Versagung Zuschlag

  • Hallo zusammen,

    hatte schon von meinem Versteigerungstermin vor zwei Wochen berichtet (Erbbaurecht). Heute ist Verkündungstermin.
    Nunmehr geht Antrag auf Versagung des Zuschlags vom Schuldner-Vertr. ein, hilfsweise Antrag auf einstw. Einstellung gemäß § 765a ZPO.

    Im ersten Termin Gebot der Stadt von 27.000,00 EUR bei einem Verkehrswert von 1.295.000,00 EUR. Versagung des Zuschlags gemäß § 85a ZVG.

    Im zweiten Termin Gebot der Firma Y (Wohnungs.-ges., selbe Anschrift wie Stadt) von 29.000,00 EUR + Antrag nach § 33 ZVG. Versagung Zuschlag + einstw. Einstellung. Fortsetzung.

    Im dritten Termin Gebot der Firma Y von 100.000,00 EUR. Entscheidung über Zuschlag für zwei Wochen ausgesetzt (Antrag Gl. + Schuldnerschutz wegen Gebot unter 3/10).

    Laut Schuld.-Vertr. handelte es sich bei Gebot der Stadt um Scheingebot, so dass die Grenzen des § 85a ZVG noch bestehen und ich den Zuschlag jetzt versagen müsste. Stadt hat laut Sch.-Vertr. kein Gebot abgegeben, aus dem zu entnehmen wäre, dass sie ernsthaft an dem Erwerb des Grdst. interessiert war. Gebot wurde "geradezu aus Jux abgegeben". Eine sachliche Begründung lässt sich nicht finden.

    In einer halben Stunde wäre Verkündungstermin. Wie gehe ich nun weiter vor? Kann ich den Termin verschieben und erst mal Gl., Meistbietende (Y) und Stadt anhören?
    Muss ich ermitteln, ob es sich um ein Scheingebot gehandelt hat (BGH vom 24.11.2005, V ZB 98/05)?

    Hilfe!

  • Schon vor Beginn des Termins sind Vertreter der Presse erschienen. Ich habe die Termine durchgeführt, die Anträge des Schuldner-Vertr. genannt und den Verkündungstermin vertagt. Nun höre ich Gl., Meistbietende und Stadt an.

  • Schon vor Beginn des Termins sind Vertreter der Presse erschienen.



    Kann man nicht verhindern.

    Zitat

    Nun höre ich Gl., Meistbietende und Stadt an.



    Nach dem SV ist die Stadt nicht Gl., so dass ich den Zuschlag erteilt hätte.

  • Der BGH hat in der zitierten Entscheidung lediglich auf ganz offensichtliche Absichten eines Gläubigervertreters abgestellt:

    "Da auch kein anderer Bieter geboten hat, legt seine Verhaltensweise die Annahme nahe, dass er den Zuschlag nicht einmal zu einem weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegenden Gebot (vgl. BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 27/04, Rpfleger 2005, 151: 12 % des Verkehrswerts) erhalten wollte. Das lässt möglicherweise darauf schließen, dass er von Anfang an nicht an dem Erwerb des Grundstücks interessiert war."

    Genau das ist vorliegend jedoch fraglich.
    Aufgrund des bislang vorliegenden Sachverhalts hat doch die Stadt und später eine offenkundig von ihr getragene Wohnungsbaugesellschaft in weiteren Terminen geboten und auch die Absicht gehabt, den Grundbesitz zu ersteigern.
    Der BGH hat in seiner umstrittenen Entscheidung doch lediglich verhindern wollen, dass die Wertgrenzen an sich ad absurdum geführt werden (Scheingebot des Gläubigervertreters)
    Das erkenne ich hier nicht unbedingt.
    Eine Anhörung der anderen Parteien wird voraussichtlich keine neuen Erkenntnisse ergeben.

    Hinsichtlich des Antrags gem. § 765 a ZPO könnte man auf die Idee kommen, den Zuschlag zu versagen, um in einem weiteren Termin nochmals Gelegenheit zu geben, ein höheres Gebot zu erreichen (insbesondere aufgrund des doch erheblichen Mehrgebotes des letzten Termins).
    Das wurde hier auch landgerichtlich schon mal in einem aboluten Einzelfall gehalten.
    Diese Entscheidung ist jedoch von sehr vielen weiteren Faktoren und stark vom jeweiligen Sachverhalt und der Örtlichkeiten abhängig, so dass ich lediglich die Idee an sich vorstellen wollte, ohne dies als zwingend notwendiges Ergebnis anzusehen.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Ich hätte auch nicht vertagt und entschieden. Wenn die Stadt kein Gläubiger ist, muss man es ihr zugestehen, ein Grundstück zum geringsmöglichen Preis erwerben zu wollen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • .....und den Verkündungstermin vertagt.


    ...und riskierst weitere Einwendungen. Gem. Sachverhalt hätte ich in Bezug auf die dort dargestellten Einwände auch Zuschlag erteilt. Allerdings sind die dort genannten Werte (VKW und Gebot) ja unglaublich weit auseinander. Sowas würde mir Bauchschmerzen bereiten, aber derartiges kenne ich hier überhaupt nicht.


  • Allerdings sind die dort genannten Werte (VKW und Gebot) ja unglaublich weit auseinander. Sowas würde mir Bauchschmerzen bereiten, aber derartiges kenne ich hier überhaupt nicht.


    Ich kenne es auch nicht. Vermutlich würde ich den Zuschlag erteilen, da mir im Moment nichts einfällt, wie ich ihn versagen sollte.
    Aber die Diskrepanz ist -zumindest für mich- verdammt heftig.

  • Ich hätte auch nicht vertagt und entschieden. Wenn die Stadt kein Gläubiger ist, muss man es ihr zugestehen, ein Grundstück zum geringsmöglichen Preis erwerben zu wollen.

    dieses Argument ist schwerlich von der Hand zu weisen!

  • Hmm, dann besteht ja wohl Einigkeit dahingehend, dass der Zuschlag nicht aus den Gründen des § 85 a ZVG (erneut) zu versagen ist.

    Dennoch würde mich eine Ergänzung des Sachverhaltes hinsichtlich des heftigen Unterschiedes zwischen Gebot und Verkehrswert interessieren (zum Zwecke einer Prüfung gem. § 765 a ZPO).
    Gerade auch im Hinblick auf die Stadt als Ersteherin.
    Natürlich ist diese daran interessiert, das Grundstück möglichst günstig zu ersteigern.
    Es ist aber ungewöhnlich, dass die Stadt als seriöse Bieterin dann ein Abgleiten in die Sittenwidrigkeit riskiert.
    Oder wurde der VKW womöglich zu hoch geschätzt?
    Hat sich zwischenzeitlich etwas Gravierendes geändert?

    Erster Eindruck: Merkwürdige Geschichte.
    Irgendwie erscheint das Interesse der Presse verständlich :cool:

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    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Sorry, dass ich mich erst jetzt wieder melde.

    Ergänzung zum Sachverhalt:

    Es handelt sich um ein ehemaliges Pflegezentrum, dass weit außerhalb liegt. Bereits 2004 ist ein Zwangsversteigerungsverfahren angeordnet worden. Dieses blieb jedoch erfolglos (vier Termine). Aufhebung 2008, weil kein Fortsetzungsantrag nach einstweiliger Einstellung gestellt worden war.

    Schon damals gab es bei der Wertermittlung große Probleme. Nachdem die Schuldner dem Gutachter zunächst den Zutritt zum Grdst. und den Räumlichkeiten gänzlich untersagt hatten, konnte später zumindest eine Außenbesichtigung erfolgen. Der Wert wurde dann (2005) auf 3.595.000,00 € festgesetzt.

    Ende 2008 wurde erneut die Zwangsversteigerung (Grdst. und Erbbaurecht)beantragt. Dem Gutachter wurde abermals der Zutritt untersagt. Das Gutachten wurde dann 2009 erstellt (nur Außenbesichtigung, ohne Begehung des Grdst.). Wertfestsetzung: 1.295.000,00 EUR (Erbbaurecht), 272.000,00 € (Grdst.).

    Im ersten Verfahren (2004-2008) hat die Stadt im vierten Termin geboten: Mindestbargebot (62.000,00 € Erbbaurecht bzw. 42.000,00 € Grdst.).

    In diesem Verfahren (ab Ende 2008) hat die Stadt bzw. Firma Y im ersten (26.000,00 €/20.000,00 €) und zweiten Termin (29.000,00 €/22.000,00 €)wieder das Mindestbargebot geboten.

    Bei den jetzt vorliegenden Geboten bin ich davon ausgegangen, dass die Gläubigerin (Gesamtgrdsch.: über 3.000.000,00 EUR) die einstw. Einst. bewilligt. Aber diese möchte offensichtlich das Verfahren endlich abschließen. Es ist aus momentaner Sicht nicht zu erwarten, dass noch ein wesentlich höheres Gebot abgegeben wird.

    Es haben sich zwar immer wieder mal Interessenten gemeldet. Sogar die rechte Szene war an dem Objekt interessiert. Die Wertvorstellungen dürften aber weit unter dem jetzigen Gebot liegen.

    Auch wenn eine Anhörung der Gl. und der Stadt keine neuen Erkenntnisse liefert und offensichtlich die meisten nicht vertagt, sondern zugeschlagen hätten, muss ich gestehen, dass ich mich nicht in der Lage gesehen habe, in der Kürze eine Zuschlagsentscheidung mit einer ordentlichen Begründung zu treffen. Das Schreiben des Schuldnervertreters umfasst vier Seiten. Einen Antrag nach § 765a ZPO hatte ich bislang (bin erst seit kurzem dabei) noch nicht zu bearbeiten. Nun kann ich wenigstens in Ruhe eine Entscheidung treffen.

  • Da scheint ja irgendwas mit der Wertfestsetzung nicht zu stimmen. Innerhalb von 4 Jahren ist der Wert schonmal um 2 Millionen gesunken und jetzt gibt es nur Bieter, die nochmals mehr als eine Million weniger zu bieten geneigt sind.
    Die Stadt oder die Wohnungsgesellschaft scheint aber Interesse zu haben, das Objekt zu erstehen, da auch schon im ersten Verfahren geboten wurde. Insoweit dürfte das Argument des Juxgebotes wohl keine Grundlage haben.


  • Auch wenn eine Anhörung der Gl. und der Stadt keine neuen Erkenntnisse liefert und offensichtlich die meisten nicht vertagt, sondern zugeschlagen hätten, muss ich gestehen, dass ich mich nicht in der Lage gesehen habe, in der Kürze eine Zuschlagsentscheidung mit einer ordentlichen Begründung zu treffen. Das Schreiben des Schuldnervertreters umfasst vier Seiten. Einen Antrag nach § 765a ZPO hatte ich bislang (bin erst seit kurzem dabei) noch nicht zu bearbeiten. Nun kann ich wenigstens in Ruhe eine Entscheidung treffen.


    Das ist durchaus in Ordnung.
    Nicht jeder hat so viele Jahresringe aufzuweisen wie unsereiner oder der geschätze Mod S.

    Gib bitte gelegentlich Bescheid, wie das weitergegangen ist.

  • So, ein kurzer Zwischenbericht:

    Den Zuschlag habe ich erteilt.
    § 85a ZVG (-)
    § 765 a ZVG (?), habe mich aber dagegen entschieden. In einem Fortsetzungstermin ist mit keinem wesentlich höheren Gebot zu rechnen.

    Erwartungsgemäß ging Beschwerde vom Schuldnervertreter ein. Beschwerdebegründung folgt allerdings erst noch.

    Mal abwarten.

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