Richtervorbehalt aufgehoben und dann...

  • Ich habe zwar Verständis dafür, dass man nicht alle Fachzeitschriften lesen kann. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, dass offenbar nicht einmal "unser" Rpfleger gelesen wird, in dem alle im vorliegenden Fall einschlägigen Probleme und Gerichtsentscheidungen veröffentlicht und erörtert wurden.

    So habe ich etwa in Rpfleger 2012, 361 ausführlich zu den Auswirkungen der für nach dem 28.05.2009 eingetretenen Erbfälle einschlägigen rückwirkenden Änderung des Nichtehelichenerbrechts (Einziehung unrichtig gewordener Erbscheine) und zur Rechtskraftproblematik bei der Nichtbeteiligung von Erben bei Verfügungen eines bestellten Nachlasspflegers (Rpfleger 2012, 666, 675) Stellung genommen.

    Für den vorliegenden Fall ist auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

    Die zunächst mangels Rechtsgrundlage nicht berücksichtigten nichtehelichen Kinder sind durch das rückwirkende Inkrafttreten des 2. ErbGleichG rückwirkend auf den am 24.12.2009 eingetretenen Erbfall erbberechtigt geworden. Der zunächst erteilte (ursprünglich richtige) Erbschein ist dadurch rückwirkend auf den Erbfall unrichtig geworden und war einzuziehen. Diese Einziehung ist offenbar erfolgt, weil nach dem mitgeteilten Sachverhalt zwischenzeitlich ein neuer Erbschein unter Einbeziehung der besagten nichtehelichen Kinder erteilt wurde.

    Nachdem der Nachlasspfleger im vorliegenden Fall offenbar für die Gesamtheit der (unbekannten) Erben bestellt wurde, steht ein gutgläubiger Erwerb überhaupt nicht in Frage. Denn wenn der Nachlasspfleger alle Erben vertreten hat, liegt eine Verfügung der durch den Nachlasspfleger vertretenen berechtigten Erben vor.

    Damit spitzt sich alles auf die Frage zu, ob die erteilte nachlassgerichtliche Genehmigung rechtskräftig geworden ist. Diese Frage habe ich in Rpfleger 2012, 666 (675) unter Einbeziehung der hierfür einschlägigen Rechtsprechung und Literatur ausführlich erörtert und für den Fall bejaht, dass den unbekannten -gleich welchen- Erben im Genehmigungsverfahren ein Verfahrenspfleger bestellt wurde. Der vorliegende Fall weist allerdings die Besonderheit auf, dass die nichtehelichen Erbprätendenten im Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens bereits in persona bekannt waren und sie gleichwohl nicht persönlich, sondern nur mittels eines Verfahrenspflegers beteiligt wurden. Ob die nachlassgerichtliche Genehmigung unter diesen Voraussetzungen rechtskräftig werden konnte, kann man sicher so oder anders sehen.

    Der zutreffende rechtliche Weg für die betreffende Erbin zur Durchsetzung ihrer Interessen ist somit die (rechtzeitige, da fristgebundene) Beschwerde gegen den damaligen Genehmigungsbeschluss. In diesem Beschwerdeverfahren wird sich das zuständige Oberlandesgericht sodann mit der Rechtskraftfrage zu befassen haben.

  • Und damit ist letztlich klar, dass dieser Fall (bzw. der zugrundeliegende Sachverhalt) es nicht rechtfertigt, das Verfahren an einen Richter abzugeben......schön, dass wir (das Forum :)) helfen konnten.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Danke für die ausführliche Antwort!
    Ich denke, es ist jedoch legitim, dass man vor allem, wenn man Nachlass zu dem Zeitpunkt nicht bearbeitet hat (Dezember 2012, als der Beitrag im Rechtspfleger erschien), auch entsprechende Aufsätze nicht gelesen hat. Ich habe mir aber eben bei der Kollegin das entsprechende Heft ausgeliehen und werde die entsprechenden Seiten kopieren, lesen und bei mir abheften. Vielen Dank also auch für die Fundstelle :)
    Und jetzt bekomme ich die Akte hoffentlich vom Tisch :)

  • Interessant erscheint mir im vorliegenden Fall insbesondere die Frage, ob die vorliegende Beschwerde rechtzeitig eingelegt wurde. Denn wenn der Genehmigungsbeschluss aufgrund der (persönlichen) Nichtbeteiligung der besagten Erbprätendenten im Genehmigungsverfahren - und das ist die zu klärende Grundsatzfrage - nicht rechtskräftig geworden sein sollte, könnte die Beschwerdefrist (frühestens) bereits ab Kenntnis von der Verkündung der gesetzlichen Neuregelung im Bundesgesetzblatt angelaufen sein. Voraussetzung für den Lauf der Beschwerdefrist ist allerdings, dass der Genehmigungsbeschluss den übergangenen Erbprätendenten auch nach den Normen des FamFG förmlich bekanntgemacht wurde. Fehlt es hieran (evtl.: bis heute), kann die Beschwerde kaum verfristet sein.

    Es gibt hier aber auch noch ein anderes Problem. Falls der Genehmigungsbeschluss im Zeitpunkt der Gebrauchmachung der Genehmigung i.S. des § 1829 BGB noch nicht rechtskräftig war (üblich: Gebrauchmachen mittels Doppelvollmacht des Notars), konnte von ihm auch nicht wirksam i.S. dieser Norm von der Genehmigung Gebrauch gemacht werden. Damit wäre das genehmigte Rechtsgeschäft (Kaufvertrag, Auflassung etc.) mangels wirksamer Gebrauchmachung nie wirksam geworden und das Grundbuch wäre unrichtig.

  • Aber die Erben waren doch beteiligt? Es gab ja einen Nachlasspfleger und einen Verfahrenspfleger?

    So ist das doch immer, wenn eine Pflegschaft besteht....einziger Unterschied hier, dass die potentiellen Erben aktenkundig waren und nicht angehört wurden...aber das dürfte wegen des für diese Erben handelnden NLP (und der Anordnung der Verfahrenspflegschaft) nicht ausschlaggebend für die Rechtskraft der Beschlüsse sein. Meine ich.

    Insoweit dürfte m.E. auf jeden Fall formal die Rechtskraft eingetreten sein. Eine andere Frage ist aber, ob und ggf. wer sich hier schadensersatzpflichtig gemacht haben könnte....aber auch da sehe ich aufgrund des geschilderten Sachverhalts keine Probleme, denn zum Zeitpunkt des rechtlichen Handelns waren eben die Erben keine Erben sondern wurden dies erst (rückwirkend) später mit der Gesetzesänderung....

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  • Ich halte es schon für einigermaßen bedenklich, wenn man den unbekannten Erben für das Genehmigungsverfahren einen Verfahrenspfleger bestellt, wenn diese Erben gar nicht unbekannt sind und diese bekannten Erbprätendenten demzufolge in persona nicht beteiligt werden.

  • Cromwell: Aus der Sicht des Gerichts waren aber die nichtehelich verwandten Personen zum damaligen Stand der Rechtslage keine Erben und damit auch keine Beteiligte im Genehmigungsverfahren. Dass es dann später ein Gesetz gibt, dass diese aktenkundigen Personen rückwirkend zu Erben macht, konnte damals keiner wissen - höchstens vielleicht erahnen.

    Gegenfrage: Was wäre denn passiert, wenn diese potentiellen Erben bereits damals gegen den Genehmigungsbeschluss Beschwerde eingelegt hätten? Wahrscheinlich wären Sie als Verfahrensunbeteiligte als nicht beschwerdeberechtigt angesehen worden - denn genau das waren sie ja damals und genau darum gab es ja den Nachlasspfleger und den Verfahrenspfleger zur Wahrung und Ausübung ihrer potentiellen Rechte.

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (16. April 2013 um 14:48)

  • Nachdem ich die Akte nunmehr mehrfach komplett durchgelesen habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, der Beschwerde abzuhelfen (so ich denn eine Abhilfemöglichkeit habe. Das muss ich gleich erstmal noch nachlesen). Die Genehmigung war den Nekis nie bekannt gegeben worden, sodass eine Verfristung, wie Cromwell schon sagt, nicht eingetreten sein kann. Im Augenblick befinde ich mich jetzt also in der Situation, dass ich nunmehr endlich entscheiden will, dabei aber nicht einen weiteren Fehler in der Akte riskieren will. Durch meine Entscheidung (so ich denn eine treffen darf) wird die Genehmigung dann zwar unwirksam, das Grundstück dürfte aber dennoch gutgläubig wegveräußert worden sein. Das interessiert mich als Nachlassgericht aktuell aber ja nicht weiter, denke ich. Soviel nur, um den Fall hier nicht unerledigt zu lassen :)

  • Ich halte das für falsch.

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  • Es geht im vorliegenden Fall alleine darum, ob die erteilte Genehmigung rechtskräftig ist oder nicht.

    Sofern die Genehmigung -wovon ich ausgehe- vor der gesetzlichen Neuregelung des Nichtehelichenerbrechts erteilt wurde, würde ich mich auf den Standpunkt stellen, dass die nichtehelichen Erbprätendenten nicht am Genehmigungsverfahren zu beteiligen waren und -falls sie rückblickend doch zu beteiligen waren- sie jedenfalls mittels des bestellten Verfahrenspflegers beteiligt worden sind.

    Dies würde im Ergebnis in jedem Fall zur Unbegründetheit der Beschwerde führen, weil die Rechtskraft der Genehmigung bei beiden Alternativen nicht in Frage gestellt werden könnte.

    Alles Weitere möge dann das OLG entscheiden.

  • Oh, danke. Das habe ich jetzt gar nicht mehr bedacht. Der Genehmigungsbeschluss lag tatsächlich zwischen dem EuGH-Urteil und der Gesetzesänderung. Zu dem Zeitpunkt waren die Halbgeschwister also noch nicht erbberechtigt, es war lediglich zu erwarten, dass dies so kommen würde. Rückwirkend wären sie also zu beteiligen gewesen, damals wurde aber dennoch formalkorrekt gehandelt. Einen Verfahrenspfleger gab es auch. Also doch Nichtabhilfe, da damals kein Fehler gemacht wurde. Jedenfalls kein formaler. Und inhaltliche Rügen sind nach Rechtskraft ja auch hinfällig, richtig? Oje. Mir raucht der Kopf! Danke euch beiden vielmals!

  • Siehe #27

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  • Ich häng mich hier mal ran...

    Wie wird es gehandhabt, wenn die Akte dem Richter vorgelegt wurde, gegen seine Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt wurde und das OLG nun eine Endentscheidung getroffen hat.
    Erteilt dann der Rechtspfleger oder der Richter den Erbschein? Muss die Sache vom Richter an den Rechtspfleger zurück verwiesen werden?
    In meinem Fall habe ich als Rechtspfleger den Erbschein erteilt. Der Richter hält das für falsch. Muss ich den Erbschein einziehen?

  • Eine Frage des Verfahrensrechts (aus RLP) …




    Erbscheinsantrag aufgrund gewillkürter Erbfolge wurdegestellt, Einwendungen wurden erhoben.
    Daraufhin habe ich die Sache dem Richter vorgelegt, der eine Art „Einigung“erreicht hat, so dass der Erbscheinsantrag abgeändert wurde und nun keineEinwendungen mehr erhoben werden.


    Die Sache wurde wieder mir vorgelegt, da ja nun keineEinwendungen mehr erhoben werden. Richtig?

  • Wenn diese "Einigung" bewirkt, dass der Erbscheinsantrag geändert werden soll, dann sollte das Verfahren auch vom Richter beendet werden.

    Wenn es beim Antrag bleibt, dann würde ich die Erteilung des beantragten Erbscheins von der Rechtskraft des Feststellungsbeschlusses abhängig machen ("(...) die Einwendungen wurden zurückgenommen(...)").
    Nur falls es sich die Beteiligten doch wieder anders überlegen.

    Wenn die Angehörten dem Antrag explizit zustimmen, dann könnte man den Erbschein ohne weiteres erteilen (wenn alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen).

  • Hallo,

    ich hab auch mal eine Frage zum Richtervorbehalt.
    Angenommen ich habe eine laufende Nachlasspflegeschaft und ein streitiges Erbscheinsverfahren.
    Die Akte wird dem Richter vorgelegt, da Einwände gegen den Erbscheinsantrag erhoben wurden. Wer ist für das Pflegschaftsverfahren zuständig? Ich habe von Kollegen schon die Meinung gehört, dass nun das gesamte Nachlassverfahren vom Richter zu erledigen wäre. Wie handhabt ihr das?

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