Richtervorbehalt aufgehoben und dann...

  • Hallo liebes Forum,
    ich hätte gerne mal eure Meinung gehört: in unserem Bundesland ist der Richtervorbehalt für Erbscheinserteilung aufgrund Testament und noch einiges mehr aufgehoben. in der VO zur Aufhebung der Richtervorbehalte steht in Abs. 2: Der Rpfleger hat das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulgen, soweit bei den übertragenen Geschäften gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden.
    Ich habe einen Erblasser mit zwei notariellen Testamenten, einem Erbvertrag und einem letzten handschriftlichen Testament. Auf dieser Grundlage habe ich zwischenzeitlich 2 ESAnträge, 1 aufgrund letzten handschriftlichen Testámentes und einen aufgrudn Erbvertrag, der vom Erblasser zwar notariell widerrufen war, die Wirksamkeit des Rücktritts aufgrund der erfolgten Zustellung an den Erblasser und nicht die Vertragspartei streitig ist. Aus meiner Sicht ist schon durch die beiden widerstreitenden Anträge die Voraussetzung des Abs. II gegeben und ich bin von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossen ...... denn Einwände liegen ja bereits durch den zweiten ESAntrag vor...... ist eine Übertragung gemäß § 7 RpflG möglich..?

  • :daumenrau Sehe ich genauso wie du.
    Allein durch die beiden - unterschiedlichen - Erbscheinsanträge liegt ein Widerspruch vor.
    Also: Richtervorlage!

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Sehe ich genauso!
    Die widerstreitenden Anträge sind als Einwendungen gegen den jeweils anderen Antrag zu werten, auch wenn es nicht explizit gesagt wurde, ist das nur logisch.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Vielen Dank für eure Meinungen, ich werd des dann mal nochmal versuchen und ggf. auf eine schriftliche Übertragung der Zuständigkeit bestehen. Hier wird nämlich die Meinung vertreten, " ermitteln Sie mal bis zu einer Entscheidung... dann bin ich erst dran.... ; vielleicht würde die Richterin ja anders ermitteln, es geht schließlich um so zeit- und kostenintensive SAchen wie Schriftgutachten, Testierwillen´in Zusammenhang mit der schief gelaufenden Zustellung des Rücktritts vom Erbvertrag pp. . Ich denke, genau dafür ist die Vorlagepflicht an den Richter ja auch normiert.

  • Sieht so aus, als wenn da jemand den ganzen aufwändigen Kram auf dich abwälzen will, du aber gar nicht zuständig bist....
    Du ermittelst ja auch nicht in z. Bsp. Vormundschafts- und Betreuungssachen und der Richter trifft dann nur noch die Entscheidung....

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Sind die beiden Antragsteller schon über den jeweils anderen Antrag informiert? Vielleicht bekommst Du ja einen ausdrücklichen Widerspruch.
    Jedenfalls würde ich in einer Sache, für die ich nicht zuständig bin, nicht die Ermittlungen bis zur Entscheidungsreife durchführen (schon weil man ja unterschiedlicher Ansicht darüber sein kann, wann die Sache entscheidungsreif ist).

  • Sind die beiden Antragsteller schon über den jeweils anderen Antrag informiert? Vielleicht bekommst Du ja einen ausdrücklichen Widerspruch.
    Jedenfalls würde ich in einer Sache, für die ich nicht zuständig bin, nicht die Ermittlungen bis zur Entscheidungsreife durchführen (schon weil man ja unterschiedlicher Ansicht darüber sein kann, wann die Sache entscheidungsreif ist).



    Ja beide wissen vom jeweilig anderen Antrag.... daher ja auch die vielen kostenträchtigen und zeitaufwändigen Beweisanträge.... und da möchte ich schlicht vermeiden, dass dann bei Vorlage die Aussage kommt, .. na dass sehe ich jetzt aber nicht als notwendig an... oder so.... Vielen Dank fürs Mitdenken

  • Ich hätte dann auch mal eine Frage zur Möglichkeit der Richtervorlage...

    Hier ist in einer Nachlassakte einiges schief gelaufen und ich traue mir nicht zu, über die Beschwerde der Erbin zu entscheiden. Ich möchte aber auch nicht "nicht abhelfen", da ich dafür ja auch bereits prüfen müsste.

    Kann ich die Akte dem Richter vorlegen? Und wenn ja, nach welcher Vorschrift? Hier (Hessen) wurde auch von der Möglichkeit des § 19 RpflG Gebrauch gemacht...

  • Wenn Du nach einer Vorschrift suchst, die das möglich machen soll, dann muss ich Dir leider sagen : niente.
    Für Abhilfe oder Nichtabhilfe im Beschwerdeverfahren ist eben der Erstentscheider - je nach funktioneller Zuständigkeit - auch zuständig.
    Ein "Abschieben" unangenehmer Dinge gibt § 5 RpflG nicht her.
    Die dort erwähnten Richtervorlagen sind nun einmal abschließend aufgezählt.

    Da heißt es "Augen zu und durch".

  • Eine Kollegin meinte, man könne Akten auch wegen rechtlicher Schwierigkeiten vorlegen, aber ich habe das im Gesetz eben leider auch nicht gefunden. Mein Problem ist, dass ich mich nicht in der Lage fühle, in der Akte zu entscheiden. Das Ganze scheint vor 4 Jahren schief gelaufen zu sein. Da hatte ich nicht einmal mein Studium begonnen :( Naja. Ich kann die Richterin ja dennoch einmal fragen, ob sie mir helfen kann. Aber danke für die Antwort! So blamiere ich mich wenigstens nicht mit einer Verweisung ohne Rechtsgrundlage.

  • Vielleicht schilderst du man das "Problem" hier....dann finden wir vielleicht eine Lösung, denn ich halte eine Richtervorlage in einem Sachverhalt, bei dem eben der Rechtspfleger zuständig ist, für nicht optimal. Um was geht es denn?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Tja, die "rechtlichen" Schwierigkeiten - liebe Lynn - sind aus dem § 5 RpflG verschwunden.
    Wär Zeit , dass die Kollegin mal ihren Schönfelder aktualisiert.:)

    Und selbstverständlich kann man die Richterin dazu befragen; das ist aber was anderes als abschieben.
    Würde im übrigen auch ein schlechtes Bild auf unseren Berufsstand abwerfen, oder nicht ?
    Wo er doch eh ( selbst im Forum inzwischen ) einen schweren Stand hat.

    Was machst Du Dir übrigens einen Kopf für Dinge , die vor vier Jahren stattfanden ?
    Haftungsrechtlich bist Du eh raus aus der ( verkorksten ) Nummer von damals.

  • Ich weiß, dass ich keine Angst vor Regress haben muss.

    Es geht darum, dass NeKis übergangen wurden, obwohl das Urteil des EuGH (?), wodurch auch NeKis erben konnten, schon in der Welt war. Stattdessen gab es Nachlasspflegschaft und einen Verfahrenspfleger für die "unbekannten Erben". Die NeKis waren aber auch in der Akte bekannt. Der NaPfl hat dann ein Haus verkauft. Beteiligt wurden die NeKis nicht, sondern nur der Verfahrenspfleger. Nun wehrt sich eine der Erbinnen, nachdem sie mittlerweile einen Erbschein haben, gegen den Genehmigungsbeschluss von damals, weil sie als Erbin übergangen worden sei und das Haus verschleudert wurde. Der Genehmigungsbeschluss ist natürlich längst rechtskräftig. Die Frage ist nur, ob er rechtkräftig werden konnte, wenn die Erbinnen nicht beteiligt wurden. Bzw. ob sie wirksam durch den Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben vertreten werden konnten. Alles etwas verworren... :(:confused:

  • M. E. gelten die Erben so lange als unbekannt, bis sie durch Erbschein festgestellt sind. Der Pfleger konnte sie also wirksam vertreten.

    Selbst wenn nicht und sie Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen und begründen: Das Grundstück ist ja wohl nun wirksam veräußert. Der Käufer hat es gutgläubig erworben.

    Also: Nichtabhilfe.

    Das einzige, was die Erbin nun machen kann, ist Schadensersatz geltend machen. Wenn sie das tut: Akte der Verwaltung vorlegen. Aus die Maus.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • [TABLE='class: beck-gesetzgebung-ii']

    [tr][td]

    28. Mai 2009

    [/td][td]

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt am 28.05.2009 (BeckRS 2009, 70877) fest, dass die erbrechtliche Benachteiligung von vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kindern gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

    [/td][/tr][tr][td]

    21. Juli 2010

    [/td][td]

    Das Bundeskabinett beschließt einen Regierungsentwurf für ein Zweites Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (pdf-Datei, Quelle: BMJ).

    [/td][/tr][tr][td]

    24. September 2010

    [/td][td]

    Der Bundesrat nimmt zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (BR-Drs. 486/10) unter Berücksichtigung der Empfehlungen seiner Ausschüsse (BR-Drs. 486/1/10) Stellung (BR-Drs. 486/10(B)).

    [/td][/tr][tr][td]

    29. Oktober 2010

    [/td][td]

    Der Bundestag berät den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (BT-Drs. 17/3305) in erster Lesung.

    [/td][/tr][tr][td]

    24. Februar 2011

    [/td][td]

    Im Bundestag wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (BT-Drs. 17/3305) in zweiter und dritter Lesung beraten. Der Gesetzentwurf wird in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf BT-Drs. 17/4776 unter dem Titel "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung" angenommen.

    [/td][/tr][tr][td]

    18. März 2011

    [/td][td]

    Der Bundesrat nimmt den von der Bundesregierung am 24.02.2011 verabschiedeten Gesetzentwurf zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung ( BR-Drs. 104/11) an (BR-Drs. 104/11(B)).

    [/td][/tr][tr][td]

    15. April 2011

    [/td][td]

    Das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12.04.2011 wird im Bundesgesetzblatt verkündet (vgl. "]BGBl. 2011, Teil 1 Nr. 17, S. 615, pdf-Datei, hinterlegt beim Bundesanzeiger Verlag).

    [/td][/tr][tr][td]

    16. April 2011

    [/td][td]

    Artikel 1 Nummer 3 sowie Artikel 3 und 4 dieses Gesetzes treten in Kraft. Im übrigen ist dieses Gesetz mit Wirkung vom 29.05.2009 in Kraft getreten

    [/td][/tr]


    [/TABLE]


    Ich vermute mal, dass der Erbfall zwar nach dem EGMR-Urteil war, aber die Handlungen des Gerichts und Nachlasspflegers dann noch vor der Gesetzesänderung erfolgt sind?
    Der Nachlasspfleger hat als gesetzlicher Vertreter der tatsächlichen Erben wirksam verfügt. Diese Verfügungen müssen die Erben gegen sich gelten lassen und können höchstens den NLPfleger wegen evtl. Pflichverletzungen in die Haftung nehmen. Mehr ist nicht drin.

    Gegenbeispiel:
    Erblasser verstirbt und Erben sind unbekannt. Gericht ordnet Nachlasspflegschaft an. Dieser liquidiert den Nachlass.
    Gewisse Zeit später melden sich die Erben unter Vorlage des Testaments oder die gesetzlichen Erben und sind "entsetzt", wie der Familienschmuck und Grundbesitz etc. verkauft werden konnte.....
    Antwort des Gerichts: So ist das eben. Wer Erbe ist (egal ob testamentarisch oder gesetzlich), der ist nach § 1922 BGB unmittelbar mit dem Erbfall Erbe. Kümmert sich dann der Erbe (aus welchem Grund auch immer) nicht um sein Erbe und besteht ein Bedürfnis nach § 1960 BGB, dann kümmert sich eben ein Dritter um den Nachlass. Das Gericht verschafft kein Erbrecht sondern gibt im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens ein Zeugnis über das Erbrecht. Alles andere ist originäre Aufgabe der Erben und der Staat greift nur dann ein, wenn ein Bedürfnis besteht.

    In dem von dir geschilderten Fall waren die (nichtehelich verwandten) Erben auch nach dem EGMR-Urteil solange keine Erben, bis das Erbrecht geändert wurde. Und wenn nun in dem Zwischenzeitraum der Nachlasspfleger gehandelt hat, dann hat er das eben. Man könnte sich sogar auf den Standpunkt stellen, dass ohne gesetzlich genormtes Erbrecht die späteren Erben noch nichtmal eine Beteiligtenstellung laut FamFG hatten....

    In deinem Fall würde ich "alles zurückweisen". Der Fall ist aus der Sicht des Gerichts abgeschlossen. Die gerichtlichen Genehmigungen sind offensichtlich rechtskräftig geworden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    2 Mal editiert, zuletzt von TL (16. April 2013 um 11:07)

  • Vielen vielen Dank!

    Der Erblasser war am 24.12.2009 verstorben. Der Nachlasspfleger hat unmittelbar nach seiner Bestellung das Kammerurteil in der Sache "Brauer gegen Deutschland" des EuGH vom 28.05.2009 (?) mitgeteilt und die Rechtspflegerin hat einen Aktenvermerk verfasst, dass das noch keine Anwendung findet. Angeblich, laut dem Anwalt der Erbin, gäbe es aber einen Erlass des OLG Frankfurt, dass dieses Urteil angewendet werden muss. Das war das, was mich sehr verunsichert hat. Ich verstehe aber eure Begründungen und werde dann wohl mal einen netten kleinen Nichtabhilfebeschluss machen und die Sache weiterreichen (das muss ich doch dann, oder?). Mal sehen, was daraus wird.

  • Es gab nach der EGMR-Entscheidung im Jahre 2009 (!) die teilweise vertretene Auffassung (kurzzeitig auch von mir :(), dass jedes staatliche Organ sich einer gesetzlichen Regel, die gegen das Menschenrecht verstößt, widersetzen muss und daher die EGMR-Entscheidung auch ohne Gesetzesänderung von den Gerichten zu beachten sei (vgl. "Görgölü-Fall").

    Diese Meinung (m.E. zuerst von Krug veröffentlicht / BWNotZ 2009, 203) wurde in der Literatur kontrovers diskutiert und führte jedoch zu der herrschenden Meinung, dass das Urteil nur "inter partes" wirkt und ohne entsprechende Gesetzesänderung die vor dem 01.07.1949 geborenen Nekis (oder deren väterliche Verwandten) auch weiterhin kein Erbrecht haben, bis es eine Gesetzesänderung gibt.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    2 Mal editiert, zuletzt von TL (16. April 2013 um 11:38) aus folgendem Grund: Ergänzung

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!