Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren

  • Ich möchte Euch einen Fall vorstellen, den ich ehrlich gesagt auch absichtlich provoziert habe. Mir geht es nämlich gewaltig auf den Zeiger, dass die PKH-Partei während der 4 Jahresfrist mal eben umzieht und man nicht ermitteln kann wo die sind. Solches Verhalten will ich sanktionieren und versuche ein rechtliches Konstrukt hierfür aufzubauen. Falls das klappt und die PKH-Parteien demnächst einfach die nächsten 4 Jahre untertauchen wollen, um z.B. den Rückzahlungen zu entgehen, werden Sie feststellen, dass die Kosten zum Soll gestellt sind und schon alles über die Bühne gegangen ist.

    (Wer hat schon Lust jedes Jahr einmal zu ermitteln?)


    Der Fall an sich:

    PKH ist bewilligt.

    Im PKH-Überprüfungsverfahren habe ich den beigeordneten RA und nicht die Partei selbst angeschrieben und gebeten die abgefragten Informationen der PKH-Partei/Mandantin weiterzuleiten.

    Dieser meldet sich nach einmaliger Erinnerung dahingehend, dass die Post mit unbekannt verzogen zurückgesandt worden ist. Weiterhin, dass die PKH-Partei nicht mehr seine Mandantin sei und das Mandat niedergelegt worden ist.

    Daraufhin habe ich PKH aufgehoben. Begründet habe ich dies damit, dass die Antragstellerin durch Übersendung der Unterlagen an den beigeordneten RA so gestellt wird, als hätte diese die Unterlagen selbst erhalten (§ 85 ZPO i.V.m. § 121 ZPO).

    Dass das Mandat niedergelegt worden sei, sei unwesentlich, da die Beiordnung noch besteht und somit die Prozessvollmacht weiterhin Bestand hat (BAG 3. Senat, Beschluss vom 19.7.2006, Az: 3 AZB 18/06).

    Im Übrigen hat der RA von mir eine Kopie des Aufsatzes "Der Fortbestand der Prozessvollmacht im PKH-Überprüfungsverfahren usw." abgedruckt im RPfleger 2009, Heft 9, 491 ff. mitübersandt erhalten.

    Der Beschluss ist mit EB zugestellt worden, an die Rücksendung wurde erinnert. Die EB hat der RA erst mit neuerem Datum unterschrieben, so dass die nunmehr eingelegte Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden ist.


    Jetzt kommt das Interessante (Inhalt der Beschwerde):
    Als beigeordneter RA wird im vermuteten Interesse Beschwerde eingelegt, hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.

    Begründung:
    Es mag zwar sein, dass die PKH-Partei durch Übersendung an den Beigeordneten so zu behandeln ist, als hätte diese die Unterlagen erhalten.

    Jedoch besteht kein Kontakt mehr, der Beigeordnete konnte daher rein praktisch nicht die PKH-Partei informieren.
    Insoweit verstößt das Gericht gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs, indem dem Beigeordneten zugestellt wird, wohlwissend, dass die PKH-Partei selbst vom Beigeordneten nicht erreicht werden kann.

    Der Wiedereinsetzungsantrag ist begründet und soll auf unbestimmte Zeit gewährt werden bis der Aufenthaltsort der PKH-Partei ermittelt werden kann.


    Falls jemand schon in der ähnlichen Art verfährt oder wie ich grade die rechtlichen Grenzen auslootet, bin ich für rechtliche Anregungen oder mögliche Textbausteine dankbar.

    Hochgeben will ich es auf jeden Fall - probieren geht manchmal über studieren :D

  • Den Versuch in allen Ehren, aber ich halte dies, entschuldige die Wortwahl, für Mumpitz.

    Dass eine Partei während der Überprüfungsfrist gem. § 120 Abs. 4 ZPO (ggf. mehrmals) umzieht, ist ein Faktum, mit dem sich das Gericht abzufinden hat.
    Noch haben wir eine Meldepflicht und zu 95% der Fälle bekommt man immer heraus, wo die Partei derzeit wohnt.
    Wie schon oft erwähnt, bin ich (zumindest was die ordentliche Gerichtsbarkeit angeht) ein Verfechter davon, die Partei selbst und nicht den RA anzuschreiben.

    Um dem "Rückbriefgewitter" zu entgehen, ist es hilfreich, wenn die Servicceinheit (ggf. vor Absendung der Aufforderungsschreiben nach § 120 Abs. 4 ZPO) sich der Onlinemeldeauskunft bedient.

    Und das die Partei nur umzieht, weil sie sich der Überprüfung gem. § 120 Abs. 4 ZPO entziehen will, halte ich, vorsichtig ausgedrückt, für eine gewagte These.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Den Wiedereinsetzungsantrag kann er m. E. schon knicken, weil bisher keine Notfrist versäumt wurde. Damit wäre der schon mal raus.

    Was den Rest angeht: klingt wie dünnes Eis :) aber "als akademische Frage" schon interessant.
    So viele Sachen, wo die Parteien nicht durch einfache EMA zu ermitteln sind habe/hatte ich nicht, deshalb hat sich für mich das Problem so nicht gestellt.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wie schon oft erwähnt, bin ich (zumindest was die ordentliche Gerichtsbarkeit angeht) ein Verfechter davon, die Partei selbst und nicht den RA anzuschreiben.

    Danke. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass uns zu Zeiten der PKH-Überprüfung meist auch nicht mehr bekannt ist, wo die Partei steckt, weil wir mit dieser bereits seit, sagen wir mal, der Übersendung des Urteils keinen Kontakt mehr hatten.

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Nur zur Klarstellung:
    Bisher habe ich es absolut wie Ernst P. gesehen.

    Allerdings versuche ich etwas über den Tellerrand zu blicken und mal was Neues zu versuchen. Klar klingt das wie dünnes Eis, deswegen stelle ich das auch rein, damit das Eis anhand der rechtlichen Argumente etwas dicker wird.

    Ich werde mal die Tage versuchen meinen möglichen Nichtabhilfebeschluss reinzustellen. Könnten den ja in Gemeinschaftsarbeit umschreiben ;)


    Mir geht es nicht darum Argumente zu finden die dagegen sprechen, sondern Argumente, die dafür sprechen. Es soll ein rechtliches Konstrukt gebastelt werden, wie man einfach-rechtlich meinen Vostoß vertretbar finden kann/könnte.


    Denn halten wir uns doch mal vor den Augen: Sollte das klappen und die Sache geht noch höher bis zur letzten Instanz und wird dort sogar bestätigt. Überlegt euch mal, wie sich die Kollegen drauf stürzen würden, weil es die Arbeitsweise erheblich vereinfacht. Man muss ja auch an die Zukunft und die immer größer werdenden Pensen denken :D

    No risk - no fun und mehr als eine Watsche vom Richter gibts nicht. PKH-Verfahren sind auch kostenfrei - von daher ist es ähem "kostenneutral", wenn ich diesen Vorstoß wage.

  • Quest, ich finde die Ideen, die Grenzen auszutesten und mal denksportlich zu überlegen "was wäre wenn" Recht interessant. Denn nur so kann es eine Fortbildung des Rechts geben :daumenrau.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Zitat


    Wie schon oft erwähnt, bin ich (zumindest was die ordentliche Gerichtsbarkeit angeht) ein Verfechter davon, die Partei selbst und nicht den RA anzuschreiben.


    Ich bin sogar der Meinung, dass man die Partei anschreiben muss, kann mich aber - wie Gegs - einem gewissen Interesse und einer entsprechenden Neugier ob des ungewöhnlichen Vorstoßes nicht verschließen und sehe dem Beschwerdeergebnis entsprechend mit Interesse entgegen, auch, wenn ich persönlich eher zu der Erfolglosigkeit derselben neige (Gottfried, welch ein Deutsch! :eek:).

  • Finde das ganze interessant gehe hier aber auch von Erfolglosigkeit aus. Vorallem sollte man nicht versuchen das Umziehen als solches zu sanktionieren, da gerade in F-Sachen wo ja am meisten Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, eine gewisse Logik hat.

    Praktisch hab ich vor einer Prüfung nach § 120.IV ZPO immer eine EMA Anfrage gestartet, damit hab ich in den allermeisten Fällen schon eine neue Adresse gehabt.

    Bezüglich des Fortbestandes der Vollmacht des RA im PKH Verfahren befindet sich ja derzeit eine Sache beim BGH, denke da darf man bald Klärung erwarten.

  • Ich habe mir auch angewöhnt, spätestens vor Entzug der PKH durch eine EMA-Anfrage abzuklären, ob die Partei überhaupt noch dort wohnt, wo wir sie angeschrieben haben. Denn sie hat m. E. einen Anspruch darauf, dass wir sie anschreiben und sie unsere Schreiben auch tatsächlich erhält/ erhalten hat, bevor ihr die PKH entzogen wird.

    Auch bei uns im Haus wurde von der Post oftmals Post für Leute abgelegt :eek:, die schon lange nicht mehr im Haus wohnten, kein Schild mehr am Briefkasten hatten und unter Garantie einen Nachsendeauftrag eingerichtet hatten.

    Menschen dafür zu bestrafen, dass sie umziehen, halte ich für absurd und lebensfremd. Wenn wir uns vor Augen halten, dass es dabei um Menschen mit begrenztem Budget handelt, so kann der Umzug ja legitime Gründe haben - z. B.: Die Partei hat eine kostengünstigere Wohnung gefunden oder einen neuen Arbeitsplatz, für den sie umziehen muss.

    Und nirgends steht geschrieben, dass die Partei dem Gericht von sich aus ihren Wohnsitzwechsel mitteilen muss.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Das ist ja alles gut und schön, aber es entbindet die Partei nicht davor, sich ordnungsgemäß umzumelden, so dass sie ihre Post auch jederzeit erhält. Ich laufe da nicht hinterher.

  • Das ist ja alles gut und schön, aber es entbindet die Partei nicht davor, sich ordnungsgemäß umzumelden, so dass sie ihre Post auch jederzeit erhält. Ich laufe da nicht hinterher.

    Ja, natürlich. Aber Quest hat ja, wenn ich seinen Ausgangsfall richtig verstehe, nicht einmal Lust, eine EMA-Anfrage zu veranlassen, sondern wendet sich von Anfang an an den Anwalt.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Ich stimme Ernst P. zu.

    Inhaltlich halte ich das auch für sehr dünnes Eis. Momentan sehe ich nicht, was dafür spricht und gehe hier auch von Erfolglosigkeit aus.

    Den Aufsatz im Rpfleger habe ich jetzt nicht gelesen, meine aber, daß Voraussetzung des hier besprochenen Vorgehens doch sei muß, daß irgendwo (ZPO, Beiordnungsbeschluß) ausdrücklich erwähnt wird, daß die Beiordnung sich auch auf das PKH-Überprüfungsverfahren erstreckt. Hier soll ein (vermeintliches) Fehlverhalten sanktioniert werden, also muß der Partei auch vorher deutlich gemacht werden, wie sie sich verhalten muß, um dies zu vermeiden.

    Ich finde es, offen gesagt, durchaus nachvollziehbar, daß die Zustellung an den Rechtsanwalt unter Inkaufnahme fehlenden Kontakts zur Partei beschwerdewürdig ist.

    § 85 ZPO regelt die Wirkung der Prozeßvollmacht; ob die Vertretung der Partei insoweit von der Prozeßvollmacht abgedeckt ist, ergibt sich aus der Vorschrift nicht. Nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO hat die Partei sich ggf. zu erklären, denknotwendig nach erfolgter Beiordnung. Daraus folgt für mich, daß man dies nicht auf den Rechtsanwalt abwälzen kann.

    Was soll das im übrigen für den Einzug der rückständigen PKH bringen? Die Partei ist und bleibt weg...


  • Was soll das im übrigen für den Einzug der rückständigen PKH bringen? Die Partei ist und bleibt weg...

    Genau, den Gesichtspunkt hatte ich vergessen zu erwähnen:

    Ich möchte Euch einen Fall vorstellen, den ich ehrlich gesagt auch absichtlich provoziert habe. Mir geht es nämlich gewaltig auf den Zeiger, dass die PKH-Partei während der 4 Jahresfrist mal eben umzieht und man nicht ermitteln kann wo die sind. Solches Verhalten will ich sanktionieren und versuche ein rechtliches Konstrukt hierfür aufzubauen. Falls das klappt und die PKH-Parteien demnächst einfach die nächsten 4 Jahre untertauchen wollen, um z.B. den Rückzahlungen zu entgehen, werden Sie feststellen, dass die Kosten zum Soll gestellt sind und schon alles über die Bühne gegangen ist.

    ... das funktioniert nicht, denn ohne Adresse der Partei kann auch keine Sollstellung erfolgen. Es ist nämlich Sache des Kostenbeamten, die Adresse des Kostenschuldners bei der Kostenrechnung anzugeben.


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  • Ja, natürlich. Aber Quest hat ja, wenn ich seinen Ausgangsfall richtig verstehe, nicht einmal Lust, eine EMA-Anfrage zu veranlassen, sondern wendet sich von Anfang an an den Anwalt.



    Das hatte ich auch so verstanden und kommt für mich - siehe Ernst P. - nicht in Betracht. Ich mache mir aber keine Mehrarbeit für Dinge, die in den Verantwortungsbereich der PARTEI fallen. Wer nicht ordnungsgemäß mitspielt, hat auch die Folgen zu tragen. Väddisch (bis zum RM-Gericht :teufel:).

  • :nixweiss:Ich kann Dir nur sagen, wer so etwas NICHT macht... :teufel:

  • :unschuldi

  • ... das funktioniert nicht, denn ohne Adresse der Partei kann auch keine Sollstellung erfolgen. Es ist nämlich Sache des Kostenbeamten, die Adresse des Kostenschuldners bei der Kostenrechnung anzugeben.



    Richtig, das ganze Konstrukt ist doch unnütz, wenn die Forderung eh nicht durchgesetzt werden kann...

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