscheidungsanmerkung verfassen und mir erlauben, dabei auch die hier geäußerten Gedanken, die sich im Übrigen mit meinen decken, einfließen zu lassen.

    Haftungsbeschränkende Maßnahmen kann man nur ergreifen, wenn man die Erbschaft angenommen hat. Ist die Annahme der Erbschaft (ebenso wie deren Ausschlagung) aber nicht möglich, kommen auch keine Haftungsbeschränkungsmaßnahmen in Betracht, weil sie die Annahme der Erbschaft begrifflich voraussetzen.

    Also ein zentraler logischer Denkfehler von OLG und BGH und damit ein veritables rechtliches Eigentor.

    Die Argumentation im Hinblick auf das Sicherungsbedürfnis erscheint von vorneherein verfehlt. Das Agieren bezüglich eines Unternachlasses (unabhängig davon, ob der Erblasser insoweit als Alleinerbe oder als Miterbe in Betracht kommt) unterliegt nicht dem Aufgabenkreis der Sicherung des Nachlasses, sondern dem Wirkungskreis der Verwaltung des Nachlasses, weil es darum geht, einen Vermögenswert zugunsten des verwalteten Zweitnachlasses zu realisieren (Annahme) oder auch nicht (Ausschlagung).

  • Danke Cromwell. Feuer frei!

    So wie ich das bisher verstehe, sieht der BGH die Ausschlagung als höchstpersönliches Recht an (aber nur bei einer Nachlasspflegschaft. Ein Betreuet kann ausschlagen und ein Bevollmächtigter ebenso) und die Annahme wäre dann aber kein höchstpersönliches Recht, denn das soll der Pfleger ja machen können und dann ggf. die Haftungsbeschränkung herbeiführen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Wenn das alles so wahnsinnig höchstpersönlich ist und gesetzliche Vertreter nicht ausschlagen können: was ist denn dann jetzt mit Minderjährigen? :teufel:

    (Frage für einen Freund.)

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des (bis dahin noch unbekannten) Erben - mit Ausnahme der Ausschlagung einer in den Nachlass gefallenen Erbschaft. Da vertritt er den Erben nicht. Sonst bei allem. So der BGH.

    Irrwitzig ist auch, dass man in KA nicht einfach gesagt hat, es sei nicht genehmigungsfähig, weil man es dem Erben überlassen müsse. Nein, man hat zur Frage der Genehmigungsfähigkeit noch munter die grundsätzliche Vertretungsmacht des Pflegers angezweifelt. Also zwei völlig unterschiedliche Dinge miteinander verquickt.

    Nachtrag: Und da liegt m.E. auch das Problem für die Vergangenheit. Wäre nur die Genehmigungsunfähigleit festgestellt worden, handelt es sich um eine Verfahrensfrage, bei der dann die schon früher erteilten Genehmigungen trotzdem Rechtskraft erlangt haben. Die Beschlüsse wären zwar angreifbar, sind aber bis dahin schlicht rechtskräftig. Nimmt man aber zusätzlich materiellrechtlich an, dass dem NLP diesbezüglich überhaupt keine Vertretungsmacht zusteht, kann keine Rechtskraft von Genehmigungen für Ausschlagungen entstanden sein. Die Ausschlagung geht schon ins Leere, weil sie von einer nicht berechtigten Person erfolgte. Damit ist auch die dazu erteilte Genehmigung völlig inhaltsleer, weil sie etwas genehmigt, das materiellrechtlich dem Erklärenden nicht zusteht. Als hätte ein völlig fremder Dritter eine ihm nicht angefallene Erbschaft ausgeschlagen. Die Beschlüsse müssten ggf. also sogar von Amts wegen aufgehoben werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied und -wie gesagt- ebenso völlig unnötig vom BGH dahingeknallt worden in dem man mehrere Dinge inkonsequent miteinander verquickt hat.

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    4 Mal editiert, zuletzt von TL (24. Mai 2022 um 07:09) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Irrwitzig ist auch, dass man in KA nicht einfach gesagt hat, es sei nicht genehmigungsfähig, weil man es dem Erben überlassen müsse. Nein, man hat zur Frage der Genehmigungsfähigkeit noch munter die grundsätzliche Vertretungsmacht des Pflegers angezweifelt. Also zwei völlig unterschiedliche Dinge miteinander verquickt.

    Zumindest das ist konsequent, weil man alleine die Genehmigungsfähigkeit abgesprochen hätte, was wäre dann mit der Ausschlagungsfrist gewesen. Die müsste dann eigentlich (ab)laufen.
    Hätte man dann argumentiert, dass die Ausschlagungsfrist während der NLP wegen höherer Gewalt gehemmt ist, weil eine Genehmigung (stets) nicht erteilt werden kann?


    Ich werde hierzu eine Entscheidungsanmerkung verfassen und mir erlauben, dabei auch die hier geäußerten Gedanken, die sich im Übrigen mit meinen decken, einfließen zu lassen.


    Da freue ich mich schon drauf diese zu lesen.

  • Na ja, man hätte ja tatsächlich mit § 1952 BGB dahingehend argumentieren können, dass der NLP zwar ausschlagen kann, aber die nachlassgerichtliche Genehmigung solange nicht erteilungsfähig ist bis die Erben feststehen. Dann wäre es so ähnlich wie beim minderjährigen Kind und dem Lauf der Frist während der Dauer der familiengerichtlichen Genehmigung in dessen Verfahren das Kind dann volljährig wird. Dann kann das volljährig gewordene Kind (in unserem Fall ergo die Erben) selbst entscheiden.

    Aber: Ich halte das für völligen Unsinn, denn als NLP greife ich ständig in die Rechte der Erben ein. Ich verkaufe Immobilien, kündige Mietverhältnisse oder verwerte Hausrat. Auch da nehme ich den Erben als gesetzlicher Vertreter täglich die letzte Entscheidungsgewalt ab und entscheide (ggf. mit Genehmigung des NLG) selbst. So ist das eben, wenn die Erben unbekannt sind.

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  • Wenn aber jedem Nachlasspfleger die Zuständigkeit fehlt, eine Erbschaft auszuschlagen und in der Folge alle Ausschlagungen, egal wann in der Vergangenheit sie erfolgt sind, unwirksam sind, sind alle Erbscheine, die unter Berücksichtigung der unwirksamen Ausschlagungen als wirksam erteilt worden sind, falsch und daher von Amts wegen einzuziehen und ggf. von Amts wegen für kraftlos zu erklären.

    Zum Glück bin ich Betreuungsrichter. ;)

  • Es wird weniger um ordentliche Erbfolgen denn um im Anschluss an solche Ausschlagungen festgestellte Fiskuserbrechte gehen. Die wären dann nämlich auch futsch.

    So ist es eben. 122 Jahre BGB-Praxis vom BGH pulverisiert. Und das mit einer Begründung, die einen fragend zurück lässt. Grandios.

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  • Meine Rede seit #26.

    Wie kriegt man den Unsinn eigentlich wieder aus der Welt? Müsste wohl ein nicht-saarländischer NLP ein OLG finden, das die Rechtsbeschwerde zulässt und dem BGH die Chance gibt, nochmal nachzudenken.

  • Frage eines Betreuungsrichters:
    Könnte ein Pfleger für unbekannte Beteiligte (der ggf. durch das Betreuungsgericht zu bestellen werde) rechtswirksam eine Erbschaft für die von ihm vertretenen Personen ausschlagen?:gruebel:

  • Frage eines Betreuungsrichters:
    Könnte ein Pfleger für unbekannte Beteiligte (der ggf. durch das Betreuungsgericht zu bestellen werde) rechtswirksam eine Erbschaft für die von ihm vertretenen Personen ausschlagen?:gruebel:

    Der BGH argumentiert ja (auch) damit, dass beim Nachlasspfleger die Vorschriften nur entsprechend anzuwenden sind. Gleiche Formulierung findet sich ebenfalls im § 1915 BGB bzw. ist ja auch die Vorschrift für den Nachlasspfleger.
    Gleichzeitig würde der Pfleger für unbekannte Beteiligte ja die selbe Problematik aufwerfen, er würde einem unbekannten Personenkreise ihre höchstpersönliche Möglichkeit zur Ausschlagung aus der Hand nehmen. Also wenn (und ich betone einfach mal, dass das ein sehr großes wenn ist; wir sind ja bisher hier recht einig, was die Meinungen dazu angeht :D) man dieser Logik folgt, muss das in Konsequenz auch für den Pfleger für unbekannte Beteiligte gelten.


  • So ist es eben. 122 Jahre BGB-Praxis vom BGH pulverisiert. Und das mit einer Begründung, die einen fragend zurück lässt. Grandios.

    ich frage mich, ob der BGH bzw. der entsprechende Senat das alles auf dem Schirm hatte, was daraus folgt. Nicht nur bei den Nachlasspflegern, sondern auch bei den Betreuern welche nach der inhaltlichen Begründung dann auch nicht ausschlagen dürften, bei den Pflegern für abwesende Beteiligte, selbst bei den angesprochenen Minderjährigen (müsste man denen nicht dann ebenfalls bis zur Volljährigkeit einen Nachlasspfleger für den jeweiligen Erblasser an die Seite stellen, weil die personen- und vermögenssorgetragenden Personen (meist Eltern) ebenfalls in höchstpersönliche Gestaltungen eingreifen würden?)...

    Wie kriegt man den Unsinn eigentlich wieder aus der Welt? Müsste wohl ein nicht-saarländischer NLP ein OLG finden, das die Rechtsbeschwerde zulässt und dem BGH die Chance gibt, nochmal nachzudenken.

    gute Idee! ;) oder ein Betreuer schiebt das über ein LG mal hoch...


  • So ist es eben. 122 Jahre BGB-Praxis vom BGH pulverisiert. Und das mit einer Begründung, die einen fragend zurück lässt. Grandios.

    ich frage mich, ob der BGH bzw. der entsprechende Senat das alles auf dem Schirm hatte, was daraus folgt. Nicht nur bei den Nachlasspflegern, sondern auch bei den Betreuern welche nach der inhaltlichen Begründung dann auch nicht ausschlagen dürften, bei den Pflegern für abwesende Beteiligte, selbst bei den angesprochenen Minderjährigen (müsste man denen nicht dann ebenfalls bis zur Volljährigkeit einen Nachlasspfleger für den jeweiligen Erblasser an die Seite stellen, weil die personen- und vermögenssorgetragenden Personen (meist Eltern) ebenfalls in höchstpersönliche Gestaltungen eingreifen würden?)...

    Das würde ich tatsächlich anders beurteilen, weil in diesen Fällen die betroffene Person bekannt ist. Bemängelt wurde seitens des BGH ja, dass auch persönliche Gründe in die Entscheidung bezüglich der Ausschlagung einfließen können, die man aber im Falle einer Ausschlagung durch den Nachlasspfleger gerade nicht berücksichtigen kann.
    Selbst wenn sich ein Kind/Betreuter nicht (mehr) äußern kann, sind in diesem Fall aber zumindest die persönlichen Verhältnisse und bestensfalls auch das Verhältniss zwischen Erblasser und Betroffenen bekannt; man hat damit auch automatisch eine ganze andere Bewertungsgrundlage. Ob diese dann zutreffend angewandt wurde, muss man halt ggf. im Genehmigungsverfahren klären.

  • Auch dieser Vergleich mit dem Betreuer macht es nur noch verrückter, weil zugleich auf die Vererblichkeit des Ausschlagungsrecht hingewiesen wurde und der völlig unpassende Hinweis gegeben worden ist, dass ein Nachlasspfleger die Erbschaft für die Erben für die er bestellt ist, nicht annehmen dürfe. Eine völlig wirre Verknüpfung von völlig unterschiedlichen Sachverhalten und rechtlichen Grundlagen. Mit dem Hinweis, dass der NLP dem Erben die letzte persönliche Entscheidung nicht nehmen darf, dürfte dann aber letztlich wie gesagt ein Betreuer auch nie ausschlagen soweit nicht der Betreute selbst darauf hinwirkt. Oder Eltern müssten bei einem Kind auch warten, bis es sich selbst um den Erbfall kümmern und entscheiden kann. Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich diese erschreckend ahnungslos wirkende und kurz dahingezimmerte Begründung.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Richtig. Entschieden wurde durch den BGH die Ausschlagung der Erbschaft durch den Nachlasspfleger. Aber durch die vielen verwurmten Nebenäußerungen ist auch die Annahme der Erbschaft bzw. die Auswirkungen auf Betreuer und bei Minderjährigen entsprechend unsicher geworden. wenn man die vom BGH hier hoch gehaltene "Höchstpersönlichkeit" der Annahme/Ausschlagung ernst nimmt, muss man die Zulässigkeit von derartigen Handlungen durch andere als Nachlasspfleger entprechend in Zweifel ziehen...

  • … Mit dem Hinweis, dass der NLP dem Erben die letzte persönliche Entscheidung nicht nehmen darf, dürfte dann aber letztlich wie gesagt ein Betreuer auch nie ausschlagen soweit nicht der Betreute selbst darauf hinwirkt.

    Künftig im Betreuungsrecht:

    Unterstützung durch Betreuer bei der Umsetzung der Wünsche des Betreuten. Das bisherige „Wohl“ aus der Sicht des Betreuers ist künftig unbeachtlich.

    Unterstützung vor Vertretung. Und Vertretung nur da zulässig, wenn Unterstützung nicht möglich.

    Will z.B. der handlungsfähige Betroffene nicht handeln, so ist -zumindest nach bisher teilweise vertretener Ansicht- künftig ein Vertreterhandeln des Betreuers unzulässig.

    Im Recht der elterlichen Sorge:
    Minderjährige sind Geschäftsunfähig bzw. Beschränkt Geschäftsfähig.

  • Die Überlegungen zu meiner Entscheidungsanmerkung sind weitgehend abgeschlossen. Ich werde in dieser Anmerkung folgende Rechtsauffassung vertreten:

    Der Gleichbehandlung von Erbannahme und Erbausschlagung im Hinblick auf einen vorhandenen Erstnachlass ist zuzustimmen, weil der für den Zweitnachlass amtierende Nachlasspfleger das angeblich höchstpersönliche Ausschlagungsrecht der unbekannten Erben auch durch eine Erbannahme aushebeln würde. Hieraus folgt, dass eine Erbannahme durch Fristablauf ausgeschlossen ist, weil dem Nachlasspfleger die Annahmebefugnis fehlt und die noch nicht ermittelten unbekannten Erben - ganz abgesehen von § 1952 Abs. 2 BGB - keine Kenntnis vom Erbanfall haben.

    Es steht außer Frage, dass ein Nachlasspfleger nicht die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft des Nachlasses erklären kann, für den er bestellt ist, weil das Annahme- oder Ausschlagungsrecht nicht Gegenstand des von ihm verwalteten Nachlasses ist. Eine solche Annahme oder Ausschlagung kann aber ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger erklären, weil insoweit das Rechtsinstitut der Nachlasspflegschaft als lex specialis nicht greift.

    Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der für den Zweitnachlass bestellte Nachlasspfleger eine dem Erblasser zu seinen Lebzeiten angefallene (aber noch nicht von ihm angenommene oder ausgeschlage) Erbschaft eines Erstnachlasses ausschlagen (oder annehmen) kann. Das vom BGH zur Verneinung dieser Frage herangezogene Höchstpersönlichkeitsargument ist nicht stichhaltig, weil die Erbausschlagung sogar von einem rechtsgeschäftlich (auch transmortal) Bevollmächtigten erklärt werden kann und man einem gesetzlichen Vertreter nicht etwas verweigern kann, was das Gesetz bereits einem gewillkürten Vertreter zubilligt.

    Im Übrigen kommt es bei jeder gesetzlichen Vertretung zu einer Abkehr vom höchstpersönlichen Handeln des Vertretenen (etwa bei minderjährigen Kindern) und es gibt keinen gesetzlichen Anhaltspunkt, dass die gesetzliche Vertretung von bekannten Beteiligten anders (und gleichheitswidrig) als die gesetzliche Vertretung von unbekannten Vertretenen zu beurteilen wäre.

    Nicht zu folgen ist auch den weiteren Ausführungen des BGH zum Betreuungsrecht, wonach der Betreuer nur ausschlagen könne, wenn der Betroffene geschäftsunfähig ist. Diese Annahme verkennt den anerkannten Grundsatz des möglichen "Doppelhandelns" von Betreuer und geschäftsunfähigem Betroffenen, zumal die Erbausschlagung nicht in der Aufzählung der in § 1903 BGB genannten erbrechtlichen Geschäfte enthalten ist, für die kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden kann. Das Gesetz ordnet immer ausdrücklich an, wenn eine gesetzliche Vertretung nicht möglich ist (etwa beim Handeln eines beschränkt geschäftsfähigen Kindes als Erblasser beim Erbverzicht, was auch für den Einwilligungsvorbehalt bei der Betreuung gilt). Eine entsprechende Vorschrift im Ausschlagungsrecht existiert jedoch nicht.

    Die Rechtslage beim Insolvenzverwalter ist nicht vergleichbar. § 83 Abs. 1 S. 1 InsO beruht auf den insolvenzbeschlagsbedingten Besonderheiten des Insolvenzverfahrens.

    Die Rechtslage beim Testamentsvollstrecker ist zwar vergleichbar, weil die Annahme- und Ausschlagungsbefugnisse eines für den Zweitnachlass amtierenden Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers im Hinblick auf die Erbschaft eines Erstnachlasses nicht unterschiedlich zu beurteilen sind. Aber auch hier gilt, dass Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker die besagte Befugnis gleichermaßen zukommt und nicht, dass sie ihnen nicht zukommt.

    Wenn man davon ausgeht, dass dem Nachlasspfleger die besagten Befugnisse nicht zukommen, so muss jedenfalls ein nach § 1913 BGB zu bestellender Pfleger zur Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft des Erstnachlasses berechtigt sein, weil ihm diese Befugnisse bereits im Hinblick auf den Zweitnachlass zukommen, der vom Nachlasspfleger verwaltet wird. Anderenfalls würde das Annahme- und Ausschlagungsrecht im Hinblick auf den Erstnachlass bis zur Ermittlung der Erben des Zweinachlasses zum res extra commercium.

    Die Folgen der Rechtsprechung des BGH sind fatal, weil der für einen für sich alleine betrachtet überschuldeten Zweitnachlass amtierende Nachlasspfleger den Nachlass nicht durch die Annahme einer werthaltigen Ersterbschaft sanieren kann. Sind beide Nachlässe werthaltig, kann er den Zweitnachlass nicht durch die Annahme der Ersterbschaft vermehren, sodass sich eine unter Beteiligung des Pflegers erfolgende Erbauseinandersetzung im Rechtssinne (im nachhinein) als bloße Teilauseinandersetzung darstellen kann. Außerdem führt die Rechtsprechung des BGH dazu, dass für den Erstnachlass (oder lediglich für den Erbanteil des Zweiterblassers, wenn diese lediglich als Miterbe des Erstnachlasses in Betracht kommt) stets ein eigener Nachlasspfleger bestellt werden muss, der dann solange auf der Erbschaft oder dem besagten Erbteil "sitzen bleibt", bis die Erben des Zweitnachlasses ermittelt sind. Weitere Probleme ergeben sich im Hinblick auf die Norm des § 1952 Abs. 3 BGB, wenn die Erben des Zweitnachlasses - wie üblich - nur nach und nach ermittelt werden können und diese die Erbschaft des Erstnachlasses daher jeweils nur für ihren Erbanteil ausschlagen.

    Die Ausführungen des BGH zu den Haftungsbeschränkungsmaßnahmen sind unverständlich, weil das Ergreifen solcher Maßnahmen begrifflich die Annahme der Erbschaft durch denjenigen voraussetzt, der die Haftung zu beschränken trachtet. Wenn dem Nachlasspfleger des Zweitnachlasses die Befugnis zur Erbschaftsannahme des Erstnachlasses fehlt, sind Haftungsbeschränkungen demzufolge weder nötig noch möglich. Der BGH unterliegt daher insoweit dem gleichen logischen Denkfehler wie die Vorinstanz (OLG Saarbrücken).

    Des Weiteren ist es verfehlt, die vorliegende Problematik unter dem Aspekt der Sicherung des Nachlasses zu betrachten, weil es bei der Ausübung des Annahme- und Ausschlagungsrechts im Hinblick auf einen Erstnachlass um die Verwaltung eines zum Zweitnachlass gehörenden Rechts geht, dass demzufolge bereits vom Wirkungskreis der "Verwaltung des Nachlasses" erfasst wird.

    Alle in den einschlägigen Fällen seit dem Inkrafttreten des BGB erklärte Erbausschlagungen durch Zweitnachlasspfleger sind unwirksam. Die im Gefolge dieser unwirksamen Ausschlagungserklärungen erteilten Erbscheine sind daher von Amts wegen einzuziehen und alle erfolgten Fiskuserbrechtsfeststellungen sind von Amts wegen aufzuheben.

    Steht die Erbannahme durch den Zweiterblasser in Frage, ist zu fragen, ob der Erblasser die Ersterbschaft nicht zumindest konkludent angenommen hatte (er wohnte z. B. weiter im Haus seiner verstorbenen Ehefrau, die er nur kurz überlebte). Auf diese Weise würde die vorliegende Problematik nicht virulent.

    Es wäre zu begrüßen, wenn der BGH öffentlich machen würde, dass er an seiner Rechtsauffassung nach erneuter Prüfung nicht mehr festhält. Dies hat unlängst auch das OLG Nürnberg getan, als es sich im Anwendungsbereich des § 9 b WEG in einer offenkundig unrichtigen Entscheidung gehörig vergaloppiert hatte.

    Ansonsten bleibt als Ausweg nur die Pflegerbestellung nach § 1913 BGB, auch wenn die Betreuungsgerichte ob dieser "neuen" Aufgaben keine Freundensprünge vollführen werden und dadurch ein unbefriedigendes Nebeneinander von nachlassgerichtlichen und betreuungsgerichtlichen Zuständigkeiten eintritt, zumal hierdurch auch vermeidbare zusätzliche Kosten anfallen (Gerichtskosten, Vergütung des Pflegers etc.).

    Das sind also meine bisherigen Überlegungen.

  • Das ist mir zu hoch…sorry.

    Der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben darf laut BGH weder annehmen noch ausschlagen.

    Aber der nach § 1913 BGB für den unbekannten Erben bestellte Pfleger soll es dürfen?

    Für beide gelten die gleichen Vorschriften….da komme ich nicht mit. Das übersteigt mein Denkvermögen. Da bin ich einfach zu ungebildet dazu.

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    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    Einmal editiert, zuletzt von TL (9. Juni 2022 um 21:30)

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