Masseverbindlichkeiten bei Erteilung der Restschuldbefreiung

  • Ich gabe zu, ich habe da noch nie drüber nach gedacht, doch jetzt fragt mal jemand nach!

    Das Regelinsolvenzverfahren einer natürlichen Person läuft, auf Grund des vorherigen Geschäftsbetriebes werden noch weitere Mieten fällig, somit Masseverbindlichkeiten.

    Was passiert mit diesen wenn die Restschuldbefreiung erteilt wird?

    Sind die von der Restschuldbefreiung erfasst

    oder bleiben die Forderungen bestehen und können nach Erteilung der RSB gegen den Schuldner geltendgemacht werden?

  • Masseverbindlichkeiten werden ganz normal von der Restschuldbefreiung erfasst (HambK, § 301 Rz. 3).
    Von der RSB ausgenommene Forderungen ergeben sich ausschließlich aus § 302 InsO. Analoge Anwendung auf andere Forderungen ist ausgeschlossen (HambK, § 302 Rz. 4).

  • Kommentierung hin oder her, dem kann ich so nicht zustimmen. Nach Insolvenzeröffnung fällige Mieten sind Masseverbindlichkeiten, unstreitig, also auch keine Insolvenzforderungen und die Gläubiger sind keine Insolvenzgläubiger. Damit keine Ausdehnung der RSB auf diese Forderungen. Es besteht überhaupt keine Analogie, da keine Regelungslücke.

    Konsequenz wäre dann als Schuldner keine Miete mehr zu zahlen, auf Masseverbindlichkeit und Insolvenzverwalter zu verweisen und weder gekündigt noch geräumt werden zu können? Und nur im Wege der Insolvenzmasse = pfändbares Einkommen, überhaupt darauf zu zahlen?
    Einspruch.

  • Ich stimme Harry zunächst mal zu, dass Masseverbindlichkeiten - Kommentierung hin oder her - nicht von der RSB erfasst sein können. Das ergibt sich eindeutig aus § 301 I: "Insolvenzgläubiger".

    Für den Schuldner ist natürlich bitter. Ich habe auf einer Tagung mal mit Pape folgenden Fall besprochen: Ich gebe unverwertbares Teileigentum des Schuldners aus der Masse frei, weil die Hausgelder laufen. Schuldner wird das Teileigentum ebenfalls nicht los, kann das Hausgeld nicht zahlen und ist am Ende des Verfahrens schon wieder neu verschuldet. Vergleichbar ist die Situation beim Altlastengrundstück.

    Pape war ebenfalls der Ansicht, dass es unbefriedigend ist, wenn der Schuldner mit RSB aus dem Verfahren kommt, aber gleich wieder pleite ist, sah aber nach der bestehenden Gesetzeslage auch keine andere Lösung.

  • @ Harry
    bei einer Mietwohnung kann ich das voll und ganz verstehen,
    was ist aber wenn das Gewerbe abgemeldet ist und der Miet/Pachtvertrag gekündigt ist, aber noch vier Monate läuft! Es wird aber in diesen Monaten nichts genutzt.

  • Zitat von chick


    Pape war ebenfalls der Ansicht, dass es unbefriedigend ist, wenn der Schuldner mit RSB aus dem Verfahren kommt, aber gleich wieder pleite ist, sah aber nach der bestehenden Gesetzeslage auch keine andere Lösung.



    Wenn man sich da an die Ergebnisse in andereren threads erinnert, dass die Renten- und Kontenpfändungspfübse auch nach Erteilung der RSB weiter bestehen bleiben, fragt man sich schon, ob das teuere RSB-Verfahren die vielen Steuergelder überhaupt wert ist... :eek:

  • Fürs Wochenende zum nachlesen eine Übersicht zum Meinungsstand:

    Für die Einbeziehung der MAsseverbindlichkeiten in die RSB: Streck in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 1. Aufl. 2006, § 301 InsO Rn. 3 ;
    a.A. Stephan in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 3, 1. Aufl. 2003, § 301 Rn. 8;
    differenzierend Ahrens in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2006, § 301 Rn. 7;
    sehr informativ: Voigt, Weiter im Schuldturm trotz Restschuldbefreiung? - Gedanken zur Auslegung von §§ 286, 301 InsO, ZInsO 2002, 569 (572 f.) .

    Das Problem haben wir aber auch bei Insolvenzplänen mit dem Sanierungsgewinn. Das Schreiben des BMF v. 27.3.2003 (IVA 6 - S 2140 - 8/03, ZInsO 2003, 363 = BB 2003, 2049) regelt nur die vom Fiskus nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmende Erlassregelung gem. § 227 AO dar. Das Risiko bleibt.

  • Zitat von Pleitegeier

    Das Problem haben wir aber auch bei Insolvenzplänen mit dem Sanierungsgewinn. Das Schreiben des BMF v. 27.3.2003 (IVA 6 - S 2140 - 8/03, ZInsO 2003, 363 = BB 2003, 2049) regelt nur die vom Fiskus nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmende Erlassregelung gem. § 227 AO dar. Das Risiko bleibt.



    Nach einem Telefonat, das ich einmal mit einer FA-Mitarbeiterin hatte, stellt sich das Problem Sanierungsgewinn nicht nur beim Insolvenzplan, sondern auch bei der ganz regulären Restschuldbefreiung. :eek: Auf OFD-Ebene soll darüber schon diskutiert worden sein bzw. werden, eine richtig gute Lösung ist meines Wissens aber nicht in Aussicht, solange der Gesetzgeber sich nicht bewegt. (Schauen wir mal, ob das durchaus einsichtsfähige BMJ dem sicherlich auch hier schon lippenleckenden BMF dann mehr Widerstand zu leisten bereit ist als bei der Insolvenzanfechtung)

  • Danke für den Meinunsstand, Pleitegeier.

    Am Freitag (25.) konnte ich nicht mehr in die Bücher schauen, ich will morgen in Urlaub und musste daher noch aufräumen. (Was mir im Übrigen auch gelungen ist, schon lange keinen so leeren Schreibtisch mehr gehabt.)

    Der Gesetzgeber hatte mit den Änderungen vom 01.12.01 der InsO und 01.01.02 ZPO, Pfändungstabelle wohl nicht mehr gewusst, was linke und rechte Hand tut. In der InsO auf den pfändbaren Betrag abstellen, aus dem auch die gestundeten Kosten finanziert werden sollte und bei der alten Tabelle wäre da ganz schön was übrig geblieben um dann die Tabelle um 50% nach oben zu setzen und jetzt hat man regelmässig gar keine pfändbaren Beträge.
    Masseverbindlichkeiten hätte man da durchaus befriedigen können, mit der alten Tabelle wäre das wohl alles aufgegangen.
    Die Erhöhung der Pfändungstabelle war überfällig, aber die Höhe m.E. überzogen.

    Meiner Ansicht nach ist die Grenze eindeutig gezogen: Insolvenzforderungen werden von der RSB erfasst. Neuschulden und Masseverbindlichkeiten nicht.

    Und realistisch betrachtet: bei vielen Schuldnern hat es einmal nicht geklappt mit dem richtigen Geldumgang, warum sollte das in der Zukunft, nach dem InsO Verfahren besser werden? Ich schaue da durchaus skeptisch in die Zukunft. Sollten die Schuldner im laufenden Verfahren richtig betreut werden (dafür bräuchte man Sozialarbeiter und keine RAe) dann kann das wohl klappen. Aber das eigentliche Signal ist doch: 6 Jahre Verfahren auf Staatskosten, die Schulden können nicht mehr vollstreckt werden, zurückzahlen muss ich auch nichts, also warum sollte ich mich ändern?

    Zum Konsum wird verleitet, es gibt immer noch die eine bekannte Bank, die weiter Kredite vergibt, also weiter wie bisher.

    Eine gerne gestellte Frage von Schuldnern, die entweder Antrag stellen oder sich informieren wollen: "Wieviel darf ich denn verdienen?". Ich stelle mich dann dumm: "Wie meinen Sie das?" "Ja, da gibt es doch eine Tabelle und wenn ich mehr verdiene, dann kriegen die Gläubiger doch was." Ziel der InsO: gleichmässige Gläubigerbefriedigung? Nicht wenn es nach diesem Schuldner geht.

    Klar, das ist ein schwarzer Ausblick, Ausnahmen hierzu gibt es auch: ich hatte jetzt erst einen Schlussbericht im IK Verfahren auf dem Tisch: Schuldner hat eine Erbschaft angenommen, komplett zur Masse, Quote 100%. Der Schlusstermin ist bestimmt mir TOP: Entscheidung über die RSB. Das gibt es natürlich auch.

    Ich glaube vom Thema Masseverbindlichkeit und RSB bin ich ein wenig weggerutscht, es tippte sich gerade aber so schön.

  • Zitat

    chick:
    Nach einem Telefonat, das ich einmal mit einer FA-Mitarbeiterin hatte, stellt sich das Problem Sanierungsgewinn nicht nur beim Insolvenzplan, sondern auch bei der ganz regulären Restschuldbefreiung. :eek:



    Das sehe ich als Verwalter ganz entspannt: für die RSB kann ich nichts, die erteilt das Gericht von Gesetzes wegen oder auch nicht.

    Beim Sanierungsgewinn durch Insolvenzplan sieht die Sache ganz anders aus: hier wird mitunter in der Vorlage des Plans durch den Verwalter eine Rechtshandlung i.S. § 61 InsO gesehen (a.A. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, 1. Auflage 2004, RZ 435 ff.) Zumindest aber besteht das Risiko, dass der Verwalter für die drohenden Steuern auf den Sanierungsgewinn eine unzureichende Rückstellung bildet und damit gegen seine Verpflichtung gem. § 60 verstösst, Masseverbindlichkeiten vorrangig zu bedienen (Maus a.a.O. RZ 438 ff.).

    Es geht aber noch weiter: beantragt der Verwalter - zunächst erfolgreich - den Erlass der Steuer und stellt sich später heraus, dass der Erlass gg. Art. 87 Abs.1 EG-Vertrag (unzulässige staatliche Beihilfe - vgl. ZIP 2002, 1916) verstösst, besteht wiederum die Gefahr, dass in dem Erlassantrag des Verwalters die Rechtshandlung i.S. § 61 gesehen wird (Herrmann , ZInsO 2003, 1069, 1078). :teufel:

  • Zitat von Harry

    ... bei vielen Schuldnern hat es einmal nicht geklappt mit dem richtigen Geldumgang, warum sollte das in der Zukunft, nach dem InsO Verfahren besser werden?



    Vielleicht, weil er dann 10 Jahre warten muß, bis er einen neuen Antrag stellen darf ? Bei der heutigen Lebenserwartung kann er ja mindestens 3mal üben...:teufel:

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Zitat von Pleitegeier

    Das sehe ich als Verwalter ganz entspannt: für die RSB kann ich nichts, die erteilt das Gericht von Gesetzes wegen oder auch nicht.



    Als Verwalter ja. Die Schuldner, wenn sie es wüssten, wären vielleicht weniger entspannt. Und manchmal ist man - zumindest ich - ja auch als Schuldnerberater/-vertreter tätig.

    Zitat von Pleitegeier

    Beim Sanierungsgewinn durch Insolvenzplan sieht die Sache ganz anders aus: hier wird mitunter in der Vorlage des Plans durch den Verwalter eine Rechtshandlung i.S. § 61 InsO gesehen (a.A. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, 1. Auflage 2004, RZ 435 ff.) Zumindest aber besteht das Risiko, dass der Verwalter für die drohenden Steuern auf den Sanierungsgewinn eine unzureichende Rückstellung bildet und damit gegen seine Verpflichtung gem. § 60 verstösst, Masseverbindlichkeiten vorrangig zu bedienen (Maus a.a.O. RZ 438 ff.).

    Es geht aber noch weiter: beantragt der Verwalter - zunächst erfolgreich - den Erlass der Steuer und stellt sich später heraus, dass der Erlass gg. Art. 87 Abs.1 EG-Vertrag (unzulässige staatliche Beihilfe - vgl. ZIP 2002, 1916) verstösst, besteht wiederum die Gefahr, dass in dem Erlassantrag des Verwalters die Rechtshandlung i.S. § 61 gesehen wird (Herrmann , ZInsO 2003, 1069, 1078). :teufel:



    Dann kann doch die Lösung nur sein, dass kein Verwalter-, sondern ein Schuldnerplan vorgelegt wird (Sanierungsplan geht i.d.R. eh nur mit kooperativem Schuldner). Und wenn die Gläubigerversammlung einen Planauftrag erteilt, sollte man den Beschluss mit einer "salvatorischen" Klausel versehen lassen, dass alternativ auch ein Schuldnerplan mit dem intendierten Inhalt OK ist.

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