Übergangsrecht und FamFG

  • Falls man konsequent nach Gesetz und OLG München handeln wollte:

    a) Müsste für den Fall, in dem die örtliche Zuständigkeit wechselt dann das alte Vormundschaftsgericht im neuen Gericht zuständig sein? :confused:


    b) Im übrigen wirds auch hier nach Bekanntmachung der Situation keine Änderung geben (sofern Entscheidung notwendig geht Verfahren rüber).



    a) ja, denn es findet ja nur eine Abgabe nach altem Recht statt.

    b) Ich habe gestern zumindest die erste Genehmigung einer Erbausschlagung eines Vormundes als Familiengericht in Angriff genommen, obwohl das Dauerverfahren Vormundschaft weiter vom "Vormundschaftsgericht" bearbeitet wird. Diese Verfahrensweise ist halt gesetzeskonformer und entspricht nunmehr auch dem OLG München und bringt mir zudem zusätzliche Verfahrenseingänge in der Familienabteilung, gerade, weil diese Genehmigungen ja auch mitunter erheblich Arbeit machen. Mit letztem Argument kann man dann schon eher den einen oder anderen überzeugen, wenngleich das natürlich nicht entscheidend ist.

    Bei den Betreuungssachen hat man sich in unserem Hause noch nicht entscheiden können. Mein Vorschlag wäre ja auch dort: Für jede Genehmigung neue X-er Sache anlegen. Aber ich kann das nicht beeinflussen, man will sich im September im Rahmen eines Qualitätszirkels auf LG-Ebene dazu nochmal absprechen.



  • Soll das heißen, dass alle Kollegen des Vormundschaftsgerichts, die Dauerverfahren abgeben und alle Kollegen des Familiengerichts und des Betreuungsgerichts, die solche Verfahren übernehmen, in stiller Übereinkunft bewusst und fortgesetzt rechtswidrig handeln?

  • "Soll das heißen, dass alle Kollegen des Vormundschaftsgerichts, die Dauerverfahren abgeben und alle Kollegen des Familiengerichts und des Betreuungsgerichts, die solche Verfahren übernehmen, in stiller Übereinkunft bewusst und fortgesetzt rechtswidrig handeln?"

    Das ist vielleicht ein bisschen überspitzt ausgedrückt, aber ja, es wird wie ich schon oben ausgeführt habe, kaum Änderungen aufgrund des Urteils geben.

  • Da sehnt man sich ja fast nach alten FGG-Zeiten zurück, wo der Streit "nur" darum ging, ob das Vormundschafts- oder das Familiengericht für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft zuständig war.

    Aber im Ernst: Mir fehlen fast die Worte angesichts der Verfahrensweise einer offenbar großen Mehrheit von Kollegen, die sich bei ihren Entscheidungen (und zwar bei einer unübersehbaren Vielzahl von Abgabeentscheidungen) ganz bewusst nicht mehr am geltenden Recht orientieren. Nach meiner Ansicht rüttelt dies an den Grundfesten des Rechtsstaats.

    Angesichts dieser Sachlage ist die Bezeichnung als "Qualitätszirkel" schon fast ein Hohn, jedenfalls dann, wenn er mehrheitlich zu dem Ergebnis kommen sollte, einfach so weiterzumachen wie bisher.

  • Die Rechtsauffassung des OLG München wird vom OLG Stuttgart abgelehnt (Beschluss vom 07.07.2010 - Az.: 8 AR 5/10 -; abrufbar juris). In den vom OLG Stuttgart zitierten Entscheidungen (OLG Dresden und OLG Nürnberg) wurde jeweils nur über die Zuständigkeit zur Entscheidung über Folgeentscheidungen, nicht hingegen über die Zuständigkeit für das Dauerverfahren entschieden.

  • Na, dann ist das Chaos ja völlig perfekt - und jeder kann es machen, wie er will. :teufel:

    Ja, wenn man nun noch Entscheidungen im Rahmen der Überwachung eines Vormundes (dazu zählt ja auch, ob ich eine Abrechnung/ eine Bericht per Verfügung beanstande oder umgekehrt annehme) und sogar die Vergütungsfestsetzungen oder Festsetzung von Auslagenpauschalen als "Entscheidung im Sinne von Art. 111" ansehe, mit der Folge, dass dies vom Familiengericht vorzunehmen ist, bleibt eigentlich nichts mehr übrig, was vom Dauerverfahren das Vormundschaftsgericht zu verrichten hätte, sodass dann tatsächlich keinerlei Sinn mehr bestünde, das Altverfahren beim Vormundschaftsgericht zu belassen, sodass dieses auch zum Familiengericht/ Betreuungsgericht übergeleitet werden könnte; so wie halt das BMJ in ihren nachträglichen Mitteilungen versucht hat, ein verkorkstes Gesetz gerade zu rücken.

    Bloß gut, dass ich ab nächster Woche erst mal paar Wochen im Urlaub bin, da brauche ich mir darüber keine Gedanken mehr machen. Schlimm, wenn die Lage so ist, dass jeder es machen kann wie er will und jeder nun auch noch Argumente dafür haben kann - und das kann nun schon von Amtsgericht zu Amtsgericht im eigenen Bezirk verschieden sein, solange jedenfalls das eigene OLG noch nicht entschieden hat.

  • Das war doch zu befürchten, dass die Obergerichte dazu auch andere Meinungen haben bzw. dem BMJ treu folgen.

    Es wäre daher wirklich an der Zeit, dass der Gesetzgeber einschreitet und den Art. 111 FGG-RG per Gesetzesänderung klarstellt.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Vielen Dank JörgZ für Deine Fundstelle.

    Von da her ist für das Ländle schon mal ein wichtige Entscheidung zur Meinungsbildung gefallen.

    Das das ganze einer Reparatur bedarf, die nicht vor 2011 kommen wird, bleibt unbestritten.

  • Eine falsche Entscheidung (hier: diejenige des OLG Stuttgart) kann schlecht zu irgendeiner Meinungsbildung beitragen. Denn dass die Entscheidung falsch ist, ergibt sich bereits unmittelbar aus den Gründen (Rn.9), die auf MüKo/Wagenitz § 1843 Rn.13 verweist. Dort ist aber lediglich davon die Rede, dass der Vormund/Betreuer nur ein Beschwerderecht gegen Weisungen des VormG hat, die sich aufgrund der durchgeführten Prüfung der Rechnungslegung ergeben. Es kann somit keine Rede davon sein, dass diese Prüfungstätigkeit per se in eine Endentscheidung mündet.

    Zutreffend ist demnach nach meiner Ansicht folgendes: Die Anforderung und Prüfung der Rechnungslegung ist keine auf eine Endentscheidung angelegte Tätigkeit des VormG. Eine Endentscheidung ist lediglich die originäre Weisung an den gesetzlichen Vertreter, aufgrund der durchgeführten Prüfung in dieser oder jener Weise zu verfahren.

    Daraus folgt: Die Prüfungstätigkeit obliegt dem VormG (OLG München). Eine hieraus folgende erforderliche Weisung obliegt dem FamG/Betreuungsgericht. Dass das sinnlos ist, liegt auf der Hand, aber der Gesetzgeber hat diese Sinnlosigkeit in seiner sinnlosen Unwissenheit eben so in Gesetzesform gegossen. Dass die Entscheidung über Vergütung/Aufwendungsersatz dem FamG/Betreuungsgericht obliegt, weil es sich insoweit um eine Endentscheidung handelt, liegt auf der Hand.

    Insgesamt ein Chaos. Dieses haben aber nicht die an Recht und Gesetz gebundenen Gerichte zu beseitigen, sondern der Gesetzgeber, der es grandios verbockt hat.

  • Das mit der falschen Entscheidung muss erst noch bewiesen werden.
    Das OLG Stuttgart hat sich schließlich mit der gegenteiligen Meinung des OLG München ( selbstverständlich ablehnend :daumenrau) beschäftigt.
    Wenn Du schon Stuttgart zitierst , dann bitte aber vollständig und nicht so , wie es einem in den Kram passt.

    Immer dieses Recht haben wollen.....:daumenrun

    Ich erspare mir hierzu weitere Ausführungen, bevor ich im VP lande.

    Das OLG München steht - im übrigen - mit seiner Meinung ziemlich alleine da , wenn ich an die weiteren Bezugnahmen des OLG Stuttgart denke.



  • Dem stimme ich zu. Es macht ja nun überhaupt keinen Sinn, die "Führung der Vormundschaft" weiterhin einem Gericht zu überlassen, dem keinerlei Entscheidungsbefugnis mehr zusteht.

  • Ich denke, hier wird man keine Einigkeit erzielen können (und auch nicht müssen). Da ist es doch eigentlich für beide Lager sehr schön, dass sie sich nun jeweils an eine OLG-Entscheidung halten können.

    Ulf

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  • Wenns nur so wäre.

    Aus den Gründen des OLG Stuttgart ist ersichtlich, dass sich ein Großteil der Praxis bereits an drei OLGs halten kann.;)

  • Wie JörgZ in #145 bereits zutreffend festgestellt hat, beziehen sich die vom OLG Stuttgart zitierten Entscheidungen des OLG Dresden (Rpfleger 2010, 325) und des OLG Nürnberg auf die Zuständigkeit für die Behandlung von Neuverfahren mit Endentscheidungscharakter. Diese beiden Entscheidungen geben für die Ansicht des OLG Stuttgart somit nichts her.

    Im Gegenteil betont das OLG Dresden a.a.O.:
    "Denn für vor dem 01.09.2009 eingeleitete Verfahren bleibt es nach mittlerweile ganz h.M. -unabhängig von der Frage der Gerichtsorganisation- beim alten Recht für sämtliche Bereiche des Verfahrens (Zuständigkeit, Rechtsmittel, Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts)."

    Das OLG Stuttgart untermauert seine Ansicht somit mit einem offensichtlichen Falschzitat.

    Steinkauz: Es geht nicht darum, Recht behalten zu wollen, sondern darum, dass ich die Ansicht des OLG München seit jeher vertreten habe und ich meine Auffassung nicht ändere wie ein Fähnchen im Wind die Richtung. Ich darf insoweit daran erinnern, dass Du ursprünglich ebenfalls die Ansicht vertreten hast, dass die Rechnungslegung noch vom Vormundschaftsgericht zu prüfen sei, bevor das Verfahren abgegeben werden kann (## 7, 51; gegen eine solche Abgabe in Übereinstimmung mit meiner Ansicht dagegen ganz grundsätzlich Andy.K in #87).

    Im übrigen: Es steht nirgends, dass das Gesamtverfahren an das FamG (bzw. das Betreuungsgericht) überzuleiten ist, sobald im Rahmen des Dauerverfahrens ein ententscheidungsfähiges Neuverfahren eingeleitet wird. Dass es sich so verhält, ist lediglich eine Erfindung des BMJ, die mit Art.111 Abs.2 FGG-RG nicht in Einklang zu bringen ist, weil dort -eindeutig und lediglich- geregelt ist, welche Verfahren nach altem und welche Verfahren nach neuem Recht betrieben werden. Und bei Dauerverfahren fällt beides eben auseinander, weil der Gesetzgeber das Problem verschlafen hat.

    Wir haben das geltende Recht anzuwenden. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach wir das geltende Recht missachten dürfen, wenn wir es im Einzelfall für sinnfrei halten. Wenn es sinnfrei ist, muss es der Gesetzgeber korrigieren, nicht die Gerichte.

  • Für mich stellt sich dabei immer wieder die Frage, inwieweit ich die Gesetzesbegründung bei der Anwendung des Gesetzes heranziehen kann (vgl. auch Anmerkungen von BVerfG-Richter in NJW 2009,1476ff. und Rüthers NJW 2009,1461f.).

    In Übereinstimmung mit dem OLG München ist festzuhalten, dass der Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme zu einem neuen Gesetz zunächst ein Übergang der Bestandsverfahren spätestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten des FamFG gefordert hat und dass der Bundestag die Prüfung dieses Änderungswunsches zugesagt hat. Dem Änderungswunsch des Bundesrates (2. Stichtag für Dauerverfahren) wurde nicht entsprochen.

    Andererseits geht der Rechtsausschuss bei der Änderung des Art. 111 II FGG-RG davon aus, dass durch die Einfügung des Art. 111 II FGG-RG bei einem neu einzuleitenden Verfahren ab dem 01.09.2009 auch das alte Bestandsverfahren in neues Verfahrensrecht übergeht (BT/Drs. 16/11903 Seite 61: Dadurch wird sichergestellt, dass es entsprechend dem in Nummer 10 der Stellungnahme des Bundesrates verfolgten Anliegen auch in Bestandsverfahren zu einer zügigen Umstellung auf das neue Verfahrensrecht kommt.).

    Etwaige Bücher zur Rechtstheorie (z.B. Röhl/Röhl, Allg. Rechtslehre, 3. Aufl. [2008], S. 613–616; Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. [2008], Rdnrn. 731–743; eingehend Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, 2004) liegen mir nicht vor.

    Kann nun die Gesetzesbegründung des Rechtsausschusses bei der Auslegung des Gesetzes berücksichtigt werden? Oder muss die Gesetzesbegründung des Rechtsausschusses unberücksichtigt bleiben, weil diese Gesetzesbegründung nicht von dem Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist (nach dem Motto: erst wenn der Gesetzeswortlaut Auslegungsmöglichkeiten zulässt, muss ich ergänzend auf die Gesetzesbegründung zugreifen; wenn der Gesetzeswortlaut diese Auslegungsmöglichkeiten nicht zulässt, muss es bei dem Gesetzeswortlaut verbleiben, auch wenn die Gesetzesbegründung - hier: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, auf dessen Grundlage später die Änderung des Art. 111 II FGG-RG erfolgt ist - auf einen anderen Willen des Gesetzgebers hinweist).

  • Bei dem Thema kommen wir einfach - wie Ulf schreibt - nicht zusammen.
    Daher belasse ichs - für meinen Teil - beim bisherigen Diskussionsstand.

    Dass die Meinung des OLG München angreifbar ist , hat das OLG Stuttgart - jedenfalls in einem seiner letzten Absätze - für mich überzeugend dargelegt.
    Im Gegensatz zu den Vorentscheidungen konnte sich Stuttgart mit anderen abweichenden Meinungen beschäftigen.

    Für mich jedenfalls gilt : Das Thema ist durch !


  • Kann nun die Gesetzesbegründung des Rechtsausschusses bei der Auslegung des Gesetzes berücksichtigt werden? Oder muss die Gesetzesbegründung des Rechtsausschusses unberücksichtigt bleiben, weil diese Gesetzesbegründung nicht von dem Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist (nach dem Motto: erst wenn der Gesetzeswortlaut Auslegungsmöglichkeiten zulässt, muss ich ergänzend auf die Gesetzesbegründung zugreifen; wenn der Gesetzeswortlaut diese Auslegungsmöglichkeiten nicht zulässt, muss es bei dem Gesetzeswortlaut verbleiben, auch wenn die Gesetzesbegründung - hier: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, auf dessen Grundlage später die Änderung des Art. 111 II FGG-RG erfolgt ist - auf einen anderen Willen des Gesetzgebers hinweist).



    Die Auslegung setzt immer voraus, dass der Wortlaut einer Norm nicht eindeutig ist, es zum Beispiel unbestimmte Rechtsbegriffe gibt.
    Ein eindeutiger Wortlaut ist die Grenze jeder Auslegung. Denn die Auslegung ist nur zur Ergänzung da, nicht aber zur Verdrehung der Norm.
    Was das bezogen auf den Art. 111 FGG-RG bedeutet, da sind sich die OLG's ja nicht so ganz einig.
    Die Interpretation des JuMi ist allerdings vom Wortlaut des Art. 111 FGG-RG wohl nicht mehr gedeckt, sondern eher eine Interpretation, die den Wortlaut der Norm überzieht.



  • Und wenn der BGH das OLG München bestätigen sollte? Ist das Thema dann auch weiterhin im Sinne des OLG Stuttgart für Dich durch?

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