Abschaffung von § 18 SGB VIII

  • Guten Abend liebe Kollegen und Kolleginnen,

    ich habe ein sehr merkwürdig verzwicktes Problem mit dem an unserem Gericht zuständigen Jugendamt. Ich habe hier die Beratungshilfesachen übernommen und bereits zu Anfang festgestellt, dass hier am Amtsgericht auch in Sachen des Umgangsrechtes, sowie der Geltendmachung von Unterhalt stets Beratungshilfe bewilligt worden ist.

    Ich habe nach reiflicher Recherche und rechtlicher Betrachtung die nicht Beratungshilfefähigkeit von Beratungshilfe für diese Angelegenheiten festgestellt und die Rechtssuchenden an das Jugendamt verwiesen. Dies kamen prompt zurück mit dem Hinweis das Jugendamt macht das nicht. Auf tel. Anfrage und dem konkreten Gesetzeshinweis hat dann das Jugendamt sehr widerwillig in einzelnen Fällen die Übernahmeverpflichtung eingesehen und den Rechtssuchenden weitergeholfen. Jedoch weigert sich das Jugendamt noch immer stets dem Rechtssuchenden zu helfen, so dass ich in jedem Fall einzeln nochmals Druck machen muss. Dieser Umstand war auch meinen Vorgängern Bekannt.

    Diese haben um den Rechtssuchenden Bürger nicht im Regen stehen zu lassen Beratungshilfe bewilligt. Ich sehe das nicht ein, dass die Landeskasse für gesetzliche Aufgaben des Jugendamtes aufkommt und habe den Leuten den konkreten Gesetzestext in die Hände gedrückt und gesagt sie sollen auf eine Antragsaufnahme bestehen und im Zweifel eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Prompt kam ein Anruf des Fachbereichsleiters, welcher total erbost war, wie ich dem Rechtssuchenden so etwas raten könne und er habe ja beschlossen auf Grund der Umfangreichen Tätigkeiten, welche das Jugendamt zu bewältigen habe, dass § 18 SGB VIII in unserem Kreis keine Anwendung finden würde und würde die Leute weiterhin herschicken und ich solle nicht so tun als wenn es um mein Geld ginge. Es seien ja nur Steuergelder. Leider habe ich mir den Namen nicht merken können, habe dieses aber der Verwaltung gemeldet und auch den Bezis, welche natürlich der Argumentation des Jugendamtes nicht folgen.

    Da ich der Meinung bin, dass der Rechtssuchende nicht unter der Weigerung des Jugendamtes leiden kann, bewillige ich Beratungshilfe mache aber je Bewilligung einen entsprechenden Aktenvermerk.

    Jedoch würd ich gerne von Kollegen mal Stellungnahmen hören oder Tipps was man tun kann.

    Ich habe schon überlegt, da ich auch Rechtsantragstelle mache, ab jetzt zu sagen, da ich die Rechtsantragstelle leite, habe ich beschlossen die ZPO und das Rechtspflegergesetz finden in Teilen keine Anwendung und drücke jedem Rechtssuchenden einen Beratungshilfeschein in die Hand.

    Kleiner Scherz, aber ich ärgere mich tierisch, dass das Jugendamt

    1. seinen gesetzlichen Auftrag nicht nachkommt und
    2. dass die Rechtsantragstelle das Auffangbecken für die Fehler/Untätigkeiten anderer Behörden ist

    Wenn ich den Namen noch wüsste hätte ich einen Brief an den Bund der Steuerzahler übersandt mit Hinweis auf die läppische Bemerkung...

    Gruß aus dem Norden

  • Du schreibst ja, dass dich der Fachbereichsleiter angerufen habe. Lässt sich so nicht der Name herausbekommen ? Bei uns gibt es ein Behördentelefonbuch, da sind auch die Hierarchien ersichtlich. Manchmal kann man sowas auch aus dem Internet fischen ...
    Vielleicht erinnerst du dich an den Namen, wenn du ihn liest / hörst.

    Kann er denn einfach entscheiden, dass seine Behörde gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeiten ab jetzt nicht mehr ausübt ? Kann ich mir nciht vorstellen.

    Leider scheint er ja erreicht zu haben, was er wollte ...


  • leider passiert das nur allzu oft..vergleichbar mit dem RAST-Publikum, was wir ja auch oft gerne an den Rechtsanwalt verweisen wollen..oder?
    Schlimm sind die ARGEN ! Mäßig ausgebildetes Fachpersonal..das gibt häufig "Widersprüche" für die BerH beantragt wird!
    Berhilfe gehört echt abgeschafft!

  • Ohne kommunalpolitischen Druck ist keine Änderung möglich. Wenn Eure Kommunalpolitiker dulden, dass die Beistände größtenteils nach A9 besoldet werden und für jede Stelle eine Vakanz besteht, können die Mitarbeiter die Aufgaben nicht erfüllen. Eine Ausbildung zum Beistand gibt es nicht, nur ein Anlernverhältnis.

    Auch hausintern kannst Du was tun: Sieh einmal nach, welcher Familienrichter zum Jugendhilfeausschuss gehört und trage ihm die Misere vor. ER hat die exklusive Chance, die Entscheidungsträger Deiner Kommune direkt anzusprechen und Prüfanträge zu stellen.

  • Du schreibst ja, dass dich der Fachbereichsleiter angerufen habe. Lässt sich so nicht der Name herausbekommen ? Bei uns gibt es ein Behördentelefonbuch, da sind auch die Hierarchien ersichtlich.



    Kenne ich auch so. Frag' doch mal in Deiner Verwaltung nach.

    Den Zustand, welchen Du beschreibst, finde ich auch unter aller Kanone. Das sollte dringend abgestellt werden, bis dahin würde ich aber genau wie Du weiter BerH bewilligen. Gott sei Dank ist es in meinem Beritt genau anders herum. Hier haben wir fachlich kompetente und motivierte Beistände, die so manchen Rechtsanwalt in dem Bereich in die Tasche stecken.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Guten Morgen Hitch,

    durch Dienstaufsichtsbeschwerden oder Einschaltung des Bundes der Steuerzahler wird das Problem nicht gelöst, sondern nur noch mehr Frust bei den beteiligten Stellen aufgebaut. Der Vorschlag von Moosi ist sehr gut:daumenrau.
    Man darf aber nicht vergessen, dass viele Kommunen oder Kreise kein Interesse daran haben, diese Stellen schnellstens zu besetzen und vernünftig zu dotieren. Es handelt sich eine vom Bund vorgegebene Pflichtaufgabe; die Kommunen oder Kreise oder die kreisangehörigen Gemeinden müssen die Kosten tragen.
    Wir in NRW haben bei den Landschaftsverbänden sog. Landesjugendämter.
    Sollte es bei euch im hohen Norden auch eine derartige Einrichtung geben, dort um Hilfestellung bitten. Unser Landesjugendamt jedenfalls hätte keine Probleme, dem entsprechenden Dienststellenleiter kräftig "auf die Füße" zu treten.

  • Wenn der kurze Dienstweg nicht funktioniert (Anruf des Rpfl. beim JA) dann würde ich den langen Dienstweg beschreiten (heißt: der Geschäftsleiter/Direktor des AG möge mal mit dem Behördenleiter in Verbindung treten).

    Auch schadet es manchmal nicht zu pokern und mal durchblicken zu lassen, dass man dann wohl in JEDEM Fall BerH bewilligen werden, aber leider die damit für die Landekasse verbundenen Kosten dem JA (!) in JEDEM Fall für den es gem. § 18 SGB VIII zuständig gewesen wäre, in Rechnung stellen werde. Wollen wir doch mal sehen, ob das nicht zu einer Einstellungsänderung beim JA führt.

    Ich will gar nicht bestreiten, dass die Kollegen beim JA unterbesetzt sind, das JA kein Geld hat, unter der aktuellen Medienberichten unter Verstärkter Beobachtung stehen und wahrscheinlich besseres als Aufgabenerfüllung nach § 18 SGB VIII zu tun haben. Aber kann ich als Rechtspfleger sagen: "Sie haben zwar einen BerH-Anspruch, aber ich kann leider doch nicht bewilligen, weil hier eine Unterbesetzung der Rpfleger vorliegt die Landeskasse knapp bei Kasse ist und der Landesrechnungshof eh gesagt hat, dass wir zu viel Geld ausgeben" ? Wohl kaum. Also gelten diese Ausreden auch nicht für das Jugendamt.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (23. Dezember 2009 um 09:52)

  • @Hitch:
    Es ist nicht unsere Aufgabe, Druck zu machen bei einer Behörde, welche eine andere zumutbare Hilfemöglichkeit i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG darstellt bzw. diese auf ihre Pflichtaufgaben hinzuweisen.

    Ebenso wenig haben wir die Rechtsuchenden an solche Stellen zu "verweisen"; ein "Sie müssen sich in dieser Angelegenheit an das Jugendamt wenden!" steht uns nicht zu.

    Wir haben (u.a.) lediglich nüchtern zu prüfen, ob eine solche Stelle existiert, nicht, ob der Rechtsuchende um deren Existenz weiß oder ob die Sachbearbeiter dort ebenso kompetent sind, wie Rechtsanwälte.

    Und als Ausnahme zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG können wir ein Negativattest verlangen, aus dem sich ergibt,

    • (für den Einzefall: ) dass diese Stelle im konkreten Fall nicht tätig wird oder werden kann oder
    • (für alle Fälle: ) dass diese Stelle generell nicht tätig wird oder werden kann (ein solches General-Attest liegt mir z.B. vor für die Angelegenheit "Außergerichtliche Erlangung einer Bescheinigung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO", Aussteller: Die allgemeine Schuldnerberatung, Aussage: Im Jahr 2010 können keine Verbraucherinsolvenzfälle mehr angenommen werden...)

    Möge der zuständige Sachbearbeiter im Jugendamt Entsprechendes im Einzelfall bescheinigen, oder möge der Behördenleiter gleich ganz die "Hosen runterlassen" und attestieren, dass das Jugendamt seinen Pflichtaufgaben (s. hierzu z.B. https://www.rechtspflegerforum.de/showpost.php?p=410643&postcount=65) nicht nachkommen kann oder wird.

    In beiden Fällen erteile ich (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) den Berechtigungsschein. Im zweiten Fall halte ich Maßnahmen wie von Moosi oder Ernst P. genannt für sinnvoll.

  • Interessant finde ich die Entscheidung des AG Oldenburg (Holstein) vom 13.05.2009 (17 II 1042/08). Hier wurde die Beratungshilfe unter Verweis auf § 18 SGB VIII abgelehnt. Allerdings finde ich die Argumentation der Antragstellerin in diesem Verfahren garnicht so schlecht, da hätte man auch anders entscheiden können.
    Letztlich muss man sich fragen, ob denn der Gang zu einem Jugendamt (im Sinne von § 1 Abs. 1 Ziff. 2 BerHG) noch zuzumuten ist, wenn man genau weis, dass die einem nicht wirklich helfen wollen bzw. können. Aus § 18 SGB VIII lässt sich zwar ein Anspruch ableiten, aber nicht die Pflicht, diesen auch wahrzunehmen.

  • Sicher ist niemand verpflichtet, angebotene Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Daraus kann er jedoch nicht das Recht herleiten, statt dessen Berhi zu erhalten. Denn Beratungshilfe ist gemäß § 1 I Nr. 2 BerHG nur dann zu bewilligen, wenn nicht andere Möglichkeiten der Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist. Mit der beratenden Tätigkeit der Jugendämter steht aber dem Rechtssuchenden gerade in Unterhaltsfragen eine solche „andere Möglichkeit“ zur Verfügung. Der jeweils sorgeberechtigte Elternteil hat gemäß § 18 I SGB VIII nicht nur die Möglichkeit, sondern den rechtlichen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge einschließlich der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes mithilfe des Jugendamtes. Das gilt gemäߧ 18 IV SGB VIII auch für die Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen eines jungen Volljährigen (bis 21 Jahre). Deshalb muss sich ein Ast. stets zunächst beim Jugendamt über seine Unterhaltsansprüche beraten lassen. Erst wenn er glaubhaft machen kann, dass dies aus bestimmten Gründen nicht oder nicht ausreichend erfolgte, besteht Anspruch auf Beratungshilfe.

  • Was ich auch schon mal gemacht habe (ist aber schon lange her):

    Nicht Beratungshilfe für das eigentliche Begehren des Ast. bewilligt (z. B. "Prüfung und ggf. Durchsetzung des Anspruchs auf Kindesunterhalt"), sondern zur "Prüfung und ggf. Durchsetzung des gesetzlichen Anspruchs auf Hilfen nach § 18 SGB VIII". :teufel:

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ernst P. (14. Oktober 2010 um 22:05)

  • Wenn der kurze Dienstweg nicht funktioniert (Anruf des Rpfl. beim JA) dann würde ich den langen Dienstweg beschreiten (heißt: der Geschäftsleiter/Direktor des AG möge mal mit dem Behördenleiter in Verbindung treten).

    Auch schadet es manchmal nicht zu pokern und mal durchblicken zu lassen, dass man dann wohl in JEDEM Fall BerH bewilligen werden, aber leider die damit für die Landekasse verbundenen Kosten dem JA (!) in JEDEM Fall für den es gem. § 18 SGB VIII zuständig gewesen wäre, in Rechnung stellen werde. Wollen wir doch mal sehen, ob das nicht zu einer Einstellungsänderung beim JA führt.

    Ich will gar nicht bestreiten, dass die Kollegen beim JA unterbesetzt sind, das JA kein Geld hat, unter der aktuellen Medienberichten unter Verstärkter Beobachtung stehen und wahrscheinlich besseres als Aufgabenerfüllung nach § 18 SGB VIII zu tun haben. Aber kann ich als Rechtspfleger sagen: "Sie haben zwar einen BerH-Anspruch, aber ich kann leider doch nicht bewilligen, weil hier eine Unterbesetzung der Rpfleger vorliegt die Landeskasse knapp bei Kasse ist und der Landesrechnungshof eh gesagt hat, dass wir zu viel Geld ausgeben" ? Wohl kaum. Also gelten diese Ausreden auch nicht für das Jugendamt.




    Dto!
    JAmt 2009, 72f ist auch wieder was drin zur Zuständigkeit des JA! Mal dem SB dort vorlegen...

    P.S.: ich werde auch schlecht bezahlt und wir sind zu wenige...

  • Ich würde das Problem auf jeden Fall mit dem Richter, der für Beratungshilfesachen zuständig ist, besprechen.
    Wenn der Richter der Meinung ist, dass er Beratungshilfe gewähren würde, dann bin ich geneigt, bei der geschilderten Problemlage die Beratungshilfe zu gewähren.

  • Ich muss den thread grad mal wieder ins Rollen bringen :oops:

    Mir wurde mitgeteilt, dass es eine Bgh-Entscheidung geben soll, wonach man (also BerH-Rpfl) die Leute nicht mehr zum JA schicken soll...und die Entscheidung wäre auch im Rechtspflger veröffentlicht worden...jetzt such ich mir hier das Gehirn wund und finde nix :(
    Habt ihr da Meinungen oder Infos zu? :gruebel:

    Danke schonmal :)

  • Also meine Frau hat den Rpfleger abonniert. Den les ich jeden Monat von vorn bis hinten durch. Da war keine Entscheidung davon drin.

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