Bindungswirkung gemeinschaftliches Testament

  • Eheleute haben 1977 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitíg zu Vorerben eingesetzt haben. Nacherbin und Schlusserbin des Letztversterbenden soll das einzige gemeinsame Kind sein.
    1978 ist die Mutter verstorben, der Vater ist als Erbe im Grundbuch eingetragen (der Grundbesitz hatte den Eheleuten zu je 1/2 gehört). Auf dem geerbten Anteil ist ein Nacherbenvermerk eingetragen.
    Nach dem Tod der Mutter hat der Vater erneut geheiratet und einen Erbvertrag mit der neuen Frau errichtet, an dem auch das Kind mitgewirkt hat. Die Eheleute haben das Kind bzw. Stiefkind jetzt als Vorerben eingesetzt. Nacherben sollen die Kinder des Kindes zu gleichen Teilen sein. Gleichzeitig hat der Vater Vermächtnisse zu Gunsten der neuen Ehefrau ausgesetzt (diese erhält Hausrat und Ersparnisse sowie ein Nießbrauchrecht am Grundbesitz).
    Konnte nach dem gemeinschaftlichen Testament und dem Tod der Mutter noch neu verfügt werden? Reicht es, dass die begünstigte Person an ihrer Schlechterstellung mitgewirkt hat?
    Die Bindkungwirkung gilt doch wohl zwischen den testierenden Eheleuten und nicht zwischen Vor- und Nacherben, geschützt sind die Interessen des zuerst verstorbenen Ehegatten.
    Nach welcher letztwilligen Verfügung richtet sich die Erbfolge? Wenn das erste Testament noch gültig ist, reicht dieses zur Grundbuchberichtigung aus oder muss ein Erbschein verlangt werden?
    Ich tendiere dazu, dass nur das erste Testament gilt.

  • Es ist zwischen den beiden Erbfolgen nach Vater und Mutter zu unterscheiden:

    Aufgrund des Todes der erstverstorbenen Mutter (1978) ist die Erbfolge für deren Hälfteanteil klar: Aufgrund des Todes des Vorerben (Vater) ist das Kind für diesen Hälfteanteil alleiniger Nacherbe geworden.

    Die Verfügung des nachverstorbenen Vaters im gemeinschaftlichen Testament (Schlusserbeneinsetzung des Kindes) war wechselbezüglich (vgl. § 2270 Abs.2 BGB). Es fragt sich somit, ob der Vater durch die erbvertragliche Mitwirkung des Kindes von dieser Bindung befreit wurde. Diese Frage betrifft aber nur den Hälfteanteil des Vaters.

    Dazu: Palandt/Edenhofer § 2271 Rn.12, 15.

  • ich würde sagen, dass nur gegenseitige Vor- und Nacherbfolge wechselbezüglich ist.
    Die Schlusserbeinsetzung des Kindes bezüglich des eigenen Vermögens ist nicht wechselbezüglich. Insofern kann der Vater über sein Vermögens ME frei verfügen.

  • Es geht hier nicht um die beiderseitige Schlusserbeneinsetzung, sondern um die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung durch den überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu seiner eigenen Erbeinsetzung durch den erstversterbenden Ehegatten. Das ist der "klassische" Fall des § 2270 Abs.2 BGB. Die Ehegatten haben sich gegenseitig bedacht und der Schlusserbe ist mit dem erstverstorbenen Ehegatten verwandt.

  • Es geht hier nicht um die beiderseitige Schlusserbeneinsetzung, sondern um die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung durch den überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu seiner eigenen Erbeinsetzung durch den erstversterbenden Ehegatten.



    Stimmt........Vor-Erbeinsetzung ist wechselbezüglich zur Schlusserbeinsetzung....
    ....wie immer korrekt, Cromwell :)

  • Vielen Dank für die Antworten.
    Nach der Kommentierung im Palandt muss ich wohl davon ausgehen, dass der Erbvertrag wirksam ist. Im Ergebnis würde das Kind damit Nacherbe des 1/2 Anteils der Mutter und Vorerbe des 1/2 Anteils des Vaters.
    Bin mal gespannt, was die Parteien von diesem Ergebnis halten.

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