Reale Bäckereigerechtigkeit im BV. Wasn das?

  • Die Kaminkehrerrealrechte in Bayern sind nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 06.07.1971, BVerwG I C 105.64 = BeckRS 1971 30440578, durch § 39 a Satz 1 GewO aufgehoben worden.
    https://www.jurion.de/urteile/bverwg…verwg-i-c-10564

    In Randziffer 15 wird ausgeführt: „Das vom Kläger geltend gemachte Kaminkehrrealrecht ist - mit allen anderen Kaminkehrrealrechten - durch § 39 a der Gewerbeordnung - GewO -, der durch das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 13. April 1935 (RGBl. I S. 508) in die Gewerbeordnung eingefügt wurde, mit Wirkung vom 16. April 1935 aufgehoben worden.“

    Ebenso: BVerwG 1. Senat, Urteil vom 15.03.1988, 1 C 69/86

    Allerdings führen (lt. juris) Soell, Dickert und Dirnberger in ihrem Beitrag, „Das Schicksal der bayerischen Kaminkehrerrealrechte -Zugleich ein Beitrag zum verfassungsrechtlichen Schutz alter Gewerbegerechtigkeiten“ im BayVBl 1988, 481-493 aus:

    § 39a GewO hat 1935 die Kaminkehrerrealrechte nicht mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, dies hätte gegen Art 153 WRV verstoßen, jedenfalls wäre die Norm aber gemäß Art 123, 129 Abs 3 iVm Art 14 GG außer Kraft getreten.

    Selbst bei Annahme einer unmittelbaren Rechtsgestaltung durch § 39a GewO hat der in jeder Hinsicht verfassungsgemäße § 53 SchfG als Norm mit echter Rückwirkung die unklare Rechtslage zugunsten des Fortbestands der Kaminkehrerrealrechte bereinigt.

    Die Behandlung der Kaminkehrerrealrechte durch Verwaltungspraxis und Gesetzgeber begründet überdies einen eigentumsrechtlich relevanten Vertrauenstatbestand, der nur durch den Gesetzgeber wieder beseitigt werden kann.

    Das BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, hat jedoch im Kammerbeschluss vom 01.06.1988, 1 BvR 588/88 die Ansicht des BVerwG bestätigt

    Hingegen hat das BayObLG, 2. Zivilsenat, im Beschluss vom 25.10.1973, BReg 2 Z 47/73, festgestellt, dass die bayerischen Kaminkehrerrealrechte durch § 39a GewO nicht aufgehoben worden, offenbar, weil es noch an einer Regelung zur Entschädigung fehlt (s. Zeiser im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand: 01.11.2016, Sonderbereich „Alte Rechte“ RN 130).

    Darauf dürfte auch die Kommentierung von Martin Löhnig, „Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung“, von 2010 beruhen, wonach die Kaminkehrergerechtsame offenbar noch nicht bedeutungslos sind:

    https://books.google.de/books?id=V71uD…chtsame&f=false

    Wenn aber nun der Eigentümer die Aufhebung bewilligt, dann verzichtet er ja auf seinen etwaigen Entschädigungsanspruch. Ich würde daher anhand der Bewilligung die Löschung vornehmen wollen

    Allerdings dürfte zuvor noch den Weihnachtsmann anzuhören sein, denn der kommt ja bekanntlich durch den Kamin…:)

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Richtig:

    BVNr. 1 und BVNr. 2!

    Nicht 2/zu1!


    Ich hänge mich hier mal dran:

    Im Grundbuch sind gebucht:
    BV 1: Flst. 100
    BV 2/zu1 radizierte Taferngerechtsame

    Nun wird das Flst. 100 gemäß § 8 WEG aufgeteilt.
    Was passiert denn nun mit der radizierten Taferngerechtsame?

    Gemäß BeckOK GBO Hügel, Rn. 134 zu "Alte Rechte" ist die radizierte Gerechtsame Bestandteil des Grundstücks und kann nur mit diesem veräußert werden.
    Ich bin mir nur nicht sicher, wo und wie ich dieses Recht nun in den neuen WEG-Blättern im Bestandsverzeichnis buche...

  • Kann man so eine Realgewerbeberechtigung (in Bayern; hier: unter eigenen lfd. Nr. vorgetragenes reales Weberrecht) mit einer Grundschuld belasten?

    Nachdem es sich um ein grundstücksgleiches Recht handelt (RNr. 134 Beck OK GBO, Sonderbereich "Alte Rechte"), dürfte es sich eigentlich nicht verhindern lassen?

    Hab eine Grundschuldbestellung, wonach das "gesamte in Blatt.....vorgetragene Grundeigentum" belastet werden soll.
    Ich neige dazu, die Realgewerbeberechtigung nicht unter "Grundeigentum" zu subsumieren und das reale Weberrecht nicht zu belasten. Was meint ihr?

  • Im Grundbuch ist unter BVNr. 1 ein Grundstück mit 5000 qm eingetragen, auf dem sich heute noch eine Bäckerei befindet.

    Unter 2/zu 1 steht "Reale Bäckergerechtigkeit"

    Die BVNr. 1 wir jetzt in drei FlNr. zerlegt. Eine der FlNr. wird veräußert. Darauf befindet sich kein Gebäude. Gleichzeitig ist die Bäckereigerechtigkeit mit übertragen/veräußert. Teilung in drei selbstständige Grundstücke und Eintragung einer AV am Vertragsgegenstand wird beantragt.

    Kann man mit dieser "2/zu 1" Buchung und dem Wort "Reale" von einem grundstücksgleichen Recht ausgehen, das dann problemlos übertragbar ist (auch wenn es wirtschaftlich keinen Wert hat)?

    Oder bedeutet diese Buchungsform, dass es eine radizierte, mit dem Grundstück BVNr. 1 verbundene Berechtigung ist?

    (Es wird noch ein weiteres Grundstück an den Käufer veräußert, auf dem sich eine Gewerbeeinheit befindet.)

  • Ich hänge mich hier auch mal an - ich habe im Bestandsverzeichnis eine "reale Schmiedegerechtigkeit" eingetragen, sonst nichts mehr. In Abt. II ist ein Inso-Vermerk eingetragen, sonst sind Abt. II und III leer.

    Jetzt kommt über BEA (die E-Akte kommt bei uns zwar erst im November, die Wachtmeister haben es aber ausgedruckt und damit liegt es bei mir auf dem Schreibtisch) die Anregung einer RAin als Insolvenzverwalterin (natürlich ohne jeden Nachweis) die Eintragung im Bestandsverzeichnis zu löschen unter Hinweis auf die Einführung der Gewerbefreiheit durch die Reichsgewerbeordnung 1871.

    Da mir kein Grund einfällt (und ich nichts finde) würde ich entsprechen #16 vorgehen wollen ... oder fällt jemand ein Grund ein, warum eine Schmiedegerechtigkeit noch von Wert sein könnte?

    Alle Menschen sind klug – die einen vorher, die anderen nachher. Voltaire


  • Wo spielt sich denn das Ganze ab?

    Grundsätzlich stellen Realgewerbeberechtigungen Rechte zum Betrieb eines bestimmten Gewerbes dar, „die veräußerlich und vererblich sind und denen daher ein dinglicher Charakter zukommt“ (siehe Schönleiter in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, EL Dezember 2022, § 10 RN 15; Ehlers in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht - Band 1, 1. Zulassungspflichtiges Gewerbe, 4. Auflage 2019, RN 44 Fußnote 189; Goers im BeckOK GVG, Graf, Stand 15.05.2023, BayAGGVG Art. 40 Grundstücksgleiche Rechte, RN 8; Merten im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Updatestand 31.05.2021, Art. 74 EGBGB RN 5).

    Sie durften nach der zum 1.10.1869 in Kraft getretenen Vorschrift des § 10 Abs. 2 GewO nicht mehr neu begründet werden und es mussten nach § 48 GewO die persönlichen Voraussetzungen in eigener Person erbracht werden (siehe Ehlers in Ehlers/Fehling/Pünder, aaO).

    Das Fortbestehen von Realgewerbeberechtigungen ist hauptsächlich für erlaubnisbedürftige Gewerbe von Bedeutung. Ansonsten sind sie vor dem Hintergrund der allgemeinen Gewerbefreiheit irrelevant geworden und besitzen keinen materiellen Wert (so Schönleiter in Landmann/Rohmer, § 10 GewO RN 17).

    Inhalt und Umfang der Realrechte richten sich nach Landesrecht, sofern nicht in Bundesgesetzen besondere Vorschriften bestehen (Schönleiter in Landmann/Rohmer, § 10 GewO RN 16).

    Auch bezüglich des Erlöschens der Realrechte sind die landesrechtlichen Vorschriften maßgebend, soweit nicht reichs- bzw. bundesrechtliche Vorschriften entsprechende Bestimmungen enthalten (Schönleiter in Landmann/Rohmer, aaO). Wie der Autor ausführt, richtet sich insbesondere nach Landesrecht, ob ein Realrecht auch durch Nichtausübung erlischt. Für Bayern sei anerkannt, dass gewerberechtliche Privilegien insgesamt durch zehnjährige Nichtausübung verlorengehen; für das Gebiet des gemeinen Rechts habe sich die Rechtsprechung dafür ausgesprochen, dass Realrechte nach dreißigjähriger Nichtausübung erlöschen. Das Verbot der Neubegründung von Realrechten nach § 10 Absatz 2 GewO stehe allerdings der Übertragung von bereits bestehenden Realrechten an andere Personen wegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 48 GewO nicht im Wege (Schönleiter in Landmann/Rohmer, § 10 GewO RN 20).

    § 48 GewO wurde aber -ebenso wie § 10 GewO- zum 1.1.2023 aufgehoben; siehe das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und anderer Gesetze

    DIP

    und dazu den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 27.05.2022, BR-Drs. 245/22

    https://dserver.bundestag.de/brd/2022/0245-22.pdf

    In § 48 GewO war die Übertragbarkeit wie folgt geregelt.

    § 48 Übertragung von Realgewerbeberechtigungen

    Realgewerbeberechtigungen können auf jede nach den Vorschriften dieses Gesetzes zum Betriebe des Gewerbes befähigten Person in der Art übertragen werden, dass der Erwerber die Gewerbeberechtigung für eigene Rechnung ausüben darf.

    Nachdem § 48 GewO aufgehoben wurde und damit offenbar die Übertragbarkeit für fortbestandene Realgewerbeberechtigungen entfallen ist, denke ich, dass eine Schmiedegerechtigkeit -soweit sie nicht ohnehin durch Nichtausübung erloschen ist- keine Bedeutung mehr haben kann.

    Merten verweist dazu im Staudinger, Art. 74 EGBGB RN 9 auf Art 12 GG, der den Bestand an Realgewerbeberechtigungen drastisch verringert habe. Die in Art 12 GG gewährleistete Niederlassungsfreiheit verbiete zwar nicht schlechthin Realrechte, nehme ihnen aber die wirtschaftliche Grundlage. Realgewerbeberechtigungen seien erst dann wirtschaftlich von Interesse, wenn sie über die bloße Befugnis zur Gewerbeausübung hinaus auch das Recht enthielten, anderen (auf einem bestimmten Gebiet) die Ausübung zu verbieten.

    Falls es in Deinem Fall keine landesrechtlichen Besonderheiten gibt, dürfte daher die „Schmiedegerechtigkeit“ der Anregung entsprechend zu löschen sein. Da keine Löschungsbewilligung erklärt wurde, wird die Löschung im Verfahren nach §§ 84 ff. GBO vorzunehmen sein (siehe OLG München, Beschluss vom 1. August 2016, 34 Wx 162/16, Rz 19) -bei juris Rz. 14)

    OLG München, Beschluss vom 01.08.2016 - 34 Wx 162/16
    Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Augsburg - Grundbuchamt - vom 6. April 2016 aufgehoben.
    openjur.de

    (Zur Durchführung des Amtsverfahrens nach §§ 84 ff. GBO siehe etwa Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, RN 387).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (20. August 2023 um 16:45)

  • Wo spielt sich denn das Ganze ab?

    ...

    Falls es in Deinem Fall keine landesrechtlichen Besonderheiten gibt, dürfte daher die „Schmiedegerechtigkeit“ der Anregung entsprechend zu löschen sein. Da keine Löschungsbewilligung erklärt wurde, wird die Löschung im Verfahren nach §§ 84 ff. GBO vorzunehmen sein (siehe OLG München, Beschluss vom 1. August 2016, 34 Wx 162/16, Rz 19) -bei juris Rz. 14)

    https://openjur.de/u/896177.html

    (Zur Durchführung des Amtsverfahrens nach §§ 84 ff. GBO siehe etwa Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, RN 387).

    In Bayern ... ja, so denke ich es mir auch inzwischen ... Danke für die Hinweise :thumbup: !

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