Soll Betreuer Scheidung beantragen?

  • Hallo zusammen!


    Vor Anordnung der Betreuung hat die Ehefrau mit ihrem Mann in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
    Nun ist sie ein Pflegefall und im Heim untergebracht. Sie wird von einem Berufsbetreuer vertreten.

    Es ist etwas Vermögen vorhanden, jedoch ist es überschaubar, bis es wegen der Heimkosten aufgebraucht ist.

    Der Betreuer möchte nun vom Ehemann Unterhalt einklagen.
    Da der Unterhalt bei einer Scheidung scheinbar höher ausfällt, überlegt er, ob er die Scheidung beantragen soll.

    Die Betreute selbst ist nicht geschäftsfähig und kann auch nicht mehr angehört werden. Es ist ein Sohn vorhanden, der aussagt, daß die Ehe für seine Mutter "die reinste Hölle" war.

    Meiner Meinung nach hat der Wille der Betroffenen in diesem Fall Vorrang vor evtl. höher einklagbaren Unterhaltsforderungen.
    Zumal sie vor Betreuungsanordnung die Scheidung nicht beantragt hat und keiner bestätigen kann, daß sie dies tun wollte.


    Wie seht ihr das?

  • ohne nachgelesen zu haben würde ich mir vor der frage, ob der betreuer die scheidung einreichen soll erst mal die frage stellen, ob er es überhaupt kann, sprich ob bei einem scheidungsantrag eine stellvertretung durch den betreuer möglich ist.

  • Falls die Betreute geschäftsunfähig ist, dann erfordert Scheidungsantrag des Betreuers vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, § 607 II ZPO.

    Wenn sie geschäftsfähig ist: MüKo, 4. Aufl., § 1902, Rn. 31.

  • Auch wenn man im vorliegenden Fall unterstellt, dass der Wirkungskreis der Betreuung für die Vertretung im Scheidungsverfahren ausreicht bzw. der Wirkungskreis entsprechend erweitert und die erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt würde, dürfte der Scheidungsantrag im Ergebnis nicht begründet sein.

    Wir haben einen solchen Fall schon einmal durchexerziert:

    Der Betroffene erlitt in relativ jungen Jahren einen Unfall, der eine zur Geschäftsunfähigkeit führende irreparable Demenz hervorrief und zu einem dauerhaften Heimaufenthalt führte. Einige Zeit nach Anordnung der Betreuung wandte sich die Ehefrau einem anderen Mann zu. Der Betreuer nahm dies zum Anlass, für den Betroffenen die Scheidung zu beantragen. Im Zuge der Ermittlungen wurde u.a. festgestellt, dass mit dem Betroffenen zwar keinerlei rechtserhebliche Verständigung möglich war, er bei kontakterhaltenden Besuchen seiner Ehefrau aber Zeichen von Freude (z.B. durch Lächeln) zeigte.

    Langer Rede kurzer Sinn: Die Sache ging bis zum BGH (NJW 1989, 1988) und die Scheidung wurde abgelehnt. Der BGH hielt zwar fest, dass auch einem geistig geschädigten Antragsteller die Scheidung grundsätzlich nicht verwehrt werden könne, wenn er sich nicht einmal einen Rest von Empfinden für die Zerrüttung der Ehe behalten habe. Er hielt diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall aber nicht für gegeben, weil nicht festgestellt werden konnte, dass es dem Betreuten an der ehelichen Gesinnung fehlt. Aus dem Verhalten des Betroffenen bei den Besuchen seiner Ehefrau schloss der BGH vielmehr, dass der erforderliche Scheidungswille des Betreuten nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden könne.

    Die genannte grundlegende BGH-Entscheidung ist bei Palandt/Brudermüller § 1565 RdNr.2 und 4 mehrfach zitiert.

    Aus den genannten Gründen halte ich einen Scheidungsantrag im Ausgangsfall im Ergebnis für aussichtslos. Dass der höhere Unterhalt im Falle einer Scheidung keinen Scheidungsgrund darstellt, bedarf ohnehin keiner Erörterung. Wenn es danach ginge, müssten viele Ehen geschieden werden.

  • Zitat von juris2112

    Dass der höhere Unterhalt im Falle einer Scheidung keinen Scheidungsgrund darstellt, bedarf ohnehin keiner Erörterung. Wenn es danach ginge, müssten viele Ehen geschieden werden.



    :wechlach:

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!