Vorsorgevollmacht muss in Form der öffentlichen Beurkundung vorgelegt werden ?

  • Folgender Fall:
    - Im Jahre 2004 wird von der Eigentümerin eine Vorsorgevollmacht in öffentlich beglaubigter Form an den Sohn erteilt
    - Aufgabenkreise: u.A. Verfügung über Vermögensgegenstände jeder Art (Grundstücke wird nicht explizit aufgeführt)
    - Keine Unwiderruflichkeit angeführt, aber auch keine Widerruflichkeit

    Bevollmächtigter Sohn verkauft jetzt das Grundstück und läßt es auf. Die Vollmacht wird in beglaubigter Form vorgelegt, Notar bestätigt, dass ihm die Urschrift vorgelegen hat.

    Eigentlich genügt ja die Vollmacht in öffentlich beglaubigter Form entsprechend § 29 GBO.
    Es gibt doch aber Ausnahmen, wenn entweder die Vollmacht unwiderruflich ist, oder widerruflich ist und der Vollmachtgeber gebunden ist und faktisch an dem Widerruf gehindert ist. Dann bedarf auch die Vollmacht materiell-rechtlich der Form des § 311 b I S.1 BGB, d.h. der öffentlichen Beurkundung. :gruebel:

    Meine Prüfungspflicht erscheint mir hier sehr begrenzt. Was würdet Ihr machen ?

  • Es gibt eine der Form des § 29 GBO entsprechende Vollmacht, die dem Notar bei Beurkundung im Original vorlag, was dieser bescheinigt hat. Dir liegt davon nun eine begl. Kopie vor. Das ist m.E. ausreichend.

    Soweit ich weiß, gilt für eine Vollmacht die Form des § 311b BGB nur in äußerst engen Grenzen. Das sehe ich hier nicht als erfüllt an.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Mir liegt eine Vorsorgevollmacht vor, die von einer Betreuungsstelle im Februar 2009 errichtet und von dort auch öffentlich beglaubigt wurde.

    Mein Problem ist, dass in den verwendeten Formblättern in Fettdruck konkret auf die Notwendigkeit einer notariellen Vollmacht für Immobiliengeschäfte u.a. hingewiesen wird.

    Der Vollmachtgeber, der zu diesem Zweitpunkt bereits Eigentümer des Grundstücks war, hat auch diese Zeilen durch Unterschrift zum Inhalt der Vollmacht erklärt und damit m.E. bewußt diese Geschäfte ausgeklammert, wenn auch im Vollmachtstext von "Vermögensgegenständen jeder Art" gesprochen wird oder seh ich das zu eng?

  • Ich denke nicht, dass eine Beglaubigung durch die Betreuungsstelle dem § 29 GBO genügt. (Vermutlich ist das auch der Grund für die Hinweise in dem Vollmachtsvordruck.)

    Da die Vollmacht also schon von der Form her nicht ausreicht, braucht man über den Inhalt an dieser Stelle wohl nicht weiter nachzudenken. Oder?

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Mit dem Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009 (BGBl. I 2009, 1696) wurde 6 Absatz 2 Satz 1 BtBG dahin geändert, dass es sich bei der Beglaubigung durch eine Betreuungsbehörde um eine „öffentliche Beglaubigung“ handelt. Damit ist die frühere Streitfrage bereinigt worden (vgl. BT-Drs. 16/13027, S. 12).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Insoweit waren auch meine Gedankengänge. Bezügl. der Formerfordernisse habe ich keine Bedenken (mehr). Allerdings bleibt das Problem des Inhalts bzw. dessen Auslegung. Es kann doch eigentlich nicht sein, dass der Gesetzgeber durch die Änderung (Klarstellung) von formellen Dingen Einfluss auf den Umfang von Vollmachten nimmt.
    Hätte der Vollmachtgeber auch Immobiliengeschäfte einbeziehen wollen, hätte er, entsprechend den Hinweisen im Vollmachtsformular (s.a. Beitrag 4, 3. Abs.), eine entsprechende notarielle Vollmacht ergänzend gegeben. Aber eben das ist nicht erfolgt. Auch weil er zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen konnte, dass eine gesetzliche Regelung bezüglich der Form der Vollmacht erfolgen werde, die dann ausreicht, um Grundstücksgeschäfte ebenfalls vorzunehmen.

  • ... Hätte der Vollmachtgeber auch Immobiliengeschäfte einbeziehen wollen, hätte er, entsprechend den Hinweisen im Vollmachtsformular (s.a. Beitrag 4, 3. Abs.), eine entsprechende notarielle Vollmacht ergänzend gegeben. Aber eben das ist nicht erfolgt. Auch weil er zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen konnte, dass eine gesetzliche Regelung bezüglich der Form der Vollmacht erfolgen werde, die dann ausreicht, um Grundstücksgeschäfte ebenfalls vorzunehmen.



    Mir würde das reichen, sofern der Wortlaut der Vollmacht (auch) zu Grundstücksgeschäften ermächtigt. Nur allein aus dem redaktionellen Hinweis, daß die Vollmacht hierür noch der notariellen Beglaubigung bedarf, läßt sich m.E. kein Rückschluß auf den gewollten Umfang der Vollmacht ableiten, wenn die Beglaubigung nicht sofort nachgeholt wird. Unter Umständen wollte er zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung diese noch entsprechend beglaubigen lassen und hat es später nur vergessen oder ist nicht mehr dazu gekommen. Oder er hat sich darüber belehren lassen, daß dieser Hinweis inhaltlich nicht unumstritten ist. Wenn bei einer Vollmacht, die vermutlich als Generalvollmacht abgefaßt ist, bestimmte Bereiche ausgenommen hätten sein sollen, hätte der Vollmachtgeber das auch ausdrücklich tun müssen.

  • Mich irritiert noch immer der Satz des BMJ in der offiziellen Broschüre zum Thema "Vorsorgevollmacht":

    Hinweis: ...Für Immobiliengeschäfte, Aufnahme von Darlehen sowie für Handelsgewerbe ist eine notarielle Vollmacht
    erforderlich! :gruebel:

    Zum Grundstückskauf haben der BGH und die Obergerichte mehrfach festgestellt, dass die Vollmacht zu ihrer Rechtswirksamkeit notariell beurkundet sein muss, wenn sie unwiderruflich erteilt wurde (BGH WM 1974, 1230; BayObLG DNotZ 1981, 567; BayObLG NJW-RR 1996, 848; OLG Celle MDR 1962, 900; OLG Köln BB 1985, 825; OLG München NJW-RR 1989, 663). Außerdem soll die Vollmacht formbedürftig sein, wenn sich der Vollmachtgeber infolge körperlicher Gebrechen in starker Abhängigkeit vom Bevollmächtigten befindet (BGH DNotZ 1966, 92).
    In den seltensten Fällen dürfte bei Vorsorgevollmachten ausdrücklich ein Ausschluss des Widerrufs vorgesehen kein (keines der bekannten Mustervordrucke enthält ein solches). Auch das der Vorsorgevollmacht zugrunde liegendes Grundgeschäft (meist ein zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer liegendes, oft mündlich vereinbartes Auftragsverhältnis nach §§ 662 ff. BGB) wird selten eine Unwiderruflichkeit enthalten. Daher kann eine Vollmacht grundsätzlich vom Vollmachtgeber jederzeit nach § 168 i.V.m. § 671 BGB widerrufen werden.
    Das eigentliche Problem der Vorsorgevollmacht liegt darin, dass zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Bevollmächtigten der Vollmachtgeber infolge Abbau seiner mentalen Fähigkeiten oft als geschäftsunfähig i.S. des § 104 Nr. 2 BGB angesehen werden muss, z.T. sind die Vereinbarungen zum Tätigkeitsbeginn sogar ausdrücklich darauf bezogen.

    Genau diese Fallkonstellation scheint von der (veröffentlichten) Rechtsprechung bisher nicht ausdrücklich entschieden worden zu sein. Es könnte aber tatsächlich einiges dafür sprechen, die Rechtsprechung zur Unwiderruflichkeit der Vollmacht auch auf diesen Fall anzuwenden.

    Kommt man zu diesem Schluß, müßte die Vorsorgevollmacht für Grundstücksgeschäfte notariell beurkundet sein :gruebel:

  • Die Form der Vollmacht ist schon wegen § 29 GBO erforderlich, allerdings genügt hierfür auch die notarielle Unterschriftsbeglaubigung. In der Praxis werden Vorsorgevollmachten bei vorhandenem Grundbesitz des Vertretenen in der Regel ohnehin notariell beurkundet. Auch wenn sie lediglich öffentlich beglaubigt sind, ist der Widerruf praktisch nie explizit ausgeschlossen. Zumindest ist mir noch keine Vorsorgevollmacht untergekommen, bei der dies der Fall gewesen wäre. Dass die Vollmacht aufgrund eingetretener Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen faktisch nicht mehr widerrufen werden kann, ist nicht mit der rechtlichen Unwiderruflichkeit der Vollmacht gleichzusetzen. Im übrigen wäre in diesem Fall weiterhin der Widerruf durch einen bestellten Betreuer möglich.

  • ...
    Soweit ich weiß, gilt für eine Vollmacht die Form des § 311b BGB nur in äußerst engen Grenzen. Das sehe ich hier nicht als erfüllt an.

    Im Hinblick auf Schöner, Stöber, Rdzf. 3543, frage ich mich gerade, wann ich denn eine beurkundete Vollmacht benötige.

    Mir liegt nämlich eine öffentlich-beglaubigte, als Generalvollmacht bezeichnete Vollmacht vor, mit der nun ein Grundstück verkauft werden kann.

    Dass die Vollmacht unwiderruflich ist, steht jedenfalls nicht ausdrücklich drin.

    Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit sind mir sowieso nicht bekannt.

  • Wir haben in der täglichen Praxis sehr viel mit Verkaufsvollmachten zu tun und sind bisher immer mit der unterschriftsbeglaubigten Variante sehr gut zurecht gekommen.

    Den Bedarf für die Beurkundung sehen wir eigentlich nur, wenn

    * die Vollmacht explizit unwiderruflich sein soll
    * mehrere Personen bevollmächtigt werden und jeder eine eigene Ausfertigung erhalten soll

    Dann gibts natürlich noch den dritten Grund: die Kasse des Notars ... :D

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Wie Bukowski.

    Schöner, Stöber, Rdzf. 3543 (...) Dass die Vollmacht unwiderruflich ist, steht jedenfalls nicht ausdrücklich drin.

    "Ist eine Vollmacht ausdrücklich unwiderruflich, so kann das Grundbuchamt eine beglaubigte Vollmacht nicht beanstanden, es sei denn, Anhaltspunkte für deren Unwirksamkeit sind dem Grundbuchamt positiv bekannt." Da haben sie im Schöner/Stöber das "nicht" vergessen.

  • 45:

    Du meinst also, es müsste im Schöner, Stöber heißen, wenn die Vollmacht nicht ausdrücklich unwiderruflich ist, kann das Grundbuchamt keine Beurkundungsform verlangen ?

  • Eine unwiderrufliche Vorsorgevollmacht ist nach der wohl überwiegenden Ansicht ohnehin sittenwidrig und damit nichtig. Das Begründungsmuster Sittenwidrigkeit ist allerdings problembehaftet, weil dafür eigentlich eine Prüfung des jeweiligen Einzelfalls mit allen seinen Umständen erforderlich ist.

    Die Vollmacht kann allerdings nur durch einen Vertrag unwiderruflich ausgestaltet werden. Es genügt daher nicht, dass dies nur in der Vollmacht steht.

    Noch toller wird es dadurch, dass nach der hM auch eine unwiderrufliche Vollmacht aus wichtigem Grund widerrufen werden kann.

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