Wiedereinsetzung Beschwerde in Ehesachen und Familienstreitsachen

  • Die Rechtsfachwirt-Student(inn)en - und ich auch - kämpfen grad mit einem Problem, das ich einfach mal hier reinstelle, weil ich es keinem Subforum wirklich zuordnen kann. Es geht schlussendlich um Verfahrensrecht zum FamFG:

    Die Beschwerdefrist in einer Familienstreitsache (hier Unterhalt nach § 231 I FamFG) wurde versäumt. Es soll geprüft werden, ob eine Wiedereinsetzung möglich ist.

    Ich will hier auch gar nicht den Fall weiter ausbreiten, es geht eher um etwas grundsätzliches: Nach § 113 I FamFG wird § 17 FamFG für Ehesachen und Fam-Streitsachen (also auch unsere Unterhaltssache) ausgeschlossen. Es sollen stattdessen die Vorschriften der ZPO anwendbar sein.

    Die Beschwerdeparagrafen befinden sich nicht unter den ausgeschlossenen, die Sondervorschriften nach § 117 I bis V FamFG beziehen sich auf die Begründung der Beschwerde.

    Mein Gedanke ist, dass § 17 FamFG, da die Beschwerde für Familienstreitsachen nicht ausgeschlossen wurde, für die Beschwerde als Wiedereinsetzungsvorschrift als allgemeine Vorschrift gilt.

    Andere wiederum sind der Auffassung, dass § 17 FamFG ausgeschlossen wurde, also auch nicht für die Beschwerde herangzogen werden kann, statt dessen die Wiedereinsetzungsvorschriften der §§ 233 ff. ZPO gelten.

    Problem: § 233 ZPO sagt klar, dass es sich bei den versäumten Fristen um Notfristen (Legaldefinition § 224 ZPO) handeln muss oder um Begründungsfristen.

    Die Beschwerde nach FamFG ist aber weder eine Notfrist noch eine Begründungsfrist.

    Wo liegt der Denkfehler? Gibt es für Beschwerden in Ehe- und Familienstreitsachen keine Wiedereinsetzung, was mir persönlich unmöglich erscheint? In verschiedenen Kommentierungen, die die Studentinnen herangezogen haben, wird die Behauptung aufgestellt, dass die Beschwerde eine Notfrist sei (steht aber nicht im Gesetz), oder es wird einfach gesagt, dass § 117 FamFG auch für die Beschwerde gelte (steht auch nicht drin, da steht nur was von Beschwerdebegründung) und nach § 113 FamFG sollen die Beschwerdevorschriften ja weiter gelten, nur nicht die Vorschriften zur Beschwerdebegründung nach dem FamFG.

    Ich bin ratlos.

  • Wenn man § 113 I FamFG ließt, kommt es m. E. auf das letzte Wort besonders an. Hiernach sind die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden. Darum kommt es nicht darauf an, dass die Fristen im FamFG "einfache" Fristen sind. Wegen des ausdrücklichen Ausschlusses der Wiedereinsetzung gem. § 17 FamFG kann nur eine Wiedereinsetzung gem. §§ 233 ff ZPO beantragt werden. Auf den genauen Wortlaut der ZPO-Norm ist dabei nicht abzustellen. (Die Frist nach dem FamFG ist in Gedanken hinten mit anzufügen.)

  • Gut, streiten wir uns um die Wörter "analog" und "entsprechend". :)

    Es hätte "analog" dastehen müssen, weil es sich bei der Beschwerde nach dem FamFG nicht um eine ausgewiesene Notfrist handelt. "Entsprechend" heißt - so jedenfalls mein Verständnis dafür - dass die anzuwendene Vorschrift genau so und nicht anders anzuwenden ist. Geht aber mangels Notfrist nicht.

  • So, ich noch mal:

    Die Kommentierungen sind sich offenbar einig, dass § 17 FamFG als Wiedereinsetzungsvorschrift für die Beschwerde in Ehe- und Familienstreitsachen über § 113 FamFG tatsächlich ausgeschlossen ist. Es gehen alle einschlägigen Kommentatoren - jedenfalls so die Informationen der Studierenden - davon aus, dass § 233 ZPO auch auf die Beschwerde anzuwenden sei - ob analog oder entsprechend, ist noch nicht geklärt.

    Könnte man also behaupten, dass hier eine analoge Anwendung wegen des Vorliegens einer Regelungslücke ("entsprechend" geht ja wohl nicht, weil es sich eben nicht um eine ausgewiesene Notfrist handelt) stattfindet?

  • @Jamie

    Das ist so nicht richtig.

    Das Gesetz verweist innerhalb der Rechtsnormen, wenn diese wörtlich anzuwenden sind, in dieser Weise auf die verwiesene Norm. z.B.: § 1731 II BGB, § 51 III ZPO

    Sollen Normen, weil sie nicht im Wortsinne angewandt werden können, dennoch auf einen Sachverhalt "passend" gemacht werden, wird mit dem Zusatz "entsprechend" verwiesen. z.B.: §§ 1643 III, 1908i BGB


    Eine Analogie ist das Ausfüllen einer unplanmäßigen Gesetzeslücke durch Anwendung einer Norm mit einem ähnlichen Regelungsinhalt. z.B. §§ 241, 242 AktG für die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen einer GmbH

  • Ich kann § 233 ZPO aber nicht wörtlich anwenden. Das ist ja das Problem. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung nach der ZPO ist nur möglich für Notfristen (die nach § 224 ZPO legaldefiniert sind) oder aber für Begründungsfristen (Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde).

    Laut Sachverhalt wurde die Beschwerdefrist in einer Familienstreitsache versäumt. Diese ist aber - jedenfalls steht´s im FamFG nicht drin - keine Notfrist (und eine Begründungsfrist natürlich schon gleich gar nicht). Dann müsste irgendwo ab § 111 FamFG stehen, dass die Beschwerde in Ehe- und FamStreitsachen eben eine Notfrist ist, dann wäre § 233 ZPO entsprechend anzuwenden.

    Ich kann also § 233 ZPO nicht entsprechend anwenden.

    Ich weiß, es ist eigentlich nur eine Kleinigkeit, die aber darauf Einfluss haben könnte, ob der RA überhaupt einen Wiedereinsetzungsantrag stellen kann.

  • § 113 I FamFG verweist auf § 233 ff ZPO. Diese Normen sind, wegen dem Hinweis "entsprechend" aus Sicht des FamFG zu lesen. Damit ist in Gedanken die Beschwerdefrist des FamFG mit anzufügen. Damit wäre die Norm dann so zu lesen:

    War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten oder die Beschwerdefrist nach den Vorschriften des FamFG, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

    Eine Analogie ist nur erlaubt, wenn das Gesetz eine unplanmäßige Lücke enthält. Diese Lücken füllt der Gesetzgeber durch das Zulassen von entsprechenden Anwendungen, wenn er eine Norm mit ähnlichem Regelungsinhalt nicht zwei in verschiedene Gesetzbücher schreiben will.

  • Damit wäre die Norm dann so zu lesen:

    War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten oder die Beschwerdefrist nach den Vorschriften des FamFG, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.



    :gruebel: Ich bin noch nicht überzeugt. Ist das so einfach? In anderen Entsprechungen zeigt sich doch sonst so ein auffällliger Widerspruch auch nicht. Wenn da "entsprechend anzuwenden" drinsteht, funktioniert das auch, ohne dass man irgendwas "hinzulesen" müsste. :gruebel:

    Naja, erstmal Danke für die Denkanstöße. :)

  • Es ist so, wie es André D geschrieben hat.
    Die entsprechende Anwendung der §§ 233, 234 ZPO ermöglicht es, auch die Einlegung einer Beschwerde nach dem FamFG, die nicht Notfrist ist, unter diese Normen zu packen.
    Daher wäre gemäß §§ 113 I 1, FamFG, 133, 134 I 1 ZPO entsprechend, die Wiedereinsetzung binnen einer Frist von 2 Wochen zu beantragen.

    So war auch die Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/12717 Art. 8 Ziffer 1 Buchstabe m).

  • Zitat

    m) § 117 wird wie folgt geändert:
    aa) In Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz ein- gefügt:
    „Die Begründung ist beim Beschwerde- gericht einzureichen."
    bb) In Absatz 2 Satz 1 wird nach der Angabe „§§ 514", die Angabe „516 Abs. 3, 521 Abs. 2," eingefügt.
    cc) In Absatz 5 werden die Wörter „Einlegung und" gestrichen.



    Sicher, dass deine Quellenangabe so schtümmen tut im Zusammenhang mit der Beschwerde? :( § 117 FamFG betrifft die Beschwerdebegründung, nicht die Beschwerde selbst. Die ist auch in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 63 FamFG einzulegen und beträgt 1 Monat.







  • Ist ja nicht immer ein "hinzulesen". Machmal muss man auch einfach ein Wort austauschen. So stehen in allen von z.B. § 1908i BGB genannten Normern das Wort "Vormund". Damit wären die Normen für die Betreuung eigendlich nicht anwendbar, weil ein Betreuer nun mal kein Vormund ist. Durch die Erklärung der entschrechenden Anwendbarkeit kann man nun in jeder Norm gedanklich aus "Vormund" "Betreuer" machen, wegen § 1943 BGB in manchen Normen aus "Vormund" "Eltern" und wegen § 1915 I 1 BGB aus "Vormund" "Pfleger".

  • Dann war man aber beim Gesetzentwurf inkonsequent.

    Denn in § 113 V FamFG steht ausdrücklich: Bei Anwendung der ZPO tritt an die Stelle der Bezeichnung Prozess oder Rechtsstreit die Bezeichnung Verfahren, Klage die Bezeichnung Antrag etc.

    Bin ich ein Krümelkacker oder was? Nein, ich bin nicht die einzige bei den Rechtsfachwirtsmenschen, die so denkt, wie ich das oben geschrieben habe: Dass eine Entsprechung nicht funktioniert.

    Ich kann Wörter ersetzen oder austauschen (Vormund gegen Betreuer) bei einer Entsprechung aber nicht umdeuten und aus der zwingenden Voraussetzung, dass es sich um eine Notfrist oder eine Begründungsfrist handeln muss, machen, dass es (gedanklich) genügt, eine normale Beschwerdefrist zu haben. Es müsste sich aus dem FamFG ergeben, dass die Beschwerde (in der Familienstreitsache) ein Notfrist ist, dann passt § 233 ZPO auch entsprechend.

    *wieder mal ein bissi im kreis dreht* :oops:

  • Deswegen, weil es sich bei der Beschwerdefrist um eine "normale" Frist und um keine Notfrist oder Begründungsfrist handelt, geht eine direkte Verweisung auf die Norm nicht. Sonst würde in § 113 FamFG stehen: § 233 ZPO findet Anwendung. Steht da aber nicht, weil es eben wörtlich nicht passt. Da gebe ich dir Recht.

    Nun steht in § 113 FamFG aber, dass die Vorschriften der ZPO entsprechende Anwendung finden. Damit ist das "Manko", dass es sich bei der Beschwerdefrist nicht um eine Notfrist handelt, geheilt. Die Bechwerdefrist wird in die Reihe der anderen Fristen eingereit.

    Das Recht hat insoweit nichts mit Logik zu tun. Die Vorschriften sind für anwendbar erklärt und damit hat es sich. Manchmal ist es einfach so einfach.

  • In § 113 FamFG werden aber die Vorschriften über die Beschwerde selbst nicht ausgehebelt für Familienstreitsachen. §§ 58 ff. FamFG sind ausdrücklich nicht ausgenommen worden, sondern gelten weiter. Seltsamerweise aber der für die normale Beschwerde nach dem FamFG erforderliche Wiedereinsetzungsparagraf nicht.

    Weshalb wurde dann nicht konsequenterweise auch darauf verwiesen, dass die Vorschriften der ZPO für die Berufung (was dann die Beschwerde des FamFG notwendigerweise zur Notfrist machen würde) auf die Beschwerde in Familienstreitsachen entsprechend anzuwenden sind.

    In § 117 FamFG, in dem es um die Begründung der Berufung geht, werden ganz ausdrücklich §sogar einzelne Vorschriften (§ 514, 516 III, 521 II, 524 II 2 und 3 etc.) ZPO aufgeführt, die entsprechend auch für die Beschwerde gelten sollen. Warum gibt es keine ausdrücklichen Verweis darauf, dass die Beschwerde hier einer Notfrist unterliegen soll, der § 517 ZPO liegt doch mittendrin. Warum hat der Gesetzgeber diesen einen Punkt ausgelassen?

    Die ausdrücklich in § 117 FamFG angegebenen ZPO-Paragrafen erklären sogar, dass die Beschwerde gegen einen Versäumnisbeschluss (?) nicht eingelegt werden kann, dass bei Verzicht auf die Beschwerde der Verzicht wirksam ist, dass die Rücknahme des Rechtsmittels den Verlust des Rechtsmittels zur Folge hat usw. usf.

    Und § 117 V FamFG sagt sogar ausdrücklich, dass die Vorschriften der §§ 233, 234 ZPO auf die Begründung der Beschwerde entsprechend anzuwenden seien (Begründung ist logisch, die steht ja auch drin in § 233 ZPO).

    Welchen tiefen Sinn hat es da, dass ausgerechnet die Beschwerde nicht dahin führt, dass sie a.) eine Notfrist ist und b.) von der Wiedereinsetzung der §§ 233, 234 ZPO erfasst ist.

    Ich sehe nur diese unlogische Lücke. An alles ist gedacht nur nicht an die Beschwerde als Notfrist als Voraussetzung für die Wiedereinsetzungsvorschrift § 233 ZPO. Und § 17 FamFG darf ich nicht.

    Ich hab diese blöden §§ jetzt hin und her gewendet. Es fehlt ein Puzzleteil. :mad:

  • Nach einer tieferen Logik darf man da nicht suchen. Das FamFG ist ein Gesetz, mit dem man den Spagat schaffen wollte, zwei völlig unterschiedliche Verfahrenswelten ineinander zu pressen.
    Da stimmt vieles nicht und ist vieles nicht wirklich durchdacht. Man denke nur an die Sprungrechtsbeschwerde bei Genehmigungen.
    Wenn man wissen will, was der Gesetzgeber sich gedacht hat, hilft nur die BT-Drs.
    Für deinen Fall ist es aber auch nach der Bt-Drs. eindeutig. Es sollte für diesen Fall eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit binnen 2 Wochen nach §§ 233, 234 I 1 ZPO geben.
    Das man das hätte auch anders und eindeutiger regeln können, steht auf einem anderen Blatt.

  • So und nun die Lösung, Zöller kommentiert mal nicht so wild vor sich hin, sondern sagt, was Phase ist:

    Zitat

    So ihr fleißig Diskutierenden, jetzt muss ich auch mal meinen Senf dazugeben :D :
    Im Zöller § 63 Rn. 8 lautet es: "WE in die versäumte Beschwerdefrist ist in fG-Sachen gem. § 17 zu gewähren. In Ehe- und FamStreitsachen gelten gem. § 113 I §§ 233 ff ZPO wegen dieser Verweisung sa § 71 Rn 3"
    In § 71 Rn 3 wird sich auch über die Rechtsprechung ausgelassen, ich schreib euch das mal rein:
    "... In den Ehe- und FamStreitsachen (§§ 113, 121) bestimmt sich die WE gem. § 113 I nach §§ 233 ff ZPO. Zwar ist die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde in § 233 ZPO nicht genannt, es handelt sich auch nicht um eine Notfrist; dieser Begriff ist dem FamFG fremd. Ursprünglich war daher in § 117 V auch für die Einlegung der Rechtsmittel auf die §§ 233, 234 I 2 ZPO verwiesen worden. Da dies zu einer Monatsfrist für die WE auch hinsichtl. der Einlegung geführt hätte, ist die Verweisung bzgl. der Einlegung in § 117 V gestrichen worden. Dass damit auch der Verweis auf die Anwendung von § 233 ZPO und die Frist des § 234 I 1 ZPO entfernt wurde, ist erkennbar ein Redaktionsversehen infolge der komplexen und vom Gesetzgeber nicht immer durchgehaltenen Verweisungstechnik. Derartige Fehler stehen einer sachgerechten Auslegung nicht entgegen (BGH MDR 2009, 230). Vergleichbares gilt für die übrigen Verfahrensvorschriften der §§ 234 ff ZPO, z.B. zur Antragsfrist und den Anforderungen an den WE-Antrag. Auch insoweit ist die Verweisung unvollständig, die §§ 17 ff sind gem. § 113 I nicht anzuwenden. Sachgerecht ist die Lücke durch die entspr. ZPO-Vorschriften zu schließen."
    Daran halte ich mich jetzt, klingt für mich vernünftig, finde ich....



    Zitat von einer Refawi-Studentin aus einem anderen Forum. Und ich sach noch.... :) Nix entsprechend oder analog, schlicht redaktionell übersehen und auslegen.

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